Miterlöserin und Mittlerin – eine falsche und unaufrichtige Note

Keine Überraschung – das ist eben der Stil Fernández’


Ergän­zend zum Arti­kel über Äuße­run­gen vati­ka­ni­scher Mit­ar­bei­ter, die im Hin­ter­grund für das neue Doku­ment Mater Popu­li fide­lis mit­ver­ant­wort­lich sind, ver­öf­fent­li­chen wir den Kom­men­tar von Lui­sel­la Scro­sa­ti (La Nuo­va Bus­so­la Quotidiana):

Miterlöserin und Mittlerin – eine falsche und unaufrichtige Note

Anzei­ge

Von Lui­sel­la Scrosati*

Nicht die angeb­lich „anstö­ßi­gen“ Mari­en­ti­tel, die vom Dik­aste­ri­um für die Glau­bens­leh­re bean­stan­det wur­den, haben bei den Gläu­bi­gen Zwei­fel her­vor­ge­ru­fen, son­dern viel­mehr ein Doku­ment, das nach Belie­ben des Chefs – oder bes­ser gesagt: des Prä­fek­ten – aus­wählt und ausläßt.

Die lehr­mä­ßi­ge Note des Glau­ben­dik­aste­ri­ums Mater popu­li fide­lis ver­mit­telt von Anfang an den Ein­druck der Befan­gen­heit. Denn in sei­ner Ein­lei­tung nennt der Prä­fekt des Dik­aste­ri­ums, Kar­di­nal Fernán­dez, den Grund, wes­halb man beschlos­sen habe, ein Doku­ment eini­gen maria­ni­schen Titeln zu widmen:

„Es gibt eini­ge mario­lo­gi­sche Krei­se, Ver­öf­fent­li­chun­gen, neue maria­ni­sche Andachts­for­men und Anfra­gen nach maria­ni­schen Dog­men, die nicht die glei­chen Merk­ma­le der Volks­fröm­mig­keit auf­wei­sen, son­dern die letzt­end­lich eine gewis­se dog­ma­ti­sche Ent­wick­lung vor­schla­gen und sich inten­siv über sozia­le Netz­wer­ke äußern, was bei den ganz ein­fa­chen Gläu­bi­gen häu­fig Zwei­fel hervorruft.“

Daß nicht näher bezeich­ne­te „ein­fa­che­re Gläu­bi­ge“ in Zwei­fel gera­ten könn­ten, wenn sie den Titel Maria, Mit-Erlö­se­rin und Mitt­le­rin aller Gna­den hören, ist etwas, das ein­zig in der Vor­stel­lung jener exi­stiert, die die­se Note ver­faßt haben. Wenn es etwas gibt, das die Gläu­bi­gen wirk­lich ver­wirrt hat, dann ist es gera­de die Behaup­tung, die­ser Titel sei im Grun­de unan­ge­bracht. Es war wahr­lich nicht schwer vor­her­zu­se­hen, daß die Her­ab­set­zung eines Titels, der von Bischö­fen und Päp­sten wie­der­holt ver­wen­det und in Gebet- und Andachts­bü­chern ent­hal­ten ist, wel­che von eben jenem Volk benutzt wer­den, des­sen Fröm­mig­keit man angeb­lich schüt­zen will, weit grö­ße­re Zwei­fel und Ver­un­si­che­rung her­vor­ru­fen wür­de als der Titel selbst.

Denn bei der gro­ßen Mehr­heit der Men­schen ist die Bot­schaft ange­kom­men, der gegen­wär­ti­ge Papst habe ein Doku­ment gebil­ligt, das erklä­re, Maria sei kei­ne Mit-Erlö­se­rin – wäh­rend doch Johan­nes Paul II., Pater Pio, Maxi­mi­li­an Kol­be, der seli­ge Kar­di­nal Schu­ster, Pius X., Edith Stein, Schwe­ster Lucia von Fati­ma und Mut­ter Tere­sa von Kal­kut­ta (um nur eini­ge zu nen­nen) sie genau so bezeich­net haben.

Wenn jemand durch die­se Titel beun­ru­higt wird, dann stammt er gewiß nicht aus dem from­men Volk, son­dern eher aus der Welt der „Fach­theo­lo­gen“ – jener, die sich leicht irri­tie­ren, wenn ein theo­lo­gi­scher Aus­druck nicht aus­drück­lich in der Hei­li­gen Schrift steht, die Anstoß dar­an neh­men, wenn jemand wäh­rend der Mes­se (oder auch außer­halb) einen Rosen­kranz in der Hand hält, oder die einen für ein­fäl­tig hal­ten, wenn er gesteht, Kapi­tel 60 des Pro­phe­ten Jesa­ja gele­sen zu haben, dabei aber ver­gißt, daß es sich dabei um den „Dritto-Jesa­ja“ hand­le – als wäre das eine Art theo­lo­gi­sche Bei­la­ge…
Es wirkt gera­de­zu unauf­rich­tig, sich hin­ter den „ein­fa­chen Gläu­bi­gen“ zu ver­schan­zen, wäh­rend man gleich­zei­tig kei­ner­lei Skru­pel hat, sie zu ver­wir­ren, indem man ihnen sug­ge­riert, daß – „Befehl zurück, Genos­sen!“ – die Got­tes­mut­ter bis zum 3. Novem­ber 2025 Mit-Erlö­se­rin war, es aber nun nicht mehr sei.

Ein wei­te­rer Zwei­fel an der Lau­ter­keit die­ser Note:
Ein Doku­ment, das den Anspruch erhebt, die maria­ni­schen Titel im Zusam­men­hang mit der Mit­wir­kung Mari­ens am Erlö­sungs­werk Chri­sti dar­zu­stel­len, kann sich nicht davon dis­pen­sie­ren, eine aus­führ­li­che Dar­stel­lung der Ent­wick­lung die­ses The­mas im päpst­li­chen Lehr­amt und in der theo­lo­gi­schen Refle­xi­on zu bie­ten. Doch der Prä­fekt und der Sekre­tär schei­nen sich wenig dar­an zu stö­ren, daß die­ses grund­le­gen­de – und eigent­lich selbst­ver­ständ­li­che – Prin­zip völ­lig miß­ach­tet wur­de, wäh­rend man statt­des­sen den jüng­sten kri­ti­schen Äuße­run­gen von Papst Fran­zis­kus gro­ßen Raum gewährt.

In der Ent­schei­dung, Kar­di­nal Ratz­in­ger zu zitie­ren, wird die­se Unauf­rich­tig­keit noch deut­li­cher. Wann hat man je erlebt, daß in einer lehr­mä­ßi­gen Note die per­sön­li­che Mei­nung eines Kar­di­nals, geäu­ßert in einem Inter­view­buch, als gewich­ti­ges Argu­ment ange­führt wird, wäh­rend man zugleich das gesam­te Lehr­amt Johan­nes Pauls II. igno­riert, der die Leh­re der Kir­che über die Mit­er­lö­sung Mari­ens aus­drück­lich bestä­tigt hat?

Was Ratz­in­gers Ansicht als Prä­fekt betrifft, so wäre es hilf­reich, wenn Kar­di­nal Fernán­dez das voll­stän­di­ge Pro­to­koll der Feria IV vom 21. Febru­ar 1996 ver­öf­fent­li­chen lie­ße. Denn dar­aus geht her­vor, daß Ratz­in­ger nicht gegen den Titel an sich war, son­dern ledig­lich gegen die Defi­ni­ti­on eines neu­en Dog­mas – was kei­nes­wegs das­sel­be ist. Die Lau­re­ta­ni­sche Lita­nei ent­hält zahl­rei­che maria­ni­sche Titel, die in kei­nem Dog­ma defi­niert sind, und den­noch sind sie wahr und berechtigt.

Tat­säch­lich konn­te Kar­di­nal Fernán­dez gar nicht anders, als das päpst­li­che Lehr­amt zu ver­schwei­gen – denn hät­te er es voll­stän­dig dar­ge­legt, hät­te er ein­ge­ste­hen müs­sen, daß die Mit­er­lö­sung Mari­ens und ihre Mitt­ler­schaft aller Gna­den zumin­dest als gemei­ne Leh­re anzu­se­hen sind. So erkann­te etwa Bene­dikt XV. in sei­nem Schrei­ben Inter soda­li­cia (22. März 1918) an, daß es „die gemein­sa­me Leh­re der Kir­chen­vä­ter“ sei, wonach die Teil­nah­me der Got­tes­mut­ter an den Lei­den ihres Soh­nes mit Recht die Aus­sa­ge begrün­de, „daß sie zusam­men mit Chri­stus das Men­schen­ge­schlecht erlöst hat“.

Noch pein­li­cher wäre es gewe­sen, das Lehr­amt Johan­nes Pauls II. auch nur in zusam­men­ge­faß­ter Form zu prä­sen­tie­ren. Die­ser erklär­te mehr­fach aus­führ­lich die „mit­erlö­sen­de Rol­le Mari­ens“ (31. Janu­ar 1985) und gebrauch­te den Titel „Mit-Erlö­se­rin“ wie­der­holt.
Bemer­kens­wert ist, daß in Fuß­no­te 36 des Doku­ments des Dik­aste­ri­ums aus­drück­lich behaup­tet wird, „nach der Feria IV der dama­li­gen Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on vom 21. Febru­ar 1996 habe Johan­nes Paul II. den Titel Mit-Erlö­se­rin nicht mehr ver­wen­det“ – man aber „ver­gisst“ zu erwäh­nen, daß er kaum ein Jahr spä­ter, am 9. April 1997, erneut auf die Mit­wir­kung Mari­ens am Erlö­sungs­werk einging:

„Eini­ge befürch­te­ten, man wol­le Maria auf die­sel­be Ebe­ne wie Chri­stus stel­len. Tat­säch­lich betont die Leh­re der Kir­che klar den Unter­schied zwi­schen Mut­ter und Sohn im Erlö­sungs­werk, indem sie die Unter­ord­nung der Jung­frau als Mit­wir­ken­de unter den ein­zi­gen Erlö­ser hervorhebt.“

In einer Stu­die, die den Anspruch erhebt, eine Gesamt­schau zum The­ma zu geben, ist es schlicht unvor­stell­bar, daß die Ver­fas­ser die­sen Abschnitt nicht kann­ten – der, welch ein Zufall, das zen­tra­le Argu­ment der Note selbst wider­legt, wonach der Titel Mit-Erlö­se­rin angeb­lich „die ein­zig­ar­ti­ge Rol­le Jesu Chri­sti ver­dun­keln könn­te“ (§ 22).

Eben nach die­ser „mythi­schen“ Feria IV bekräf­tig­te Johan­nes Paul II. erneut die zugrun­de­lie­gen­de Leh­re der maria­ni­schen Mit­er­lö­sung. Im Unter­schied zur all­ge­mei­nen Mit­wir­kung aller Chri­sten an der Erlösung,

„erstreckt sich der Bei­trag Mari­ens […] auf das gesam­te Erlö­sungs­werk Chri­sti. Nur sie allein ist auf die­se Wei­se mit dem erlö­sen­den Opfer ver­bun­den, das das Heil aller Men­schen ver­dient hat. In Ver­ei­ni­gung mit Chri­stus und ihm unter­ge­ord­net hat sie mit­ge­wirkt, um die Gna­de des Heils für die gesam­te Mensch­heit zu erlangen.“

Das ist genau die Leh­re von der Mit­er­lö­sung Mari­ens – doch das Dik­aste­ri­um hat es „ver­ges­sen“, sie zu erwähnen.

Ein wei­te­res Zei­chen man­geln­der Red­lich­keit ist die Behand­lung der Lumen Gen­ti­um. Die Note behaup­tet, „das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil habe aus dog­ma­ti­schen, pasto­ra­len und öku­me­ni­schen Grün­den dar­auf ver­zich­tet, den Titel Mit-Erlö­se­rin zu ver­wen­den“ (§ 18).
Dabei über­sieht man zwei ent­schei­den­de Tat­sa­chen. Erstens, daß gera­de das ach­te Kapi­tel der Lumen Gen­ti­um auf der Ebe­ne des fei­er­li­chen Lehr­amts die akti­ve Mit­wir­kung der aller­se­lig­sten Jung­frau Maria am Heil aller Men­schen bezeugt: ihren Dienst am Erlö­sungs­werk „unter ihm [Chri­stus] und mit ihm“ (§ 56), ihr müt­ter­li­ches Mit­wir­ken am Opfer des Soh­nes (§ 58) und schließ­lich, daß sie „in ganz beson­de­rer Wei­se am Werk des Erlö­sers mit­wirk­te, um das über­na­tür­li­che Leben in den See­len wie­der­her­zu­stel­len“ (§ 61).

Zwei­tens ver­schwei­gen die Ver­fas­ser, daß die Kon­zils­vä­ter zwar beschlos­sen, den Aus­druck Mit-Erlö­se­rin des Men­schen­ge­schlechts nicht zu ver­wen­den, zugleich aber aner­kann­ten, daß die Aus­sa­ge Cor­re­demptrix huma­ni gene­ris „an sich wahr“ sei:

„Eini­ge Aus­drücke und Begrif­fe, die von den Päp­sten gebraucht wur­den und an sich wahr sind, wur­den aus­ge­las­sen, weil sie für unse­re getrenn­ten Brü­der (in die­sem Fall die Pro­te­stan­ten) schwer ver­ständ­lich sein könnten.“

Der Titel Mit­erlö­se­rin wird also als „an sich wahr“ aner­kannt – nicht als „unan­ge­mes­sen“ oder „anstö­ßig“, wie die Note behaup­tet. Der ein­zi­ge Grund für die­se Zurück­hal­tung war (ob berech­tigt oder nicht, ist hier neben­säch­lich) der öku­me­ni­sche. Die Note fügt jedoch will­kür­lich „dog­ma­ti­sche“ und „pasto­ra­le“ Grün­de hinzu.

Kei­ne Über­ra­schung – das ist eben der Stil Fernández’.

*Lui­sel­la Scro­sa­ti, eine geweih­te Jung­frau, stu­dier­te Phi­lo­so­phie an der Katho­li­sche Uni­ver­si­tät vom Hei­li­gen Her­zen in Mai­land, publi­ziert unter ande­rem für La Nuo­va Bus­so­la Quo­ti­dia­na und Il Timo­ne und gestal­tet eine eige­ne Sen­dung bei Radio Maria (Ita­li­en).

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: MiL

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