Unendliche oder unantastbare Würde?

Klarstellungen 3


Dignitas Infinita oder intocabilis? Auf diese Frage geht Weihbischof Marian Eleganti in seiner dritten Klarstellung ein
Dignitas Infinita oder intocabilis? Auf diese Frage geht Weihbischof Marian Eleganti in seiner dritten Klarstellung ein

Von Msgr. Mari­an Eleganti*

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Das neue­ste Doku­ment des Dik­aste­ri­ums für die Glau­bens­leh­re lau­tet «Digni­tas infi­ni­ta» und spricht dem Men­schen eine «unend­li­che Wür­de» zu. Ich zie­he den Begriff «unan­tast­ba­re Wür­de» vor. Die Kate­go­rie «unend­lich» soll­ten wir lie­ber Gott vor­be­hal­ten. Denn nur auf ihn trifft sie wirk­lich zu. Alles Geschöpf­li­che ist «end­lich» bzw. «kon­tin­gent». «Unend­li­che Wür­de» für den Men­schen klingt pathe­tisch und irgend­wie irra­tio­nal, was schon bei Johan­nes Paul II. erstaun­te, der den Aus­druck in die­sem Kon­text zum ersten Mal benutz­te. Wir wis­sen, was gemeint ist. Inso­fern kön­nen wir damit leben.

Im Buch Gene­sis wird die Todes­stra­fe damit begrün­det, dass der Mensch Eben­bild Got­tes ist. Wenn jemand einen Mit­men­schen tötet, ver­dient er nach dem ersten Buch der Hl. Schrift den Tod. War­um: weil er die Wür­de, Abbild Got­tes zu sein, sei­nes Näch­sten ver­ach­tet und die mit ihr ver­bun­de­ne Unan­tast­bar­keit nicht respek­tiert hat. Durch den Mord ver­wirkt er (latae sen­ten­tiae) das eige­ne Lebens­recht. Er wird mit dem Tod bestraft. Die Todes­stra­fe wird hier also mit der Wür­de des Men­schen als Abbild Got­tes begrün­det, wäh­rend sie im Doku­ment des Dik­aste­ri­ums für die Glau­bens­leh­re mit dem glei­chen Argu­ment abge­lehnt wird. Das ist ein Wider­spruch. Papst Fran­zis­kus und sein Schütz­ling und Ghost­wri­ter Kard. Fernán­dez rücken mit ihrer Posi­ti­on von der Tra­di­ti­on ab und legen sich mit gro­ssen katho­li­schen Gelehr­ten an, wel­che dies­be­züg­lich anders gedacht und die tra­di­tio­nel­le Leh­re vom gerech­ten Krieg wie auch von der Todes­stra­fe mit Kri­te­ri­en der Gerech­tig­keit ratio­nal und offen­ba­rungs­theo­lo­gisch begrün­det haben. Mit ihren Argu­men­ten müss­te man sich aus­ein­an­der­set­zen und dage­gen bes­se­re lie­fern. Aber dar­auf war­tet man ver­geb­lich. Womit ist also die Selbst­ver­tei­di­gung der Ukrai­ne noch zu begrün­den, wenn Kriegs­hand­lun­gen bzw. Krie­ge in kei­nem Fall – also auch nicht zur Selbst­ver­tei­di­gung – gerecht­fer­tigt wer­den kön­nen (vgl. die tra­di­tio­nel­le Leh­re vom gerech­ten Krieg). Dafür muss es objek­ti­ve und ratio­na­le Kri­te­ri­en geben. Die tra­di­tio­nel­le Leh­re der Kir­che hat sie gelie­fert. Heu­te über­schreibt man ein­fach den Kate­chis­mus. Ich bin kein Freund der Todes­stra­fe, sie und die Erfah­rung, wie und von wem sie welt­weit in Geschich­te und Gegen­wart prak­ti­ziert wur­de bzw. wird, geben Anlass, sie in Fra­ge zu stel­len und sie in die­ser Form abzu­leh­nen. Wer sie aber als ulti­ma ratio in jedem Fall äch­tet, legt sich mit dem Wort Got­tes und dar­auf basie­rend mit der Lehr­tra­di­ti­on der Kir­che an. Er geht davon aus, es heu­te bes­ser zu wis­sen. Zwei­fel sind angebracht.

Zur Erin­ne­rung (KKK 1997/​2003):

2267 Unter der Vor­aus­set­zung, dass die Iden­ti­tät und die Ver­ant­wor­tung des Schul­di­gen mit gan­zer Sicher­heit fest­steht, schliesst die über­lie­fer­te Leh­re der Kir­che den Rück­griff auf die Todes­stra­fe nicht aus, wenn dies der ein­zig gang­ba­re Weg wäre, um das Leben von Men­schen wirk­sam gegen einen unge­rech­ten Angrei­fer zu ver­tei­di­gen. Wenn aber unblu­ti­ge Mit­tel hin­rei­chen, um die Sicher­heit der Per­so­nen gegen den Angrei­fer zu ver­tei­di­gen und zu schüt­zen, hat sich die Auto­ri­tät an die­se Mit­tel zu hal­ten, denn sie ent­spre­chen bes­ser den kon­kre­ten Bedin­gun­gen des Gemein­wohls und sind der Men­schen­wür­de ange­mes­se­ner. Infol­ge der Mög­lich­kei­ten, über die der Staat ver­fügt, um das Ver­bre­chen wirk­sam zu unter­drücken und den Täter unschäd­lich zu machen, ohne ihm end­gül­tig die Mög­lich­keit der Bes­se­rung zu neh­men, sind jedoch heu­te die Fäl­le, in denen die Besei­ti­gung des Schul­di­gen abso­lut not­wen­dig ist, „schon sehr sel­ten oder prak­tisch über­haupt nicht mehr gege­ben“ (EV 56).

2309 Die Bedin­gun­gen, unter denen es einem Volk gestat­tet ist, sich in Not­wehr mili­tä­risch zu ver­tei­di­gen, sind genau ein­zu­hal­ten. Eine sol­che Ent­schei­dung ist so schwer­wie­gend, dass sie nur unter den fol­gen­den stren­gen Bedin­gun­gen, die gleich­zei­tig gege­ben sein müs­sen, sitt­lich ver­tret­bar ist:

  • Der Scha­den, der der Nati­on oder der Völ­ker­ge­mein­schaft durch den Angrei­fer zuge­fügt wird, muss sicher fest­ste­hen, schwer­wie­gend und von Dau­er sein.
  • Alle ande­ren Mit­tel, dem Scha­den ein Ende zu machen, müs­sen sich als undurch­führ­bar oder wir­kungs­los erwie­sen haben.
  • Es muss ernst­haf­te Aus­sicht auf Erfolg bestehen.
  • Der Gebrauch von Waf­fen darf nicht Schä­den und Wir­ren mit sich brin­gen, die schlim­mer sind als das zu besei­ti­gen­de Übel. Beim Urteil dar­über, ob die­se Bedin­gung erfüllt ist, ist sorg­fäl­tig auf die gewal­ti­ge Zer­stö­rungs­kraft der moder­nen Waf­fen zu achten.

*Msgr. Mari­an Ele­gan­ti OSB war von 1999 bis 2009 Abt der Bene­dik­ti­ner­ab­tei St. Otmars­berg im Kan­ton Sankt Gal­len, dann von 2009 bis 2021 Weih­bi­schof der Diö­ze­se Chur.

Bild: MiL (Mosa­ik der Kathe­dra­le von Mon­rea­le auf Sizilien)

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