(Montreal) Das Erzbistum Montreal in Kanada will alle Priester und Ehrenamtlichen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, einer Polizeikontrolle unterziehen, bei der die Fingerabdrücke abgenommen werden.
Das Erzbistum will sein Versuchsprojekt ausweiten und verlangt zwingend die Registrierung der Fingerabdrücke in einer polizeilichen Datenbank. Dies berichtete vor zwei Tagen CBS News. Die Maßnahme wurde bereits in zehn Pfarreien der Stadt Montreal umgesetzt. Bis 2020 soll sie allen rund 170 Pfarreien des Erzbistums auferlegt werden.
Laut CBS News müssen sich alle Priester und Ehrenamtlichen, die in ihrer kirchlichen Arbeit auf irgendeine Weise gezielt mit Kindern arbeiten, dieser erkennungsdienstlichen Maßnahme unterziehen. Verweigern sie sich der polizeilichen Registrierung, die „freiwillig“ ist, sollen sie nicht in dem vorgesehenen pastoralen, apostolischen oder karitativen Bereich eingesetzt werden.
Die polizeiliche Überprüfung sieht zehn Etappen vor darunter eine Durchleuchtung der Vergangenheit nach Vorstrafen und Auffälligkeiten. Die Polizei sammelt bekanntlich in jedem Land Informationen über die Bürger vom Strafzettel bis zu Ermittlungen aufgrund eines Anfangsverdachts, wenn diese auch nie zu einer Anklageerhebung führen.
Kirche soll „sicherster Ort für die Verwundbarsten werden“ – Kritiker sprechen von Kriminalisierung
Die Priester, die sich dem Projekt unterwerfen, werden auch bei bestandener Überprüfung nicht allein mit Kindern arbeiten, sondern nur in Anwesenheit von zwei Erwachsenen. Dies schreibt der neue Ethikcodex des Erzbistums vor, der 2016 beschlossen wurde. Auch während der Beichte sollen sich „Beobachter“ in der Nähe aufhalten, wenn auch auf gebührendem Abstand.
Das Erzbistum, geleitet von Erzbischof Christian Lépine, begründet die umstrittenen Maßnahmen mit einer Politik der „Nulltoleranz“ und dem „Ziel“, die „katholische Kirche zum sichersten Ort für die Verwundbarsten“ machen zu wollen.
Kritiker werfen der Bistumsleitung hingegen vor, die Priester und die Ehrenamtlichen en bloc zu „kriminalisieren“. Die Kinder- und Jugendarbeit werde auf diese Weise kategorisch zumindest unter „Schmuddelverdacht“, in jedem Fall aber unter „polizeiliche Überwachung“ gestellt. Das widerspreche der Unschuldsvermutung und den Persönlichkeitsrechten. Priester und Ehrenamtliche würden nämlich präventiv wie Kriminelle behandelt. Das Erzbistum nehme auf diese Weise einen „Polizeistaat“ vorweg.
Zuletzt war im März 2017 ein Priester des Erzbistums verhaftet worden, dem sexueller Mißbrauch von Jugendlichen zwischen 1994 und 2011 in mehrfachen Fällen vorgeworfen wird. Gegen Brian Boucher war seit 2015 unter enger Mithilfe des Erzbistums ermittelt worden, wie die Polizei nach seiner Verhaftung bekanntgab. Zu einer Verhandlung gegen Boucher ist es noch nicht gekommen. Es gilt daher die Unschuldsvermutung.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons