Die gemeinsame Präsenz der Kardinäle Dominique Mamberti und Mario Grech an der Seite von Papst Leo XIV. beim Segen Urbi et Orbi ließ sich kaum übersehen. Es drängte sich die Frage auf, warum diese beiden Purpurträger das Privileg hatten, sich mit dem Kirchenoberhaupt in dem Moment zu zeigen, der wie kein anderer über die Medien in alle Welt hinaus übertragen wird.
Zunächst konnte der Eindruck entstehen, hier seien die oft bemühten „Flügel“ der Kirche sichtbar und ausgleichend ins Bild gesetzt worden: Mamberti als eher konservative, Grech als progressive Stimme. Wollte Leo XIV. einen versöhnlichen Gestus setzen, indem er durch diese „Gleichberechtigung“ die Kirche ein, wie er es zu seinem Ziel erklärt hatte?
Diese Lesart bedarf jedoch einer Korrektur.
Denn während Kardinal Mamberti aus klaren protokollarischen Gründen auf der Mittelloggia stand – als Kardinalprotodiakon gehört seine Präsenz zum etablierten Zeremoniell –, gilt dies nicht für Kardinal Mario Grech. Der Generalsekretär der Bischofssynode hat keinen liturgisch oder zeremoniell vorgesehenen Platz beim päpstlichen Segen Urbi et Orbi.
Kurz gesagt: Traditionell gehört es weder zur Norm noch zur Usance, daß der Generalsekretär der Synode beim Segen Urbi et Orbi neben dem Papst erscheint. Der apostolische Segen ist ein rein päpstlicher Akt, der zu Weihnachten und Ostern (sowie bei außergewöhnlichen Anlässen) allein vom Papst gespendet wird. Er stellt den Papst als Bischof von Rom und Oberhaupt der Kirche bewußt ins Zentrum. Der Kardinalprotodiakon assistiert ihm dabei.
Ein Blick in die jüngere Kirchengeschichte bestätigt dies: Frühere Generalsekretäre der Bischofssynode, zuletzt Lorenzo Baldisseri (2013–2020), traten bei Urbi et Orbi nicht an der Seite des Papstes auf. Für Baldisseri gilt das nur für den Ostersegen 2024, als er allerdings bereits seit mehreren Jahren emeritiert war. Die liturgische Tradition sieht lediglich vor, daß der Kardinalprotodiakon oder die liturgische Assistenz bestimmte Ankündigungen macht – nicht jedoch, daß hochrangige Kurienbeamte sichtbar am päpstlichen Segen teilnehmen.
Gerade deshalb erhält die Präsenz Grechs besonderes Gewicht. Er allein ist der eigentliche „Inszenierte“ dieses Moments. Seine Anwesenheit ist keine Fortsetzung einer bestehenden Praxis, sondern eine bewußte Setzung. Sie markiert ein klares Signal: Papst Leo XIV. hält am synodalen Weg fest – das ist die Botschaft.
Brisant ist dies vor allem vor dem Hintergrund der bis zum Jahresende erwarteten Abschlußberichte der Studiengruppen zur Synodalität. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei dem Bericht des Dikasteriums für die Glaubenslehre zu „ministeriellen“ Fragen. Hinter dieser technischen Sprache – gemeint sind Dienste in der Kirche – bleibt das Thema der Diakoninnen weiterhin präsent.
Gleich nach Epiphanie, dem Weihnachtsfest der Ostkirche, unserem Dreikönigsfest, werden sich auf Einladung von Leo XIV. alle Kardinäle zum ersten außerordentlichen Konsistorium seit 2014 versammlen, um über kirchliche Frage zu berahten. Mit welchen Überraschungen ist nach dem vom Papst gewollten Auftritt von Kardinal Grech auf der Mittelloggia zu rechnen?
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va (Screenshot)

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