Der Klerikalismus von Franziskus

Der Peronismus und das Desaster der Kirche in Argentinien


Papst Franziskus mit dem Peronisten Jaun Manuel Urtubey
Papst Franziskus mit dem Peronisten Jaun Manuel Urtubey

Von Ber­nar­di­no Montejano*

In der argen­ti­ni­schen Tages­zei­tung La Nación (Aus­ga­be vom 4. Janu­ar) fan­den wir eine Notiz mit dem Titel: „Papst Fran­zis­kus traf Urtu­bey und sie spra­chen über den Pero­nis­mus“. Um die Ange­le­gen­heit in einen Zusam­men­hang zu brin­gen, grei­fen wir zunächst auf das Evan­ge­li­um zurück, mit zwei Zita­ten, von denen eines bekannt und das ande­re wahr­schein­lich weni­ger bekannt ist.

Das erste bezieht sich auf das Zah­len der Steu­ern, des Tri­buts an Cäsar. Die Schrift­ge­lehr­ten und Hohe­prie­ster schick­ten Kund­schaf­ter aus, um den Herrn zu fra­gen: „Ist es recht, daß wir dem Kai­ser Tri­but zah­len? Er sag­te zu ihnen: ‚Zeigt mir ein Geld­stück. Wes­sen Bild trägt es?‘ Sie sag­ten: ‚Des Kai­sers‘. Er sag­te zu ihnen: ‚Gebt dem Kai­ser, was dem Kai­ser gehört, und Gott, was Gott gehört‘“ (Lk 20,22–25).

Das zwei­te, weit weni­ger bekann­te Bei­spiel ist sei­ne Wei­ge­rung, als Rich­ter in welt­li­chen Ange­le­gen­hei­ten auf­zu­tre­ten, als einer aus dem Volk zu ihm sag­te: „Mei­ster, sag mei­nem Bru­der, er soll das Erbe mit mir tei­len. Er ant­wor­te­te: „Mensch, wer hat mich zum Rich­ter oder Schlich­ter bei euch gemacht?“ Nach­dem er sich gewei­gert hat, in den Fall ein­zu­grei­fen, folgt eine mora­li­sche War­nung: „Gebt acht, hütet euch vor jeder Art von Hab­gier. Denn der Sinn des Lebens besteht nicht dar­in, daß ein Mensch auf­grund sei­nes gro­ßen Ver­mö­gens im Über­fluß lebt“ (Lk 12,13–15).

Ein Kom­men­tar zum ersten, grund­le­gen­den, um die poli­ti­sche Macht auf die zeit­li­chen Din­ge zu beschrän­ken und die Unab­hän­gig­keit der Ordens­leu­te von den poli­ti­schen Wech­sel­fäl­len zu gewähr­lei­sten, wie es im Her­zen des Chri­sten­tums in den Ver­sen von Cal­derón de la Bar­ca zum Aus­druck kommt:

„Dem König muß man Gut und Leben geben,
aber die Ehre ist das Erbe der See­le,
und die See­le gehört Gott allein.“

Was den zwei­ten Punkt betrifft, so war die Bit­te nicht unan­ge­mes­sen, denn in der Anti­ke war es üblich, daß wei­se Män­ner als Ver­mitt­ler auf­tra­ten, weil sie klu­ge Män­ner waren. Neh­men wir als Bei­spiel den Fall des Ber­emiz, des Man­nes, der rech­ne­te, der von den Erben eines Ver­stor­be­nen ange­ru­fen wur­de, um über ein Erb­schafts­pro­blem zu urtei­len, wäh­rend er mit sei­nem Freund auf einer Stra­ße unter­wegs war und auf einem ein­zi­gen Kamel ritt.

Das Pro­blem war kom­plex. Der Vater hat­te aus­ge­sagt, daß die Hälf­te sei­ner Kame­le für sei­nen älte­sten Sohn, ein Drit­tel für sei­nen zwei­ten und ein Drit­tel für sei­nen letz­ten Sohn bestimmt war. Die Gesamt­zahl belief sich auf 35 Kamele.

Ber­emiz nahm den Auf­trag an, erklär­te aber sei­nem Freund, daß das Kamel, auf dem sie rit­ten, zu der geerb­ten Samm­lung hin­zu­ge­fügt wer­den müs­se. Sein Gefähr­te fürch­te­te sich vor dem Risi­ko, auf der Strecke zu blei­ben, aber Ber­emiz beru­hig­te ihn, denn als gelehr­ter Mathe­ma­ti­ker wür­de er das Pro­blem gut lösen.

Er bot dem Älte­sten, der 17 und ein hal­bes zu haben hat­te, 18 an; dem Zwei­ten, der 11 und ein Drit­tel erhielt, bot er 12 an; und dem Drit­ten, der knapp über 3 geerbt hat­te, bot er 4 an. Alle waren glück­lich und dank­bar. Zwei Kame­le blie­ben übrig, er gab sei­nem Freund sei­nes zurück und das ande­re war sei­ne Entschädigung.

Dies ist der Beweis dafür, daß eine exak­te Wis­sen­schaft auch als Mit­tel zur Lösung eines recht­li­chen Pro­blems die­nen kann. Ich dan­ke dem Mathe­ma­ti­ker, den ich aus dem Gedächt­nis zitie­re, weil ich sein Buch nicht fin­den kann.

Keh­ren wir an den Anfang zurück. Chri­stus gibt uns ein Bei­spiel. Die Chri­sten müs­sen ihn nach­ah­men, nicht kopie­ren. Des­halb heißt das Buch von Tho­mas von Kem­pen: „Nach­fol­ge Chri­sti“. Papst Fran­zis­kus ist der erste, der ihn als Stell­ver­tre­ter Chri­sti nach­ah­men muß.

Als er sei­nen Lands­mann Juan Manu­el Urtu­bey, einen füh­ren­den pero­ni­sti­schen Poli­ti­ker und ehe­ma­li­gen Gou­ver­neur von Sal­ta, in der Biblio­thek des Apo­sto­li­schen Pala­stes emp­fing, hät­te er sich um des­sen geist­li­che Gesund­heit küm­mern müs­sen, um die sei­ner Fami­lie, sei­ner zahl­rei­chen Nach­kom­men, um die Frucht sei­ner bei­den Ehen, wie Chri­stus es getan hät­te, der will, daß alle Men­schen geret­tet wer­den und zum Heil, das heißt, zur Erkennt­nis der WAHRHEIT, kommen.

Nichts von alle­dem ist gesche­hen. Als Ver­fech­ter des schlimm­sten Kle­ri­ka­lis­mus ermu­tig­te er den Besu­cher, sich für eine „Erneue­rung des Pero­nis­mus als Alter­na­ti­ve“ einzusetzen.

Urtu­bey sag­te über die Begeg­nung mit Fran­zis­kus: „Wir spre­chen viel über die Situa­ti­on im Land und über das, was jetzt als ein ech­ter Kul­tur­kampf ange­se­hen wird… und was dies in bezug auf die Ver­schär­fung der Aus­ein­an­der­set­zun­gen bewirkt“.

Er beton­te auch, daß er das Tref­fen mit Fran­zis­kus genutzt habe, um ihn über den Stand sei­nes Pro­jekts zur Erneue­rung des Pero­nis­mus zu infor­mie­ren, „die als eine Art Not­wen­dig­keit für den Auf­bau einer stär­ke­ren Demo­kra­tie noch aus­steht: Wir befin­den uns in einem Pro­zeß immer stär­ke­rer Per­so­na­lis­men, die letzt­end­lich vie­le ande­re Din­ge verdecken“.

Und er schloß mit einem ethi­schen Hin­weis: „Der Pero­nis­mus hat eine mora­li­sche Pflicht, und das ist eines der Din­ge, über die ich mit Sei­ner Hei­lig­keit gespro­chen habe, um eine nach­hal­ti­ge Alter­na­ti­ve aufzubauen“.

All das ist typisch für die unglaub­li­che Basis­ein­heit, die der Basi­shir­te im Vati­kan instal­liert hat, der sich nicht um das ewi­ge Schick­sal sei­ner Scha­fe zu küm­mern scheint, son­dern um unse­re poli­ti­sche Zukunft. Mehr Kle­ri­ka­lis­mus, mehr Ein­mi­schung der geist­li­chen Macht in die welt­li­che Sphä­re, außer­halb ihrer Kom­pe­tenz, geht gar nicht mehr.

Hat die­ser Christ aus Sal­ta, einer der reli­giö­se­sten Regio­nen des Lan­des, mit dem Hir­ten sei­nes Bezugs wäh­rend der Audi­enz irgend­ei­nen Hin­weis auf den Zustand der Liqui­die­rung gege­ben, in dem sich die Kir­che in Argen­ti­ni­en befin­det? Wur­de irgend­ei­ne Sor­ge um die Gegen­wart und die Zukunft unse­rer Nati­on geäu­ßert, die katho­lisch gebo­ren wur­de, aber nicht mehr katho­lisch ist? Wur­den die lee­ren Kir­chen bedau­ert, die sich seit der Pan­de­mie nicht mehr gefüllt haben, oder die lee­ren Prie­ster­se­mi­na­re wie jenes von La Pla­ta, das zu Zei­ten von Erz­bi­schof Héc­tor Rubén Aguer über­füllt war und heu­te, kei­ne sie­ben Jah­re spä­ter, nur noch fünf Semi­na­ri­sten zählt?

Wenn man bedenkt, daß wir Katho­li­ken, die wir unter die­ser schreck­li­chen Situa­ti­on lei­den, froh sind, wenn wir erfah­ren, daß es 2024 zwei Prie­ster­wei­hen im Insti­tut Chri­stus König und Hohe­prie­ster (ICRSS) gab, die wir zu denen im Insti­tu­to del Ver­bo Encar­na­do (IVE) in San Rafa­el hin­zu­zäh­len, und wir trau­rig sind, weil wir erfah­ren müs­sen, daß ein Bischof von Pata­go­ni­en, der kei­ne Prie­ster hat, die­se Situa­ti­on lie­ber vor­zieht, als Prie­ster des IVE zu beru­fen. Die­se sind geeig­net unter den Bom­ben in Gaza, in der Unge­wiß­heit von Alep­po, im Krieg in der Ukrai­ne und in der Käl­te Islands zu wir­ken, aber angeb­lich nicht geeig­net, die Mis­si­on im Süden Argen­ti­ni­ens voranzubringen.

Möge unser drei­fal­ti­ger Gott uns hel­fen und möge Argen­ti­ni­en eines Tages sei­ne katho­li­sche Iden­ti­tät wiederfinden.

*Ber­nar­di­no Mon­te­ja­no, Pro­fes­sor der Rechts­phi­lo­so­phie der Päpst­li­chen Katho­li­schen Uni­ver­si­tät von Argen­ti­ni­en, einer der bedeu­tend­sten Ver­tre­ter des klas­si­schen Natur­rechts in der his­pa­ni­schen Welt.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Vati­can­Me­dia (Screen­shot)

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