
Von Pater Serafino Lanzetta*
Wir feiern die Geburt der allerseligsten Jungfrau Maria mit einer Strophe aus dem Hymnus von Manzoni „Il Nome di Maria“ („Der Name Mariens“) , die auf dem Titelblatt abgedruckt ist und im vollständigen Wortlaut wie folgt lautet:
O Jungfrau, o Herrin, o Allheilige,
Welche schönen Namen dir jede Zunge bewahrt!
Mehr als ein stolz Volk rühmt sich,
In deinem gütigen Schutz zu stehen.
Diese lobende Anrufung durch Manzoni ist auf das Fresko von Domenico Ghirlandaio „Die Geburt der Jungfrau“ gelegt, das der florentinische Maler für die Basilika Santa Maria Novella geschaffen hat. Kunst und Poesie feiern im Einklang die unaussprechliche Erhabenheit dieser allerseligsten Frau, die von ihrem Schöpfer und Herrn mit allen Gaben der Gnade ausgestattet wurde, damit der Erlöser aus ihr geboren werde und so bereits die Kirche, der heilige Tempel Gottes, der mystische Leib des Herrn, gebildet werde. Die Geburt Marias ist also ein Vorzeichen von Gnade und Segen. Durch sie kommt Jesus; mit Jesus kommt durch Maria die Kirche, kommen die Sakramente und alle göttlichen Gaben. Mit einem Wort: Die Geburt der Jungfrau markiert den Beginn des Christentums. Daher kann jeder neue Anfang nur von ihr kommen, der immerwährenden Jungfrau Mutter.
Mit Maria entsteht die Kirche, die wir alle in ihrer Größe an Glauben, an Liebe zum Herrn und an Zeugnis in der Welt über die Wahrheit und die Einzigartigkeit des Evangeliums wiedererblühen sehen möchten. Sehr oft erniedrigt durch zu menschliche pastorale Sichtweisen oder durch anthropozentrische Ideologien, die den Glauben durch Praxis ersetzt haben, kann die Kirche wieder leuchten wie ein heller Stern, wenn wir bei Maria, bei einer tiefen Verehrung für sie, neu beginnen. Die Fruchtbarkeit der Kirche hängt vom Kreuz ab, wie uns Papst Leo XIV. in Erinnerung ruft, und es ist am Fuße des Kreuzes, wo die Jungfrau unsere Mutter wurde und daher auch die Mutter der Kirche. In einer tiefgründigen Predigt am 9. Juni 2025, anläßlich der Heilig-Jahr-Feier des Heiligen Stuhls, sagte Leo XIV.: „Die Mutterschaft Marias hat durch das Geheimnis des Kreuzes einen unvorstellbaren Sprung gemacht: Die Mutter Jesu wurde zur neuen Eva, weil der Sohn diese Verbindung zwischen ihr und seinem Erlösungstod herstellte, der Quelle neuen und ewigen Lebens für jeden Menschen, der in diese Welt kommt.“
„Neue Eva“ oder „zweite Eva“, wie es der heilige John Henry Newman bevorzugt, indem er die großen Kirchenväter der ersten Jahrhunderte zitiert, bedeutet zu sagen, daß Maria die wahre „Mutter aller Lebendigen“ ist (Gen 3,20), also diejenige, die uns in den Wehen eines schmerzhaften und mithelfenden Gebärens gezeugt hat. Die Geburt Jesu in Bethlehem war jungfräulich, ohne Wehen oder Verletzungen des Leibes. Am Kalvarienberg war unsere Geburt schmerzhaft, durchzogen von Mit-Leiden. „Unsere Mutter“ ist daher ein Synonym für „Miterlöserin“, ein Begriff, der oft mit Mißtrauen betrachtet wird, aber der in seiner Einfachheit und Unmittelbarkeit diese Wahrheit ausdrückt: Maria hat uns mit Jesus am Kalvarienberg zu einem neuen Leben in der Ewigkeit neu geboren, zu jenem Leben, das uns aufgrund des Ungehorsams von Eva und Adam verwehrt war. Auf Golgota, als eine glorreiche und schmerzliche Ankunft, entsteht die Kirche, geboren aus der Seite Christi und den Wehen der mithelfenden Geburt der Jungfrau.
Papst Leo XIV. fügte in derselben Predigt einen besonders fruchtbaren Punkt der Lehre hinzu:
„Die Fruchtbarkeit der Kirche ist dieselbe wie die Fruchtbarkeit Marias, und sie verwirklicht sich im Leben ihrer Glieder in dem Maße, in dem sie „im Kleinen“ nachempfinden, was die Mutter gelebt hat, das heißt, sie lieben gemäß der Liebe Jesu. Die gesamte Fruchtbarkeit der Kirche und des Heiligen Stuhls hängt vom Kreuz Christi ab.“
Die geistliche und kirchliche Mutterschaft Marias, die am Fuße des Kreuzes begann, wird im Abendmahlssaal, in Erwartung des Parakleten, von Reflexen der Liebe und Fürsorge geprägt. Hier ist Maria eindeutig und öffentlich diejenige, die die Apostel um sich versammelt. Sie lehrt sie und erinnert sie an alles, was der Meister, ihr Sohn, gesagt und getan hat. Leo XIV. fährt fort in seiner Rede und zitiert eine treffende Aussage von Benedikt XVI., daß Maria die „lebendige Erinnerung an Jesus“ ist:
„Maria, im Abendmahlssaal, ist durch die mütterliche Sendung, die sie am Fuß des Kreuzes empfangen hat, im Dienst der entstehenden Gemeinschaft: Sie ist die lebendige Erinnerung an Jesus, und als solche ist sie gewissermaßen der Anziehungspol, der die Unterschiede harmonisiert und dafür sorgt, daß das Gebet der Jünger einmütig ist.“
Es ist das Herz Marias, das uns Herzensübereinstimmung bringt. Es ist das Leben in ihrem Herzen, das uns die wahre Harmonie, die Con-cordia, von Glauben und Liebe finden läßt. Maria ist daher die Mutter der Kirche, weil sie alle zum neuen Leben des Sohnes gezeugt hat; sie hat die Apostel und alle Glieder des mystischen Leibes Christi gezeugt, damit alle, jeder nach dem Geschenk und dem Dienst, den er empfangen hat, im Dienst Christi und des Evangeliums stehen. Mutter der Kirche, sagen wir es noch einmal, bedeutet den gebärenden und mithelfenden Akt der Jungfrau. Dies zu leugnen bedeutet entweder, sich dem Titel entgegenzustellen – wie es bereits während des Zweiten Vatikanischen Konzils einige versuchten, indem sie Papst Paul VI. daran hindern wollten, ihn zu verkünden – oder ihn zu entwerten, indem Maria auf ein bloßes Symbol einer Mutterschaft reduziert wird, deren wahre Grundlage im Mysterium der Kirche liegt. Wenn es Maria nicht gibt, gibt es keine Kirche. Maria geht der Kirche voraus, und daher hängt die Kirche von Maria ab. Die Erzeugung der Kirche durch die Sakramente hängt von der geistlichen Mutterschaft Mariens ab, und diese von ihrer Mit-Erlösung.
Maria ist also der Anfang. Ihre Geburt verkündet die Geburt Jesu und jedes einzelnen von uns zum Glauben an Ihn. Nur wenn wir von Maria ausgehen, erneuern wir die Kirche. Nur wenn wir Maria lieben, den aufgehenden Stern der Heiligkeit, finden wir in ihrem Unbefleckten Herzen die wahre Eintracht, die die Kirche braucht: treu zu Jesus zu sein, indem wir die ununterbrochene apostolische Tradition respektieren und lieben, deren Mutter und Lehrerin sie ist. Wir werden die Herzensübereinstimmung haben, wenn wir im Grunde nur ein Herz haben: ihr reinstes Herz.
*Pater Serafino M. Lanzetta übt seinen priesterlichen Dienst in der Diözese Portsmouth (England) aus, 2013 habilitierte er sich in Dogmatik, er ist Dozent für Dogmatik an der Theologischen Fakultät von Lugano und Redaktionsleiter der theologischen Zeitschrift Fides Catholica. Eine aktuelle Liste seiner Veröffentlichungen findet sich auf der Website der Theologischen Fakultät Lugano.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana
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