
Von Giuseppe Brienza
Am vergangenen 13. Juni hat Papst Leo XIV. in seinem ersten Ordentlichen Öffentlichen Konsistorium beschlossen, die Heiligsprechung der ersten beiden Heiligen Venezuelas – des „Arztes der Armen“ José Gregorio Hernández Cisneros (1864–1919) sowie der Gründerin der Kongregation der Dienerinnen Jesu, Schwester María Carmen Rendiles Martínez (1903–1977) – am 19. Oktober 2025 gemeinsam mit der Kanonisation von fünf weiteren Seligen (darunter drei Laien) auf dem Petersplatz zu feiern.
So zelebrierte der Heilige Vater am Sonntag, dem 19. Oktober, vor 70.000 Gläubigen aus aller Welt die Heilige Messe auf dem Vorplatz des Petersdoms und erhob sieben neue Glaubenszeugen zur Ehre der Altäre, deren Bildnisse an der Fassade der vatikanischen Basilika prangten. Auf dem Vorplatz waren auch kostbare Reliquien der neuen Heiligen ausgestellt, begleitet von einem Bildnis der Mutter des Guten Rates, zu der Papst Leo eine besondere Verehrung hegt.
Zur selben Zeit stationierte Venezuela tausende Soldaten an der Grenze zu Kolumbien, nachdem die USA unter Präsident Trump der CIA grünes Licht für Operationen gegen den kommunistischen Diktator von Caracas, Nicolás Maduro, gegeben hatten. Ihm wird vorgeworfen, in internationalen Drogenhandel verwickelt zu sein. Als Reaktion auf die Entsendung amerikanischer Kriegsschiffe in die Karibik mobilisierte Maduro etwa 17.000 Soldaten. Selbstverständlich nahm kein Vertreter des Regimes an der Feier auf dem Petersplatz teil. Zumal erst wenige Tage zuvor Innenminister Diosdado Cabello die Bischöfe Venezuelas als „in Priesterkleidung gehüllte Aasgeier“ beschimpft hatte – lediglich deshalb, weil sie anläßlich der anstehenden Heiligsprechungen die Freilassung politischer Gefangener gefordert hatten.
Die Anerkennung der ersten beiden Heiligen Venezuelas durch die Kirche stellt somit im aktuellen historischen und politischen Kontext „ein Ereignis des Glaubens und der nationalen Identität“ dar, wie Erzbischof Edgar Peña Parra, Substitut des Staatssekretariats, in seinem Beitrag zum Symposium „Zeugnisse für einen Friedensprozess: Die Herausforderung der neuen venezolanischen Heiligen“ am 17. Oktober an der Päpstlichen Lateranuniversität betonte.
Während der Spanischen Grippe kümmerte sich der neue Heilige ohne Angst oder Ansehen der Person um die Kranken, überwand ideologische und soziale Barrieren und leistete seinem Volk somit einen wahren Dienst. Letztlich – so erinnerte Peña Parra – starb er „so, wie er gelebt hatte: im Dienst, auf dem Weg zur Begegnung mit dem Leiden der anderen“. Am 29. Juni 1919 kam José Gregorio durch einen Autounfall ums Leben, als er einem Kranken ein Medikament bringen wollte – gefallen, wie ein frommer Arzt, „an der Front“. In der Ausübung seines Berufs bevorzugte er stets die Armen, die (und das leider bis heute) in seinem Land lebten. Von ihnen nahm er nicht nur keinerlei Entgelt an, sondern gab ihnen oft selbst Geld für Medikamente.
Die Verehrung des venezolanischen Arztes, die sich bereits bei seinem Begräbnis spontan von Mensch zu Mensch verbreitete, begann genau an jenem Tag: Die versammelten Gläubigen ließen nicht zu, daß sein Sarg auf den Leichenwagen geladen wurde. Unter dem Ruf „Dr. José Gregorio gehört uns allen!“ trugen sie ihn auf den Schultern zum Friedhof.
„Von diesem Moment an – schrieb die Postulatorin des Heiligsprechungsprozesses – verbreitete sich die Verehrung in den venezolanischen Familien als Teil ihrer Kultur und ihres christlichen Glaubens. Sie ging auch auf Freunde und Bekannte über, ja sogar über die kirchliche Gemeinschaft hinaus zu Nichtgläubigen und Anhängern anderer Religionen, und stiftete so Bande der Brüderlichkeit“ (Silvia Correale, La cura dei più fragili, 18. Oktober 2025, in L’Osservatore Romano, S. 7).
José Gregorio Hernández Cisneros wurde am 26. Oktober 1864 in Isnotú, Venezuela, geboren. Als zweites von sieben Kindern erhielt er vor allem durch seine Mutter eine solide christliche Erziehung. 1878 begann er am Colegio Villegas in Caracas das Vorbereitungs- und Philosophiestudium, in dem er sich durch Intelligenz, Fleiß und Leistung auszeichnete. Hernández war ein Vorbild an Frömmigkeit, Gebet, Tugend und Pflichtbewußtsein und schloss später sein Medizinstudium an der Universität von Caracas mit Auszeichnung ab.
Schon bald machte er sich in der Ausübung seines Berufes einen Namen, sodaß er 1889 zu einem weiterführenden Studium nach Paris geschickt wurde. Nach seiner Rückkehr in die Heimat begann er im Alter von 27 Jahren eine akademische Laufbahn. Seinen Glauben lebte er offen und engagiert: Er nahm täglich an der Heiligen Messe teil und trat dem Dritten Orden des heiligen Franziskus bei.
In der Person des neuen Heiligen – so die Postulatorin Silvia Correale – „verwirklichte sich der empfangene Glaube in der vom Christentum geprägten Kultur Venezuelas, und sein Zeugnis wurde von Generation zu Generation weitergegeben: zuerst unter den Venezolanern, dann auch unter den Gläubigen in den bolivarischen Ländern (Kolumbien und Ecuador) sowie in der Karibik. Die Armen und Einfachen erkannten in seinem Leben ein Zeichen des gelebten Glaubens, wie er sich im Beruf des Arztes verwirklichte – deshalb war er als der ‚Arzt der Armen‘ bekannt.“
Die Heiligsprechung von ihm und Schwester Rendiles Martínez fällt – womöglich in einem Akt der Vorsehung – mit einer der härtesten Repressionsphasen unter dem Maduro-Regime zusammen. In einer Botschaft an das venezolanische Volk erklärte die Bischofskonferenz des Landes, daß dieses Ereignis „eine günstige Gelegenheit darstellen könnte, damit die staatlichen Behörden Gnadenakte erlassen, die eine Freilassung der aus politischen Gründen Inhaftierten ermöglichen. Wir sind überzeugt, daß dadurch nicht nur das Leben der betroffenen Familien und Angehörigen, sondern auch die Harmonie der gesamten Gesellschaft gefördert werden könnte.“
Einige Tage zuvor hatte die Oppositionsführerin María Corina Machado – kurz bevor sie mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde – denselben Wunsch geäußert. Sie appellierte an Papst Leo XIV., sich für eine Rückgabe der Freiheit an das venezolanische Volk einzusetzen.
„Ein Land ohne Glauben“, so sagte der Heilige Vater in seiner Predigt während der Heiligsprechungsmesse von San José Gregorio und der anderen, „ist ein Land voller Kinder ohne Vater – also Wesen ohne Erlösung.“
Und tatsächlich: Bislang hat das Maduro-Regime keinerlei Zeichen der Versöhnung erkennen lassen – im Gegenteil: Es setzt weiter auf Eskalation und verschärft die Verfolgung von Regimegegnern und der katholischen Kirche, die längst zum letzten Bollwerk des Widerstands gegen ein Regime geworden ist, das selbst das Gebet nicht mehr duldet.
*Giuseppe Brienza, geboren 1972 in Neapel, ist freier Publizist; er promovierte in Politikwissenschaften an der römischen Universität La Sapienza; bis 2020 war er für die Kulturseiten des Corriere del Sud verantwortlich, dann Chefredakteur der von ihm mitgegründeten Internetseite Informazione Cattolica; er schreibt u. a. für Il Borghese, Catholic Studies, Formiche, Daily Cross, Corrispondenza Romana und gestaltet eine Sendung auf Radio Mater zu aktuellen Fragen; Autor von 16 Büchern.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana
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