(Rom) Gegen den Chirurgen, der Papst Franziskus zweimal operierte, 2020 und zuletzt im vergangenen Juni, wird ermittelt. Die Staatsanwaltschaft Rom hat gegen Prof. Sergio Alfieri Ermittlungen wegen des Verdachts auf Urkundenfälschung und Betrug eingeleitet .
Prof. Alfieri, ein angesehener Chirurg und Primar an der Päpstlichen Universitätsklinik Gemelli in Rom, steht im Verdacht, Unterlagen gefälscht zu haben, sodaß aufscheint, als habe er eine Reihe von Eingriffen im OP-Saal vorgenommen, obwohl er in Wirklichkeit zu dieser Zeit gar nicht anwesend war, sondern Privatpatienten behandelte oder auf Kongressen Referate hielt.
Laut den OP-Aufzeichnungen der Klinik würde er bei zahlreichen Operationen aufscheinen, doch hätten in vielen Fällen andere Ärzte operiert, während er selbst sich ganz woanders aufgehalten habe.
Am 9. Februar 2009 ging bei den Carabinieri (das ist die italienische Militärpolizei, die jedoch zum Großteil allgemeine Polizeidienste leistet und dafür dem Innenministerium untersteht) eine Beschwerde ein, daß Prof. Alfieri Operationen durchgeführt habe, die zeitlich unmöglich seien. Der Verdacht der finanziellen Vorteilsnahme sei indirekter Art. Das italienische Gesetz sieht für Ärzte, die im öffentlichen Gesundheitsdienst tätig sind, ein bestimmtes Verhältnis von Operationen vor, um auch Privatpatienten operieren zu können. Alfieri, so der Verdacht, habe sich an der Gemelli-Klinik in mehr Operationen eingetragen, als von ihm tatsächlich durchgeführt wurden, um mehr Eingriffe an seinen Privatpatienten vornehmen und entsprechend daran verdienen zu können.
Zudem seien Krebspatienten, die sich an die öffentliche Einrichtung gewandt hatten, in seine Privatordination umgeleitet worden.
Die Beschwerde dürfte aus dem Inneren der Gemelli-Klinik gekommen sein. Die Carabinieri nahmen jedenfalls Ermittlungen im „Krankenhaus des Papstes“ auf und beschlagnahmten zahlreiche Unterlagen und Krankenakten. Laut der Tageszeitung La Stampa habe Alfieri zu der Zeit, als er angeblich im OP-Saal der Gemelli-Klinik stand, Privatpatienten operiert oder an Sitzungen von Verwaltungsgremien der Gemelli-Klinik teilgenommen oder sei auf Kongressen und anderen Veranstaltungen gewesen, teils sogar als Redner.
Prof. Alfieri ist heute der bekannteste Arzt an der Gemelli-Klinik, weil er zweimal den Papst operiert hatte und dabei dessen Vertrauen gewinnen konnte. Das brachte ihm eine steile Karriere ein. Er erhielt einen Sitz im Vorstand der Stiftung der Gemelli-Klinik, ebenso im Gesundheitsrat des Vatikans und wurde wissenschaftlicher Direktor des Krankenhauses Gemelli-Isola Tiberina. Alfieris Karriere verlief bisher ohne Störungen und Hindernisse. Seine Privatordination befindet sich ebenfalls in Gebäuden der Gemelli-Klinik.
Prof. Alfieri war zuletzt auch der internationalen Öffentlichkeit bekanntgeworden, weil er auf Pressekonferenzen über den Gesundheitszustand von Papst Franziskus berichtet hatte. Bis vor kurzem galt ein Schweigegebot für die behandelnden Ärzte des Papstes. Die restriktive Informationspolitik des Vatikans zum Gesundheitszustand von Franziskus hatte jedoch wiederholt zu Kritik geführt. So erlaubte der Vatikan beim jüngsten Eingriff, als Verwachsungen in der Bauchdecke entfernt wurden, erstmals dem behandelnden Arzt nach Rücksprache die Presse direkt zu informieren. So trat Prof. Alfieri, der vorher bereits der Fachwelt bekannt war, im Zusammenhang mit Papst Franziskus auch ins Scheinwerferlicht der Medien.
Aufgrund seiner zahlreichen Verpflichtungen sei er, so La Stampa, zuletzt immer häufiger in Anzug und Krawatte und immer seltener im grünen OP-Kittel zu sehen gewesen.
Es gilt die Unschuldsvermutung.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: VaticanNews (Screenshot)