(Rom) Der Heilige Stuhl scheint derzeit nicht an einer Deeskalation im Konflikt mit dem Souveränen Malteserorden interessiert. Diesen Eindruck vermittelt eine Presseerklärung, die gestern vom vatikanischen Presseamt veröffentlicht wurde.
Die Erklärung bekräftigte darin ihre „Unterstützung und Ermutigung“ für die fünf Mitglieder der von Papst Franziskus am 21. Dezember ernannten Untersuchungskommission zur Absetzung von Großkanzler Albrecht Freiherr von Boeselager.
Der Großmeister des Malteserordens, Fra Matthew Festing, hatte wenige Tage zuvor wiederholt, daß der Orden nicht mit der Kommission zusammenarbeiten werde, weil das Staatssekretariat des Vatikans keine Zuständigkeit für ordensinterne Angelegenheiten besitzt, da der Orden ein souveränes Völkerrechtssubjekt ist.
Der Vatikan verfügt, gemäß Staatsvertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Malteserorden, lediglich über eine Zuständigkeit für das religiöse Leben der Profeßritter. Boeselager gehört jedoch nicht zu den Profeßrittern, weshalb dem Vatikan über ihn gar keine Zuständigkeit zukommt.
In der Erklärung nimmt der Heilige Stuhl zudem eine Wertung vor, indem er von einer „Krise der derzeitigen Zentralleitung des Ordens“ spricht. Damit bestätigt er indirekt, was Beobachter seit Ausbruch des Konflikts behaupten, daß Boeselager mit Hilfe des Staatssekretariats de facto einen Putsch im Malteserorden versucht, der ihn zurück in sein Amt und die derzeitige Ordensleitung der Profeßritter beseitigen soll.
Der Großmeister ist „empört“ über das einseitige Vorgehen des Heiligen Stuhls. Es gebe keine Krise der „derzeitigen Ordensleitung“, sondern einen Fall Boeselager, das sei ein grundlegender Unterschied. Mit dem Fall Boeselager wird sich das Magistralgericht des Ordens befassen. Durch die Einmischung des Heiligen Stuhls wurde Spaltung und Konflikt in den Orden gebracht. Eine Lösung wurde dadurch erschwert.
Boeselager wird ordensintern ein schwerwiegender Vertrauensbruch und Verstoß gegen die katholische Morallehre vorgeworfen wird. Boeselager, so der Vorwurf, soll in seiner Zeit als Großhospitalier des Ordens Projekte geduldet oder gefördert haben, bei denen in Entwicklungsländern Verhütungsmittel verteilt wurden, darunter auch solche mit abtreibender Wirkung. Ein Vorgehen, das der weitverbreiteten Verhütungs- und Abtreibungsmentalität entspricht, aber von der Kirche verurteilt wird – jedenfalls bisher verurteilt wurde.
Unter Papst Franziskus scheint jedoch alles anders zu sein. Anstatt den Großmeister anzuhören und dessen Position der Verteidigung der katholischen Glaubens- und Morallehre zu unterstützen, werden – so der Eindruck – jene unterstützt, die aus dem Malteserorden offenbar eine Traum-NGO machen möchten. Welche NGO würde sich nicht träumen, ein souveräner Staat zu sein, eigene Diplomatenpässe ausstellen zu können und unter diplomatischer Immunität zu stehen? Der 950 Jahre alter Ritter- und Hospitalorden verfügt aufgrund der Geschichtsläufe über diese weltweit einzigartige Stellung.
Er leistet zwar humanitäre Hilfe, und das im großen Stil, ist aber keine NGO, sondern ein souveräner Ritter- und Hospitalorden der katholischen Kirche.
Aus dem Umfeld des Großmeisters wurde beanstandet, daß die Untersuchungskommission vorwiegend aus Personen besteht, die Boeselager nahestehen sollen. Eine Entscheidung, die als unfreundliche Geste wahrgenommen wird.
Wörtlich heißt es am Ende der vatikanischen Erklärung:
„Der Heilige Stuhl vertraut in die volle Zusammenarbeit aller in dieser so heiklen Phase und erwartet sich von der obgenannten Gruppe [Untersuchungskommission] den Bericht, um – in dem, was ihm zusteht – die angemessensten Entscheidungen für das Wohl des Souveränen Ritterordens von Malta und der Kirche zu treffen.“
Worte, die angesichts der bisherigen Ereignisse nicht in allen Ohren guten Vorahnungen wecken.
Siehe auch: Wer will den Malteserorden zerstrümmern?
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Malteserorden (Screenshot)
Papst Franziskus sitzt kraft Amtes am längeren Hebel, ohngeachtet des Staatsvertrags.
Es gibt keine Krise der derzeitigen Zentralleitung des Malteserordens;
dagegen gibt es sehr wohl eine Krise der derzeitigen Zentralleitung der Hl. Katholischen Kirche.
„Der Heilige Stuhl vertraut in die volle Zusammenarbeit aller in dieser so heiklen Phase und erwartet sich von der obgenannten Gruppe [Untersuchungskommission] den Bericht, um – in dem, was ihm zusteht – die angemessensten Entscheidungen für das Wohl des Souveränen Ritterordens von Malta und der Kirche zu treffen.“
Schon wieder so ein lügenbehafteter Satz. Was ihm zusteht – was steht ihm denn zu? Weder rechtlich, noch der Glaubenslehre der katholischen Kirche entsprechend, steht dem Heiligen Stuhl eine Entscheidungskompetenz zu, was die Absetzung dieses Boeselagers betrifft.
Es soll aufgrund Boeselagers Absetzung lediglich ein Exempel statuiert werden, das ist die Wahrheit.
Der Papst hat unmittelbare und umfassende geistliche Gewalt (mindestens) über die ganze katholische Kirche und jeden einzelnen Katholiken. Gewiss gibt es den Staatsvertrag. Aber der Jurisdiktionsprimat steht höher. Dass Papst Franziskus sich nicht scheut, auf ungewohnte, um nicht zu sagen grobe Weise davon Gebrauch zu machen, haben wir schon bei Bischofsernennungen unter Umgehung aller normalerweise zuständigen Personen, Gremien und Verfahren gesehen, sowie bei Anweisungen per Chirograph (Zettel mit Handnotizen) in wichtigen Angelegenheiten.