(Madrid) Die jüngste Grabungskampagne von Javier Salido, Professor der Archäologie an der Autonomen Universität Madrid (UAM), brachte in der Cerrillo de El Rebollar (El Boalo, Madrid) eine Kirche der Westgoten zum Vorschein.
Es handelt sich um einen rechteckigen Hallenbau, der aus einem einzigen Kirchenschiff bestand und sich im ländlichen Raum nordwestlich von Madrid befindet. Der ursprüngliche Boden des Kirchenbaus erlebte im Laufe der Zeit zahlreiche Veränderungen, die detailliert untersucht werden sollen.
Die Datierung der Entstehung der Kirche erfolgt anhand der in der Kirche entdeckten Westgotengräber. Im Gegensatz zu vergleichbaren Kirchen waren sie nicht Opfer von Grabräubern oder der Zerstörungswut geworden. Sie haben sich „in ausgezeichnetem Zustand“ konserviert. Dies ermöglichte exakte stratigraphische Erhebungen, was wiederum Rückschlüsse auf das Alter der Gräber und des Kirchenbaus erlaubt.
In der Umgebung waren bereits in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts an die 200 Westgotengräber entdeckt worden, die allerdings zum Großteil geschändet worden waren.
Bisher wurden elf Gräber innerhalb der Kirche freigelegt, die ausnahmslos in Ost-West-Richtung angeordnet sind. Sie folgen Außenmauern und sind in drei Reihen gegliedert. Die C14-Datierung ergab für die Gräber und Grabbeigaben einen Zeitraum zwischen 656–727. Diese Zeit deckt sich, so die Forscher, mit der Frühphase der Kirche. Sie zeigt auch das Abbrechen der westgotischen Präsenz in der Gegend um das Jahr 727 an, was auf die islamische Invasion zurückzuführen ist.
Die Kirche wurde später bis ins 17. Jahrhundert als Einsiedelei genützt, obwohl sie von ihren Dimensionen her für eine Eremitage ungewöhnlich groß ist.
Zwei Gräber bestehen aus Sarkophagen, die aus einem einzigen Granitblock gehauen sind. Einer enthält die sterblichen Überreste von zwei Personen, die zu unterschiedlichen Zeiten darin bestattet wurden. Es handelt sich um einen Mann und eine Frau.
Die Wissenschaftler gelangten zum Schluß, daß die Kirche aus der Endphase des Westgotenreiches in Spanien stammt, das durch die islamischer Eroberung der iberischen Halbinsel unterging und nur mehr in kleinen Fürstentümern im gebirgigen Norden in begrenztem Maße fortbestand.
Ab Mitte des 5. Jahrhunderts besetzten die Westgoten den Großteils der iberischen Halbinsel. 507 verlegten sie das Schwergewicht ihres Reiches aus Südfrankreich nach Spanien. Ihre neue Hauptstadt wurde 542 Toledo. Die Westgoten waren zu jener Zeit arianische Christen. 589 trat ihr König Rekkared I. zum katholischen Glauben über.
Als die Muslime 711 aus Nordafrika mit der Eroberung der iberischen Halbinsel begannen, unterlagen ihnen die Westgoten. 725 war der letzte Widerstand des Westgotenreiches gebrochen. Allerdings leisteten die Westgoten und ihr Adel einen wesentlichen Beitrag bei der Errichtung kleiner Fürstentümer in den Berggegenden Nordspaniens, die zum Ausgangspunkt der Reconquista wurden. Diese Fürstentümer beriefen sich ausdrücklich darauf, die Erben der katholischen Westgoten zu sein.
Auffällig ist das faktisch völlige Fehlen arabischer und islamischer Spuren in und rund um die Kirche.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Nebbie del tempo (Screenshots)