Warum die traditionelle Messe weiterhin auf Latein gefeiert werden soll

Die Entlatinisierung wäre das Ende des Römischen Ritus in seinem unverwechselbaren Charakter


überlieferter römischer Ritus

Peter Kwas­niew­ski ver­faß­te und ver­öf­fent­lich­te die­sen Bei­trag auf New Lit­ur­gi­cal Move­ment zu Beginn des Kon­kla­ves, des­sen Aus­gang er zu die­sem Moment noch nicht kann­te. Den­noch wen­det er sich dar­in auch bereits an den neu­en Papst, Leo XIV.

Warum die traditionelle Messe weiterhin auf Latein gefeiert werden soll

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Von Peter Kwasniewski*

Trotz aller Ver­su­che, sie zu unter­drücken, ist die tra­di­tio­nel­le latei­ni­sche Mes­se hier, um zu blei­ben. Sie ist viel­leicht nicht mehr so weit ver­brei­tet wie in den glück­li­chen Tagen von Sum­morum Pon­ti­fi­cum, aber sie steht auch nicht mehr unter dem Schef­fel, wie es für die frü­hen Chri­sten wäh­rend der römi­schen Ver­fol­gun­gen war. In vie­len Städ­ten sind die rie­si­gen Pfar­rei­en, die von ehe­ma­li­gen Eccle­sia-Dei-Insti­tu­ten betreut wer­den, jeden Sonn­tag voll mit Gläu­bi­gen. Nein, das wird nicht ver­schwin­den, und je eher sich ein künf­ti­ger Papst mit der Rea­li­tät vor Ort aus­ein­an­der­setzt, desto bes­ser wird es uns allen gehen.

Lei­der wer­den auf­grund der Art und Wei­se, wie das Inter­net die spon­ta­ne Äuße­rung von Gefüh­len und Ideen (oder einer Mischung aus bei­dem) för­dert, vie­le vor­ei­li­ge und unaus­ge­go­re­ne Mei­nun­gen geäu­ßert. Einer der häu­fig­sten Vor­schlä­ge, die ich sehe, ist die­ser: „Wäre es nicht groß­ar­tig, wenn wir die TLM [Tra­di­tio­nel­le Latei­ni­sche Mes­se] in der Lan­des­spra­che abhal­ten könn­ten? Damit wür­den wir zwei Flie­gen mit einer Klap­pe schla­gen: Wir bekä­men die tra­di­tio­nel­le Lit­ur­gie, aber ohne die Sprach­bar­rie­re! Alle wür­den in Scha­ren zu ihr strö­men und der Bruch zwi­schen Alt und Neu könn­te end­lich geheilt wer­den!“ Selbst pro­mi­nen­te Ora­to­ria­ner zögern nicht, die­se Mei­nung zu ver­tre­ten.

Ein Leser schrieb mir einmal:

„Ich habe eini­ge Arti­kel von Ihnen gele­sen, in denen Sie die Fra­ge der Ein­füh­rung der Volks­spra­che in begrenz­tem Umfang in die tra­di­tio­nel­len Riten behan­deln und sich ent­schie­den dage­gen aus­spre­chen. Ich selbst bevor­zu­ge eine voll­stän­dig latei­ni­sche Lit­ur­gie in jeder Hin­sicht, ein­schließ­lich der Lesun­gen – die Tau­fe mei­ner Toch­ter (im alten Ritus) war sogar voll­stän­dig in Latein, ein­schließ­lich der Ant­wor­ten der Paten. Die ein­zi­ge Volks­spra­che war das Vater­un­ser und das Cre­do bei der Pro­zes­si­on zum Altar­raum (gemäß dem Brauch). Ich den­ke, daß es eine gewis­se Dis­so­nanz gibt, wenn man Spra­chen lit­ur­gisch ‚mischt‘, mit den offen­sicht­li­chen Aus­nah­men des grie­chi­schen Kyrie und ver­schie­de­ner hebräi­scher Wor­te, beson­ders wenn ich an einer Stel­le ‚und mit dei­nem Geist‘ und an einer ande­ren Stel­le ‚et cum Spi­ri­tu tuo‘ sage. Es gibt da ein Ungleich­ge­wicht, das ich nicht genau erklä­ren kann.
Ich habe jedoch Dobs­zays Abhand­lung zu die­sem The­ma gele­sen, in der er argu­men­tiert, daß die Ein­füh­rung bestimm­ter volks­sprach­li­cher Ele­men­te neben der latei­ni­schen Spra­che – und nicht an ihrer Stel­le – sehr vor­teil­haft wäre, und zwar aus dem ein­fa­chen Grund, daß die voll­stän­dig latei­ni­sche Lit­ur­gie für vie­le, die der Tra­di­ti­on anson­sten freund­lich gesinnt sind, tat­säch­lich ein Stol­per­stein ist. Ja, ich ver­ste­he, daß der Mensch nach dem Bild der Lit­ur­gie geformt wer­den soll und nicht umge­kehrt – Bene­dikt for­dert schließ­lich ut mens con­cor­det voci, daß der Geist mit der Stim­me har­mo­niert –, was nicht nur „alt­mo­disch“ klingt, son­dern im Ver­gleich zur moder­nen Beto­nung der „Authen­ti­zi­tät“ (die fälsch­li­cher­wei­se mit vir­tu­el­ler Form­lo­sig­keit gleich­ge­setzt wird) tat­säch­lich ziem­lich radi­kal ist. Und mit den not­wen­di­gen Vor­be­hal­ten, näm­lich daß die Ora­tio­nen, der Kanon und die stil­len Gebe­te auf Latein blei­ben, schlägt Dobs­zay den­noch die Mög­lich­keit vor, daß nicht nur die Lesun­gen, son­dern zuwei­len auch die eigent­li­chen Gesän­ge und das Meß­or­di­na­ri­um in einer hie­ra­ti­schen Volks­spra­che zuge­las­sen wer­den. (Zu die­sem Zweck neh­men wir an, daß das Amt in der Pfar­rei voll­stän­dig in latei­ni­scher Spra­che abge­hal­ten wer­den müß­te, sodaß die voll­stän­dig latei­ni­sche Lit­ur­gie im lit­ur­gi­schen Leben der Kir­che immer noch eine ech­te Haupt­rol­le spie­len wür­de).
Ver­ste­hen Sie mich nicht falsch: Ich sage nicht, daß die Ein­füh­rung der Volks­spra­che vom lit­ur­gi­schen Stand­punkt aus ‚not­wen­dig‘ ist. Aber ich bin von Dobs­zays Argu­ment ange­tan, daß eine mode­ra­te Ein­füh­rung der gele­gent­li­chen hie­ra­ti­schen Volks­spra­che dazu die­nen wür­de, die klas­si­sche Römi­sche Lit­ur­gie zu ent­ghet­toi­sie­ren und dadurch ihre Attrak­ti­vi­tät zu stei­gern. Auf die­se Wei­se wür­de das anti­ke Erbe in den kirch­li­chen Haupt­strom ein­tre­ten, statt am rela­ti­ven Rand zu blei­ben.
Um es ganz offen zu sagen: Ist ein unbeug­sa­mes Fest­hal­ten an der aus­schließ­li­chen Ver­wen­dung des Latei­ni­schen sem­per et ubi­que in der Lit­ur­gie letzt­lich klug, wenn der Preis dafür ist, daß die authen­ti­sche Tra­di­ti­on (Form und Inhalt) eine mar­gi­na­li­sier­te Min­der­heit bleibt? Wäre ein maß­vol­ler Gebrauch einer hie­ra­ti­schen Volks­spra­che nicht ein gerin­ger Preis für die grö­ße­re Ver­brei­tung des römi­schen Erbes? Ist dies nicht ein legi­ti­mer Fall von ‚das Per­fek­te ist der Feind des Guten‘? Ein mode­ra­ter Gebrauch der Volks­spra­che für die Lesun­gen scheint eines der Din­ge zu sein, die uns auf Gedeih und Ver­derb auf­er­legt sind, und ich befürch­te, daß wir zu vie­le Men­schen­le­ben ver­lie­ren, wenn wir auf die­sem Hügel kämp­fen, wäh­rend wir den Berg verlieren.“

Ich bin nicht über­zeugt. So wie Mar­shall McLu­han behaup­te­te, daß die Ein­füh­rung von Mikro­fo­nen in Kir­chen den numi­no­sen Cha­rak­ter der Lit­ur­gie unter­gra­ben wür­de (und wie Recht er damit hat­te), bin ich eben­so über­zeugt, daß die Ent­la­ti­ni­sie­rung das Ende des Römi­schen Ritus in sei­nem unver­wech­sel­ba­ren Cha­rak­ter bedeu­ten wür­de, genau­so wie die Abschaf­fung von Iko­nen die byzan­ti­ni­sche Lit­ur­gie beein­träch­ti­gen wür­de. Ich möch­te hier eini­ge Grün­de dafür anfüh­ren, war­um ich das denke.

Ein grundlegendes Argument

In den christ­li­chen Ost­kir­chen gibt es eine beträcht­li­che sprach­li­che Viel­falt, die in eini­gen Fäl­len zur Ent­wick­lung von Sakral­spra­chen und in ande­ren zur fast voll­stän­di­gen Ver­na­ku­la­ri­sie­rung [Ver­volks­sprach­li­chung] geführt hat. In der west­li­chen Kir­che hin­ge­gen fin­den wir eine beein­drucken­de und fast mono­li­thi­sche Ein­heit: Latein ist die Spra­che par excel­lence für alle abend­län­di­schen Riten und Bräuche.

Nun ist die­se monu­men­ta­le sprach­li­che Ein­heit ent­we­der das Werk der gött­li­chen Vor­se­hung und des Hei­li­gen Gei­stes oder aber ein gro­ßer Irr­tum, eine Abwei­chung und ein Pro­blem, das es zu über­win­den gilt. Ich behaup­te, daß die ein­zig akzep­ta­ble römisch-katho­li­sche Men­ta­li­tät die erste­re ist; die letz­te­re führt zwangs­läu­fig zum Umsturz aller lit­ur­gi­schen Stan­dards: Wenn nicht ein­mal Latein sicher ist, dann auch nicht ad ori­en­tem, die Kom­mu­ni­on unter einer Gestalt, Gre­go­ria­ni­scher Cho­ral und Poly­pho­nie, ein pro­lep­ti­sches Offer­to­ri­um, usw.

Und genau das haben wir bei der Lit­ur­gie­re­form gese­hen, deren Befür­wor­ter und Umset­zer dazu neig­ten, all die­se soge­nann­ten „mit­tel­al­ter­li­chen“ Merk­ma­le abzu­leh­nen (obwohl vie­le davon älter sind).

Ein ästhetisches Argument

Mar­tin Mose­bach betont, daß die Ver­wen­dung der latei­ni­schen Spra­che in erster Linie dafür ver­ant­wort­lich ist, daß in der tra­di­tio­nel­len Mes­se von Anfang bis Ende eine sakra­le Atmo­sphä­re ent­steht. In dem Moment, in dem die Mes­se beginnt, weiß man, daß man sich an einem ande­ren „Ort“ befin­det, daß man sich auf einer ande­ren Ebe­ne bewegt, daß man die All­tags­welt hin­ter sich gelas­sen hat und den gött­li­chen Bereich betritt. Die Volks­spra­che, egal wie gut sie über­setzt ist oder wie archa­isch sie klingt, hat nicht die­se not­wen­di­ge Anders­ar­tig­keit. Wie Micha­el Fied­ro­wicz sagt, erin­nert uns das Latei­ni­sche dar­an, daß wir im Got­tes­dienst etwas ande­res suchen als das, was wir über­all sonst finden.

Gre­go­ria­ni­scher Cho­ral: Latein und Gesang sind wie eine Mischung aus Kör­per und Seele. 

Der Wech­sel zwi­schen Latein und Volks­spra­che ist genau­so wenig kohä­rent wie ein Mann, der oben einen Smo­king und unten eine Jeans trägt.

Ein pastorales Argument

Es gibt bereits eine heim­tücki­sche Ten­denz, daß Katho­li­ken sich in Frak­tio­nen auf­spal­ten, sobald jemand beschließt, die Blu­men über dem Altar einen Zen­ti­me­ter nach links oder rechts zu ver­schie­ben. Wir sind alle ziem­lich ange­spannt, und wir müs­sen uns nicht nur ein wenig ent­span­nen, son­dern auch so wenig wie mög­lich Anrei­ze zur Spal­tung bie­ten. Eine Ände­rung der Spra­che, die seit über 1.600 Jah­ren fester Bestand­teil der Lit­ur­gie ist, wäre in die­ser Hin­sicht eine Atom­bom­be: Sofort gäbe es rein latei­ni­sche Gemein­den und gemischt­spra­chi­ge Gemein­den. Das haben wir ja schon, wegen der „zwei For­men“; das Letz­te, was wir brau­chen, ist eine wei­te­re Balkanisierung.

Außer­dem führt die Ver­wen­dung der Volks­spra­che, die weit davon ent­fernt ist, die Men­schen, die eine gemein­sa­me Spra­che spre­chen, zu ver­ei­nen, zu einer sofor­ti­gen Tren­nung der Gläu­bi­gen in ver­schie­de­ne Kate­go­rien. Eini­ge wür­den eine archai­sche Über­set­zung wie die Dou­ay-Rheims bevor­zu­gen; ande­re wür­den sich für die Revi­sed Stan­dard Ver­si­on oder (Gott bewah­re) die New Ame­ri­can Bible ein­set­zen. Und wenn sich der Vati­kan oder die Bischofs­kon­fe­renz der USA ein­mi­schen wür­den, wür­de alles in fünf Minu­ten den Bach run­ter­ge­hen. Bei der latei­ni­schen Ver­si­on kann sich nie­mand beschwe­ren: Wir ver­wen­den die Spra­che, mit der alle Hei­li­gen vor uns gebe­tet haben. Jeder kann dann das Volks­mis­sa­le neh­men, das ihm am besten paßt.

Eine Schwie­rig­keit mit den moder­nen Spra­chen ist, daß sie nicht genü­gend „Alteri­tät“ [Anders­sein] und „Ele­va­ti­on“ [Empor­he­bung] besit­zen, um als lit­ur­gi­sche Spra­chen zu die­nen. Die tra­di­tio­nel­len Angli­ka­ner und die Ordi­na­ria­te ver­wen­den das eli­sa­be­tha­ni­sche Eng­lisch, das sich zu Shake­speares Zei­ten sicher nor­mal anhör­te, heu­te aber förm­lich, erha­ben und ein wenig selt­sam klingt. Eine Lit­ur­gie in der Volks­spra­che erfor­dert ein sakra­les Regi­ster, zu dem die heu­ti­ge Kir­che offen­bar nicht in der Lage ist. Außer­dem ist die Byzan­ti­ni­sche Gött­li­che Lit­ur­gie kein gutes Bei­spiel, weil sie ihre Wir­kung auf eine ganz ande­re Wei­se erzielt, näm­lich durch Wel­le um Wel­le poe­ti­scher Spra­che und Gesän­ge. Die Römi­sche Lit­ur­gie ist streng und schlank; ein Groß­teil ihrer affek­ti­ven Kraft hängt von Latein, Stil­le und Gesang ab – den drei Ele­men­ten der klang­li­chen Ikonostase.

Weitere theologische Argumente

Im sll­ge­mei­nen über­schät­zen wir den Vor­rang des ver­ba­len Ver­ste­hens. Oft sind es non­ver­ba­le Zei­chen und Ver­hal­tens­wei­sen, die uns tie­fer berüh­ren. Ich den­ke, dies gilt vor allem für die Aneig­nung des Gei­stes der Ehr­furcht und des Gebets in der Liturgie.

Cho­ral­scho­la eines Benediktinerklosters

Wie man aus eige­ner Erfah­rung weiß, gibt es vie­le Mög­lich­kei­ten, an einer latei­ni­schen Lit­ur­gie teil­zu­neh­men. Man braucht vie­le Jah­re, um sie zu begrei­fen – was dem größ­ten Geheim­nis der Welt ange­mes­sen ist. Man beginnt mit ein­fa­chen Schrit­ten, wie einem „Kin­der­meß­buch“, und arbei­tet sich schließ­lich zu einem Mis­sa­le für Erwach­se­ne mit allen Über­set­zun­gen hoch – und schließ­lich kennt man es so gut, daß man das Meß­buch bei­sei­te legen und sich ein­fach der Lit­ur­gie hin­ge­ben kann. Das kann beim triden­ti­ni­schen Ritus leich­ter gesche­hen, weil er weni­ger Optio­nen und weni­ger Tex­te hat, die mit der Zeit ver­traut wer­den. Es dau­ert lan­ge, bis man sich ganz dar­auf ein­läßt, und so soll­te es auch sein.

Man lernt schwim­men, indem man im fla­chen Was­ser beginnt und sich schließ­lich ins tie­fe Was­ser wagt. Die tra­di­tio­nel­le Lit­ur­gie bie­tet mit ihrem Reich­tum an Sym­bo­len, ihrem fei­er­li­chen Zere­mo­ni­ell und ihrem wun­der­schö­nen musi­ka­li­schen Erbe vie­le „Grif­fe“, an denen man sich fest­hal­ten kann. Ich erin­ne­re mich, wie fas­zi­niert mein Sohn von den koor­di­nier­ten Bewe­gun­gen der Meß­die­ner bei ihrer hei­li­gen Cho­reo­gra­phie war. Ein ande­rer klei­ner Jun­ge, den ich ken­ne, liebt es, dem Thu­rif­erar beim Umgang mit dem Weih­rauch­faß zuzu­se­hen, mit den hei­ßen Koh­len und den Rauch­wol­ken. Man muß kein Genie sein, um die latei­ni­sche Mes­se zu ver­ste­hen; man muß nur die Augen im Kopf, die Ohren und die Nasen­lö­cher benut­zen; man sieht zu, hört zu, denkt nach und betet. Das Beste, was wir in der Mes­se tun kön­nen, ist, ernst­haft zu beten; das ist mehr wert als jedes noch so ratio­na­le Verständnis.

Die sakra­le Spra­che der Mes­se, ihre völ­lig unüber­setz­ba­re Poe­sie, ver­dient es, unver­sehrt zu blei­ben. Wir Lai­en haben vie­le Mög­lich­kei­ten, uns ihre Bedeu­tung zu erschlie­ßen: Wir kön­nen Latein ler­nen, wir kön­nen der Mes­se in einem Meß­buch fol­gen (wo die Über­set­zung nicht das Gewicht des eigent­li­chen Ritus tra­gen muß), oder wir kön­nen ein­fach nur zuschau­en und in unse­ren eige­nen Wor­ten beten, inspi­riert von der Liturgie.

Der Schlüs­sel liegt dar­in, die reich­hal­ti­gen Zere­mo­nien der Mes­se selbst die erste Bot­schaft sein zu las­sen, die sie ver­mit­telt. Der Text ist weder abso­lut und exklu­siv, noch ist er vom Stand­punkt der Lai­en­be­tei­li­gung aus gese­hen pri­mär. Er ist etwas, in das man mit der Zeit hin­ein­wächst. Wir sind heut­zu­ta­ge so unge­dul­dig: Wir wol­len eine „Sofort­lö­sung“. Nun, Gott hat meh­re­re tau­send Jah­re gebraucht, um die Mensch­heit auf die Mensch­wer­dung vor­zu­be­rei­ten, und er hat 1.500 Jah­re gebraucht, um den Römi­schen Ritus unter uns zur Voll­endung zu brin­gen. Er hat es offen­sicht­lich nicht eilig, die Din­ge hin­ter sich zu brin­gen, und das soll­ten wir auch nicht haben. Gewiß, unser Leben ist kurz, aber in der Regel nicht so kurz, daß wir uns nicht die dem Ritus ange­mes­se­ne Gewohn­heit aneig­nen können.

Charles du Ples­sis d’Ar­gen­tré schreibt:

„Es ist völ­lig klar, daß der Nut­zen des lit­ur­gi­schen Gebets nicht nur im Ver­ste­hen der Wor­te besteht; es ist ein gefähr­li­cher Irr­tum zu glau­ben, daß das voka­le Gebet nur der Bil­dung des Intel­lekts dient. Im Gegen­teil, ein sol­ches Gebet trägt vor allem dazu bei, die Gefüh­le zu ent­flam­men, sodaß der Beter, der sich mit from­mem und andäch­ti­gem Her­zen zu Gott erhebt, erbaut wird und, wenn er sei­ne Wün­sche erhält, in sei­nen Absich­ten nicht ver­ei­telt wird; außer­dem erhält der Ver­stand eine Erleuch­tung zusam­men mit ande­ren nütz­li­chen oder not­wen­di­gen Din­gen, was alles weit­aus mehr Nut­zen bringt als das Ver­ste­hen der Wor­te allein, das ohne die Erweckung der Zunei­gung zu Gott nicht viel bringt“ (Coll­ec­tio iudi­ciorum de novis erro­ri­bus II [Paris: Cail­leau, 1728], 62, zitiert in Gué­ran­ger: Insti­tu­ti­ons lit­ur­gi­ques III, 164).

Musikalisches Erbe

Bei allem Respekt vor dem gro­ßen Prof. [Lasz­lo] Dobs­zay ist der volks­sprach­li­che Choral­ge­sang ein häß­li­ches Ent­lein im Ver­gleich zu sei­nem latei­ni­schen Vor­bild. Er kann zwar anstän­dig gemacht wer­den, aber er bleibt ziem­lich unbe­hol­fen. Kei­ne zwei Spra­chen funk­tio­nie­ren gleich, und der eigen­tüm­li­che Klang einer jeden ist sehr unter­schied­lich. Latein und Gesang sind wie eine Mischung aus Kör­per und See­le. Auch hier geht es im byzan­ti­ni­schen Gesang in der Regel bes­ser, weil er – und ich will unse­ren öst­li­chen Brü­dern nicht zu nahe tre­ten – im all­ge­mei­nen etwas ein­fa­cher und schlich­ter ist als der Gre­go­ria­ni­sche Gesang. Es han­delt sich eher um har­mo­ni­sier­te Psalm­tö­ne, die zu jeder Spra­che pas­sen kön­nen. Der latei­ni­sche Gesang hin­ge­gen ist eine hoch­ent­wickel­te Musik­form, die tau­send Jah­re lang mit dem latei­ni­schen Text auf­ge­wach­sen ist.

Der Kom­po­nist Mark Nowa­kow­ski sag­te dazu in einem Interview:

„Latein ist eine Spra­che, zu der ich beim Kom­po­nie­ren immer wie­der zurück­keh­re, nicht nur, weil es immer noch die Spra­che der Kir­che ist, son­dern auch, weil es eine ein­zig­ar­tig schö­ne Spra­che ist. Sie ist von Natur aus sing­bar und scheint die nöti­ge Struk­tur und Schwe­re zu haben, um das vol­le Gewicht sowohl der lit­ur­gi­schen Fei­er­lich­keit als auch der geist­li­chen Kon­tem­pla­ti­on zu tra­gen. Sei­en wir ehr­lich: ‚Lamm Got­tes, du nimmst hin­weg die Sün­den der Welt‘ ist ein­fach nicht so schön oder sing­bar wie „Agnus Dei, qui tol­lis pec­ca­ta mun­di…“ – und wir haben ein gan­zes geschei­ter­tes nach­kon­zi­lia­res Reper­toire, um dies zu bewei­sen. Und jetzt, wo Kom­po­ni­sten in einem Zeit­al­ter leben, in dem eng­li­sche Tex­te der kirch­li­che Stan­dard sind, wol­len sie mei­stens auf Latein kom­po­nie­ren! Das soll­te für sich selbst sprechen.

Falsche Zentralität

Jedes Mal, wenn jemand vor­schlägt, die latei­ni­sche Mes­se zu über­set­zen, wird sofort hin­zu­ge­fügt: „Aber natür­lich wür­de die Haupt­mes­se in Latein blei­ben“ oder „Natür­lich wür­de sie für die­je­ni­gen, die Latein lie­ben, wei­ter­hin zur Ver­fü­gung stehen“.

Ich den­ke, das ist eine fal­sche Hoffnung.

Wie viel bes­ser ein usus anti­qui­or in der Volks­spra­che auch sein mag als ein usus recen­ti­or in Latein, so fürch­te ich doch, daß ein sol­cher Schritt eine schlei­chen­de Mar­gi­na­li­sie­rung des Latei­ni­schen und des Gesangs ein­lei­ten wür­de, ohne daß es eine Hoff­nung auf eine Wie­der­her­stel­lung gäbe. Wenn die Men­schen erst ein­mal davon über­zeugt sind, daß sie die­sen oder jenen Teil der Lit­ur­gie sofort ver­ste­hen „müs­sen“, dann wün­sche ich ihnen viel Glück bei dem Ver­such, eine fei­er­li­che Mes­se zu zele­brie­ren, bei der dies nicht die Grund­vor­aus­set­zung ist. Mit die­sen Schät­zen wäre es wie mit Tier- oder Pflan­zen­ar­ten, die von aggres­si­ve­ren frem­den Orga­nis­men, die in das Öko­sy­stem ein­ge­führt wer­den, aus ihrer ursprüng­li­chen Umge­bung ver­trie­ben werden.

Die viel­leicht ent­schei­dend­ste Beob­ach­tung ist, daß die latei­ni­schen Tex­te ein dich­tes Netz von intra­lit­ur­gi­schen und extra­lit­ur­gi­schen Asso­zia­tio­nen auf­wei­sen, die kei­ne Volks­spra­che, egal wie ele­gant sie auch sein mag, tra­gen könn­te – zumin­dest nicht, ohne einen eige­nen Bogen von 2000 Jah­ren Ent­wick­lung zu schla­gen. Ich möch­te nicht so klin­gen, als wür­de ich eine Art „magi­sche“ Eigen­schaft des Latei­ni­schen ver­tei­di­gen, aber ich den­ke, es lohnt sich, dar­über nach­zu­den­ken, war­um Exor­zi­sten durch­weg von mehr Erfolg berich­ten, wenn sie die alten Riten in Latein verwenden.

Prioritäten

Kön­nen wir schließ­lich nicht auch sagen, daß eine Reli­gi­on, die sich selbst ernst nimmt, von ihren Mit­glie­dern ver­lan­gen wür­de, sie ernst­haft zu stu­die­ren? Ernst­haf­te Juden ver­lan­gen von ihren Jun­gen, Hebrä­isch zu ler­nen; ernst­haf­te Mos­lems ver­lan­gen von ihnen, klas­si­sches Ara­bisch zu ler­nen; die Kop­ten ler­nen Ägyp­tisch; die Rus­sen müs­sen etwas Kir­chen­sla­wisch ler­nen und so wei­ter. Die katho­li­sche Kir­che wird wie­der stär­ker wer­den, wenn sie tat­säch­lich von ihren Men­schen mehr ver­langt, als sie es der­zeit tut (der Bereich des Fastens ist viel­leicht der offen­sicht­lich­ste Ort, um damit zu beginnen).

Es gibt Tau­sen­de von katho­li­schen Schu­len, die Latein unter­rich­ten könn­ten. Sie tun es nicht, weil es als wenig oder gar nicht wert­voll erach­tet wird. Die­se Unwis­sen­heit, Skep­sis oder Ableh­nung unse­rer Tra­di­ti­on ist das eigent­li­che Pro­blem; das ist die Ein­stel­lung, die sich ändern muß. Andern­falls ver­su­chen wir, Men­schen eine schö­ne Lit­ur­gie auf­zu­drän­gen, denen es völ­lig egal ist, ob sie hoch, nied­rig, rich­tig, falsch, alt, neu, latei­nisch oder eng­lisch ist.

Kurz gesagt: Latein ist nicht irgend­ein abge­le­ge­ner Hügel, weit weg von der Festung, son­dern ein Teil des Fel­sens, auf dem die Höhen­fe­stung steht, die wir verteidigen.

*Dr. Peter Kwas­niew­ski gra­du­ier­te am Tho­mas Aqui­nas Col­lege und an der Catho­lic Uni­ver­si­ty of Ame­ri­ca. Er lehr­te am Inter­na­tio­nal Theo­lo­gi­cal Insti­tu­te in Gam­ing (Öster­reich), am Öster­reich-Pro­gramm der Fran­ciscan Uni­ver­si­ty of Steu­ben­ville und am Wyo­ming Catho­lic Col­lege, des­sen Mit­grün­der er 2006 war. Heu­te ist er frei­er Publi­zist und Vor­tra­gen­der zu The­men des tra­di­tio­nel­len katho­li­schen Glau­bens. Sei­ne Bei­trä­ge erschei­nen im Inter­net unter ande­rem auf One­Pe­ter­Fi­ve, New Lit­ur­gi­cal Move­ment, Life­Si­teNews, The Rem­nant, und Catho­lic Fami­ly News. Er ver­faß­te zahl­rei­che Bücher, unter ihnen Reclai­ming Our Roman Catho­lic Bir­th­right: The Geni­us and Time­liness of the Tra­di­tio­nal Latin Mass (Ange­li­co, 2020), The Ecsta­sy of Love in the Thought of Tho­mas Aqui­nas (Emma­us, 2021) und Are Cano­nizati­ons Infal­lible? Revi­si­ting a Dis­pu­ted Que­sti­on (Arou­ca, 2021). Sei­ne Bücher wur­den in min­de­stens acht­zehn Spra­chen über­setzt. In deut­scher Spra­che liegt vor: Neu­an­fang inmit­ten der Kri­se. Die hei­li­ge Lit­ur­gie, die tra­di­tio­nel­le latei­ni­sche Mes­se und die Erneue­rung in der Kir­che (Una Voce, 2017). Sei­ne Netz­sei­te ist www​.peterk​was​niew​ski​.com.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: MiL (Screen­shot)

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