Louis de Wohl, katholischer Autor historischer Romane

Ein Grabesritter jüdischer Abstammung


Louis de Wohl, Ludwig von Wohl, eigentlich Lajos, eine schillernde Figur, die zum katholischen Schriftsteller wurde
Louis de Wohl, Ludwig von Wohl, eigentlich Lajos, eine schillernde Figur, die zum katholischen Schriftsteller wurde

Von Rino Cammilleri*

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Vie­le von uns haben sei­ne Bücher zu Hau­se – auch, weil Don Giu­s­sa­ni [Gemein­schaft Comu­nio­ne e Libe­ra­zio­ne, CL) sie emp­fahl. Die Rede ist von Lou­is de Wohl, der zunächst Autor von Dreh­bü­chern und Aben­teu­er­ro­ma­nen war, dann Astro­lo­ge im Dienst der psy­cho­lo­gi­schen Kriegs­füh­rung und schließ­lich ein katho­li­scher Schrift­stel­ler wur­de. Ich weiß, daß man­che bei dem Wort Astro­lo­gie die Stirn run­zeln, da die Kir­che sie ver­ur­teilt. Doch genau genom­men ver­ur­teilt sie die vor­aus­sa­gen­de Astro­lo­gie – also jene, die vor­gibt, die Zukunft ken­nen zu kön­nen –, nicht aber die beschrei­ben­de.

Tat­säch­lich begann die Kir­che erst im 16. Jahr­hun­dert, sich von der Astro­lo­gie zu distan­zie­ren – und zwar, als eini­ge Renais­sance-Magi­er auf die absur­de Idee kamen, ein Horo­skop für Jesus zu erstel­len, der ja am 25. Dezem­ber gebo­ren sei und somit – ihrer Logik nach – im Stern­zei­chen Stein­bock. Aber Chri­stus steht nicht im Tier­kreis, er ist des­sen Zen­trum, die Son­ne – wie Leo­nar­do da Vin­ci es in sei­nem Letz­ten Abend­mahl so tref­fend dar­ge­stellt hat.

Doch zurück zu unse­rem Prot­ago­ni­sten, wobei Anga­ben zu sei­nen frü­hen Jah­ren mit eini­ger Vor­sicht zu genie­ßen sind. Sein ursprüng­li­cher Name war Lajos Theo­dor Gas­par Adolf Wohl, gebo­ren 1903 in Ber­lin, des­sen Vater aus dem König­reich Ungarn stamm­te. Sein Vater war zunächst ein Ritt­mei­ster der Husa­ren, jüdi­scher Her­kunft, aber katho­li­schen Glau­bens. Sei­ne Mut­ter, eine Frei­in von Drei­fus, war gebür­ti­ge Öster­rei­che­rin, eben­falls katho­lisch und eben­falls jüdi­scher Her­kunft. Nach sei­nem Mili­tär­dienst wur­de der Vater Anwalt, dann Rich­ter, schließ­lich rech­te Hand des öster­rei­chisch-unga­ri­schen Bot­schaf­ters in Ber­lin – ein Posten, für den ihn Kai­ser Franz Joseph mit einem Adels­ti­tel ehr­te, wes­halb sein Sohn als Lud­wig von Wohl firmierte.

Tat­sa­che ist, daß das katho­li­sche Kai­ser­tum Öster­reich alles ande­re als anti­se­mi­tisch war: Rund 300 jüdi­sche Fami­li­en wur­den im letz­ten Jahr­hun­dert der Mon­ar­chie für ihre Ver­dien­ste um den Staat in den Adels­stand erho­ben. Der Vater von Lud­wig von Wohl soll schließ­lich durch Berg­bau­ge­schäf­te reich gewor­den sein – bis er 1914 starb. Der Erste Welt­krieg rui­nier­te die Fami­lie jedoch finan­zi­ell. Der jun­ge Lud­wig (die deut­sche Ent­spre­chung von unga­risch Lajos) muß­te sein Stu­di­um abbre­chen und begann dank eines Fami­li­en­freun­des – des Bank­di­rek­tors Gut­mann – eine Stel­le bei einer Ber­li­ner Bank. Doch er war zu krea­tiv, um dort zu blei­ben. 1924 kün­dig­te er, um als Mode­zeich­ner zu arbeiten.

Erzählungen für Zeitungen

Von dort gelang­te er, erneut durch Gut­manns Ver­mitt­lung, zur Film­bran­che und begann, Dreh­bü­cher zu schrei­ben – zunächst für Stumm‑, dann für Ton­fil­me. Er lern­te Alex­an­dra Bet­zold, genannt Put­ti, ken­nen – Toch­ter eines jüdi­schen Geschäfts­man­nes und einer rumä­ni­schen Adli­gen. In Wahr­heit war Put­ti die Toch­ter der Rumä­nin aus einer unehe­li­chen Ver­bin­dung mit einem Deut­schen. Doch auch Put­ti war mit­tel­los, also begann Lud­wig, Aben­teu­er als Fort­set­zungs­ro­ma­ne für Zei­tun­gen zu schrei­ben. Damals war das durch­aus lukra­tiv – Mei­ster­wer­ke von Dickens, Ver­ne oder Dumas ent­stan­den auf die­se Wei­se. Daher auch der Umfang vie­ler Wer­ke: Je mehr Fol­gen ein Autor schrieb, desto mehr ver­dien­te er.

Dank sei­ner blü­hen­den Fan­ta­sie und sei­nes Titels konn­te sich Lud­wig in der fei­nen Gesell­schaft bewe­gen. 1930 wur­de er auf einem Ball von Hein­rich, Prinz der Nie­der­lan­de und Her­zog zu Meck­len­burg, dem Gemahl der nie­der­län­di­schen Köni­gin Wil­hel­mi­na, dem Baron Harald Keun van Hoo­ger­woerd vor­ge­stellt. Die­ser ver­blüff­te Lud­wig mit erstaun­lich genau­en Cha­rak­ter­be­schrei­bun­gen von ihm und sei­ner Frau – und weck­te damit sei­ne Fas­zi­na­ti­on für Astro­lo­gie. Von da an ließ sie ihn nicht mehr los.

1933: Hit­ler wird im Deut­schen Reich zum Reichs­kanz­ler gewählt. Unser Prot­ago­nist, katho­lisch wie Edith Stein, aber wie sie jüdi­scher Her­kunft, beschloß, daß es Zeit war, das Land zu ver­las­sen. Er zog nach Eng­land und nann­te sich fort­an Lou­is de Wohl – bereits der drit­te Name in sei­nem Leben.

Im Dienst der Geheimdienste – und der weltweite Durchbruch

Der Zwei­te Welt­krieg begann. Bis zum Kriegs­ein­tritt der USA hat­ten die Bri­ten ern­ste Schwie­rig­kei­ten mit dem schein­bar unbe­sieg­ba­ren Drit­ten Reich. Ihre größ­te Angst war eine Inva­si­on. Laut einer Legen­de stell­ten sie sogar „Hexen“ an den Küsten des Ärmel­ka­nals auf, die die Deut­schen ver­flu­chen sollten.

Ob das stimmt, sei dahin­ge­stellt – aber Astro­lo­gen zogen sie jeden­falls zura­te: Lou­is de Wohl wur­de im Rang eines Haupt­manns in den bri­ti­schen Inlands­ge­heim­dienst auf­ge­nom­men, genau­er gesagt in das Spe­cial Ope­ra­ti­ons Exe­cu­ti­ve (SOE) des MI5, wo er das Büro für psy­cho­lo­gi­sche For­schung lei­te­te. Sei­ne Mis­si­on: eine gefälsch­te Nost­rad­amus-Schrift zu ver­fas­sen – hand­schrift­li­che Vier­zei­ler auf fran­zö­sisch, die angeb­lich „wie­der­ent­deckt“ und auf deutsch über­setzt wur­den. Sie pro­phe­zei­ten zunächst Hit­lers Sie­ge, aber auch sei­nen Tod. Geziel­te geheim­dienst­li­che Des­in­for­ma­ti­on für den Feind.

Die Bri­ten setz­ten alles dar­an, die zögern­den Ame­ri­ka­ner für einen Kriegs­ein­tritt zu gewin­nen. Also schick­ten sie sogar ihren offi­zi­el­len Astro­lo­gen nach New York. Dort eröff­ne­te de Wohl ein Pro­pa­gan­da­bü­ro und hielt Vor­trä­ge, in denen er die Horo­sko­pe von Napo­le­on und Hit­ler ver­glich, um zu zei­gen, daß die Ster­ne auf der Sei­te der Alli­ier­ten stan­den. Es soll eini­gen Ein­druck gemacht haben und offen­bart zugleich ein bemer­kens­wer­te Irra­tio­na­li­tät auch in höhe­ren Kreisen.

Zurück in Lon­don wur­de er zur bevor­ste­hen­den Inva­si­on in der Nor­man­die befragt. Daß auf reichs­deut­scher Sei­te Vor­be­rei­tun­gen bemerkt wur­den, war kaum zu ver­mei­den. Sie wuß­ten, daß die „Festung Euro­pa“ ange­grif­fen wer­den wür­de – aber nicht wo. De Wohl sag­te sei­nen Vor­ge­setz­ten, sie soll­ten beru­higt sein: Die Ster­ne sei­en Hit­ler gün­stig, was ihn dazu ver­lei­ten wer­de, Warn­si­gna­le zu ignorieren.

Nach dem Krieg erhielt Lou­is de Wohl als Aner­ken­nung 1946 end­lich die lang ersehn­te bri­ti­sche Staats­bür­ger­schaft. Ver­wit­wet zog er jedoch in die Schweiz, nach Luzern. 1953 hei­ra­te­te er erneut – die Katho­li­kin Ruth Mag­da­le­ne Lorch, auch sie war jüdi­scher Her­kunft. Sie war Dame des Ordens vom Hei­li­gen Grab, was auch ihn zum Ein­tritt in den Orden bewog und dazu führ­te, daß er zum Kom­tur der Gra­bes­rit­ter erho­ben wur­de. Damit war Lou­is de Wohl ein Comes Pala­ti­nus Late­ra­nen­sis, ein mit päpst­li­chem Adel aus­ge­stat­te­ter Graf des Late­ra­nen­si­schen Palastes.

Er wid­me­te sich nun aus­schließ­lich der Schrift­stel­le­rei. Eini­ge sei­ner astro­lo­gi­schen Wer­ke ana­ly­sier­ten die Geburts­ho­ro­sko­pe berühm­ter Per­sön­lich­kei­ten wie Gan­dhi, Hit­ler, Mus­so­li­ni, Roo­se­velt, Chur­chill, Cham­ber­lain, Dal­adier, Göring, Pius XII. und ande­re. Auch ein fik­ti­ver Roman ent­stand, in dem die Figur des berüch­tig­ten Okkul­ti­sten Alei­ster Crow­ley anklingt – den Mus­so­li­ni 1923 aus Ita­li­en aus­ge­wie­sen hatte.

Doch die­se Pha­se währ­te nicht lan­ge, denn sei­ne wah­re schrift­stel­le­ri­sche Beru­fung waren histo­ri­sche Roma­ne mit katho­li­schen Hel­den. 1948 wur­de er von Papst Pius XII. in Audi­enz emp­fan­gen, der ihn in die­sem Sinn ermu­tig­te. De Wohl schrieb zahl­rei­che sei­ner histo­ri­schen Roma­ne – auf eng­lisch –, die dann welt­weit in bis zu zwölf Spra­chen über­setzt wur­den. Eini­ge wur­den sogar ver­filmt. Hier eine Aus­wahl jener Wer­ke, die auch auf deutsch erschie­nen sind:

  • Der fröh­li­che Bett­ler (über den hei­li­gen Franz von Assisi)
  • Die Zita­del­le Got­tes (über den hei­li­gen Bene­dikt von Nursia)
  • Der Baum des Lebens (über Kai­ser Kon­stan­tin und die hei­li­ge Hele­na, des­sen Mutter)
  • Der Sie­ger von Lepan­to (über Don Juan von Öster­reich, den Sie­ger von Lepanto)
  • Licht über Aqui­no (über Kai­ser Fried­rich II. und den hei­li­gen Tho­mas von Aquin)
  • Das Mäd­chen aus Sie­na (über die hei­li­ge Katha­ri­na von Siena)
  • Atti­la. Der Sturm aus dem Osten (über den Hun­nen­kö­nig und den hei­li­gen Leo den Großen)
  • Das ruhe­lo­se Herz (über den hei­li­gen Augustinus)
  • Johan­na rei­tet vor­an (über die hei­li­ge Johan­na von Orléans)
  • Lon­gi­nus der Zeu­ge (über den römi­schen Sol­da­ten, der Chri­stus mit der Lan­ze durchbohrte)
  • Das gol­de­ne Netz (über den hei­li­gen Igna­ti­us von Loyola)
  • Feu­er über den Mee­ren (über den hei­li­gen Franz Xaver)
  • Der fröh­li­che Bett­ler (über Kai­ser Fried­rich II. und den hei­li­gen Franz von Assisi)
  • König David (über den israe­li­ti­schen König)
  • Juli­an der Abtrün­ni­ge (über Kai­ser Juli­an und den hei­li­gen Athanasius)
  • Der Bote des Königs (über Kai­ser Nero und den hei­li­gen Paulus)

Papst Pius XII. bat ihn per­sön­lich, eine Geschich­te der Kir­che zu ver­fas­sen. Die­ses Werk – Foun­ded on a Rock: A Histo­ry of the Catho­lic Church (Auf Fels gebaut. Eine Geschich­te der katho­li­schen Kir­che) – wur­de sein letz­tes. Lou­is de Wohl starb im Juni 1961.

*Rino Cam­mil­le­ri, 1950 auf Sizi­li­en gebo­ren; nach dem Stu­di­um der Poli­tik­wis­sen­schaf­ten aka­de­mi­sche Lauf­bahn als Dozent für Diplo­ma­ti­sches und Kon­su­la­ri­sches Recht an der Uni­ver­si­tät Pisa; Cam­mil­le­ri lebt heu­te als frei­er Publi­zist in Mai­land. Wäh­rend sei­ner Stu­den­ten­zeit, die kurz nach 1968 begann, war er ein mili­tan­ter Anhän­ger der sozia­li­sti­schen Stu­den­ten­be­we­gung, dann folg­te sei­ne Bekeh­rung zu Chri­stus und zum katho­li­schen Glauben.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Wiki­com­mons

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