Von Francesco Agnoli*
Viele sind erstaunt über den tief verwurzelten Haß der Minister Gvir und Smotrich gegenüber den Christen in Israel (andere erahnen einen solchen nicht einmal). Doch die Geschichte kann uns weiterhelfen.
Im Jahr 4 v. Chr. wird ein jüdischer Aufstand von den Römern mit Blutvergießen niedergeschlagen. Der jüdische Nationalismus wächst, ebenso wie die „römischen Prügel“. Die Erwartung eines politischen Messias, eines militärischen Führers, wird immer stärker… so sehr, daß viele Juden Christus nicht anerkennen. Er kann nicht der Messias sein, dieser Besiegte. Der Messias hätte ihrer Ansicht nach das römische Machtgefüge stürzen und die politische Vormachtstellung Israels in der Welt herstellen müssen. Doch Christus ist kein politischer Messias, er kehrt die Geschichte nicht mit einer einzigen Geste um. Vielmehr verändert er die persönliche Geschichte derer, die sich entscheiden, ihm zu folgen, und verheißt das Paradies im Jenseits, nicht im Diesseits.
So beginnt eine Art Haß der nicht-christlichen Juden gegen die christlichen Juden. Paulus von Tarsus ist das Symbol dieser Entwicklung: Ein Jude, der die Christen verfolgt und der, nach seiner Bekehrung, zum Apostel der Völker wird, vielleicht der größte. Die ersten christlichen Märtyrer sind jüdischer Herkunft und christlichen Glaubens; die ersten Verfolger sind Juden, die Christus nicht anerkennen. Brüder und Schwestern, die sich gegenseitig verletzen.
Die erste römische Christenverfolgung unter Nero wird, wie bekannt, von den jüdischen Kreisen am Hof angestachelt.
Auf dem Bild oben sehen wir den „Messias“ Simon Bar. Er versucht, den Tempel wieder aufzubauen, die Römer zu vertreiben und proklamiert sich selbst zum Messias. Wir befinden uns im Jahr 132–135 nach Christus. Für die Christen ordnet er schreckliche Qualen an, es sei denn, sie verleugnen Christus und schmähen ihn. Der Messias ist er selbst, Christus aber ein Betrüger. Bereits zu seiner Zeit bittet ein zentrales jüdisches Gebet Gott um den Tod der Ungläubigen, womit vor allem die Christen gemeint sind. Bald wird es zur Gewohnheit, vor dem Kreuz auszuspucken.
Das messianische Abenteuer von Bar endet im Blut; die politische Befreiung scheitert. Der politische Messias hat versagt.
Es wird schließlich Julianus Apostata sein, der, obwohl er die Juden verachtete, sich mit ihnen gegen die Christen verbündete, weil er diese noch mehr verachtete. Doch auch Julianus, der Kaiser, vermag es nicht, den Tempel wieder aufzubauen.
Für die Juden ist dies eine Katastrophe, für die Christen ein Zeichen: Nach dem Tod Christi wurde der Tempel zerstört, ein Zeichen für das Ende des Alten Bundes und den Beginn des Neuen. Weder Bar noch Julianus der Apostat vermochten es, den Tempel wiederherzustellen: Es ist ein göttliches Zeichen. Für einige Juden wird es die gleiche Bedeutung haben: Wenn wir den Tempel und die Opfer nicht mehr haben, bedeutet dies, daß Gott uns bestraft hat. Er wird entscheiden, wann wir bereit sind, ins Gelobte Land zurückzukehren (diese religiösen Juden werden, Jahrhunderte später, die erbittertsten Gegner der Zionisten sein).
Doch damit ist die Geschichte noch nicht zu Ende: Im Jahr 613 nach Christus kommt es zur nächsten revolutionären Erhebung der Juden Palästinas, dieses Mal gegen das Byzantinische Reich. Sie öffnen den Persern, den Invasoren, die Tore, ergreifen die Macht, jagen die Christen mit brutaler Gewalt und beginnen offenbar mit dem Wiederaufbau des Tempels… Doch auch diesmal scheitern sie, denn 617 entziehen die Perser den Juden die Macht, die sie ihnen überlassen hatten, und übertrugen sie wieder den Christen. 629 gelingt es den Byzantinern, Jerusalem zurückzuerobern.
Doch bald darauf werden die Araber vordringen, und die Geschichte nimmt eine andere Wendung.
Mit der Gründung Israels im Jahr 1948 werden sich die Juden erneut spalten: nicht mehr in christliche und jüdische Juden, sondern in säkulare Zionisten, ob extremistisch oder moderat, und orthodoxe Juden… Doch das ist eine andere Geschichte.
Daß heute ein Denkmal des „Messias“ Simon Bar im israelischen Parlament steht, erinnert an die Rolle der Geschichte und an das Wesen der säkularisierten messianischen Idee: ein Kult der Stärke und der Macht.
„Es gibt wenig Unterschied“, bemerkte Vittorio Messori 1994 im Corriere della Sera, „zwischen der jüdischen und der islamischen Sichtweise“. Keine der beiden Religionen kennt einen ‚besiegten‘ Gott, der vergibt und statt materieller Siege die Siege des Geistes betont.
*Francesco Agnoli, Studium der Philosophie, lehrt an der Trentino Art Academy und ist Gastdozent am Päpstlichen Athenaeum Regina Apostolorum in Rom; sein Forschungsschwerpunkt gilt der Geschichte und Philosophie der Wissenschaft; er ist Kolumnist verschiedener Medien und Autor zahlreicher Bücher, zuletzt 2024: „Hitler. L’Anticristo. La guerra del Fuhrer alla chiesa e ai cattolici“ („Hitler. Der Antichrist. Der Krieg des Führers gegen die Kirche und die Katholiken“, mit einem Vorwort von Kardinal Gerhard Müller; u. a. 2013 mit Klaus Gamber: „La Liturgia Tradizionale“ („Die traditionelle Liturgie“). Die Kolumne wurde zuerst von Stilum curiae veröffentlicht.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Stilum curiae

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