Der heilige Gregor VII. – ein kämpfender Papst

Einer der größten Päpste der Kirchengeschichte


Hildebrand von Soana wurde 1073 zum Papst gewählt und nahm den Namen Gregor VII. an
Hildebrand von Soana wurde 1073 zum Papst gewählt und nahm den Namen Gregor VII. an

Von Rober­to de Mattei* 

Anzei­ge

Vor 940 Jah­ren, im Mai des Jah­res 1085, ver­starb Papst Gre­gor VII., gebo­ren als Hil­de­brand von Soa­na (ca. 1030–1085), der größ­te Refor­ma­tor sei­ner Zeit und einer der größ­ten Päp­ste der Geschichte.

Hil­de­brand wur­de, trotz sei­nes Wider­wil­lens, am 29. April 1073 im Alter von 60 Jah­ren zum Papst gewählt. Kaum gewählt, äußer­te er sich mit den fol­gen­den Worten: 

„Ich möch­te, daß ihr, mei­ne lie­ben Brü­der, wißt, daß wir an die­sen Ort beru­fen wur­den, um, ob wir wol­len oder nicht, die Wahr­heit und die Gerech­tig­keit allen Völ­kern, ins­be­son­de­re den christ­li­chen Völ­kern, zu ver­kün­den. Denn der Herr hat gesagt: ‚Schrei, ermat­te nicht zu schrei­en, erhe­be dei­ne Stim­me wie eine Trom­pe­te und ver­kün­de mei­nem Vol­ke sei­ne Verfehlungen.‘“

Gre­gor VII. stell­te sich den mora­li­schen Übeln sei­ner Zeit mit Ent­schlos­sen­heit ent­ge­gen. Weni­ge Mona­te nach sei­ner Wahl, 1074, berief er ein Kon­zil in Rom ein, bei dem zwei wich­ti­ge Dekre­te ver­ab­schie­det wur­den: das erste gegen Prie­ster, die das Zöli­bats­ge­setz miß­ach­te­ten, das zwei­te gegen die Simo­nie. Dar­auf­hin ent­sand­te er Gesand­te und Brie­fe in alle Tei­le der Chri­sten­heit und zwang die Bischö­fe, Kon­zi­le abzu­hal­ten, auf denen die­se Dekre­te ver­kün­det und durch­ge­setzt wer­den soll­ten. In einem zwei­ten Kon­zil 1075 ver­ur­teil­te er die Lai­en­in­ve­sti­tur der Bischöfe.

Für Gre­gor bestand eine enge Ver­bin­dung zwi­schen der Simo­nie und der Poli­tik der Inve­sti­tu­ren. Die welt­li­chen Mäch­te (Kai­ser, Köni­ge, Her­zö­ge und Gra­fen) bestimm­ten die Prä­la­ten, zwan­gen ihnen ihre Ent­schei­dun­gen auf und ver­lie­hen ihnen oft durch die Über­ga­be des Hir­ten­sta­bes oder des Rin­ges die Zei­chen ihrer reli­giö­sen Ämter. Gre­gors Ziel war es, die Wür­de und Unab­hän­gig­keit des Epi­sko­pats wie­der­her­zu­stel­len und sich gegen die Lai­en­in­ve­sti­tur durch den Kai­ser oder ande­re welt­li­che Mäch­te zu stellen.

Gegen den Papst erho­ben sich Kai­ser Hein­rich IV., der Kle­rus von Deutsch­land und der Kle­rus der Lom­bar­dei. Gre­gor for­der­te Hein­rich auf, zu einem bestimm­ten Tage in Rom zu erschei­nen – unter Andro­hung der Exkom­mu­ni­ka­ti­on, falls er nicht erschei­ne. Dar­auf­hin berief Hein­rich ein Kon­zil gegen Gre­gor in Worms ein und ver­bün­de­te sich mit dem Prä­fek­ten von Rom, Leu­ci­us, um den Papst abzu­set­zen. In der Nacht von Weih­nach­ten 1075 drang Leu­ci­us mit sei­nen bewaff­ne­ten Gefolgs­leu­ten in die Basi­li­ka San­ta Maria Mag­gio­re ein, wo der Papst eine Mes­se fei­er­te. Er riß Gre­gor vom Altar, ver­letz­te ihn am Kop­fe und nahm ihn gefan­gen. Doch das Volk befrei­te den Papst weni­ge Stun­den spä­ter. Gre­gor ver­sam­mel­te ein neu­es Kon­zil (1076), bei dem er Hein­rich fei­er­lich exkom­mu­ni­zier­te und erklär­te, daß die Unter­ta­nen in Deutsch­land und Ita­li­en von ihrem Treue­eid gegen­über die­sem Kai­ser ent­bun­den sei­en, füg­te jedoch hin­zu, daß die deut­schen Für­sten die Exkom­mu­ni­ka­ti­on des Königs nicht miß­brau­chen, son­dern ver­su­chen soll­ten, ihn zur Umkehr zu bewegen.

Das Urteil des Pap­stes war ein schwe­rer Schlag für Hein­richs Sache in Deutsch­land. Vie­le sei­ner Vasal­len rebel­lier­ten gegen ihn und berie­fen eine Reichs­ver­samm­lung ein, um einen Nach­fol­ger zu bestim­men. Um der Gefahr zu ent­ge­hen, zog Hein­rich nach Ita­li­en, um sich mit dem Pap­ste zu ver­söh­nen (1077). Gre­gor, der sich nach Deutsch­land bege­ben hat­te, um an der Reichs­ver­samm­lung in Augs­burg teil­zu­neh­men, erfuhr von Hein­richs Rei­se nach Ita­li­en und begab sich von Man­tua aus auf die Burg Canos­sa, die der Grä­fin Mat­hil­de, sei­ner treu­en Anhän­ge­rin, gehör­te. Es war Janu­ar. Anfangs wei­ger­te sich Gre­gor, Hein­rich zu emp­fan­gen, doch die­ser kam zur Burg von Canos­sa, bar­fuß im Schnee, mit einem gro­ben Woll­ge­wand beklei­det. Der Papst heg­te Miß­trau­en gegen­über einem so plötz­li­chen Buß­akt, doch die Grä­fin Mat­hil­de und Abt Hugo von Clu­ny baten den Papst, die Bit­ten eines Buß­fer­ti­gen nicht abzu­leh­nen. Nach drei Tagen des War­tens, am 28. Janu­ar (1077), wur­de Hein­rich offi­zi­ell in die Gegen­wart des Pap­stes gelas­sen, ihm ver­ge­ben und von der Exkom­mu­ni­ka­ti­on befreit.

Etwa sie­ben Jahr­hun­der­te, nach­dem Kai­ser Theo­dosi­us sich vor dem Bischof Ambro­si­us von Mai­land in Buße gebeugt hat­te, beug­te sich ein neu­er Kai­ser vor der reli­giö­sen Auto­ri­tät der Kir­che. Doch Hein­richs IV. Buße war, im Gegen­satz zu der von Theo­dosi­us, nicht auf­rich­tig. Der Kai­ser hielt sich nicht an sein Ver­spre­chen und, obwohl ihm vom Pap­ste die Krö­nung zum König von Ita­li­en unter­sagt wor­den war, ließ er sich krö­nen und zog in den Krieg gegen Rudolf von Schwa­ben, der inzwi­schen von den deut­schen Für­sten als Kai­ser in Hein­richs Stell­ver­tre­tung gewählt wor­den war.

Gre­gor VII. reagier­te ent­schie­den und ver­tei­dig­te sei­ne Auto­ri­tät. Er faß­te sei­ne Hal­tung im Dic­ta­tus Papae zusam­men, einer Samm­lung von Dekre­ten, die die Bezie­hun­gen zwi­schen dem Hei­li­gen Römi­schen Reich und dem Papst­tum dar­leg­ten. Ein Krieg brach zwi­schen den Anhän­gern des Kai­sers und denen des Pap­stes aus.

Gre­gor fand Unter­stüt­zung bei Mat­hil­de von Canos­sa, einer außer­ge­wöhn­li­chen Frau. Bei­de ent­stamm­ten mit gro­ßer Wahr­schein­lich­keit lan­go­bar­di­schem Adel, Mat­hil­de sogar dem Hoch­adel. Ihr Ehe­mann war ermor­det wor­den und Mat­hil­de regier­te allein über ein gro­ßes Gebiet in Mit­tel­ita­li­en, das sie, ohne Erben, 1079 Gre­gor als Geschenk über­ließ – in offe­ner Her­aus­for­de­rung gegen den Kai­ser. Hein­rich IV. berief ein Kon­zil in Bri­xen ein – damals noch Teil des bai­ri­schen Stam­mes­her­zog­tums –, bei dem der Papst abge­setzt und Mat­hil­de ver­bannt wur­de. Der deut­sche Herr­scher mar­schier­te dann nach Rom und bela­ger­te den Papst in der Engels­burg. Gre­gor wur­de abge­setzt und der Gegen­papst Cle­mens wur­de fei­er­lich an sei­ner Stel­le ein­ge­setzt. Am Oster­sonn­tag (31. März 1079) erhielt Hein­rich zusam­men mit sei­ner Frau Ber­tha die Kai­ser­kro­ne vom Gegen­papst. Der nor­man­ni­sche Fürst Robert Guis­card eil­te Gre­gor VII. zu Hil­fe, doch die Plün­de­rung Roms durch sein Heer pro­vo­zier­te den Wider­stand des Vol­kes, das sich, ange­sta­chelt von der papst­feind­li­chen Frak­ti­on, zu einem Auf­stand erhob.

Gre­gor, unter dem Schutz von Robert Guis­card, war gezwun­gen zu flie­hen und zog ins frei­wil­li­ge Exil nach Saler­no, wo er die Exkom­mu­ni­ka­ti­on gegen Hein­rich und den Gegen­papst Cle­mens erneu­er­te und kurz dar­auf, am 24. Mai 1085, ver­starb. Er wur­de 1606 von Papst Paul V. hei­lig­ge­spro­chen, und sei­ne Gebei­ne wer­den im Dom von Saler­no verehrt.

Es wird gesagt, daß sei­ne letz­ten Wor­te lauteten: 

„Dil­e­xi ius­ti­ti­am, et odi­vi ini­quitatem, prop­te­rea mori­vi in exi­lio“, was das Psalm­wort wider­hallt: „Du hast die Gerech­tig­keit geliebt und die Unge­rech­tig­keit gehaßt, des­halb hat dich der Herr in den Tod der Freu­de dei­ner Gefähr­ten geführt“ (Psalm 44, 9).

Das Leben von Gre­gor VII. lehrt uns vie­le Din­ge. Ich möch­te zunächst eines her­vor­he­ben. Der Papst, als Stell­ver­tre­ter Jesu Chri­sti, ist immer ein Zei­chen des Wider­spruchs, sowohl inner­halb als auch außer­halb der Kir­che. Das Leben Gre­gors VII. war ein stän­di­ger Kampf. Eini­ge glau­ben, daß im Mit­tel­al­ter oder in ande­ren Epo­chen die Chri­sten ohne Inter­es­se an dem leben konn­ten, was der Papst sag­te und tat. Doch das ist nicht der Fall. Im Mit­tel­al­ter, wie auch in jeder ande­ren histo­ri­schen Epo­che, waren alle Chri­sten, auch die ein­fach­sten, auf­ge­for­dert, sich der Kämp­fe der Kir­che bewußt zu wer­den und sich zwi­schen einem Papst und einem Gegen­papst, zwi­schen einem Papst und einem Kai­ser zu ent­schei­den, wobei sie vor Gott die Ver­ant­wor­tung für ihre Wahl tru­gen. Das Leben des Chri­sten, wie auch das der Kir­che, ist ein Kampf, und man kann sich die­sem Kampf nicht ent­zie­hen, indem man nur die Leh­ren und Riten der Kir­che befolgt, ohne sich an der Schlacht zu betei­li­gen, die sie täg­lich gegen ihre inne­ren und äuße­ren Fein­de führt.

*Rober­to de Mat­tei, Histo­ri­ker, Vater von fünf Kin­dern, Pro­fes­sor für Neue­re Geschich­te und Geschich­te des Chri­sten­tums an der Euro­päi­schen Uni­ver­si­tät Rom, Vor­sit­zen­der der Stif­tung Lepan­to, Autor zahl­rei­cher Bücher, zuletzt in deut­scher Über­set­zung: Ver­tei­di­gung der Tra­di­ti­on: Die unüber­wind­ba­re Wahr­heit Chri­sti, mit einem Vor­wort von Mar­tin Mose­bach, Alt­öt­ting 2017, und Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil. Eine bis­lang unge­schrie­be­ne Geschich­te, 2. erw. Aus­ga­be, Bobin­gen 2011.
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Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana

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