Skandal um Ex-Diplomaten und Priester: Carlo Capella fordert Papst Leo XIV. heraus

Wie wird Leo XIV. mit dem homosexuellen Mißbrauch umgehen?


Ein ehemaliger Vatikandiplomat wurde zu fünf Jahren Haft verurteilt, bekam aber nach seiner Haftentlassung wieder einen Schreibtisch im Staatssekretariat
Ein ehemaliger Vatikandiplomat wurde zu fünf Jahren Haft verurteilt, bekam aber nach seiner Haftentlassung wieder einen Schreibtisch im Staatssekretariat

Car­lo Alber­to Capel­la, einst Diplo­mat an der Apo­sto­li­schen Nun­tia­tur in Washing­ton, sorgt erneut für Schlag­zei­len, die­ses Mal in der Washing­ton Post. Der 58jährige ita­lie­ni­sche Prie­ster war wegen Besitz und Ver­brei­tung von Kin­der­por­no­gra­phie ver­ur­teilt wor­den. Nach sei­ner Haft­ent­las­sung 2022 wur­de er unter Papst Fran­zis­kus über­ra­schend wie­der in den Dienst der vati­ka­ni­schen Staats­se­kre­ta­ri­ats auf­ge­nom­men – ein Schritt, der hef­ti­ge Kri­tik von Opfer­schutz­grup­pen her­vor­rief, die damit nun erneut Zugang zu füh­ren­den Medi­en erlang­ten, die den Druck auf Leo XIV. erhöhen.

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Der Fall Capel­la war 2017 öffent­lich gewor­den, als bekannt wur­de, daß US-Behör­den über zwei Jah­re gegen ihn ermit­telt hat­ten. Trotz eines Antrags des US-Außen­mi­ni­ste­ri­ums auf Auf­he­bung sei­ner diplo­ma­ti­schen Immu­ni­tät ver­wei­ger­te der Vati­kan die­se unter Ver­weis auf gel­ten­des Recht und hol­te ihn statt­des­sen, wie es für Diplo­ma­ten aller Staa­ten der Fall ist, in sein Dienst­ge­ber­land zurück, kon­kret in den Vati­kan. Dort gestand Capel­la vor einem vati­ka­ni­schen Gericht die Tat, wur­de 2018 zu fünf Jah­ren Haft ver­ur­teilt und saß die­se im klein­sten Gefäng­nis der Welt ab – in der vati­ka­ni­schen Haft­an­stalt, in der es nur drei Zel­len gibt.

Nach­dem er auf­grund von guter Füh­rung in der ersten Jah­res­hälf­te 2022 vor­zei­tig ent­las­sen wur­de, kehr­te Capel­la mit Jah­res­be­ginn 2023 zu einem Schreib­tisch an der Römi­schen Kurie zurück. Sein Tätig­keits­be­reich umfaßt vor allem Über­set­zun­gen und Archiv­ar­beit, direk­ten Kon­takt zu Gläu­bi­gen oder die Aus­übung prie­ster­li­cher Funk­tio­nen ist ihm ver­bo­ten. Laut sei­nem Anwalt wur­de ihm zudem der Ehren­ti­tel „Mon­si­gno­re“ aberkannt. For­mell ist er wei­ter­hin Teil des Staatssekretariats.

Die­se Wie­der­ein­glie­de­rung löste Empö­rung aus, beson­ders bei dem selbst nicht unum­strit­te­nen Sur­vi­vors Net­work of tho­se Abu­sed by Priests (SNAP). Der Vor­wurf lau­tet: Ein ver­ur­teil­ter Täter, der kin­der­por­no­gra­phi­sches Mate­ri­al kon­su­miert hat, habe im Vati­kan kei­ner­lei Rol­le zu spie­len. In der Tat wäre es denk­bar, Capel­la ganz ande­re Auf­ga­ben im Vati­kan zu über­tra­gen und nicht eine am Staats­se­kre­ta­ri­at oder an der Kurie.

Eini­ge Orga­ni­sa­tio­nen sehen die Gele­gen­heit eines neu­en Pap­stes, um media­le Auf­merk­sam­keit zu errei­chen, was ihm auch gelun­gen ist. Seit dem Pon­ti­fi­kat von Johan­nes Paul II. tra­fen alle Päp­ste mehr oder weni­ger inten­si­ve Vor­wür­fe, zu wenig gegen sexu­el­len Kin­des­miß­brauch durch Kle­ri­ker unter­nom­men zu haben. Dabei gab es aller­dings deut­li­che Unter­schie­de. Wäh­rend Bene­dikt XVI. von den USA aus mit inter­na­tio­na­lem Haft­be­fehl gedroht wur­de, faß­te man Fran­zis­kus mit Samt­hand­schu­hen an. Selbst Skan­da­le wie der um Kar­di­nal McCar­ri­ck, immer­hin einst Erz­bi­schof von Washing­ton, schie­nen am argen­ti­ni­schen Papst abzu­pral­len. Dafür sorg­ten die mei­nungs­füh­ren­den Medi­en, eben jene, die gegen Bene­dikt XVI. ganz ande­re Töne ange­schla­gen hatten.

Anfra­gen zur Tätig­keit von Capel­la blei­ben von vati­ka­ni­schen Stel­len unbe­ant­wor­tet, was an sich nicht wei­ter ver­wun­dert. Es gibt eine begrün­de­te Aus­kunfts­pflicht. Es gibt aber kei­ne Ver­pflich­tung, PR-Aktio­nen irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen zu unterstützen.

Die Washing­ton Post ver­weist auf einen hoch­ran­gi­gen anony­men Mit­ar­bei­ter des Vati­kans, der beton­te, daß Capel­la eine Tätig­keit ohne öffent­li­chen Kon­takt aus­übt und damit eine Chan­ce zur „Wie­der­gut­ma­chung“ erhal­te. Gleich­zei­tig räum­te er ein, daß eini­ge Opfer­ver­bän­de dies nicht akzep­tie­ren würden.

Par­al­lel sorgt auch ein fran­zö­si­scher Fall für Auf­se­hen: Dort wur­de ein Prie­ster, der 1993 wegen Ver­ge­wal­ti­gung eines Jugend­li­chen ver­ur­teilt wur­de, von einem Erz­bi­schof zum Kanz­ler ernannt – mit der Begrün­dung der zeit­li­chen Distanz und der mora­li­schen Pflicht zur Ver­ge­bung. Auch hier for­dern Opfer­grup­pen Papst Leo XIV. zum Ein­grei­fen auf.

Gleich nach der Wahl von Leo XIV. erfolg­ten gera­de­zu kon­trä­re Reak­tio­nen. Miß­brauchs-Exper­ten stell­ten ihm ein sehr gutes Zeug­nis aus, wäh­rend eini­ge Opfer­ver­bän­de ihn durch Vor­wür­fe unter Druck zu set­zen ver­such­ten. Vor allem SNAP wur­de in der Ver­gan­gen­heit vor­ge­wor­fen, viel Selbst­dar­stel­lung und Eigen­pro­mo­ti­on zu betreiben.

Der Fall Capel­la illu­striert natür­lich ein grund­le­gen­des Dilem­ma der katho­li­schen Kir­che. Die Insze­nie­rung durch inter­es­sier­te Krei­se, als sei das sexu­el­le Miß­brauchs­pro­blem ein vor­ran­gi­ges Pro­blem der Kir­che, will geziel­ten Druck erzeu­gen und auch von ande­ren Schau­plät­zen ablen­ken. Tat­sa­che ist jedoch, daß es das Pro­blem gibt und mit den auch von bestimm­ten kirch­li­chen Sei­ten geför­der­ten gesell­schaft­li­chen Umbrü­chen seit dem kirch­li­chen wie welt­li­chen 68er Jahr zusam­men­hängt. Für die Kir­che kommt noch das Pro­blem hin­zu, wie die Leh­re von Barm­her­zig­keit und Buße mit der berech­tig­ten For­de­rung nach Gerech­tig­keit und Opfer­schutz ver­eint wer­den kann?

Mit dem Fall Capel­la wur­de die Fra­ge nach dem Umgang mit Miß­brauchs­tä­tern auch Leo XIV. auf den Schreib­tisch geknallt. Wird er, wie der von den Medi­en unter­stütz­te Fran­zis­kus, das eigent­li­che Pro­blem aus­klam­mern oder beim Namen nen­nen? Min­de­stens 80 Pro­zent aller Miß­brauchs­fäl­le durch Kle­ri­ker betref­fen homo­se­xu­el­len Miß­brauch. Die Miß­brauchs­gei­ßel, die die Kir­che quält, ist ein homo­se­xu­el­les Pro­blem. Das ver­schwieg Fran­zis­kus und das ver­schwei­gen gan­ze Bischofs­kon­fe­ren­zen, dar­un­ter die deut­sche und die belgische.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Vati­can­Me­dia (Screen­shot)

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