
Peter Kwasniewski verfaßte und veröffentlichte diesen Beitrag auf New Liturgical Movement zu Beginn des Konklaves, dessen Ausgang er zu diesem Moment noch nicht kannte. Dennoch wendet er sich darin auch bereits an den neuen Papst, Leo XIV.
Warum die traditionelle Messe weiterhin auf Latein gefeiert werden soll
Von Peter Kwasniewski*
Trotz aller Versuche, sie zu unterdrücken, ist die traditionelle lateinische Messe hier, um zu bleiben. Sie ist vielleicht nicht mehr so weit verbreitet wie in den glücklichen Tagen von Summorum Pontificum, aber sie steht auch nicht mehr unter dem Scheffel, wie es für die frühen Christen während der römischen Verfolgungen war. In vielen Städten sind die riesigen Pfarreien, die von ehemaligen Ecclesia-Dei-Instituten betreut werden, jeden Sonntag voll mit Gläubigen. Nein, das wird nicht verschwinden, und je eher sich ein künftiger Papst mit der Realität vor Ort auseinandersetzt, desto besser wird es uns allen gehen.
Leider werden aufgrund der Art und Weise, wie das Internet die spontane Äußerung von Gefühlen und Ideen (oder einer Mischung aus beidem) fördert, viele voreilige und unausgegorene Meinungen geäußert. Einer der häufigsten Vorschläge, die ich sehe, ist dieser: „Wäre es nicht großartig, wenn wir die TLM [Traditionelle Lateinische Messe] in der Landessprache abhalten könnten? Damit würden wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Wir bekämen die traditionelle Liturgie, aber ohne die Sprachbarriere! Alle würden in Scharen zu ihr strömen und der Bruch zwischen Alt und Neu könnte endlich geheilt werden!“ Selbst prominente Oratorianer zögern nicht, diese Meinung zu vertreten.
Ein Leser schrieb mir einmal:
„Ich habe einige Artikel von Ihnen gelesen, in denen Sie die Frage der Einführung der Volkssprache in begrenztem Umfang in die traditionellen Riten behandeln und sich entschieden dagegen aussprechen. Ich selbst bevorzuge eine vollständig lateinische Liturgie in jeder Hinsicht, einschließlich der Lesungen – die Taufe meiner Tochter (im alten Ritus) war sogar vollständig in Latein, einschließlich der Antworten der Paten. Die einzige Volkssprache war das Vaterunser und das Credo bei der Prozession zum Altarraum (gemäß dem Brauch). Ich denke, daß es eine gewisse Dissonanz gibt, wenn man Sprachen liturgisch ‚mischt‘, mit den offensichtlichen Ausnahmen des griechischen Kyrie und verschiedener hebräischer Worte, besonders wenn ich an einer Stelle ‚und mit deinem Geist‘ und an einer anderen Stelle ‚et cum Spiritu tuo‘ sage. Es gibt da ein Ungleichgewicht, das ich nicht genau erklären kann.
Ich habe jedoch Dobszays Abhandlung zu diesem Thema gelesen, in der er argumentiert, daß die Einführung bestimmter volkssprachlicher Elemente neben der lateinischen Sprache – und nicht an ihrer Stelle – sehr vorteilhaft wäre, und zwar aus dem einfachen Grund, daß die vollständig lateinische Liturgie für viele, die der Tradition ansonsten freundlich gesinnt sind, tatsächlich ein Stolperstein ist. Ja, ich verstehe, daß der Mensch nach dem Bild der Liturgie geformt werden soll und nicht umgekehrt – Benedikt fordert schließlich ut mens concordet voci, daß der Geist mit der Stimme harmoniert –, was nicht nur „altmodisch“ klingt, sondern im Vergleich zur modernen Betonung der „Authentizität“ (die fälschlicherweise mit virtueller Formlosigkeit gleichgesetzt wird) tatsächlich ziemlich radikal ist. Und mit den notwendigen Vorbehalten, nämlich daß die Orationen, der Kanon und die stillen Gebete auf Latein bleiben, schlägt Dobszay dennoch die Möglichkeit vor, daß nicht nur die Lesungen, sondern zuweilen auch die eigentlichen Gesänge und das Meßordinarium in einer hieratischen Volkssprache zugelassen werden. (Zu diesem Zweck nehmen wir an, daß das Amt in der Pfarrei vollständig in lateinischer Sprache abgehalten werden müßte, sodaß die vollständig lateinische Liturgie im liturgischen Leben der Kirche immer noch eine echte Hauptrolle spielen würde).
Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich sage nicht, daß die Einführung der Volkssprache vom liturgischen Standpunkt aus ‚notwendig‘ ist. Aber ich bin von Dobszays Argument angetan, daß eine moderate Einführung der gelegentlichen hieratischen Volkssprache dazu dienen würde, die klassische Römische Liturgie zu entghettoisieren und dadurch ihre Attraktivität zu steigern. Auf diese Weise würde das antike Erbe in den kirchlichen Hauptstrom eintreten, statt am relativen Rand zu bleiben.
Um es ganz offen zu sagen: Ist ein unbeugsames Festhalten an der ausschließlichen Verwendung des Lateinischen semper et ubique in der Liturgie letztlich klug, wenn der Preis dafür ist, daß die authentische Tradition (Form und Inhalt) eine marginalisierte Minderheit bleibt? Wäre ein maßvoller Gebrauch einer hieratischen Volkssprache nicht ein geringer Preis für die größere Verbreitung des römischen Erbes? Ist dies nicht ein legitimer Fall von ‚das Perfekte ist der Feind des Guten‘? Ein moderater Gebrauch der Volkssprache für die Lesungen scheint eines der Dinge zu sein, die uns auf Gedeih und Verderb auferlegt sind, und ich befürchte, daß wir zu viele Menschenleben verlieren, wenn wir auf diesem Hügel kämpfen, während wir den Berg verlieren.“
Ich bin nicht überzeugt. So wie Marshall McLuhan behauptete, daß die Einführung von Mikrofonen in Kirchen den numinosen Charakter der Liturgie untergraben würde (und wie Recht er damit hatte), bin ich ebenso überzeugt, daß die Entlatinisierung das Ende des Römischen Ritus in seinem unverwechselbaren Charakter bedeuten würde, genauso wie die Abschaffung von Ikonen die byzantinische Liturgie beeinträchtigen würde. Ich möchte hier einige Gründe dafür anführen, warum ich das denke.
Ein grundlegendes Argument
In den christlichen Ostkirchen gibt es eine beträchtliche sprachliche Vielfalt, die in einigen Fällen zur Entwicklung von Sakralsprachen und in anderen zur fast vollständigen Vernakularisierung [Vervolkssprachlichung] geführt hat. In der westlichen Kirche hingegen finden wir eine beeindruckende und fast monolithische Einheit: Latein ist die Sprache par excellence für alle abendländischen Riten und Bräuche.
Nun ist diese monumentale sprachliche Einheit entweder das Werk der göttlichen Vorsehung und des Heiligen Geistes oder aber ein großer Irrtum, eine Abweichung und ein Problem, das es zu überwinden gilt. Ich behaupte, daß die einzig akzeptable römisch-katholische Mentalität die erstere ist; die letztere führt zwangsläufig zum Umsturz aller liturgischen Standards: Wenn nicht einmal Latein sicher ist, dann auch nicht ad orientem, die Kommunion unter einer Gestalt, Gregorianischer Choral und Polyphonie, ein proleptisches Offertorium, usw.
Und genau das haben wir bei der Liturgiereform gesehen, deren Befürworter und Umsetzer dazu neigten, all diese sogenannten „mittelalterlichen“ Merkmale abzulehnen (obwohl viele davon älter sind).
Ein ästhetisches Argument
Martin Mosebach betont, daß die Verwendung der lateinischen Sprache in erster Linie dafür verantwortlich ist, daß in der traditionellen Messe von Anfang bis Ende eine sakrale Atmosphäre entsteht. In dem Moment, in dem die Messe beginnt, weiß man, daß man sich an einem anderen „Ort“ befindet, daß man sich auf einer anderen Ebene bewegt, daß man die Alltagswelt hinter sich gelassen hat und den göttlichen Bereich betritt. Die Volkssprache, egal wie gut sie übersetzt ist oder wie archaisch sie klingt, hat nicht diese notwendige Andersartigkeit. Wie Michael Fiedrowicz sagt, erinnert uns das Lateinische daran, daß wir im Gottesdienst etwas anderes suchen als das, was wir überall sonst finden.

Der Wechsel zwischen Latein und Volkssprache ist genauso wenig kohärent wie ein Mann, der oben einen Smoking und unten eine Jeans trägt.
Ein pastorales Argument
Es gibt bereits eine heimtückische Tendenz, daß Katholiken sich in Fraktionen aufspalten, sobald jemand beschließt, die Blumen über dem Altar einen Zentimeter nach links oder rechts zu verschieben. Wir sind alle ziemlich angespannt, und wir müssen uns nicht nur ein wenig entspannen, sondern auch so wenig wie möglich Anreize zur Spaltung bieten. Eine Änderung der Sprache, die seit über 1.600 Jahren fester Bestandteil der Liturgie ist, wäre in dieser Hinsicht eine Atombombe: Sofort gäbe es rein lateinische Gemeinden und gemischtsprachige Gemeinden. Das haben wir ja schon, wegen der „zwei Formen“; das Letzte, was wir brauchen, ist eine weitere Balkanisierung.
Außerdem führt die Verwendung der Volkssprache, die weit davon entfernt ist, die Menschen, die eine gemeinsame Sprache sprechen, zu vereinen, zu einer sofortigen Trennung der Gläubigen in verschiedene Kategorien. Einige würden eine archaische Übersetzung wie die Douay-Rheims bevorzugen; andere würden sich für die Revised Standard Version oder (Gott bewahre) die New American Bible einsetzen. Und wenn sich der Vatikan oder die Bischofskonferenz der USA einmischen würden, würde alles in fünf Minuten den Bach runtergehen. Bei der lateinischen Version kann sich niemand beschweren: Wir verwenden die Sprache, mit der alle Heiligen vor uns gebetet haben. Jeder kann dann das Volksmissale nehmen, das ihm am besten paßt.
Eine Schwierigkeit mit den modernen Sprachen ist, daß sie nicht genügend „Alterität“ [Anderssein] und „Elevation“ [Emporhebung] besitzen, um als liturgische Sprachen zu dienen. Die traditionellen Anglikaner und die Ordinariate verwenden das elisabethanische Englisch, das sich zu Shakespeares Zeiten sicher normal anhörte, heute aber förmlich, erhaben und ein wenig seltsam klingt. Eine Liturgie in der Volkssprache erfordert ein sakrales Register, zu dem die heutige Kirche offenbar nicht in der Lage ist. Außerdem ist die Byzantinische Göttliche Liturgie kein gutes Beispiel, weil sie ihre Wirkung auf eine ganz andere Weise erzielt, nämlich durch Welle um Welle poetischer Sprache und Gesänge. Die Römische Liturgie ist streng und schlank; ein Großteil ihrer affektiven Kraft hängt von Latein, Stille und Gesang ab – den drei Elementen der klanglichen Ikonostase.
Weitere theologische Argumente
Im sllgemeinen überschätzen wir den Vorrang des verbalen Verstehens. Oft sind es nonverbale Zeichen und Verhaltensweisen, die uns tiefer berühren. Ich denke, dies gilt vor allem für die Aneignung des Geistes der Ehrfurcht und des Gebets in der Liturgie.

Wie man aus eigener Erfahrung weiß, gibt es viele Möglichkeiten, an einer lateinischen Liturgie teilzunehmen. Man braucht viele Jahre, um sie zu begreifen – was dem größten Geheimnis der Welt angemessen ist. Man beginnt mit einfachen Schritten, wie einem „Kindermeßbuch“, und arbeitet sich schließlich zu einem Missale für Erwachsene mit allen Übersetzungen hoch – und schließlich kennt man es so gut, daß man das Meßbuch beiseite legen und sich einfach der Liturgie hingeben kann. Das kann beim tridentinischen Ritus leichter geschehen, weil er weniger Optionen und weniger Texte hat, die mit der Zeit vertraut werden. Es dauert lange, bis man sich ganz darauf einläßt, und so sollte es auch sein.
Man lernt schwimmen, indem man im flachen Wasser beginnt und sich schließlich ins tiefe Wasser wagt. Die traditionelle Liturgie bietet mit ihrem Reichtum an Symbolen, ihrem feierlichen Zeremoniell und ihrem wunderschönen musikalischen Erbe viele „Griffe“, an denen man sich festhalten kann. Ich erinnere mich, wie fasziniert mein Sohn von den koordinierten Bewegungen der Meßdiener bei ihrer heiligen Choreographie war. Ein anderer kleiner Junge, den ich kenne, liebt es, dem Thuriferar beim Umgang mit dem Weihrauchfaß zuzusehen, mit den heißen Kohlen und den Rauchwolken. Man muß kein Genie sein, um die lateinische Messe zu verstehen; man muß nur die Augen im Kopf, die Ohren und die Nasenlöcher benutzen; man sieht zu, hört zu, denkt nach und betet. Das Beste, was wir in der Messe tun können, ist, ernsthaft zu beten; das ist mehr wert als jedes noch so rationale Verständnis.
Die sakrale Sprache der Messe, ihre völlig unübersetzbare Poesie, verdient es, unversehrt zu bleiben. Wir Laien haben viele Möglichkeiten, uns ihre Bedeutung zu erschließen: Wir können Latein lernen, wir können der Messe in einem Meßbuch folgen (wo die Übersetzung nicht das Gewicht des eigentlichen Ritus tragen muß), oder wir können einfach nur zuschauen und in unseren eigenen Worten beten, inspiriert von der Liturgie.
Der Schlüssel liegt darin, die reichhaltigen Zeremonien der Messe selbst die erste Botschaft sein zu lassen, die sie vermittelt. Der Text ist weder absolut und exklusiv, noch ist er vom Standpunkt der Laienbeteiligung aus gesehen primär. Er ist etwas, in das man mit der Zeit hineinwächst. Wir sind heutzutage so ungeduldig: Wir wollen eine „Sofortlösung“. Nun, Gott hat mehrere tausend Jahre gebraucht, um die Menschheit auf die Menschwerdung vorzubereiten, und er hat 1.500 Jahre gebraucht, um den Römischen Ritus unter uns zur Vollendung zu bringen. Er hat es offensichtlich nicht eilig, die Dinge hinter sich zu bringen, und das sollten wir auch nicht haben. Gewiß, unser Leben ist kurz, aber in der Regel nicht so kurz, daß wir uns nicht die dem Ritus angemessene Gewohnheit aneignen können.
Charles du Plessis d’Argentré schreibt:
„Es ist völlig klar, daß der Nutzen des liturgischen Gebets nicht nur im Verstehen der Worte besteht; es ist ein gefährlicher Irrtum zu glauben, daß das vokale Gebet nur der Bildung des Intellekts dient. Im Gegenteil, ein solches Gebet trägt vor allem dazu bei, die Gefühle zu entflammen, sodaß der Beter, der sich mit frommem und andächtigem Herzen zu Gott erhebt, erbaut wird und, wenn er seine Wünsche erhält, in seinen Absichten nicht vereitelt wird; außerdem erhält der Verstand eine Erleuchtung zusammen mit anderen nützlichen oder notwendigen Dingen, was alles weitaus mehr Nutzen bringt als das Verstehen der Worte allein, das ohne die Erweckung der Zuneigung zu Gott nicht viel bringt“ (Collectio iudiciorum de novis erroribus II [Paris: Cailleau, 1728], 62, zitiert in Guéranger: Institutions liturgiques III, 164).
Musikalisches Erbe
Bei allem Respekt vor dem großen Prof. [Laszlo] Dobszay ist der volkssprachliche Choralgesang ein häßliches Entlein im Vergleich zu seinem lateinischen Vorbild. Er kann zwar anständig gemacht werden, aber er bleibt ziemlich unbeholfen. Keine zwei Sprachen funktionieren gleich, und der eigentümliche Klang einer jeden ist sehr unterschiedlich. Latein und Gesang sind wie eine Mischung aus Körper und Seele. Auch hier geht es im byzantinischen Gesang in der Regel besser, weil er – und ich will unseren östlichen Brüdern nicht zu nahe treten – im allgemeinen etwas einfacher und schlichter ist als der Gregorianische Gesang. Es handelt sich eher um harmonisierte Psalmtöne, die zu jeder Sprache passen können. Der lateinische Gesang hingegen ist eine hochentwickelte Musikform, die tausend Jahre lang mit dem lateinischen Text aufgewachsen ist.
Der Komponist Mark Nowakowski sagte dazu in einem Interview:
„Latein ist eine Sprache, zu der ich beim Komponieren immer wieder zurückkehre, nicht nur, weil es immer noch die Sprache der Kirche ist, sondern auch, weil es eine einzigartig schöne Sprache ist. Sie ist von Natur aus singbar und scheint die nötige Struktur und Schwere zu haben, um das volle Gewicht sowohl der liturgischen Feierlichkeit als auch der geistlichen Kontemplation zu tragen. Seien wir ehrlich: ‚Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünden der Welt‘ ist einfach nicht so schön oder singbar wie „Agnus Dei, qui tollis peccata mundi…“ – und wir haben ein ganzes gescheitertes nachkonziliares Repertoire, um dies zu beweisen. Und jetzt, wo Komponisten in einem Zeitalter leben, in dem englische Texte der kirchliche Standard sind, wollen sie meistens auf Latein komponieren! Das sollte für sich selbst sprechen.
Falsche Zentralität
Jedes Mal, wenn jemand vorschlägt, die lateinische Messe zu übersetzen, wird sofort hinzugefügt: „Aber natürlich würde die Hauptmesse in Latein bleiben“ oder „Natürlich würde sie für diejenigen, die Latein lieben, weiterhin zur Verfügung stehen“.
Ich denke, das ist eine falsche Hoffnung.
Wie viel besser ein usus antiquior in der Volkssprache auch sein mag als ein usus recentior in Latein, so fürchte ich doch, daß ein solcher Schritt eine schleichende Marginalisierung des Lateinischen und des Gesangs einleiten würde, ohne daß es eine Hoffnung auf eine Wiederherstellung gäbe. Wenn die Menschen erst einmal davon überzeugt sind, daß sie diesen oder jenen Teil der Liturgie sofort verstehen „müssen“, dann wünsche ich ihnen viel Glück bei dem Versuch, eine feierliche Messe zu zelebrieren, bei der dies nicht die Grundvoraussetzung ist. Mit diesen Schätzen wäre es wie mit Tier- oder Pflanzenarten, die von aggressiveren fremden Organismen, die in das Ökosystem eingeführt werden, aus ihrer ursprünglichen Umgebung vertrieben werden.
Die vielleicht entscheidendste Beobachtung ist, daß die lateinischen Texte ein dichtes Netz von intraliturgischen und extraliturgischen Assoziationen aufweisen, die keine Volkssprache, egal wie elegant sie auch sein mag, tragen könnte – zumindest nicht, ohne einen eigenen Bogen von 2000 Jahren Entwicklung zu schlagen. Ich möchte nicht so klingen, als würde ich eine Art „magische“ Eigenschaft des Lateinischen verteidigen, aber ich denke, es lohnt sich, darüber nachzudenken, warum Exorzisten durchweg von mehr Erfolg berichten, wenn sie die alten Riten in Latein verwenden.
Prioritäten
Können wir schließlich nicht auch sagen, daß eine Religion, die sich selbst ernst nimmt, von ihren Mitgliedern verlangen würde, sie ernsthaft zu studieren? Ernsthafte Juden verlangen von ihren Jungen, Hebräisch zu lernen; ernsthafte Moslems verlangen von ihnen, klassisches Arabisch zu lernen; die Kopten lernen Ägyptisch; die Russen müssen etwas Kirchenslawisch lernen und so weiter. Die katholische Kirche wird wieder stärker werden, wenn sie tatsächlich von ihren Menschen mehr verlangt, als sie es derzeit tut (der Bereich des Fastens ist vielleicht der offensichtlichste Ort, um damit zu beginnen).
Es gibt Tausende von katholischen Schulen, die Latein unterrichten könnten. Sie tun es nicht, weil es als wenig oder gar nicht wertvoll erachtet wird. Diese Unwissenheit, Skepsis oder Ablehnung unserer Tradition ist das eigentliche Problem; das ist die Einstellung, die sich ändern muß. Andernfalls versuchen wir, Menschen eine schöne Liturgie aufzudrängen, denen es völlig egal ist, ob sie hoch, niedrig, richtig, falsch, alt, neu, lateinisch oder englisch ist.
Kurz gesagt: Latein ist nicht irgendein abgelegener Hügel, weit weg von der Festung, sondern ein Teil des Felsens, auf dem die Höhenfestung steht, die wir verteidigen.
*Dr. Peter Kwasniewski graduierte am Thomas Aquinas College und an der Catholic University of America. Er lehrte am International Theological Institute in Gaming (Österreich), am Österreich-Programm der Franciscan University of Steubenville und am Wyoming Catholic College, dessen Mitgründer er 2006 war. Heute ist er freier Publizist und Vortragender zu Themen des traditionellen katholischen Glaubens. Seine Beiträge erscheinen im Internet unter anderem auf OnePeterFive, New Liturgical Movement, LifeSiteNews, The Remnant, und Catholic Family News. Er verfaßte zahlreiche Bücher, unter ihnen Reclaiming Our Roman Catholic Birthright: The Genius and Timeliness of the Traditional Latin Mass (Angelico, 2020), The Ecstasy of Love in the Thought of Thomas Aquinas (Emmaus, 2021) und Are Canonizations Infallible? Revisiting a Disputed Question (Arouca, 2021). Seine Bücher wurden in mindestens achtzehn Sprachen übersetzt. In deutscher Sprache liegt vor: Neuanfang inmitten der Krise. Die heilige Liturgie, die traditionelle lateinische Messe und die Erneuerung in der Kirche (Una Voce, 2017). Seine Netzseite ist www.peterkwasniewski.com.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: MiL (Screenshot)