(Addis Abeba) Richard Francis Burton und vor allem John Hanning Speke sind als Entdecker der Quellen des Nils in die Geschichte eingegangen. 1858 hatten die beiden Engländer den Tanganjikasee entdeckt, den Burton für die Quelle des Nils hielt. Sie trennten sich und Speke entdeckte darauf den Viktoriasee. Über der Frage nach dem Ursprung des Nils wurden die beiden Entdeckungsreisenden zu Feinden.
Nicht Burton oder Speke, sondern Páez heißt der Entdecker der Nilquellen
Aber in Wirklichkeit war weder der eine noch der andere der Entdecker der Nilquelle, sondern der Jesuit Pedro Páez und das schon zwei Jahrhunderte vor den Briten. Der spanische Priester stieß bis zum Tanasee vor, aus dem der Blaue Nil entspringt, der bis 1893 als Hauptfluß des Nils galt. In der Regel ist das der wasserreichste Arm. Der Blaue Nil liefert rund 80 Prozent der Wasserzufuhr. Dennoch gilt seither wegen des größeren Einzugsgebiets der wasserärmere Weiße Nil als Hauptarm, der aus dem Viktoriasee entspringt. Während Speke, aber auch Burton noch heute einen Namen haben, erinnert sich kaum jemand an Páez.
Sieben Jahre als Sklave des türkischen Pascha im Jemen
Pedro Páez wurde 1564 in Olmeda de las Cebollas bei Madrid geboren. Im Alter von 18 Jahren schloß er sich dem Jesuitenorden an und erhielt seine Ausbildung in Coimbra in Portugal, das damals in Personalunion mit der spanischen Krone verbunden war. Seine Studien setzte er in Alcalá de Henares und Belmonte fort. 1588 führte ihn eine erste Reise für sieben Monate nach Goa in Indien. Dort empfing er die Priesterweihe und brach mit dem katalanischen Priester Antonio De Montserrat zu einer wahren Odyssee auf, um an die Küste von Somalia zu gelangen. Beide Männer waren von solchem Glaubenseifer erfüllt, daß sie bereit waren, auch das Martyrium zu erleiden. Sie erkrankten an Malaria, wurden von Seeräubern angegriffen, mußten sich als Armenier verkleiden, fielen den Piraten in die Hände, wurden gefangengehalten, als Sklaven an den Pascha von Jemen verkauft, durchquerten ohne Schuhwerk zu Fuß die Wüste und ernährten sich von Heuschrecken.
Páez beschrieb Landschaften, deren Entdeckung sich 200 Jahre später andere zuschrieben
Páez hatte bereits Landschaften erreicht, durchquert und beschrieben, so die Wüsten von Habramaut und Rub-Al-Khali, deren Entdeckung sich zwei Jahrhunderte später andere Europäer zuschrieben.
Verkauft an den türkischen Pascha gelangten sie in die Hauptstadt des Jemen. Dort wurden sie sieben Jahre mit der Anschuldigung, portugiesische Spione zu sein, als Sklaven gehalten. Die Sklaverei wurde so lange verlängert, bis sich König Philipp II. von Spanien und Portugal für die beiden Priester interessierte und auf dem diplomatischen Weg deren Freilassung erwirken und ihre Rückkehr 1596 nach Goa erreichen konnte. Montserrat war durch die Strapazen und die Gefangenschaft physisch gebrochen und starb 1599. Páez hingegen erholte sich und wirkte mehrere Jahre als Missionar an der Westküste Indiens. 1603 brach er erneut auf, diesmal alleine, um in Ostafrika das Evangelium zu verkünden.
20 Jahre in Äthiopien als Freund und Berater der Kaiser
Er verkleidete sich erneut als Orientale und nannte sich Abdullah. Nach einer mühsamen Reise ging er im Hafen von Massawa im heutigen Eritrea an Land. In Fremona (in der heutigen Provinz Tigray), wo sich eine Niederlassung des Jesuitenordens befand, erlernte er die beiden Hauptdialekte der äthiopischen Sprache. Er übersetzte den Katechismus der katholischen Kirche und war in der Ausbildung und Erziehung der Kinder tätig. 20 Jahre lebte er in Äthiopien. Im Konflikt mit den einheimischen, äthiopisch-orthodoxen Priestern gelangen ihm große Bekehrungserfolge, darunter auch den Negus Asnaf Sagad II. (Za Dengel). Dieser bat den Papst und den König von Spanien um die Sendung weiterer katholischer Priester. Páez schloß Freundschaft mit der kaiserlichen Familie. Die Bekehrung des Kaisers machte ihn zum Mittelpunkt im Konflikt zwischen Monophysiten und Katholiken. Ein Konflikt, der so hart ausgetragen wurde, daß es zum Bürgerkrieg kam, in dem der Kaiser das Leben verlor. Páez wurde von den äthiopischen Priestern gefürchtet.
1618 sah er die Nilquellen, die „Alexander der Große und Julius Cäsar“ sehen wollten
Als er den Kaiser Malak Sagad III. (Sissinios) bei einem Ausritt begleitete, entdeckte er am 21. April 1618 die Quellen des Nils. „Ich gestehe, daß ich mich über den Anblick gefreut habe, den sich König Kyros, sein Sohn Kambyses, Alexander der Große und Julius Cäsar so sehr gewünscht hatten“, schrieb Páez in seiner Geschichte Äthiopiens von 1620, in der er ansonsten seiner Entdeckung kein weiteres Aufsehen zu Teil werden ließ. Er erhob auch nie in irgendeiner Weise Anspruch darauf, der Entdecker der Quellen zu sein, deren Anblick so große Männer gewünscht hatten, ihn aber nie genießen konnten. Wahrscheinlich, weil er mehr Missionar als Forscher war, und mehr das Taufwasser schätzte, das er über jene ausgießen konnte, die Christus erkannten und sich zu ihm bekehrten, als das Wasser des Nils, das von der abessinischen Hochebene zur Wüste hinunterfloß.
In Gorgora beim Tanasee wurde unter der Leitung von Pater Páez eine Kathedrale und ein Palast für seinen Freund, den Negus Sissinios errichtet, den der spanische Jesuit zum katholischen Glauben bekehrte. Die Portugiesen waren wichtige Verbündete des Kaisers gegen den Islam. Seine Bekehrung zum katholischen Glauben führte in dem afrikanischen Staat, in den das Christentum bereits zur Zeit der Apostel gelangte, zu einem Bürgerkrieg. Der Sohn und Nachfolger Sissinios auf dem Thron, Alam Sagad (Fasilides) kehrte 1632, zehn Jahre nach Páez Tod, zum äthiopisch-orthodoxen Glauben zurück. Das Grab von Pater Pedro Páez befindet sich in der Kathedrale von Gorgora. Der Ort liegt so unwegsam, daß er nur zu Fuß, mit einem Reittier oder einem Motorrad erreicht werden kann. Auf dem Berg auf einer Halbinsel sind noch heute die Ruinen des Palastes zu sehen. Sie dienen den Bauern der Umgegend als Steinbruch, aus dem sie das Baumaterial für ihre Häuser holen.
Nichts erinnert mehr an den Jesuiten aus Spanien, keine Gedenktafel, kein sichtbares Grab. Man kann seine Grabstätte nur im weitesten Sinn des Wortes erahnen. Am Viktoriasee erinnert noch heute eine Gedenktafel an den Engländer Speke. Die Erinnerungskultur und das Selbstbewußtsein, auch das historische Gedächtnis der verschiedenen Nationen und Völker ist verschieden. Bilder des von Pater Páez errichteten Kaiserpalastes und der Kathedrale von Gorgora können hier angesehen werden.
1620 schrieb Páez seine Geschichte Äthiopiens
Páez starb 1622 an Fieber. Neben dem Katechismus in äthiopischer Sprache verfaßte er 1620 mit der História da Ethiópia eine Geschichte Äthiopiens, die Anfang des 20. Jahrhunderts in Rom als Band 2 und 3 der Rerum Aethiopicarum Scriptores occidentales Inedtii a saeculo XVI. ad XIX. herausgegeben wurde. Als sehr wahrscheinlich gilt, daß Páez auch Autor von De Abyssinorum erroribus ist.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Azazo Project