Beim gestrigen Angelus zum Jahresbeginn nahm Papst Franziskus zum Ableben seines Vorgängers Stellung. Dabei fand der „Papst der Gesten“ erstaunlich wenig Worte. Am Beginn seiner Ansprache sagte er:
„In diesen Stunden erbitten wir die Fürsprache insbesondere für den emeritierten Papst Benedikt XVI., der am gestrigen Morgen diese Welt verlassen hat. Wir alle sind ein Herz und eine Seele und danken Gott für das Geschenk dieses treuen Dieners des Evangeliums und der Kirche. Wir haben gerade im Fernsehen unter dem Titel ‚A sua immagine’ die gesamte Tätigkeit und das Leben von Papst Benedikt gesehen.“1
Am Silvesterabend hatte Papst Franziskus im Petersdom der ersten Vesper zum Fest der Gottesmutter Maria und dem feierlichen Te Deum zum Jahresende vorgestanden. In seiner vorbereiteten Predigt fand Benedikt XVI. und dessen Tod keine Erwähnung. Allerdings fügte Franziskus einige spontane Gedanken ein, die anschließend vom Heiligen Stuhl aber nicht in die veröffentlichte Predigt Aufnahme fanden:
„Wenn wir von Güte sprechen, denken wir unwillkürlich an unseren geliebten emeritierten Papst Benedikt XVI, der uns heute Morgen verlassen hat. Mit Rührung erinnern wir uns an ihn als einen so edlen, so gütigen Menschen. Und wir empfinden so viel Dankbarkeit in unseren Herzen: Dankbarkeit gegenüber Gott, dass er ihn der Kirche und der Welt geschenkt hat; Dankbarkeit gegenüber ihm für all das Gute, das er getan hat, und vor allem für sein Zeugnis des Glaubens und des Gebets, besonders in diesen letzten Jahren seines Ruhestandes. Gott allein kennt den Wert und die Kraft seiner Fürsprache, seiner Opfer, die er für das Wohl der Kirche darbringt.“
Franziskus setzt in seiner Wortwahl die begriffliche Verwirrung fort. Die historisch und kirchenrechtlich nicht existente, aber verwirrende Formulierung, mit der er Benedikt XVI. gestern als „emeritierten Papst“ bezeichnete, gehört in den sprachlichen Limbus, in dem sich die ganze Situation zweier Päpste in den vergangenen zehn Jahren bewegte. Ein „emeritierter Papst“ wäre, nimmt man die Worte ernst, noch immer ein Papst. Bekanntlich kann es aber nur einen Papst geben. In der Tat ist Franziskus nun, nach bald zehn Jahren im Amt, erstmals alleiniger Papst.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va (Screenshot)
1 „A sua immagine“ („Nach seinem Abbild“, Genesis 1,27) ist eine Sendung „der religiösen Vertiefung“ des italienischen Staatsfernsehens RAI1, innerhalb der an jedem Sonntagvormittag auch die Messe, meist aus einer Bischofskirche, und das Angelusgebet des Papstes übertragen werden.