Wie amerikanisch ist der neue Papst?

Eine US-amerikanische Diskussion


Pater Robert Francis Prevost in seiner Zeit als Generalprior des Augustinerordens mit Papst Benedikt XVI.
Pater Robert Francis Prevost in seiner Zeit als Generalprior des Augustinerordens mit Papst Benedikt XVI.

Alle Sei­ten bemü­hen sich, dem neu­ge­wähl­ten Papst Leo XIV. Rosen zu streu­en und ihn ihrer Treue und Anhäng­lich­keit zu ver­si­chern. Aus­nah­men bestä­ti­gen die Regel. Das hat sei­ne Grün­de vor allem dar­in, daß der 267. Stell­ver­tre­ter Chri­sti auf Erden noch all­ge­mein ein recht unbe­schrie­be­nes Blatt ist. Das soll­te durch­aus als posi­tiv gese­hen wer­den. Und natür­lich ver­su­chen sich alle Sei­ten, beson­ders auch die höch­sten Kir­chen­män­ner und Kuria­len mit dem neu­en Kir­chen­ober­haupt gut zu stel­len. Die Fol­ge sind sehr kon­trä­re Puz­zle­tei­le, die auf das Feld gewor­fen wer­den. Das sorgt für eine gewis­se Ver­wir­rung und Unsi­cher­heit. Sowohl Pro­gres­si­ve als auch Kon­ser­va­ti­ve bemü­hen sich, Leo XIV. auf die eine oder ande­re Wei­se zu ver­ein­nah­men. Dahin­ter steht eine sehr spe­zi­el­le Dis­kus­si­on in den USA nicht zurück.

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Die­se unter­schied­li­chen und oft gegen­sätz­li­chen Stim­men, die sich der­zeit erhe­ben, soll­ten nur beding­te Auf­merk­sam­keit fin­den. Die Aus­rich­tung des Pon­ti­fi­kats wird sich bald zei­gen. Vor­erst darf es – ange­sichts der Aus­gangs­la­ge im Kon­kla­ve – als erfreu­lich gese­hen wer­den, daß kei­ne ein­sei­ti­ge pro­gres­si­ve Stoß­rich­tung erfolgt ist, viel­mehr auf pro­gres­si­ver Sei­te nicht min­der Unsi­cher­heit herrscht als auf kon­ser­va­ti­ver, und die Pro­gres­si­ven in nicht gerin­ge­rem Maße um die Gunst Leos XIV. buh­len. In der Tat vor­erst eine mit der nöti­gen Zurück­hal­tung zu sehen­de erfreu­lich posi­ti­ve Situation.

In den USA ist eine ganz eige­ne Dis­kus­si­on im Gan­ge. Leo XIV. ist der erste US-Ame­ri­ka­ner auf dem Stuhl Petri. An die­ser Stel­le wur­de bereits dar­auf ver­wie­sen, daß noch 2013 die Wahl eines US-Ame­ri­ka­ners von den US-Kar­di­nä­len selbst als ungün­stig gese­hen und davon abge­ra­ten wur­de. Allein die­se Ver­än­de­rung, die in den ver­gan­ge­nen zwölf Jah­ren ein­ge­tre­ten ist, sorgt für Dis­kus­si­ons­stoff und zahl­rei­che Inter­pre­ta­ti­ons­ver­su­che. Man­che sehen dar­in das Ende der uni­po­la­ren US-Domi­nanz wider­ge­spie­gelt, ande­re ver­wei­sen auf den „Kampf um die Ver­ei­nig­ten Staa­ten“, der zwi­schen links und rechts statt­fin­de und welt­wei­te Aus­wir­kun­gen habe. Wie­der ande­re sehen in der Wahl von Kar­di­nal Pre­vost die pro­gres­si­ve Absicht, US-Prä­si­dent Donald Trump einen ande­ren US-Ame­ri­ka­ner als sicht­ba­ren und welt­weit agie­ren­den Gegen­part ent­ge­gen­zu­set­zen. Alle die­se Erklä­rungs­ver­su­che, und es gibt deren noch mehr, ent­hal­ten in gewis­ser Wei­se einen Fun­ken Wahr­heit, grei­fen aber zu kurz. Die Kir­che ist die Kir­che, die USA sind die USA.

Die Unsi­cher­heit zeig­te sich unmit­tel­bar nach der Wahl, als in den USA eine Debat­te los­brach, ob Leo XIV. aus­rei­chend „ame­ri­ka­nisch“ sei. Eine etwas selt­sam anmu­ten­de Diskussion.

Anlaß dazu war, daß er, als er sich das erste Mal der Stadt und dem gan­zen Erd­kreis zeig­te, ita­lie­nisch und spa­nisch sprach, aber nicht eng­lisch. Ein US-Ame­ri­ka­ner habe Eng­lisch zu spre­chen, hiel­ten sogar US-Sena­to­ren dem neu­en Papst vor. Dahin­ter steht eine innen­po­li­ti­sche Streit­fra­ge, da immer mehr US-Ame­ri­ka­ner auf­grund der mas­si­ven Ein­wan­de­rung zuletzt vor allem unter Joe Biden nicht Eng­lisch als Mut­ter­spra­che haben und in den Fami­li­en immer häu­fi­ger eine Fremd­spra­che gespro­chen wird. Ins­be­son­de­re die spa­ni­sche Spra­che erlangt zah­len­mä­ßig ste­tig grö­ße­re Bedeu­tung. Dem soll ent­ge­gen­ge­wirkt wer­den, indem Eng­lisch als Staats­spra­che und sogar allei­ni­ge Amts­spra­che fest­ge­schrie­ben wer­den soll. Die USA ken­nen auf Bun­des­ebe­ne kei­ne ver­bind­li­che Staats- oder Amts­spra­che. Noch vor kur­zem galt die Fest­schrei­bung einer sol­chen als uname­ri­ka­nisch, doch die Zei­ten ändern sich durch den Migrationsdruck.

Gleich am näch­sten Tag, als Leo XIV. mit den Papst­wäh­lern unter den Kar­di­nä­len eine Dank­mes­se Pro Eccle­sia zele­brier­te, sprach er dann auch eng­lisch und tat dies seit­her bei allen all­ge­mei­nen, die Gesamt­kir­che betref­fen­den Ereig­nis­sen. Die auf­ge­flamm­te Sprach-Empö­rung in den USA wird also schnell wie­der erlö­schen. Doch in Wirk­lich­keit geht es dabei um die grö­ße­re Fra­ge, wem der neue Papst nahe­steht: Trump, den Repu­bli­ka­nern oder den Demo­kra­ten? Wie steht er zu den aktu­el­len innen­po­li­ti­schen Kon­flikt­li­ni­en in den USA? Wie zu den zen­tra­len geo­po­li­ti­schen Bruchlinien?

Man weiß es noch nicht. Nie­mand weiß es so recht, des­halb kommt es zu dem miß­tö­nen­den Her­um­sto­chern, das der­zeit aber nicht wei­ter­hilft. Man muß Leo XIV. an sei­nen Taten mes­sen und kann dann mög­li­che Lini­en zu frü­he­ren Posi­tio­nen und Stel­lung­nah­men auf­zei­gen, nicht aber umgekehrt.

Zumin­dest eines weiß man: Von den drei Pre­vost-Brü­dern ist einer, Robert Fran­cis Pre­vost, nun Papst und ein ande­rer, der älte­ste, Lou­is Mar­tín Pre­vost, ein über­zeug­ter Trump-Anhän­ger. Dar­auf ange­spro­chen erklär­te Lou­is Mar­tín Pre­vost, daß er über die poli­ti­schen Über­zeu­gun­gen sei­nes Bru­ders, des Pap­stes, aus nahe­lie­gen­den Grün­den nichts öffent­lich sagen möch­te, daß die Brü­der aber unter­ein­an­der durch­aus über poli­ti­sche The­men spre­chen wür­den. Der mitt­le­re Pre­vost-Bru­der, John Joseph Pre­vost, äußer­te die Annah­me, sein Bru­der wer­de „die Linie von Papst Fran­zis­kus fortsetzen“. 

Die Abstammung des Papstes

Mild­red Pre­vost mit ihren drei Söhnen

Der Vater von Papst Leo XIV., Lou­is Mari­us Pre­vost, wur­de 1920 in Chi­ca­go, Illi­nois, gebo­ren. Des­sen Vater stamm­te aus dem Pie­mont wie auch die Vor­fah­ren von Papst Fran­zis­kus, aller­dings aus einer ande­ren Gegend. Des­sen Mut­ter Suzan­ne Fon­taine, die Groß­mutter von Leo XIV., war hin­ge­gen eine Fran­zö­sin aus Le Hav­re in der Nor­man­die. Der Fami­li­en­na­men Pre­vost (lat. prae­po­si­tus, Propst) ist fran­zö­si­scher Her­kunft und dürf­te ins Pie­mont gekom­men sein, da die­ses heu­te zur Repu­blik Ita­li­en gehö­ren­de Gebiet histo­risch Teil des Her­zog­tums Savoy­en war. Der Fami­li­en­na­me ist in Frank­reich sehr häu­fig mit beson­de­rer Kon­zen­tra­ti­on im Nord­osten, in der Île-de-France, der Nor­man­die, der Picar­die, im Artois und dem Hen­ne­gau, also auch im wal­lo­ni­schen Teil Bel­gi­ens. Lou­is Mari­us Pre­vost, der als Leut­nant im Zwei­ten Welt­krieg an der ame­ri­ka­ni­schen Lan­dung in der Nor­man­die teil­nahm, absol­vier­te anschlie­ßend in Chi­ca­go ein Lehr­amts­stu­di­um und wur­de Leh­rer, Schul­lei­ter und schließ­lich Bezirks­schul­lei­ter. Er war in sei­ner Pfar­rei sehr aktiv, wo er als Kate­chist wirk­te. 1997 ist er ver­stor­ben.

Die Mut­ter von Leo XIV., Mild­red Mar­tí­nez, stammt aus dem kul­tu­rell fran­zö­sisch gepräg­ten New Orleans in Loui­sia­na. Ihr Fami­li­en­na­me ver­weist auf spa­ni­sche Ein­flüs­se. Mild­red Mar­tí­nez wur­de 1912 in Chi­ca­go gebo­ren, kurz nach­dem ihre Fami­lie aus New Orleans dort­hin gezo­gen war. Ihr Vater Joseph Mar­tí­nez stamm­te aus San­to Dom­in­go, der heu­ti­gen Domi­ni­ka­ni­schen Repu­blik, die Mut­ter Loui­se Baquié hin­ge­gen aus New Orleans. In Loui­sia­na wur­den sie bei Volks­zäh­lun­gen als Mulat­ten geführt, nach der Über­sied­lung nach Illi­nois aber als Wei­ße. Ihre Toch­ter Mild­red Mar­tí­nez erwarb dort einen Bache­lor in Biblio­theks­wis­sen­schaf­ten und an der DePaul Uni­ver­si­ty, an der auch ihr Mann stu­dier­te, einen Master in Päd­ago­gik. Sie war als Biblio­the­ka­rin tätig und wie ihr Mann in ihrer Pfar­rei sehr aktiv. Die Mut­ter von Papst Leo XIV. ist 1990 verstorben.

Was hin­ge­gen die der­zei­ti­gen Treue­bekun­dun­gen gegen­über Leo XIV. betrifft, wird sich zei­gen, wie lan­ge sie anhal­ten werden.

Text. Giu­sep­pe Nar­di
Bild: TV2000 (Screen­shots)

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2 Kommentare

  1. Schmun­zeln, wenn­gleich höch­ster­freut, muss­te ich über die Bild­aus­wahl zum Arti­kel. In jeg­li­cher Hin­sicht wer­den wir erfah­ren, wohin die Rei­se mit Leo XIV. gehen wird. Fakt ist, bezüg­lich Schön­heit, Anmut und Ästhe­tik, mit der Bene­dikt XVI. das Amt erfüll­te, wer­den wir noch lan­ge zeh­ren müs­sen. Unter Leo XIV. kei­ne Rück­kehr zu einem gol­de­nen Brust­kreuz, einem mit dem päpst­li­chen Wap­pen ver­zier­ter Gür­tel, geschwei­ge denn roten oder rot­brau­nen Schu­hen. Hof­fen wir auf wich­ti­ge inhalt­li­che Kor­rek­tu­ren des Vorgängers.

  2. Papst Leo wird sich von poli­ti­scher und medi­al-poli­ti­scher Sei­te nicht ver­ein­nah­men las­sen. Schon bei Papst JP II. gab es die ver­such­ten Ein­ord­nun­gen rechts-links usw. An ihm ist das alles abgeprallt.
    Es geht um Chri­stus, der Weg, Wahr­heit und Leben ist: das ist die Leit­li­nie von Papst Leo. In Ver­fol­gung die­ses Weges wird der neue Papst nicht umhin­kom­men, der woken Welt eine Absa­ge zu erteilen.
    Inter­es­sant ist der fami­liä­re Hin­ter­grund von Leo XIV. Ame­ri­ka­ni­scher geht es kaum, aber Angel­sach­sen fin­den sich kei­ne unter sei­nen Vor­fah­ren. Das Katho­li­sche könn­te in den USA an Boden gewin­nen und auch Aus­wir­kun­gen auf den Sprach­ge­brauch im all­ge­mei­nen haben. In der Tat kann Eng­lisch nicht als allei­ni­ge Staats­spra­che in den USA fun­gie­ren, zumal geschicht­lich gese­hen gro­ße Tei­le der heu­ti­gen USA mal zur spa­ni­schen Kro­ne gehör­ten und dann zu Mexi­ko: Flo­ri­da, Texas, Kali­for­ni­en, Ari­zo­na, Neu-Mexi­ko. Ande­re gro­ße Tei­le waren der fran­zö­si­schen Kro­ne unter­stellt, von den Gro­ßen Seen bis zum Golf von Mexiko.

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