Von einer Katholikin
Sie gehören in Geschäften dazu wie die Pappnasen oder karnevalesker Kopfschmuck an Fasching: die weißbebommelten roten Zipfelmützen, meist wohl made in China. Spätestens seit Adventbeginn kann man ihnen nicht entrinnen, will man denn nicht auf frische Brötchen und anderes Backwerk verzichten.
Das Bäckereifachpersonal trägt sie, beim Metzger ist man auch nicht sicher, und die Schokoladenindustrie hatte schon ganze Bataillone roter Zipfelkapuzenträger in die Regale der Supermärkte geschickt, als die Bäume noch grün waren und die Sonne wärmte. Dort firmieren die Weihnachtsmänner im schlimmsten Fall auch noch als Schokonikoläuse. Diese jedoch sucht man meist vergebens und die Werbung stopft am Nikolausabend ganz ungeniert Weihnachtsmänner in die Stiefel der Kinder. Wozu auch ein Nikolaus mit Stab und Mitra als Schokoladeneintagsfliege, wenn sein entartetes Derivat sich interkulturell geeignet in einer säkularisierten Advents- und Weihnachtszeit ausgiebig vermarkten läßt. Das führt mitunter sogar dazu, daß verirrte Schokonikoläuse im Supermarktregal zum Weihnachtsmann degradiert werden, wohl um die Fehlbestellung zu kaschieren, während Werbemittelvertreiber im Internet den Weihnachtsmann einer bekannten Schokoladenfirma als Nikolaus anpreisen – warum auch immer. Läuft offensichtlich. Die Transformation scheint abgeschlossen und Nikolaus ist kaum mehr als ein altertümliches Synonym für Weihnachtsmann, werbepychologisch nutzbar, um einen Hauch gute alte Zeit zu verbreiten.
Umso verdienstvoller ist da die Adventskampagne des Bonifatiuswerkes der deutschen Katholiken, das seit über 20 Jahren unter dem Motto „Weihnachtsmannfreie Zone“ den heiligen Nikolaus als Freund der Kinder und Helfer in Not und als Vorbild für christlich inspiriertes Handeln wieder stärker bekannt machen will. Zu den Aktionen gehört natürlich auch der Verkauf von Schokonikoläusen mit Mitra und Bischofsstab. Wie sehr Aufklärung hier nottut, um dem verzipfelmützten und verweltlichten Nikolaus wieder seine Würde wiederzugeben, zeigen Umfragen in Fußgängerzonen zu Nikolaus und Weihnachtsmann, deren Ergebnisse genauso katastrophal ausfallen wie manche Studentenbefragung in Berlin zum Thema DDR.
Das weltgrößte Computermuseum, das Paderborner Heinz Nixdorf MuseumsForum unterstützt die Adventskampagne. Vom 6. bis 24. Dezember rollt dort der Museumsroboter Pepper durch die Ausstellung, als Bischof mit Stab und Mitra verkleidet. Der interaktive Roboter erzählt v. a. den Kindern vom heiligen Nikolaus von Myra und verteilt Süßigkeiten.
HNF-Geschäftsführer Viehoff betont, daß der Roboter als Geschenke verteilender Nikolaus eine große Attraktion sein werde, womit er auch zu einem „Botschafter des guten Willens“ würde.
Monsignore Georg Austen, Generalsekretär des Bonifatiuswerkes, betont, Werte wie „Nächstenliebe und Uneigennützigkeit“ sollten mit der Aktion gefördert werden.
„Der Roboter erschließt im HNF auf ungewöhnliche Weise das Wirken des Heiligen Nikolauses und baut somit eine Brücke dieser wertvollen Tradition in die heutige Zeit. Und er bereitet den Kindern im Sinne des Heiligen Nikolauses eine kleine Freude. Aber natürlich bleibt die Begegnung von Mensch zu Mensch am wichtigsten.“
Das klingt nun allerdings ein klein wenig überhöht, und beim Anblick des stiläugigen Roboters als Bischof Nikolaus können die Geschmäcker der Großen durchaus auseinandergehen. Es steht außerdem zu befürchten, daß die Aufmerksamkeit der Kleinen eher dem Roboter und seinen Süßigkeiten als den Geschichten über den Nikolaus gilt und sie seine „Nächstenliebe“ nicht als solche erfassen können. Sehen wir es also als netten Versuch, der Zipfelmützenübermacht etwas entgegenzusetzen.
Direkt von Mensch zu Mensch gelang das dem Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer in Edenstetten ganz ohne Süßigkeiten sicher nachhaltiger. Am zweiten Adventssonntag entsandte er dort bei einem Pontifikalgottesdienst in St. Nikolaus vier Nikolause. Den Kindern beantwortete er ihre Fragen und erklärte Hirtenstab, Mitra, Bischofsring und Brustkreuz.
„Bischof Nikolaus ist etwas ganz anderes als der Weihnachtsmann. Er trägt eine Mitra, keine Zipfelmütze. Ich stelle mich ganz entschieden gegen eine Verzipfelmützung von Weihnachten“, betonte der Bischof in seiner Predigt.
Der 6. Dezember ist verstrichen. Die Zipfelmützen bleiben. Aber in einer ganz anderen Hinsicht gibt es vielleicht unerwartet Hoffnung. Vermittlungsagenturen für Nikolause und Weihnachtsmänner berichten nämlich, daß es nach wie vor ein reiner Männerjob sei. Für Weihnachtsfrauen gebe es keine Nachfrage. Ein echtes Problem angesichts eines Weihnachts-Fachkräftemangels.
„Wir hatten mal in einem Jahr drei Frauen dabei, aber da haben wir dann zwei, drei Tage vorher richtig Stress bekommen, weil die Familien das nicht wollten. Das sind eigentlich nur die Eltern, die Kinder merken das gar nicht. Die Frauen machen das genau so toll, aber irgendwie funktioniert das nicht.“
Darüber könnten sich gewisse Bischöfe durchaus einmal Gedanken machen und dabei gleich noch überlegen, warum auch sie eine Ohrfeige des Nikolaus verdient hätten.
Bild: Sergei Magel/HNF
Der Roboter könnte im Erzbistum bald zu ganz anderen Einsätzen kommen. Auf Empfehlung des Generalvikariats werden dort in vielen Gemeinden die Kirchen nicht mehr beheizt. Bei den aktuellen Außentemperaturen ist deshalb manch eine Kirche bereits kälter als der heimische Kühlschrank.
Nachdem so, absehbar erfolgreich auch die letzten Gläubigen aus den Kirchen vertrieben worden sind, könnte man doch den Nikolausroboter als Beterersatz in die Gottesdienste schicken …