Die Geburt Mariens und die Wiedergeburt der Kirche

Nur wenn wir von Maria ausgehen, erneuern wir die Kirche


Die Geburt der Jungfrau Maria von Domenico Ghirlandaio (1486–1490)
Die Geburt der Jungfrau Maria von Domenico Ghirlandaio (1486–1490)

Von Pater Ser­a­fi­no Lanzetta*

Anzei­ge

Wir fei­ern die Geburt der aller­se­lig­sten Jung­frau Maria mit einer Stro­phe aus dem Hym­nus von Man­zo­ni „Il Nome di Maria“ („Der Name Mari­ens“) , die auf dem Titel­blatt abge­druckt ist und im voll­stän­di­gen Wort­laut wie folgt lautet:

O Jung­frau, o Her­rin, o All­hei­li­ge,
Wel­che schö­nen Namen dir jede Zun­ge bewahrt!
Mehr als ein stolz Volk rühmt sich,
In dei­nem güti­gen Schutz zu stehen.

Die­se loben­de Anru­fung durch Man­zo­ni ist auf das Fres­ko von Dome­ni­co Ghir­lan­daio „Die Geburt der Jung­frau“ gelegt, das der flo­ren­ti­ni­sche Maler für die Basi­li­ka San­ta Maria Novel­la geschaf­fen hat. Kunst und Poe­sie fei­ern im Ein­klang die unaus­sprech­li­che Erha­ben­heit die­ser aller­se­lig­sten Frau, die von ihrem Schöp­fer und Herrn mit allen Gaben der Gna­de aus­ge­stat­tet wur­de, damit der Erlö­ser aus ihr gebo­ren wer­de und so bereits die Kir­che, der hei­li­ge Tem­pel Got­tes, der mysti­sche Leib des Herrn, gebil­det wer­de. Die Geburt Mari­as ist also ein Vor­zei­chen von Gna­de und Segen. Durch sie kommt Jesus; mit Jesus kommt durch Maria die Kir­che, kom­men die Sakra­men­te und alle gött­li­chen Gaben. Mit einem Wort: Die Geburt der Jung­frau mar­kiert den Beginn des Chri­sten­tums. Daher kann jeder neue Anfang nur von ihr kom­men, der immer­wäh­ren­den Jung­frau Mutter.

Mit Maria ent­steht die Kir­che, die wir alle in ihrer Grö­ße an Glau­ben, an Lie­be zum Herrn und an Zeug­nis in der Welt über die Wahr­heit und die Ein­zig­ar­tig­keit des Evan­ge­li­ums wie­der­erblü­hen sehen möch­ten. Sehr oft ernied­rigt durch zu mensch­li­che pasto­ra­le Sicht­wei­sen oder durch anthro­po­zen­tri­sche Ideo­lo­gien, die den Glau­ben durch Pra­xis ersetzt haben, kann die Kir­che wie­der leuch­ten wie ein hel­ler Stern, wenn wir bei Maria, bei einer tie­fen Ver­eh­rung für sie, neu begin­nen. Die Frucht­bar­keit der Kir­che hängt vom Kreuz ab, wie uns Papst Leo XIV. in Erin­ne­rung ruft, und es ist am Fuße des Kreu­zes, wo die Jung­frau unse­re Mut­ter wur­de und daher auch die Mut­ter der Kir­che. In einer tief­grün­di­gen Pre­digt am 9. Juni 2025, anläß­lich der Hei­lig-Jahr-Fei­er des Hei­li­gen Stuhls, sag­te Leo XIV.: „Die Mut­ter­schaft Mari­as hat durch das Geheim­nis des Kreu­zes einen unvor­stell­ba­ren Sprung gemacht: Die Mut­ter Jesu wur­de zur neu­en Eva, weil der Sohn die­se Ver­bin­dung zwi­schen ihr und sei­nem Erlö­sungs­tod her­stell­te, der Quel­le neu­en und ewi­gen Lebens für jeden Men­schen, der in die­se Welt kommt.“

„Neue Eva“ oder „zwei­te Eva“, wie es der hei­li­ge John Hen­ry New­man bevor­zugt, indem er die gro­ßen Kir­chen­vä­ter der ersten Jahr­hun­der­te zitiert, bedeu­tet zu sagen, daß Maria die wah­re „Mut­ter aller Leben­di­gen“ ist (Gen 3,20), also die­je­ni­ge, die uns in den Wehen eines schmerz­haf­ten und mit­hel­fen­den Gebä­rens gezeugt hat. Die Geburt Jesu in Beth­le­hem war jung­fräu­lich, ohne Wehen oder Ver­let­zun­gen des Lei­bes. Am Kal­va­ri­en­berg war unse­re Geburt schmerz­haft, durch­zo­gen von Mit-Lei­den. „Unse­re Mut­ter“ ist daher ein Syn­onym für „Mit­erlö­se­rin“, ein Begriff, der oft mit Miß­trau­en betrach­tet wird, aber der in sei­ner Ein­fach­heit und Unmit­tel­bar­keit die­se Wahr­heit aus­drückt: Maria hat uns mit Jesus am Kal­va­ri­en­berg zu einem neu­en Leben in der Ewig­keit neu gebo­ren, zu jenem Leben, das uns auf­grund des Unge­hor­sams von Eva und Adam ver­wehrt war. Auf Gol­go­ta, als eine glor­rei­che und schmerz­li­che Ankunft, ent­steht die Kir­che, gebo­ren aus der Sei­te Chri­sti und den Wehen der mit­hel­fen­den Geburt der Jungfrau.

Papst Leo XIV. füg­te in der­sel­ben Pre­digt einen beson­ders frucht­ba­ren Punkt der Leh­re hinzu: 

„Die Frucht­bar­keit der Kir­che ist die­sel­be wie die Frucht­bar­keit Mari­as, und sie ver­wirk­licht sich im Leben ihrer Glie­der in dem Maße, in dem sie „im Klei­nen“ nach­emp­fin­den, was die Mut­ter gelebt hat, das heißt, sie lie­ben gemäß der Lie­be Jesu. Die gesam­te Frucht­bar­keit der Kir­che und des Hei­li­gen Stuhls hängt vom Kreuz Chri­sti ab.“

Die geist­li­che und kirch­li­che Mut­ter­schaft Mari­as, die am Fuße des Kreu­zes begann, wird im Abend­mahls­saal, in Erwar­tung des Para­kle­ten, von Refle­xen der Lie­be und Für­sor­ge geprägt. Hier ist Maria ein­deu­tig und öffent­lich die­je­ni­ge, die die Apo­stel um sich ver­sam­melt. Sie lehrt sie und erin­nert sie an alles, was der Mei­ster, ihr Sohn, gesagt und getan hat. Leo XIV. fährt fort in sei­ner Rede und zitiert eine tref­fen­de Aus­sa­ge von Bene­dikt XVI., daß Maria die „leben­di­ge Erin­ne­rung an Jesus“ ist: 

„Maria, im Abend­mahls­saal, ist durch die müt­ter­li­che Sen­dung, die sie am Fuß des Kreu­zes emp­fan­gen hat, im Dienst der ent­ste­hen­den Gemein­schaft: Sie ist die leben­di­ge Erin­ne­rung an Jesus, und als sol­che ist sie gewis­ser­ma­ßen der Anzie­hungs­pol, der die Unter­schie­de har­mo­ni­siert und dafür sorgt, daß das Gebet der Jün­ger ein­mü­tig ist.“

Es ist das Herz Mari­as, das uns Her­zens­über­ein­stim­mung bringt. Es ist das Leben in ihrem Her­zen, das uns die wah­re Har­mo­nie, die Con-cor­dia, von Glau­ben und Lie­be fin­den läßt. Maria ist daher die Mut­ter der Kir­che, weil sie alle zum neu­en Leben des Soh­nes gezeugt hat; sie hat die Apo­stel und alle Glie­der des mysti­schen Lei­bes Chri­sti gezeugt, damit alle, jeder nach dem Geschenk und dem Dienst, den er emp­fan­gen hat, im Dienst Chri­sti und des Evan­ge­li­ums ste­hen. Mut­ter der Kir­che, sagen wir es noch ein­mal, bedeu­tet den gebä­ren­den und mit­hel­fen­den Akt der Jung­frau. Dies zu leug­nen bedeu­tet ent­we­der, sich dem Titel ent­ge­gen­zu­stel­len – wie es bereits wäh­rend des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils eini­ge ver­such­ten, indem sie Papst Paul VI. dar­an hin­dern woll­ten, ihn zu ver­kün­den – oder ihn zu ent­wer­ten, indem Maria auf ein blo­ßes Sym­bol einer Mut­ter­schaft redu­ziert wird, deren wah­re Grund­la­ge im Myste­ri­um der Kir­che liegt. Wenn es Maria nicht gibt, gibt es kei­ne Kir­che. Maria geht der Kir­che vor­aus, und daher hängt die Kir­che von Maria ab. Die Erzeu­gung der Kir­che durch die Sakra­men­te hängt von der geist­li­chen Mut­ter­schaft Mari­ens ab, und die­se von ihrer Mit-Erlösung.

Maria ist also der Anfang. Ihre Geburt ver­kün­det die Geburt Jesu und jedes ein­zel­nen von uns zum Glau­ben an Ihn. Nur wenn wir von Maria aus­ge­hen, erneu­ern wir die Kir­che. Nur wenn wir Maria lie­ben, den auf­ge­hen­den Stern der Hei­lig­keit, fin­den wir in ihrem Unbe­fleck­ten Her­zen die wah­re Ein­tracht, die die Kir­che braucht: treu zu Jesus zu sein, indem wir die unun­ter­bro­che­ne apo­sto­li­sche Tra­di­ti­on respek­tie­ren und lie­ben, deren Mut­ter und Leh­re­rin sie ist. Wir wer­den die Her­zens­über­ein­stim­mung haben, wenn wir im Grun­de nur ein Herz haben: ihr rein­stes Herz.

*Pater Ser­a­fi­no M. Lan­zet­ta übt sei­nen prie­ster­li­chen Dienst in der Diö­ze­se Ports­mouth (Eng­land) aus, 2013 habi­li­tier­te er sich in Dog­ma­tik, er ist Dozent für Dog­ma­tik an der Theo­lo­gi­schen Fakul­tät von Luga­no und Redak­ti­ons­lei­ter der theo­lo­gi­schen Zeit­schrift Fides Catho­li­ca. Eine aktu­el­le Liste sei­ner Ver­öf­fent­li­chun­gen fin­det sich auf der Web­site der Theo­lo­gi­schen Fakul­tät Lugano.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana

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