
Fundsache: Aus Memorie d’Oriente in Roma (Erinnerungen des Orients in Rom) von Kardinal Vincenzo Vannutelli (1836–1930):
Man gelangt also zum Altar der Cathedra des heiligen Petrus. Dieser Altar erhebt sich in erhabener Größe am Ende der gewaltigen Basilika und ist mit Recht dem Heiligen Geist geweiht, der seine Strahlen auf die Tiara und auf die Cathedra des heiligen Petrus sendet. Während man in der Confessio den Leib des heiligen Apostels verehrt, so betet man hier in Wahrheit die Seele der Kirche an, also den Heiligen Geist, den Paraklet, dessen Beistand dem römischen Lehramt und dem Triregnum (der dreifachen Krone) zugesichert ist, das über das Schicksal der Welt herrscht.
Rund um den durchscheinenden Strahlenkranz, in dem der Heilige Geist dargestellt ist, sieht man einen unklaren Wirbel von Lichtstrahlen und Engeln, die sich auf eine Weise bewegen, die vielleicht etwas zu menschlich erscheint. Das hindert jedoch nicht daran, daß die Lichtstrahlen des Heiligen Geistes direkt und rein das gläubige Volk erreichen, das sich in der Kirche befindet. Auch beeinträchtigt die künstlich wirkende Bewegung jener Engel in keiner Weise das Licht, das von der Cathedra, dem Triregnum und der Christenheit ausgeht. So wie ein menschlicher Makel, der sich etwa im Umfeld der höchsten Autorität oder ihres Hofes finden mag, nichts von der Reinheit und Heiligkeit des unfehlbaren Lehramts in Glaubens- und Sittenfragen mindert, das sich über die ganze Kirche erstreckt.
Der Osten sündigte gegen den Heiligen Geist, indem er dessen Ausgehen auch vom Sohn leugnete – und ihn dadurch zu hoch stellte, als daß man seinen Einfluß und sein Licht hätte empfangen können. Aber wenn die Sünde des Ostens auch lediglich ein politischer Vorwand einiger ehrgeiziger Prälaten war, um sich der Abhängigkeit vom Heiligen Stuhl zu entziehen, so waren die Gläubigen – unglückliche Opfer einer solchen Intrige – dennoch nicht in gleichem Maße schuldig; im Gegenteil, sie verdienen umso mehr Mitgefühl und Anteilnahme, da sie für ihr Unglück weniger verantwortlich sind.
Sie mögen sich zur Cathedra des heiligen Petrus wenden – und so können auch sie Anteil haben an dem Licht und dem Beistand des Heiligen Geistes, der einzig der katholischen Kirche zugesichert ist, welche dadurch unfehlbar und ewig wird.
Im übrigen sei wohl beachtet, daß die Cathedra des heiligen Petrus von vier Kirchenlehrern getragen wird – zwei aus dem Osten und zwei aus dem Westen: nämlich von Athanasius und Johannes Chrysostomos, Ambrosius und Augustinus. Darin drückt sich auf wunderbare Weise die Einheit von Osten und Westen in einem einzigen Glauben aus – in der einmütigen Unterordnung unter ein einziges Haupt des Apostolischen Kollegiums.
Mit Recht wurden Athanasius und Johannes Chrysostomos ausgewählt, den Osten bei der Stützung der Cathedra Petri zu vertreten: Beide waren Patriarchen, der eine von Alexandria, der andere von Konstantinopel. Denn sie hinterließen in ihren Schriften und Taten mehr als alle anderen unvergängliche Zeugnisse ihrer Treue zur römischen Kirche.
Der erste – verfolgt von den Arianern und durch ein illegitimes Konzil verurteilt – wandte sich an Papst Julius I. und kehrte, gestützt auf dessen höchste Autorität, in seinen Bischofssitz zurück, wobei er die katholische Einheit immer mehr förderte. Der andere – verfolgt und durch die sogenannte „Eichensynode“ verurteilt – wandte sich an Papst Innozenz I., um durch dessen oberste Entscheidung den Sieg seiner Sache zu erlangen.
Diese beiden Kirchenväter waren wahrlich die edelsten Stützen des Heiligen Stuhls im Osten, und ihre Schriften sollten den abtrünnigen Orientalen als wichtige Lehre dienen, um die Fehler des Schismas zu erkennen und sich mit der katholischen Einheit zu vereinen. Denn hier ist wirklich das „Zentrum der Einheit“ und die „Cathedra der Wahrheit“, gemäß der erhabenen Aussage des heiligen Augustinus. Wer sich davon trennt, hat keinen Anteil mehr am Leben, das vom Heiligen Geist ausgeht; vielmehr verdorrt er und stirbt – und ist zu nichts mehr nütze, als ins Feuer geworfen zu werden, wie ein dürrer und unbrauchbarer Zweig.
Wenn das Schisma des Ostens nicht noch schmerzhaftere Folgen hatte, so lag das daran, daß das Volk nicht in dem Maße schuldig war wie jene, die es verführten – und daß die göttliche Vorsehung es immer mit Augen mütterlichen Mitgefühls betrachtete, um es zur Einheit mit dem Heiligen Stuhl zurückzurufen.
Quelle: Memorie d’Oriente in Roma, Tipografia della Vera Roma, Roma, 1893, S. 112–116.
Der Dank für den Hinweis gilt Maria Guarini.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons