Eine Legende erzählt, als der heilige Joseph und die allerseligste Jungfrau vor dem Zorn des Herodes mit dem göttlichen Kind nach Ägypten flohen, machten sie in einer Herberge in der Wüste Rast. Die Muttergottes bat die Herbergswirtin um Wasser, das Kindlein darin zu baden. Die Frau fragte dann, ob sie nicht ihr eigenes Kind, das am Aussatz litt, im gleichen Wasser baden dürfe, in dem das göttliche Kind untergetaucht war. In dem Augenblick, da das kranke Kind das Wasser berührte, das die Gegenwart Gottes geweiht hatte, wurde es gesund. Ihr Kind wuchs heran und wurde zum Dieb. Nach der Legende war es Dismas, der zur Rechten Christi am Kreuz hing.
Ob in dem Dieb die Erinnerung an dieses Geschehen wieder auftauchte, von dem seine Mutter ihm erzählt hatte, und er deshalb Christus mit freundlicheren Blicken betrachtete, wissen wir nicht. Vielleicht auch begegnete er dem Heiland zum ersten Mal, als Er die Geschichte von dem Mann erzählte, der von Jerusalem nach Jericho ging und unter die Räuber fiel, und sein Herz war von Reue erfüllt. Aber es mag auch sein, daß er es zum ersten Mal erfuhr, da er zusammen mit dem Erlöser litt, als er sein gequältes Haupt wandte und eine Inschrift las, die Seinen Namen trug „Jesus“, und Seine Stadt „Nazareth“ und Sein Verbrechen „König der Juden“. Wie dem auch sei, auf dem Altar seiner Seele hatte sich genug dürres Reisig gesammelt und nun fällt ein Funke vom mittleren Kreuz darauf und läßt es in einem glorreichen Licht des Glaubens aufflammen. Er sieht ein Kreuz und betet vor einem Thron; er sieht einen verurteilten Mann und ruft einen König an: „Herr, gedenke meiner, wenn Du in Dein Reich eingehst.“
Endlich fand Unser Herr Anerkennung. Inmitten des Geschreis der wütenden Menge und dem unseligen Zischen der Sünde, in all diesem Höllenspektakel der menschlichen Empörung gegen Gott erhob sich nur eine Stimme in Lob und Erkennen „” die Stimme eines Verurteilten. Es war ein Glaubensbekenntnis an den, der von allen andern verlassen war und es war das Zeugnis eines Diebes. Wir wären nicht erstaunt, wenn der Sohn der Witwe von Naim, der von dem Toten erweckt worden war, sich mit einem Wort zu seinem Glauben an das Königtum des Einen bekannt hätte, der scheinbar sein Reich verlor, wenn Petrus, der auf dem Berg der Verklärung Sein Gesicht wie die Sonne hatte erstrahlen und Seine Kleider weiß wie Schnee glänzen sehen, ihn anerkannt hätte, wenn der Blinde von Jericho, dessen Augen dem Lichte durch Gottes Sohn geöffnet worden waren, noch einmal sehend geworden wäre um Seine Gottheit zu verkünden. Ja, wenn einer von diesen gesprochen hätte, dann hätten sich vielleicht auch die furchtsamen Jünger und Freunde zusammengeschart, dann hätten vielleicht auch die Schriftgelehrten und Pharisäer geglaubt. Aber da der Tod nun schon über Ihm schattete, da die Niederlage Ihm ins Antlitz starrte, war ein Dieb, ein Schächer zur Rechten Christi, der einzige außer der kleinen Gruppe am Fuß des Kreuzes, der Ihn als den Herrn eines Königreiches, als den Obersten Herrn der Seelen pries.
In dem Augenblick aber, da der Schächer sein Zeugnis ablegte, gewann Unser Herr einen größeren Sieg als er sonst je zu erringen ist, und die Kraft, die er wirkte, war größer als jene, die einen Wasserfall bändigt. Er verlor Sein Leben und rettete eine Seele. An dem Tag, da Herodes und sein ganzer Hofstaat Ihn nicht zum Reden bringen konnten noch alle Macht Jerusalems Ihn zu zwingen vermochte, vom Kreuz herabzusteigen, da er bei all den ungerechten Beschuldigungen vor Gericht sein Schweigen nicht brach und der Mob mit seinem Geschrei: „Er rettet andere, sich selbst kann er nicht retten“, Ihn nicht zu einer Antwort verleiten konnte, wandte Er sich zu dem zitterden Leben an Seiner Seite. Er spricht und rettet einen Dieb: „Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein.“ Noch keinem war ein solches Versprechen gegeben worden, nicht einmal dem Moses oder dem Johannes, nicht einmal Magdalena oder Maria.
Der Dieb hatte sein letztes, aber vielleicht auch sein erstes Gebet gestammelt. Einmal nur klopfte er an, einmal nur suchte er, einmal nur bat er, wagte alles und gewann alles. Wenn unser Geist mit Johannes auf Patmos steht, sehen wir, wie das weißgewandete Heer im Himmel hinter dem Eroberer Christus sieht. Wenn wir mit Lukas auf dem Kalvarienberg stehen, sehen wir den ersten in diesem Zug. Christus war arm und er starb reich. Seine Hände waren an ein Kreuz genagelt, und doch schloß er das Paradies auf und eroberte eine Seele. Sein Begleiter auf dem Weg in den Himmel war ein Dieb. Könnte man nicht sagen, daß er auch als Dieb starb, denn er stahl sich das Paradies?
Was könnte uns die Barmherzigkeit Gottes mehr gewiß machen? Verlorene Schafe, verlorene Söhne, gebrochene Magdalenen, reumütige Petrusse, Diebe, denen verziehen wurde. Das ist der Rosenkranz der göttlichen Vergebung.
Gott liegt an unserer Erlösung und Rettung mehr als uns selbst. Man erzählt sich eine Geschichte, daß Unser Herr eines Tages dem heiligen Hieronymus erschien und zu ihm sprach: „Hieronymus, was willst du mir geben?“ Hieronymus antwortete. „Ich will Dir meine Schriften schenken.“ Darauf erwiderte Unser Herr, das genüge nicht. „Was soll ich Dir dann schenken?“, fragte Hieronymus: „Mein Leben der Reue und der Zerknirschung?“ Aber die Antwort lautete: „Auch das ist nicht genug.“ „Was bleibt mir noch, was ich Dir geben könnte?“, rief da Hieronymus. Unser Herr gab zurück: „Hieronymus, du kannst mir deine Sünden schenken.“
Gebet
Lieber Jesus, Deine Güte gegenüber dem reumütigen Schächer erinnert an die prophetischen Worte des Alten Testaments: „Wären eure Sünden wie Scharlach rot, sie werden weiß wie Schnee werden; und wären sie so rot wie Purpur, sie würden weiß wie Wolle.“ In den verzeihenden Worten, die Du dem Dieb sagtest, verstehe ich jetzt auch den Sinn Deiner andern Worte: „Ich bin nicht gekommen, die Gerechten zu rufen, sondern die Sünder … Die Gesunden bedürfen des Arztes nicht, wohl aber die Kranken.“ „Im Himmel herrscht mehr Freude über einen Sünder, der Buße tut, als über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen.“ Jetzt verstehe ich, warum Petrus erst dann zu Deinem ersten Stellvertreter wurde, als er drei Mal gefallen war. Die Kirche, deren Haupt er war, sollte immer von Vergebung und Verzeihung wissen. Jesus, ich sehe allmählich ein, wenn ich nie gesündigt hätte, könnte ich Dich auch nie Heiland nennen. Der Schächer ist nicht der einzige Sünder. Hier stehe auch ich als Sünder. Aber Du bist der einzige Heiland.
Danke.
Für Bischof Fulton Sheen wurde doch ein Seligsprechungsverfahren eröffnet, oder nicht?
Schön, daß solche tiefen Meditationen aus der Feder eines Bischofs hier unter das Volk gebracht werden.
An die Redaktion:
Danke sehr für die Fortsetzung!
Zweites Wort: *Gibt es eine bessere Werbung für das Sakrament der Beichte?*
Zum Gespräch zw. dem Herrn und Hieronymus:
Ein ähnliches Gespräch berichtet die Hl. Faustina in ihrem Tagebuch. Der Herr fordert sie auf, Ihm ihre Sünden zu schenken. Ihre Sünden seien das einzige, was wirklich von ihr ist und sie habe, was sie Ihm schenken könne.
Vielen lieben Dank für dieses tiefe, mystische und doch, oder gerade deswegen so einleuchtende Gebet.
Solche Schätze hat nur die katholische Kirche, bei allem ensetzlichen Substanzverlust, ja Selbstvernichtungswillen der katholischen Kirche seit dem zweiten vatikanischen Konzil, wenn ich solche Schätze haben will muss ich zu ihr, auch wenn ich mich durch einen Haufen ätzenden Mist wühlen muss.
Dem kann ich mich nur anschließen. Schön solche Texte lesen zu dürfen. Beim derzeitigen Image der katholischen Kirche käme wohl kaum jemand auf die Idee dass sie solche geistlichen Schätze zu bieten hat. Auch Franz von Sales und Edith Stein würde ich an dieser Stelle empfehlen, nur so nebenbei erwähnt.