Vollständige Stellungnahme von Kardinal Raymond Burke zu „Amoris Laetitia“


Kardinal Raymond Burke (links) mit Kardinal Robert Sarah
Kardinal Raymond Burke (links) mit Kardinal Robert Sarah

Die erste Stel­lung­nah­me von Kar­di­nal Ray­mond Bur­ke zum nach­syn­oda­len Apo­sto­li­schen Schrei­ben Amo­ris Lae­ti­tia wur­de in einem klei­nen Aus­zug vom Natio­nal Catho­lic Regi­ster ver­öf­fent­licht und ins Deut­sche über­setzt. Hier nun die voll­stän­di­ge Stel­lung­nah­me in deut­scher Übersetzung.

„Amoris Laetitia“ und die immerwährende Lehre der Kirche

Anzei­ge

von Ray­mond Leo Kar­di­nal Burke

Die welt­li­chen Medi­en und auch eini­ge katho­li­sche Medi­en stel­len das nach­syn­oda­le Apo­sto­li­sche Schrei­ben Amo­ris Lae­ti­tia „über die Lie­be in der Fami­lie“ als eine Revo­lu­ti­on in der Kir­che dar, als eine radi­ka­le Abkehr von Leh­re und Pra­xis der Kir­che über die Ehe und die Fami­lie, wie sie bis­her ver­mit­telt wur­den. Eine sol­che Les­art des Doku­ments ist Quel­le der Sor­ge und der Ver­wir­rung unter den Gläu­bi­gen, und poten­ti­ell auch ein mög­li­ches Ärger­nis nicht nur für die Gläu­bi­gen, son­dern auch für alle Men­schen guten Wil­lens, die auf Chri­stus und auf sei­ne Kir­che schau­en und dar­auf, was sie über die Wahr­heit der Ehe und ihrer Früch­te und des Fami­li­en­le­bens, der Grund­zel­le des Lebens der Kir­che und jeder mensch­li­chen Gesell­schaft, lehrt und reflektiert.

Es ist auch ein schlech­ter Dienst am Ver­ständ­nis der Natur des Doku­ments, das ja das Ergeb­nis der Bischofs­syn­ode ist, eines Zusam­men­tref­fens von Bischö­fen als Ver­tre­ter der Welt­kir­che, „um dem Papst bei Bewah­rung und Wachs­tum von Glau­be und Sit­te, bei Wah­rung und Festi­gung der kirch­li­chen Dis­zi­plin mit ihrem Rat hilf­reich bei­zu­ste­hen und um Fra­gen bezüg­lich des Wir­kens der Kir­che in der Welt zu bera­ten“ (CIC, Can. 342).

Mit ande­ren Wor­ten: Es wäre im Wider­spruch zur Arbeit der Syn­ode, Ver­wir­rung dar­über zu stif­ten, was die Kir­che lehrt, bewahrt und mit ihrer Dis­zi­plin fördert.

Der ein­zi­ge Schlüs­sel für eine kor­rek­te Inter­pre­ta­ti­on von Amo­ris Lae­ti­tia ist die immer­wäh­ren­de Leh­re der Kir­che und ihrer Dis­zi­plin, die die­se Leh­re bewahrt und fördert.

Papst Franziskus selbst hat klargestellt: „Amoris Laetitia“ ist kein Akt des Lehramtes

Papst Fran­zis­kus hat gleich am Beginn klar­ge­stellt, daß das nach­syn­oda­le Apo­sto­li­sche Schrei­ben kei­ne Hand­lung des Lehr­am­tes ist (vgl. Amo­ris Lae­ti­tia, 3).

Der Typus des Doku­ments selbst bestä­tigt das­sel­be. Es wur­de als eine Über­le­gung des Hei­li­gen Vaters über die Arbeit der bei­den jüng­sten Ses­sio­nen der Bischofs­syn­ode ver­faßt. Im ach­ten Kapi­tel zum Bei­spiel, das eini­ge ger­ne als Pro­jekt für eine neue Ord­nung mit offen­sicht­li­chen Aus­wir­kun­gen für die Leh­re der Kir­che inter­pre­tie­ren, sagt Papst Fran­zis­kus, indem er das Apo­sto­li­sche Schrei­ben Evan­ge­lii Gau­di­um zitiert:

„Ich ver­ste­he die­je­ni­gen, die eine uner­bitt­li­che­re Pasto­ral vor­zie­hen, die kei­nen Anlass zu irgend­ei­ner Ver­wir­rung gibt. Doch ich glau­be ehr­lich, dass Jesus Chri­stus eine Kir­che möch­te, die acht­sam ist gegen­über dem Guten, das der Hei­li­ge Geist inmit­ten der Schwach­heit und Hin­fäl­lig­keit ver­brei­tet: eine Mut­ter, die klar ihre objek­ti­ve Leh­re zum Aus­druck bringt und zugleich »nicht auf das mög­li­che Gute [ver­zich­tet], auch wenn [sie] Gefahr läuft, sich mit dem Schlamm der Stra­ße zu beschmut­zen«“ (Amo­ris Lae­ti­tia, 308).

Mit ande­ren Wor­ten: Der Hei­li­ge Vater legt vor, was er per­sön­lich für den Wil­len Chri­sti für Sei­ne Kir­che hält, beab­sich­tigt aber weder sei­ne Sicht­wei­se auf­zu­zwin­gen noch jene zu ver­ur­tei­len, die auf dem behar­ren, was er „eine uner­bitt­li­che Pasto­ral“ nennt.

Die­se per­sön­li­che, das heißt, nicht lehr­amt­li­che Natur des Doku­ments geht auch dar­aus her­vor, daß die Zita­te vor allem aus dem Abschluß­be­richt der Ses­si­on 2015 der Bischofs­syn­ode und aus den Reden und Pre­dig­ten von Papst Fran­zis­kus selbst stam­men. Es ist kei­ne kon­se­quen­te Anstren­gung zu erken­nen, den Text gene­rell oder die­se Zita­te mit dem Lehr­amt, den Kir­chen­vä­tern und ande­ren aner­kann­ten Autoren zu verknüpfen.

Zudem, wie oben betont, muß ein sol­ches Doku­ment, das Ergeb­nis einer Bischofs­syn­ode ist, im Licht des Zweckes die­ser Syn­ode gele­sen wer­den, das heißt, dem Schutz und der För­de­rung des­sen, was die Kir­che in Über­ein­stim­mung mit ihrer Leh­re immer gedacht und prak­ti­ziert hat. Mit ande­ren Wor­ten: Ein nach­syn­oda­les Apo­sto­li­sches Schrei­ben ver­tritt auf­grund sei­ner Natur kei­ne neue Leh­re oder Dis­zi­plin, son­dern wen­det die immer­wäh­ren­de Leh­re und Dis­zi­plin auf die aktu­el­len Situa­tio­nen der heu­ti­gen Welt an.

„Kirche hat nie gelehrt, daß jede Aussage des Papstes verbindlich ist“

Wie muß also die­ses Doku­ment  auf­ge­nom­men wer­den? In erster Linie ist es mit jenem tie­fen Respekt anzu­neh­men, der dem römi­schen Papst als Stell­ver­tre­ter Chri­sti geschul­det ist, der „das immer­wäh­ren­de, sicht­ba­re Prin­zip und Fun­da­ment für die Ein­heit der Viel­heit von Bischö­fen und Gläu­bi­gen“ ist (Lumen gen­ti­um, 23).

Eini­ge Kom­men­ta­to­ren ver­wech­seln die­sen Respekt mit einer angeb­li­chen Pflicht „Kraft gött­li­chen und katho­li­schen Glau­bens“ (CIC, Can. 750,1) alles glau­ben zu müs­sen, was im Doku­ment ent­hal­ten ist. Die katho­li­sche Kir­che, die auf dem Respekt beharrt, der dem Petrus­amt geschul­det ist, da es von Unse­rem Herrn selbst gestif­tet wur­de, hat nie gelehrt, daß jede Aus­sa­ge des Nach­fol­gers des Hei­li­gen Petrus als Teil des unfehl­ba­ren Lehr­am­tes ver­stan­den und ange­nom­men wer­den muß.

Die Kir­che reagier­te in ihrer Geschich­te wach­sam gegen sol­che irri­gen Ten­den­zen, die jedes Wort des Pap­stes als ver­bind­lich für das Gewis­sen ansa­hen, was natür­lich absurd ist. Laut der über­lie­fer­ten Leh­re hat der Papst  zwei „Kör­per“, einen als indi­vi­du­el­les Glied der Gläu­bi­gen und daher sterb­lich, und einen ande­ren kraft sei­nes Amtes als Stell­ver­tre­ter Chri­sti auf Erden, das, gemäß der Ver­hei­ßung Unse­res Herrn, bis zu Sei­ner Wie­der­kunft in Herr­lich­keit fort­dau­ern wird. Der erste Kör­per ist sein welt­lich-sterb­li­cher Kör­per. Der zwei­te ist sein gött­lich-unsterb­li­cher, die gött­li­che Insti­tu­ti­on des Petrus­am­tes und sei­ner Nachfolger.

Die lit­ur­gi­schen Riten und die Gewän­der des Pap­stes unter­strei­chen die­se Unter­schei­dung. Dem­entspre­chend ist eine per­sön­li­che Über­le­gung des Pap­stes, trotz des nöti­gen Respek­tes sei­ner Per­son gegen­über, nicht mit dem bin­den­den Glau­ben zu ver­wech­seln, die dem Lehr­amt geschul­det ist. In Aus­übung des Lehr­am­tes han­delt der römi­sche Papst als Stell­ver­tre­ter Chri­sti in einer unun­ter­bro­che­nen Gemein­schaft mit sei­nen Vor­gän­gern seit dem Hei­li­gen Petrus.

Unterscheidung zwischen persönlichen Handlungen und der Ausübung des päpstlichen Lehramtes

Ich erin­ne­re mich an den Dis­put, der die Ver­öf­fent­li­chung der Gesprä­che zwi­schen dem seli­gen Paul VI. und Jean Guit­ton im Jahr 1967 beglei­te­te. Die Sor­ge bestand wegen der Gefahr, daß die Gläu­bi­gen die per­sön­li­chen Gedan­ken des Pap­stes mit der offi­zi­el­len Leh­re der Kir­che ver­wech­seln könn­ten. Wenn einer­seits der römi­sche Papst per­sön­li­che Über­le­gun­gen anstellt, die inter­es­sant und sti­mu­lie­rend sein kön­nen, muß die Kir­che immer wach­sam dar­auf hin­wei­sen, daß die Ver­öf­fent­li­chung sol­cher Über­le­gun­gen eine per­sön­li­che Hand­lung ist und nicht in Aus­übung des päpst­li­chen Lehr­am­tes erfolgt. Andern­falls wer­den jene, die die­se Unter­schei­dung nicht ver­ste­hen, oder nicht ver­ste­hen wol­len, die­se Gedan­ken und auch Anek­do­ten des Pap­stes als Aus­druck einer Ände­rung der kirch­li­chen Leh­re dar­stel­len, und dadurch gro­ße Ver­wir­rung unter den Gläu­bi­gen stif­ten. Eine sol­che Ver­wir­rung ist schäd­lich für die Gläu­bi­gen und schwächt das Zeug­nis der Kir­che als Leib Chri­sti in der Welt.

Lehramt als Schlüssel zur korrekten Auslegung von „Amoris Laetitia“

Mit der Ver­öf­fent­li­chung von Amo­ris Lae­ti­tia muß es das Ziel der Hir­ten und aller jener sein, die den Glau­ben leh­ren, die­ses Schrei­ben im Kon­text der kirch­li­chen Leh­re und Ord­nung zu prä­sen­tie­ren, sodaß es im Dienst der Erbau­ung des Lei­bes Chri­sti in sei­ner ersten vita­len Zel­le, der Ehe und der Fami­lie, ist. Mit ande­ren Wor­ten: Das nach­syn­oda­le Apo­sto­li­sche Schrei­ben kann als nicht lehr­amt­li­ches Doku­ment nur dann kor­rekt inter­pre­tiert wer­den, wenn als Schlüs­sel das Lehr­amt ver­wen­det wird, wie der Kate­chis­mus der Katho­li­schen Kir­che sagt (KKK, 85–87).

Die offi­zi­el­le Leh­re der Kir­che lie­fert näm­lich den unver­zicht­ba­ren Inter­pre­ta­ti­ons­schüs­sel des Apo­sto­li­schen Schrei­bens, damit es wirk­lich zum Wohl aller Gläu­bi­gen die­nen kann, indem sie noch enger mit Chri­stus ver­bun­den wer­den, der unser ein­zi­ges Heil ist. Es kann kei­nen Wider­spruch und kei­nen Gegen­satz zwi­schen der Leh­re der Kir­che und ihrer pasto­ra­len Pra­xis geben, da die Leh­re selbst­ver­ständ­lich Seel­sor­ge ist, wie der Kate­chis­mus der Katho­li­schen Kir­che betont:

„Die Sen­dung des Lehr­am­tes ist mit dem end­gül­ti­gen Cha­rak­ter des Bun­des ver­knüpft, den Gott in Chri­stus mit sei­nem Volk geschlos­sen hat. Das Lehr­amt muß das Volk vor Ver­ir­run­gen und Glau­bens­schwä­che schüt­zen und ihm die objek­ti­ve Mög­lich­keit gewähr­lei­sten, den ursprüng­li­chen Glau­ben irr­tums­frei zu beken­nen. Der pasto­ra­le Auf­trag des Lehr­am­tes ist es, zu wachen, daß das Got­tes­volk in der befrei­en­den Wahr­heit bleibt. Zur Erfül­lung die­ses Dien­stes hat Chri­stus den Hir­ten das Cha­ris­ma der Unfehl­bar­keit in Fra­gen des Glau­bens und der Sit­ten ver­lie­hen. Die­ses Cha­ris­ma kann auf ver­schie­de­ne Wei­sen aus­ge­übt wer­den“ (KKK, 890).

Christus lehrt die Glaubenswahrheit vom Plan Gottes über die Ehe „von Anfang an“

Die pasto­ra­le Natur der Dok­trin kann man auf elo­quen­te Wei­se in der kirch­li­chen Leh­re über die Ehe und die Fami­lie sehen. Chri­stus selbst zeigt die tie­fe pasto­ra­le Natur der Glau­bens­wahr­heit in sei­ner Unter­wei­sung über die hei­li­ge Ehe im Evan­ge­li­um auf (vgl. Mt 19,3–12). Dar­in lehrt er erneut den Plan Got­tes über die Ehe „von Anfang an“.

Wäh­rend der ver­gan­ge­nen zwei Jah­re, in denen die Kir­che sich in einer inten­si­ven Dis­kus­si­on über Ehe und Fami­lie befand, habe ich häu­fig eine Epi­so­de aus mei­ner Kind­heit in Erin­ne­rung geru­fen. Ich bin in Wis­con­sin auf dem Land auf der Farm mei­ner Fami­lie auf­ge­wach­sen. Ich war das jüng­ste von sechs Kin­dern von guten, katho­li­schen Eltern. Die Sonn­tags­mes­se um 10 Uhr in unse­rer Pfarr­kir­che bil­de­te das Herz unse­res Glau­bens­le­bens. Irgend­wann wur­de ich auf ein Paar, Freun­de mei­ner Eltern von einer nahen Farm, auf­merk­sam, die immer die Hei­li­ge Mes­se besuch­ten, aber nie die Hei­li­ge Kom­mu­ni­on emp­fin­gen. Als ich mei­nen Vater frag­te, war­um sie denn nie die Hei­li­ge Kom­mu­ni­on emp­fan­gen, erklär­te er mir, daß der Mann mit einer ande­ren Frau ver­hei­ra­tet war und des­halb nicht die Sakra­men­te emp­fan­gen konnte.

Ich erin­ne­re mich noch gut, wie mein Vater mir in aller Ruhe die Pra­xis der Kir­che in Treue zu ihrer Leh­re erklär­te. Die Ord­nung hat natür­lich eine Bedeu­tung für ihn und sie hat­te auch eine Bedeu­tung für mich. Sei­ne Erklä­rung war für mich die erste Gele­gen­heit, über die Natur der Ehe als unauf­lös­li­che Bin­dung zwi­schen dem Ehe­mann und der Ehe­frau nach­zu­den­ken. Gleich­zei­tig muß ich sagen, daß der Pfar­rer das betrof­fe­ne Paar mit dem größ­ten Respekt behan­del­te, und sie am Pfarr­le­ben in der für den irre­gu­lä­ren Zustand ihrer Ver­bin­dung ange­mes­se­nen Wei­se teil­nah­men. Mei­ner­seits hat­te ich immer den Ein­druck, daß sie, obwohl es für sie sehr schwer sein muß­te, nicht die Sakra­men­te emp­fan­gen zu kön­nen, ruhig und gelas­sen die Wahr­heit ihrer ehe­li­chen Situa­ti­on lebten.

Die Ehe ist nicht ein Ideal, sondern ein Sakrament

Nach mehr als 40 Jah­ren des Prie­ster­tums, von denen ich 21 im Bischofs­amt ver­brach­te, habe ich vie­le ande­re Paa­re in irre­gu­lä­ren Situa­tio­nen ken­nen­ge­lernt, derer ich mich oder die ande­ren Mit­brü­der im Prie­ster­amt ange­nom­men haben. Obwohl ihr Lei­den für jede mit­füh­len­de See­le offen­kun­dig war, wur­de mir im Lau­fe der Jah­re immer kla­rer, daß das erste Zei­chen des Respekts und der Lie­be ihnen gegen­über dar­in besteht, ihnen mit Lie­be die Wahr­heit zu sagen. Auf die­se Wei­se ist die Leh­re der Kir­che nicht etwas, was sie noch mehr bela­stet, son­dern sie in Wahr­heit  dazu befreit, Gott und den Näch­sten zu lieben.

Ein Bei­spiel könn­te hilf­reich sein, die Not­wen­dig­keit auf­zu­zei­gen, Amo­ris Lae­ti­tia im Licht des Lehr­amts zu inter­pre­tie­ren. Im Doku­ment fin­den sich zahl­rei­che Hin­wei­se auf das „Ide­al“ der Ehe. Eine sol­che Beschrei­bung der Ehe kann irre­füh­rend sein. Sie kann den Leser dazu ver­lei­ten, zu den­ken, die Ehe sei eine ewi­ge Idee, der sich die Män­ner und Frau­en mehr oder weni­ger unter ver­än­der­li­chen Umstän­den anzu­nä­hern haben. Die christ­li­che Ehe ist aber nicht eine Idee. Sie ist ein Sakra­ment, das einem Mann und einer Frau die Gna­de ver­leiht, in einer treu­en, dau­er­haf­ten und frucht­ba­ren, gegen­sei­ti­gen Lie­be zu leben.

Jedes gül­tig ver­hei­ra­te­te, christ­li­che Paar erhält ab der Ehe­schlie­ßung die Gna­de die Lie­be zu leben, die es sich gegen­sei­tig ver­spro­chen hat. Da wir alle unter den Fol­gen der Erb­sün­de lei­den und da die Welt, in der wir leben, eine ganz ande­re Vor­stel­lung von der Ehe hat, sind die Ehe­leu­te ver­sucht, die objek­ti­ve Wirk­lich­keit ihrer Lie­be zu ver­ra­ten. Chri­stus schenkt ihnen immer die Gna­de, die­ser Lie­be bis in den Tod treu zu bleiben.

Die ein­zi­ge Sache, die sie in ihrer treu­en Ant­wort ein­schrän­ken kann, ist, nicht der ihnen im Sakra­ment der Hei­li­gen Ehe geschenk­ten Gna­de zu ent­spre­chen. Mit ande­ren Wor­ten: Ihre Schwie­rig­keit ist nicht irgend­ei­ne Idee, die ihnen die Kir­che auf­ge­zwun­gen hat. Ihr Rin­gen fin­det mit jenen Kräf­ten statt, die sie dazu ver­füh­ren wol­len, die Wirk­lich­keit von Chri­sti Leben in ihnen zu verraten.

Wir sind alle und in jedem Lebensstand gerufen, heldenhaft zu leben

Im Lau­fe der Jah­re, beson­ders wäh­rend der ver­gan­ge­nen zwei Jah­re, habe ich vie­le Män­ner und Frau­en getrof­fen, die sich aus den ver­schie­den­sten Grün­den von ihrem Ehe­part­ner getrennt oder schei­den las­sen haben, die aber in der Treue zur Wahr­heit ihrer Ehe leben und jeden Tag für das See­len­heil ihres Ehe­part­ners beten, auch wenn er oder sie den ande­ren ver­las­sen hat. In unse­ren Gesprä­chen erken­nen sie das Lei­den, von dem sie betrof­fen sind, vor allem aber den tie­fen Frie­den, den sie emp­fin­den, weil sie ihrer Ehe treu sind.

Eini­ge hal­ten eine sol­che Reak­ti­on auf die Tren­nung oder Schei­dung für Hel­den­tum, zu dem der Durch­schnitts­gläu­bi­ge nicht gelan­gen kön­ne. In Wirk­lich­keit sind wir alle geru­fen, in jedem Lebens­stand hel­den­haft zu leben. Papst Johan­nes Paul II. lehr­te uns am Ende des Hei­li­gen Jah­res 2000, mit Bezug auf die Wor­te Unse­res Herrn am Ende der Berg­pre­digt „Ihr sollt also voll­kom­men sein, wie es auch euer himm­li­scher Vater ist“ (Mt 5,48), die hel­den­haf­te Natur des täg­li­chen Lebens in Christus:

„Das Kon­zil selbst hat erklärt, daß man die­ses Ide­al der Voll­kom­men­heit nicht falsch ver­ste­hen darf, als sei es eine Art außer­or­dent­li­chen Lebens, das nur von eini­gen »Genies« der Hei­lig­keit geführt wer­den könn­te. Die Wege der Hei­lig­keit sind viel­fäl­tig, und der Beru­fung eines jeden ange­paßt. Ich dan­ke dem Herrn, daß er es mir geschenkt hat, in die­sen Jah­ren so vie­le Chri­sten selig- und hei­lig­spre­chen zu dür­fen. Dar­un­ter waren auch vie­le Lai­en, die unter Bedin­gun­gen, wie sie das ganz gewöhn­li­che Leben vor­gibt, hei­lig wur­den. Es ist jetzt an der Zeit, allen mit Über­zeu­gungs­kraft die­sen »hohen Maß­stab« des gewöhn­li­chen christ­li­chen Lebens neu vor Augen zu stel­len. Das gan­ze Leben der kirch­li­chen Gemein­schaft und der christ­li­chen Fami­li­en muß in die­se Rich­tung füh­ren“ (Novo Mil­len­nio Ine­un­te, 31).

Indem ich Män­ner und Frau­en getrof­fen habe, die, obwohl ihr Ehe­le­ben zer­bro­chen ist, der Gna­de des Ehe­sa­kra­ments treu blei­ben, bin ich zum Zeu­gen des hel­den­haf­ten Lebens gewor­den, das die Gna­de uns jeden Tag ermöglicht.

Der Hei­li­ge Augu­sti­nus gebraucht in einer Pre­digt zum Fest des Hei­li­gen Lau­ren­ti­us, Dia­kon und Mär­ty­rer im Jahr 417, ein wun­der­schö­nes Bild, um uns in unse­rem Mit­wir­ken mit der Gna­de Unse­res Herrn zu ermu­ti­gen, die Er durch Sein Lei­den und Ster­ben für uns erwor­ben hat. Er garan­tiert uns, daß im Gar­ten des Herrn nicht nur die Rosen der Mär­ty­rer, son­dern auch die Lili­en der Jung­frau­en und das Efeu der Ehe­leu­te und die Veil­chen der Wit­wen sind. Daher schließt er dar­aus, daß nie­mand bezüg­lich sei­ner eige­nen Beru­fung ver­za­gen soll­te, weil „Chri­stus für alle gestor­ben ist“ (Ser­mon, 304).

Die Auf­nah­me von Amo­ris Lae­ti­tia in Treue zum Lehr­amt möge die Ehe­leu­te in der Gna­de des Sakra­ments der Hei­li­gen Ehe bestär­ken, so daß sie ein Zei­chen der treu­en und dau­er­haf­ten Lie­be Got­tes für uns „von Anfang an“ sein kön­nen, einer Lie­be, die ihre Fül­le in der erlö­sen­den Fleisch­wer­dung des Got­tes­oh­nes erreicht hat. Möge das Lehr­amt als Schlüs­sel zum Ver­ständ­nis es mög­lich machen, daß „das Got­tes­volk in der befrei­en­den Wahr­heit bleibt“ (KKK 890).

*Ray­mond Leo Bur­ke, Kar­di­nal­pa­tron des Sou­ve­rä­nen Mal­te­ser­or­dens, zuvor Prä­fekt des Ober­sten Gerichts­ho­fes der Apo­sto­li­schen Signatur

Über­set­zung: Gii­usepp Nardi
Bild: Radio Vati­can (Screen­shot)

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4 Kommentare

  1. Ein schö­ner Text, der dar­legt, wor­um es geht und wel­che Pro­ble­me sich bei dem Apo­sto­li­schen Schrei­ben stellen.

    Dan­ke auch für die gute Übersetzung!

  2. Damit sind wohl alle Unklar­hei­ten besei­tigt. Es kommt nur auf die rich­ti­ge Inter­pre­ta­ti­on an.

  3. Nun ja, der gute Kar­di­nal Bur­ke möch­te die­se Adhorta­ti­on umeti­ketie­ren, um nicht gegen einen häre­ti­schen Papst vor­ge­hen zu müssen.

    Ein Bekann­ter, der an einem Flug­ha­fen gear­bei­tet hat, erzähl­te mir, dass die Poli­zi­sten die gefähr­li­chen Gegen­stän­de, die beschlag­nahmt wur­den, so im Pro­to­koll umbe­nann­ten, damit sie nicht eine Straf­an­zei­ge auf­set­zen muss­ten. War­um? Zu viel Arbeit (und natür­lich Barm­her­zig­keit, wie Fran­zis­kus sagen würde).

    Sehen wir uns doch die­se Argu­men­ta­ti­on genau­er an:
    1. Der Papst möch­te der Kir­che etwas Per­sön­li­ches, Unver­bind­li­ches sagen, etwas ohne Belang und daher
    2. Schreibt er eine Apo­sto­li­sche Adhorta­ti­on, die er als Papst und nicht als Jor­ge Berg­o­glio unterschreibt.

    Das ist doch Unsinn! Sehr tref­fend dazu Rora­te Cae­li: http://​rora​te​-cae​li​.blog​spot​.com/​2​0​1​6​/​0​4​/​a​m​o​r​i​s​-​l​a​e​t​i​t​i​a​-​i​s​-​n​o​n​-​m​a​g​i​s​t​e​r​i​a​l​-​n​o​t​.​h​t​m​l​#​m​ore

    Mit dem Rest hat Kard. Bur­de recht. Im Lich­te der katho­li­schen Leh­re und des letz­ten Kate­chis­mus ist das Häresie! 

    Dann soll er sich bit­te schön regen und was tun! Ich erin­ne­re dar­an, dass schon vie­le Ver­su­che gestar­tet wur­den und der Papst und sei­ne Bera­ter woll­ten sehen, wie wird man reagie­ren, wie weit kann man gehen.

    1. Anruf einer im Ehe­bruch leben­den Frau: „Dann gehen Sie zu einem ande­ren Priester“.
    2. Scal­fa­ri – Inter­views „Es gibt kei­nen Gott …“
    3. „Katho­li­ken sol­len sich nicht wie Kar­nickel vermehren“
    4. Who am I to judge?
    5. Zusam­men­stel­lung der Dele­ga­ten der ersten Bischofs­syn­ode, die das Ver­lang­te doch nicht genehmigte.
    6. Eine noch genaue­re Zusam­men­stel­lung der Herbst­syn­ode mit den schon vor­her vor­be­rei­te­ten Abschluss­be­richt, der auch nicht, obwohl gesteu­ert, ver­ab­schie­det wurde.
    7. Der mani­pu­lier­te End­be­richt Rela­tio synodi.
    8. Natür­lich zeit­gleich: Barm­her­zig­keit, Barm­her­zig­keit, schwar­ze Schu­he, Bla-Bla-Bla
    9. Und jetzt das lehr­amt­li­che-häre­ti­sche Doku­ment Amo­ris laetitia.

    Bis­her haben die Kar­di­nä­le die Augen zuge­drückt, Bur­ke lei­der auch und er macht es immer noch. Zu viel Arbeit!

  4. @Tradition und Glauben

    Ich sehe das genau­so wie sie!
    Auch wenn die­se Apo­sto­li­sche Adhorta­ti­on n u r ein unver­bind­li­ches Schrei­ben sein soll­te, wer­den sich in Zukunft a l l e dar­auf beru­fen. Wel­cher Prie­ster kann sich dem noch ent­ge­gen­stel­len und es wagen, jeman­dem die Kom­mu­ni­on oder die Abso­lu­ti­on zu ver­wei­gern? Wer oder was wür­de ihm dabei Rück­halt bieten??!!
    Ent­we­der durch­schaut Kar­di­nal Bur­ke die St.Gallischen Spiel­chen nicht oder er ist es leid wie­der­holt der Buh­mann zu sein! Schade!

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