
Von einer Katholikin
Die barocke Kirche St. Philippus und Jakobus im oberschwäbischen Bergatreute birgt einen ganz besonderen Schatz: das Gnadenbild der „Maria vom Blut“. An jedem 2. Juli, am Fest der Heimsuchung Mariens, feiert die oberschwäbische Gemeinde ihr Wallfahrtsfest „Maria vom Blut“. Es ist ein örtlicher Feiertag.
Die Wallfahrt hat ihren Ursprung im oberitalienischen Ort Re. Das kleine italienische Gebirgsdorf nicht weit von Locarno wurde im Jahre 1494 zum Schauplatz eines böswilligen Steinwurfs, der die Stirn Mariens auf einem Bild an der Außenwand der Kirche traf. Aus der Wunde der von Frevlerhand verletzten Gottesmutter floß Blut über ihr Gesicht und das des Jesuskindes.
Gerichtsakten bezeugen das Blutfließen während 20 Tagen. Das Blutwunder und viele Gebetserhörungen begründeten eine Wallfahrt. Bis heute blüht die Wallfahrt zur „Madonna del Sangue“. Durch wandernde Kaminfeger kamen Kopien des Gnadenbildes in deren Heimatorte, so auch Mitte des 17. Jahrhunderts nach Klattau in Westböhmen, wo sich nach einem erneuten Blutwunder ebenfalls eine Wallfahrt entwickelte. In sogenannten Mirakelbüchern dokumentierten die Pfarrer alle Gebetserhörungen. Verwandtschaftliche Bande zum Pfarrer von Bergatreute führten schließlich dazu, daß eine Kopie des Bildes 1686 nach Oberschwaben gelangte. Auch hier wurden Gebetserhörungen und Heilungen dokumentiert und die Wallfahrt zu Maria vom Blut nahm ihren Anfang.
Heute steht das Gnadenbild auf dem Hochaltar, wohin man es 1730 übertrug.
Seit 339 Jahren begeht die Gemeinde das Fest Mariä Heimsuchung mit einer Festmesse und Flurprozession. Fahnenträger, Blutreiter, Ministranten, Kommunionkinder, alle sind Teil des Zuges zu Ehren der Gottesmutter Maria.

Auch in diesem Jahr stand der 2. Juli im Zeichen der besonderen Verehrung des Gnadenbildes. Nach einer sehr erhebenden und würdevollen Feier der Liturgie mit eindrücklicher Festpredigt wurde das Allerheiligste Altarsakrament ausgesetzt und unter einem Baldachin trug man das Gnadenbild aus der Kirche. Wer die Flurprozession mit dem Marienbild nicht bewältigen konnte, hielt Anbetung in der Pfarrkirche und wartete, bis Gesänge und die örtliche Blaskapelle mit ihrem Spiel die Rückkehr der Gottesmutter schon von ferne ankündigten.
„In Gremio Matris sedet Sapientia Patris“ – „Im Schoß der Mutter sitzt die Weisheit des Vaters“, steht auf einem vom Jesuskind gehaltenen Spruchband am unteren Rand des Gnadenbildes.

Was hier gelebt wird, ist eine zutiefst marianische Frömmigkeit, die gleichzeitig ganz auf Christus verweist. Auf Christus als Inkarnation der göttlichen Weisheit, den Maria schon in ihrem Schoß mit sich trägt, als sie die beschwerliche Reise zu ihrer Base Elisabeth antritt. Auf Christus, den Messias, der Fleisch angenommen hat durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria und in dessen göttlicher Gegenwart Johannes der Täufer im Schoße seiner Mutter voll Freude zu hüpfen beginnt.
Nach der Prozession wird das Gnadenbild vor dem Zelebrationsaltar zur stillen Verehrung aufgestellt und am Abend nach freudenreichem Rosenkranz und einer Marienandacht der sakramentale Segen gespendet. Und wenn dann zum Abschluß das Salve Regina angestimmt wird, klingen Marienfest und Wallfahrt wunderbar und ganz zur Erhebung der katholischen Seele aus. Wie Maria sollen wir das Wort Gottes empfangen, weitertragen und Gott loben.
Genau daran erinnerte auch Kurienkardinal Kurt Koch in der heiligen Messe am Festtag Mariä Heimsuchung (bei der Eröffnung des diesjährigen „Benedikt XVI. Forum“) und zitierte die wunderbaren Worte Papst Benedikts XVI.:
„In gewisser Weise können wir sagen, daß ihr Weg – und das unterstreichen wir gerne in diesem Jahr der Eucharistie – die erste »eucharistische Prozession« der Geschichte war. Als lebendiger Tabernakel des fleischgewordenen Gottes ist Maria die Bundeslade, in der der Herr sein Volk besucht und erlöst hat. Die Gegenwart Jesu erfüllt sie mit Heiligem Geist.“
Wenn die Gläubigen in Bergatreute ausgerechnet an Mariä Empfängnis das Gnadenbild Mariens unterm Baldachin feierlich in der Prozession mitführen beinahe so wie die Eucharistie an Fronleichnam, wird dies in besonderer Weise sinnfällig. Wir ehren Maria im Gnadenbilde und gleichzeitig die tiefe eucharistische Gesinnung der allerseligsten Jungfrau, die die beschwerliche Reise durchs Gebirge macht, um Christus zu den Menschen zu tragen.
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