
Rose Docherty, eine 75 Jahre alte Großmutter, wurde zum zweiten Mal verhaftet und angezeigt, weil sie in weniger als 200 Metern Entfernung vom Queen Elizabeth University Hospital mit einer Spruchtafel stand, auf der zu lesen war: „Zwang ist ein Verbrechen. Wir sind hier, um zu reden – aber nur, wenn du das möchtest.“
Nun möchte man meinen, was an dieser Aufschrift strafrechtlich relevant sein sollte. Doch: In Schottland gelten im Umkreis von 200 Metern um jedes Krankenhaus sogenannte „Schutzzonen“, im Deutschen auch als „Bannmeilen“ bekannt, in denen „Belästigung, Einschüchterung und jegliche Form von Beeinflussung gegenüber Personen, die Abtreibungsdienste in Anspruch nehmen möchten, verboten sind“.
Obwohl Rose Docherty nur schweigend dastand, ein freiwilliges Gespräch anbot, niemanden aktiv ansprach, kein Wort von „Abtreibung“ zu lesen oder zu hören war, wurde Docherty beschuldigt, gegen die Schutzzonen-Regeln verstoßen zu haben. Es wurde die Polizei gerufen, die sie festnahm und Anzeige erstattete.
In einer Stellungnahme zu ihrer Verhaftung sagte Docherty gegenüber Alliance Defending Freedom (ADF International):
„Jeder Mensch hat das Recht, einvernehmliche Gespräche zu führen. Ich habe mein Schild mit Liebe und Mitgefühl hochgehalten, um jedem, der reden wollte, ein Gespräch anzubieten – und ich stand friedlich da, ohne jemanden anzusprechen.
Ich sollte nicht wie eine Kriminelle behandelt werden, nur weil ich Menschen angeboten habe, mit mir zu sprechen und ihnen zuzuhören. Gespräche sind auf den Straßen Glasgows nicht verboten. Und doch ist das nun schon das zweite Mal, daß ich genau deswegen verhaftet wurde.“
Im August hatten die schottischen Behörden ein Verfahren gegen Docherty eingestellt, das sich auf denselben Vorfall mit demselben Schild am selben Ort bezog. Dies geschah nach internationalen Protesten gegen die Verhaftung einer 75jährigen Großmutter, die sich nichts zuschulden hatte kommen lassen. Ausschlaggebend für die Niederschlagung des Verfahrens dürfte eine kritische Äußerung des US-Außenministeriums in einem Online-Beitrag gewesen sein.

Nach ihrer erneuten Verhaftung in dieser Woche wurde Docherty mehrere Stunden in Polizeigewahrsam gehalten. Trotz der Tatsache, daß sie bereits zwei Hüftoperationen hinter sich hat, wurde ihr verweigert, in ihrer Zelle auf einem Stuhl zu sitzen.
Sie wurde schließlich angeklagt und gegen Kaution freigelassen. Die strengen Auflagen ihrer Freilassung untersagen ihr nun sogar den Aufenthalt in einem deutlich erweiterten Bereich der ursprünglichen Schutzzone – ein Schritt, den das Juristenteam von ADF International als „unverhältnismäßig“ bezeichnet. Lorcan Price, Rechtsberater von ADF International, kommentierte:
„Es ist zutiefst beunruhigend, daß die Ressourcen der schottischen Polizei dafür verwendet werden, eine friedliche Großmutter zu verhaften und strafrechtlich zu verfolgen, nur weil sie öffentlich das Gespräch mit Menschen sucht – anstatt sich auf die echten Probleme durch Kriminalität in Glasgow zu konzentrieren.
In diesem Fall geht es nicht um Belästigung, Einschüchterung oder gewaltsamen Protest – es geht schlicht um eine Großmutter, die ein Schild hochhält und jedem, der das möchte, ein Gespräch anbietet.“
Die Initiatorin des Gesetzes, Gillian Mackay, Abgeordnete des schottischen Parlaments und Vorsitzende der schottischen Grünen, räumte Anfang dieses Jahres gegenüber BBC Scotland ein, daß Verbote im Gesetz über Schutzzonen so vage formuliert sind, daß Menschen sogar strafrechtlich verfolgt werden könnten, weil sie sichtbar durch ein Fenster ihres Hauses innerhalb einer solchen Zone beten. Das sei eben „abhängig davon, wer gerade am Fenster vorbeigeht“, meinte Mackay lakonisch.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: adfinternational.org
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