Der heilige Johannes, Apostel und Evangelist

Die Wahrheit der Liebe verteidigen und aus der Liebe die Wahrheit verteidigen


Johannes, der Apostel und Evangelist
Johannes, der Apostel und Evangelist

Von Rober­to de Mattei*

Anzei­ge

Johan­nes, der Sohn des Zebedä­us und der Salo­me, hat­te die Ehre, aus dem Geschlecht Davids gebo­ren zu sein, aus der Fami­lie der Got­tes­mut­ter. Er war also ein Ver­wand­ter unse­res Herrn, dem Fleisch nach, wie sein Bru­der Jako­bus der Älte­re, und wie Jako­bus der Jün­ge­re und Judas, Söh­ne des Alphä­us. In der Blü­te sei­ner Jugend folg­te Johan­nes Chri­stus nach und blick­te nie zurück. Er war nicht nur Jün­ger und Apo­stel, son­dern auch ein Freund des Got­tes­soh­nes, „der Jün­ger, den Jesus lieb­te“. Der Grund für die­se sel­te­ne Bevor­zu­gung war, wie Dom Gué­ran­ger sagt, das Opfer der Jung­fräu­lich­keit, das Johan­nes‘ rein­ste See­le dem Gott­men­schen dar­brach­te. Johan­nes hat die­se jung­fräu­li­che Unschuld immer bewahrt. Er war kein Mär­ty­rer, aber nach dem Blut­op­fer war das Opfer der Jung­fräu­lich­keit das edel­ste und mutig­ste Opfer.

Die Jung­fräu­lich­keit ver­schaff­te Johan­nes erha­be­ne Vor­rech­te, ange­fan­gen bei sei­ner Fähig­keit zur Liebe.

Wer die Macht der Lie­be kennt, kennt auch die Macht des Has­ses. Des­halb ist der Evan­ge­list, der am aus­führ­lich­sten über den Ver­rat des Judas spricht, Johan­nes, der Apo­stel der Lie­be, „der­sel­be, der sich beim Abend­mahl an sei­ne Brust leg­te und ihn frag­te: Herr, wer ist es, der dich ver­ra­ten wird“ (Joh 21,20). Indem er sein Haupt an die Brust des Gott­men­schen leg­te, schöpf­te Johan­nes aus der gött­li­chen Gna­den­quel­le im Her­zen Jesu, wo „alle Schät­ze der Weis­heit und der Erkennt­nis ver­bor­gen sind“ (Kol 2,3). Die Weis­heit, die aus der Lie­be gebo­ren wird, soll­te den Rest sei­nes Lebens prägen.

Natür­lich gehör­te auch er zu den Apo­steln, die nicht in der Lage waren, mit Jesus in der Stun­de von Geth­se­ma­ne zu wachen, aber er war neben Petrus der ein­zi­ge, der dem nächt­li­chen Pro­zeß Jesu im Hof des Hau­ses des Kai­phas bei­wohn­te (Joh 18,15–16), und anders als Petrus ver­leug­ne­te er den gött­li­chen Mei­ster nicht.

Vor allem aber war Johan­nes der ein­zi­ge Apo­stel, der am Fuße des Kreu­zes anwe­send war, wo Jesus, „als er sei­ne Mut­ter und den Jün­ger, den er lieb­te, sah, zu sei­ner Mut­ter sag­te: ‚Frau, sie­he, dein Sohn‘, und sich an Johan­nes wand­te: ‚Sie­he, dei­ne Mut­ter‘“ (Joh 19,26–27). Bischof Pier Car­lo Lan­duc­ci schreibt auf­schluß­rei­che Sei­ten, um zu erklä­ren, wie in die­sen Wor­ten Jesu die geist­li­che Mut­ter­schaft Mari­as, der Aller­hei­lig­sten, für alle Erlö­sten, ver­tre­ten durch den Apo­stel, direkt ver­kün­det wird (Maria SS​.ma nel Van­gelo, Edi­zio­ni Pao­li­ne, Roma 1954, S. 395–414). Dar­über hin­aus hat Jesus mit die­sen Wor­ten ein gött­li­ches Band zwi­schen der Got­tes­mut­ter und der geist­li­chen Fami­lie derer geknüpft, die sich im Lau­fe der Jahr­hun­der­te durch ihre Ver­eh­rung Mari­ens aus­zeich­nen soll­ten, indem sie in ihr die Mut­ter Got­tes und der Mensch­heit, die Mit­erlö­se­rin und uni­ver­sa­le Mitt­le­rin aller Gna­den sahen.

Nach dem Tod Jesu gehör­te Johan­nes zu der klei­nen Pro­zes­si­on, die ihn zur Beer­di­gung beglei­te­te, zusam­men mit Maria, den from­men Frau­en, Niko­de­mus und Josef von Ari­mat­häa. Die bei­den eif­rig­sten Jün­ger, Petrus und Johan­nes, waren die ersten, die dann zum Grab eil­ten, um mit eige­nen Augen zu sehen, was die from­men Frau­en berich­tet hat­ten. Johan­nes kam zuerst an, blieb aber ste­hen und ließ Petrus vor ihm ein­tre­ten. Es war ein Akt der Ehr­erbie­tung gegen­über dem­je­ni­gen, den der Herr als Haupt der Kir­che ein­ge­setzt hat­te, und zeig­te damit, daß der mysti­sche Leib eine sicht­ba­re Gesell­schaft ist, in der die Auto­ri­tät des Stell­ver­tre­ters Chri­sti ver­ehrt wer­den muß. Als Petrus und Johan­nes, die ersten unter den Apo­steln, das Tuch sahen, in das der Leib Jesu ein­ge­wickelt wor­den war, und auf der ande­ren Sei­te das Lei­chen­tuch, mit dem sein Haupt bedeckt wor­den war, glaub­ten sie an die Auf­er­ste­hung und erin­ner­ten sich an das, was der Herr selbst vor­aus­ge­sagt hat­te (Joh 20,2–9). Bei der Erschei­nung in Gali­läa war Johan­nes auch der erste, der den auf­er­stan­de­nen Mei­ster erkann­te (Joh 21,7).

In den Jah­ren nach Pfing­sten hielt sich Johan­nes gewöhn­lich in Jeru­sa­lem auf. Als der hei­li­ge Pau­lus um das Jahr 50 in die Hei­li­ge Stadt zurück­kehr­te, fand er dort Jako­bus, Petrus und Johan­nes vor, die als Säu­len der Kir­che in Jeru­sa­lem gal­ten (Gal 2,1–9), und es ist anzu­neh­men, daß die Got­tes­mut­ter immer bei dem­je­ni­gen geblie­ben war, dem sie von ihrem gött­li­chen Sohn anver­traut wor­den war.

Spä­ter, so die Über­lie­fe­rung, zogen Maria und Johan­nes nach Ephe­sus. Das Haus Mari­ens auf dem Berg Sol­mis­sos in der Nähe von Ephe­sus, heu­te in der Tür­kei, wird als der Ort ver­ehrt, an dem die Jung­frau die letz­ten Jah­re ihres Lebens ver­brach­te. Johan­nes befand sich um das Jahr 92 n. Chr., wäh­rend der Herr­schaft von Kai­ser Domi­ti­an, in Rom. Der Kai­ser befahl, Johan­nes in der Nähe der Por­ta Lati­na in Rom in einen Kes­sel mit sie­den­dem Öl zu tau­chen. Durch ein Wun­der blieb Johan­nes unver­letzt und wur­de dann auf die Insel Pat­mos ver­bannt, wo er die Schau­un­gen emp­fing, die er im Buch der Gehei­men Offen­ba­rung niederschrieb.

Johan­nes war der ein­zi­ge Apo­stel, der nach sei­ner Rück­kehr von Pat­mos nach Ephe­sus eines natür­li­chen Todes starb, und zwar im Alter von etwa neun­zig Jah­ren. Sein Grab, ein Wall­fahrts­ort, befin­det sich in der Kryp­ta einer Basi­li­ka, die Kai­ser Justi­ni­an im 6. erbau­en ließ.

Gegen Ende des 1. Jahr­hun­derts war der Evan­ge­list Johan­nes eine Stüt­ze im Kampf gegen die frü­hen Häre­ti­ker, ins­be­son­de­re gegen die Anhän­ger des Doke­tis­mus und der Gno­sis, die er als „Anti­chri­sten“ bezeich­ne­te (1 Joh 2,18–22). Der Doke­tis­mus behaup­te­te, daß Jesus nur eine schein­ba­re mensch­li­che Gestalt hat­te und daß sein Lei­den und sein Tod nur Illu­sio­nen waren [da es ihnen unvor­stell­bar schien, daß Gott sich zum nied­ri­gen Men­schen mach­te und wie ein sol­cher lei­den und ster­ben könn­te]. Johan­nes hält dem in sei­nem Evan­ge­li­um ent­ge­gen, daß „das Wort Fleisch gewor­den ist“ (Joh 1,14), und bekräf­tigt, daß Jesus der Gott­mensch ist, der wahr­haf­tig inkar­niert ist. Der hei­li­ge Ire­nä­us von Lyon bestä­tigt in sei­ner Wider­le­gung der Häre­si­en, daß der Apo­stel Johan­nes das Evan­ge­li­um und sei­ne Brie­fe geschrie­ben hat, um Häre­si­en zu bekämp­fen, ins­be­son­de­re „um den von Ker­inth ver­brei­te­ten Irr­tum zu zer­stö­ren“, einem Gno­sti­ker, der „lehr­te, daß Jesus nicht von einer Jung­frau gebo­ren wur­de, son­dern der Sohn von Josef und Maria war, wie alle ande­ren Men­schen“, und daß er allein „den ande­ren an Gerech­tig­keit, Klug­heit und Weis­heit über­le­gen war“ (Adver­sus Haere­ses, I, 26, 1). Der Histo­ri­ker Euse­bi­us von Caesarea berich­tet, daß Johan­nes aus einem öffent­li­chen Bade­haus floh, um nicht mit Ker­inth, einem Feind der Wahr­heit, unter ein Dach zu kom­men (Kir­chen­ge­schich­te, III, 28).

Die Gno­sis war eine eso­te­ri­sche Strö­mung, der zufol­ge das Heil von einem gehei­men Wis­sen her­rühr­te, das einer Grup­pe von Ein­ge­weih­ten vor­be­hal­ten war. Gegen die­se Häre­sie betont Johan­nes in sei­nen Brie­fen die Bedeu­tung der von Chri­stus emp­fan­ge­nen Wahr­heit und der Lie­be als Zei­chen des wah­ren Glau­bens. In sei­nen Brie­fen erklärt er den Men­schen, daß der­je­ni­ge, der nicht liebt, Gott, der die Lie­be ist, nicht kennt (Joh 4,8). Bis zum Ende sei­nes Lebens hat der Evan­ge­list auf der Lie­be bestan­den, die die Men­schen ein­an­der schul­dig sind, indem sie dem Bei­spiel Got­tes fol­gen, der sie geliebt hat; und wie er deut­li­cher als ande­re die Gött­lich­keit und die Herr­lich­keit des Wor­tes ver­kün­det hat, so hat er sich auch mehr als ande­re als Apo­stel jener unend­li­chen Lie­be erwie­sen, die der Erlö­ser auf die Erde gebracht hat.

Johan­nes ist der Schutz­pa­tron all derer, die die Wahr­heit der Lie­be ver­tei­di­gen und aus Lie­be die Wahr­heit ver­tei­di­gen. Der Adler, der ihn tra­di­tio­nell dar­stellt, ist ein Sym­bol für die schwin­del­erre­gen­de Höhe, zu der sei­ne Gefüh­le und Gedan­ken aufstiegen.

*Rober­to de Mat­tei, Histo­ri­ker, Vater von fünf Kin­dern, Pro­fes­sor für Neue­re Geschich­te und Geschich­te des Chri­sten­tums an der Euro­päi­schen Uni­ver­si­tät Rom, Vor­sit­zen­der der Stif­tung Lepan­to, Autor zahl­rei­cher Bücher, zuletzt in deut­scher Über­set­zung: Ver­tei­di­gung der Tra­di­ti­on: Die unüber­wind­ba­re Wahr­heit Chri­sti, mit einem Vor­wort von Mar­tin Mose­bach, Alt­öt­ting 2017, und Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil. Eine bis­lang unge­schrie­be­ne Geschich­te, 2. erw. Aus­ga­be, Bobin­gen 2011.
Bücher von Prof. Rober­to de Mat­tei in deut­scher Über­set­zung und die Bücher von Mar­tin Mose­bach kön­nen Sie bei unse­rer Part­ner­buch­hand­lung beziehen.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana

Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!

 




 

1 Kommentar

  1. Der Kol­lek­tiv­na­me häre­ti­scher Systeme

    Gno­sti­zis­mus, ein Kol­lek­tiv­na­me häre­ti­scher Syste­me in den ersten Jahr­hun­der­ten der Kirche.Das (grie­chi­sche) Wort, wel­chem bei dem uralten Über­set­zer des hl. Ire­nä­us das latei­ni­sche agni­tio ent­spricht (z. B. 1, 1, 1; 4, 33, 8), bedeu­tet eigent­lich Erkennt­nis, das Wis­sen, im bibli­schen und christ­li­chen Sprach­ge­brauch gewöhn­lich mit beson­de­rer Bezie­hung auf reli­giö­se Gegen­stän­de. Der alte christ­li­che Sprach­ge­brauch rich­tet sich nach den bibli­schen. Die hei­li­ge Schrift kennt aber eine zwei­fa­che Gno­sis, ein ech­tes und ein fal­sches Wis­sen, deren eines sie rühmt und emp­fiehlt, wäh­rend sie das ande­re brand­markt und ver­wirft. Wie das Wis­sen noch heut­zu­ta­ge ent­we­der als Stei­ge­rung des Glau­bens oder als Gegen­satz des Glau­bens auf­tritt, so in der christ­li­chen Urzeit die Gnosis.
    Zwei­fa­che Gnosis
    Die ech­te Gnosis

    Die ech­te Gno­sis, die Gno­sis im guten Sinn des Wor­tes, ist ein immer tie­fe­res Ein­drin­gen in das inne­re Wesen des unwan­del­bar fest gehal­te­nen, von Gott geof­fen­bar­ten Glau­bens, ver­bun­den mit einer auf festen Beweis­grün­den ruhen­den Über­zeu­gung von des­sen Wahr­heit, ein immer all­sei­ti­ge­res Erfas­sen des­sel­ben mit allen Kräf­ten des mensch­li­chen Gei­stes, so daß der­sel­be vom Ver­stand aus das gan­ze Leben durch­dringt (vgl. Röm. 15, 14; 1. Kor. 1, 5; 8, 1. 7. 10. 11; 12, 8; 13, 2. 8;14, 6; 2. Kor. 6, 6; 11, 6; Kol. 2, 3; 2. Petr. 1, 5. 6; 3, 18). Das ist die Gno­sis, wel­che der Sohn Got­tes geof­fen­bart und der Mensch­heit über­ge­ben hat (Cle­mens Alex. Strom. 6, 7, ed. Pot­ter II, 771); das ist „die voll­kom­me­ne und ver­läß­li­che Gno­sis“, um derent­wil­len die Chri­sten zu Korinth in den ersten Zei­ten allent­hal­ben gerühmt waren (Cle­mens Rom. ep. I, c. 1); das ist jenes erha­be­ne Ide­al christ­li­cher Gei­stes­bil­dung und voll­kom­me­ner Hand­lungs­wei­se, (…) und wel­ches die edel­sten gebil­det­sten Män­ner der ersten Jahr­hun­der­te unab­läs­sig anstreb­ten. Daher wird auch das Ide­al des voll­kom­me­nen Chri­sten von Cle­mens von Alex­an­dri­en in sei­nen begei­ster­ten Schil­de­run­gen immer mit dem Namen Gno­sti­cus bezeich­net (s. das gan­ze 6. und 7. Buch der Stroma­ta, vgl. Strom. 2, 17). Eben die­ser alex­an­dri­ni­sche Cle­mens, wel­cher der vor­nehm­ste Stimm­füh­rer der wah­ren Gno­sis im Alter­tum ist, erklärt an ver­schie­de­nen Stel­len, was er unter der­sel­ben ver­ste­he, und wie die­sel­be nur auf dem Grund des Glau­bens gedei­he; so Paed. 1, 6, ed. Pot­ter I, 116; Strom. 2, 17 p. 468; 3, 5 p. 531; 6, 1 p. 736; 6, 8 p. 774 und beson­ders 7, 10 p. 864–866 (wo er sie den „voll­kom­me­nen und siche­ren Beweis des­sen“ nennt, „was man im Glau­ben bereits erfaßt hat, den Auf­bau auf der Grund­la­ge des Glau­bens, wodurch man zum unfehl­ba­ren Ver­ständ­nis gelangt“). –

    https://​katho​lisch​glau​ben​.info/​k​i​r​c​h​e​n​l​e​x​i​k​o​n​-​d​i​e​-​i​r​r​l​e​h​r​e​-​d​e​s​-​g​n​o​s​t​i​z​i​s​m​us/

Kommentare sind deaktiviert.