Der Erzbischof, zwei Exorzisten und ein Gerichtsverfahren

Ein ungewöhnlicher Streit um Erscheinungen


Der Erzbischof von Salta (im Bild rechts) ernannte zwei Exorzisten. Derzeit muß er sich wegen eines ungewöhnlichen Rechtsstreites vor Gericht verantworten.
Der Erzbischof von Salta (im Bild rechts) ernannte zwei Exorzisten. Derzeit muß er sich wegen eines ungewöhnlichen Rechtsstreites vor Gericht verantworten.

(Bue­nos Aires) Der Erz­bi­schof der argen­ti­ni­schen Diö­ze­se Sal­ta, Msgr. Mario Anto­nio Carg­nel­lo, gab am Aller­see­len­tag die Ernen­nung von zwei Exor­zi­sten bekannt – mit einer Überraschung.

Anzei­ge

Erz­bi­schof Carg­nel­lo, seit 1999 im Amt, muß sich der­zeit auch in einem unge­wöhn­li­chen Rechts­streit vor Gericht ver­tei­di­gen. Die Unbe­schuh­ten Kar­me­li­tin­nen des Klo­sters San Ber­nar­do in Sal­ta haben eine Anzei­ge gegen ihn ein­ge­bracht wegen „Geschlech­ter­ge­walt“, eine offen­sicht­lich schlech­te Über­set­zung eines angel­säch­si­schen Begriffs aus der Gen­der-Ideo­lo­gie. Der Erz­bi­schof und zwei Prie­ster der Erz­diö­ze­se müs­sen sich in Bue­nos Aires vor einer Rich­te­rin für Gewalt in der Fami­lie und geschlechts­spe­zi­fi­sche Gewalt ver­ant­wor­ten. Auf rich­ter­li­che Anord­nung hin dür­fen sich die Beschul­dig­ten, auch der Erz­bi­schof, einst­wei­len nicht mehr als 300 Meter dem Kar­me­li­tin­nen­klo­ster nähern.

Im Streit geht es nicht um phy­si­sche Gewalt, son­dern im Kern dar­um, daß der Erz­bi­schof den Kar­me­li­tin­nen die Ver­eh­rung der Vir­gen del Cer­ro ver­bie­tet.

Das Erscheinungsphänomen von Salta

1990 kam es laut Anga­ben von Maria Livia Galia­no de Obeid, einer ein­fa­chen Frau und Fami­li­en­mut­ter aus Sal­ta, zur ersten Mari­en­er­schei­nung. Die Erschei­nung ist seit­her all­ge­mein als Vir­gen del Cer­ro bekannt. Maria Livia Galia­no de Obeid stell­te sie sich als Unbe­fleck­te Mut­ter des Eucha­ri­sti­schen Gött­li­chen Her­zens Jesu (Inma­cu­la­da Mad­re del Divi­no Cora­zón Euca­ri­sti­co de Jesús) vor. 

Die Got­tes­mut­ter habe der Sehe­rin den Ort gezeigt, an dem sie ver­ehrt wer­den möch­te. Es han­delt sich, daher der Name, um die höch­ste Erhe­bung über der Stadt Sal­ta. Jeden Sams­tag ver­sam­meln sich seit­her Gläu­bi­ge auf dem Cer­ro (Berg) zum Rosen­kranz. Der Weg hin­auf wur­de im Lau­fe der Zeit befe­stigt und 2001 konn­te mit dem Bau einer Kapel­le begon­nen wer­den, in dem ein Bild der Unbe­fleck­ten Emp­fäng­nis ver­ehrt wird, das aus dem Klo­ster der Kar­me­li­tin­nen von Sal­ta stammt. Maria Livia Galia­no de Obeid wird seit 1995 von den Unbe­schuh­ten Kar­me­li­tin­nen der Stadt betreut und unter­stützt. Damals begab sich Galia­no de Obeid in das Kar­me­li­tin­nen­klo­ster, um den Ordens­frau­en nach eige­ner Anga­be fol­gen­de Bot­schaft der Got­tes­mut­ter zu überbringen:

„Sie sol­len Über­brin­ger mei­ner Bot­schaf­ten sein, sie sol­len mei­ne Spre­cher wer­den, und damit dies wirk­sam ist, soll es mit viel Gebet beglei­tet werden.“

Waren es anfangs nur eine Hand­voll Pil­ger, die den noch beschwer­li­chen Auf­stieg unter­nah­men, kamen 2001, als am 8. Dezem­ber das Bild der Got­tes­mut­ter in die neu­errich­te­te Kapel­le über­ge­führt wur­de, bereits Tau­sen­de. Eine inzwi­schen ange­leg­te Stra­ße für den Auto­ver­kehr erleich­tert den Zugang für jene, die den Weg nicht zu Fuß zurück­le­gen kön­nen. Heu­te kom­men jeden Sams­tag an die 6000 Pil­ger auf den Hügel. Zehn und mehr Bus­se kom­men allein aus der Bun­des­haupt­stadt Bue­nos Aires. Fahr­zeu­ge müs­sen aus­rei­chend weit ent­fernt par­ken. Die Gläu­bi­gen wer­den auf­ge­for­dert, Radio­ge­rä­te, Han­dys und der­glei­chen in den Fahr­zeu­gen zu las­sen oder sie aus­zu­schal­ten, um die Stil­le zu wahren.

Pro­zes­si­on mit der Vir­gen del Cer­ro auf den Hügel bei Salta

Der Konflikt

Die Kar­me­li­tin­nen behar­ren dar­auf, daß die Orts­kir­che in den frü­hen 90er Jah­ren die Ver­eh­rung der Vir­gen del Cer­ro von Sal­ta erlaub­te. Der Kon­flikt ent­brann­te vor gut 20 Jah­ren, als Msgr. Carg­nel­lo neu­er Erz­bi­schof nach Sal­ta wurde.

Im ver­gan­ge­nen April erwirk­te Erz­bi­schof Carg­nel­lo ein Ver­bot durch die Ordens­kon­gre­ga­ti­on in Rom. Die­se ermahn­te die Kar­me­li­tin­nen zur „stren­gen Obser­vanz“ der Ordens­re­geln. Das sei nicht der Fall, wenn sie eine Initia­ti­ve „gegen den Wil­len des Bischofs und der Diö­ze­san­prie­ster“ ergrei­fen oder unter­stüt­zen, denn das füh­re zu einer „Spal­tung der orts­kirch­li­chen Gemein­schaft und zu Konflikten“.

Rücken­deckung fin­det Erz­bi­schof Carg­nel­lo bei Papst Fran­zis­kus, der in dem 2014 ver­öf­fent­lich­ten Gesprächs­buch von Pater Alex­and­re Awi Mel­lo (deut­sche Aus­ga­be 2016) zu Erschei­nungs­phä­no­men Stel­lung nahm, auch jenem von Sal­ta in sei­ner argen­ti­ni­schen Heimat. 

Der Bra­si­lia­ner Awi Mel­lo ist Prie­ster der Schön­statt-Bewe­gung und wur­de 2017 von Fran­zis­kus zum Sekre­tär des neu­errich­te­ten Dik­aste­ri­ums für Lai­en, Fami­lie und das Leben ernannt. Der regie­ren­de Papst und der Schön­statt-Prie­ster ken­nen sich seit der für Fran­zis­kus beson­ders wich­ti­gen Ver­samm­lung der latein­ame­ri­ka­ni­schen Bischö­fe in Apa­re­ci­do 2007. Fran­zis­kus, damals Erz­bi­schof von Bue­nos Aires, ver­faß­te den Abschluß­be­richt. Dafür stand ihm Awi Mel­lo als einer von zwei Redak­ti­ons­se­kre­tä­ren zur Sei­te. Am ver­gan­ge­nen 20. August wur­de der pro­mo­vier­te Mario­lo­ge vom 6. Gene­ral­ka­pi­tel der Schön­statt-Prie­ster zum Gene­ral­obe­ren gewählt. Neben­her beklei­det er wei­ter­hin das Amt des Dikasterien-Sekretärs.

„Mich nervt es, wenn sie mit den Bot­schaf­ten kom­men“, wird Fran­zis­kus in dem Buch zitiert.

Fran­zis­kus zeigt sich dar­in auch genervt davon, daß er als Erz­bi­schof von Bue­nos Aires den Auf­tritt eines Med­jug­or­je-Sehers ver­bo­ten hat­te, die­ser aber den­noch statt­fand. Das Ver­bot hat­te er aus­ge­spro­chen, weil schon vor­her genau ange­kün­digt wur­de, wann die Got­tes­mut­ter erschei­nen wer­de. „Das heißt, er hat­te den Ter­min­ka­len­der der Jung­frau“, so Fran­zis­kus. Es wür­den Wun­der gesche­hen, auch in Med­jug­or­je, aber man müs­se „unter­schei­den“, so Fran­zis­kus. Es feh­le an „Unter­schei­dung“, in Med­jug­or­je und auch in Sal­ta. In bei­den Fäl­len, so Fran­zis­kus, hand­le es sich „viel­leicht mehr um per­sön­li­che Phänomene“.

Fran­zis­kus erklärt sich in dem Buch die von ihm abge­lehn­ten Bot­schaf­ten „theo­lo­gisch als inne­res Sprechen“:

„Inne­re Loku­tio­nen sind ein Ven­til, die von einer rei­nen, impli­zi­ten Inspi­ra­ti­on herrühren.“

Dar­in drücke sich mehr ein Wunsch­den­ken des Betref­fen­den aus:

„Die Sache mit den Erschei­nun­gen, damit das klar ist: Ver­such es, von der Sei­te einer inter­nen Loku­ti­on zu sehen. Dann ist es klar, war­um ich dir sag­te, daß man von einem Extrem ins ande­re geht. Manch­mal mate­ria­li­siert sich die­se Loku­ti­on fast in einer Visi­on, und ande­re Male kann es nur eine simp­le Inspi­ra­ti­on sein.“

„Zum Bei­spiel jene Per­so­nen, die hören, daß die Got­tes­mut­ter ihnen etwas sagt. Im Gebet erfolgt eine Loku­ti­on, und dann sagen sie: ‚Die Got­tes­mut­ter hat mir gesagt…‘. Natür­lich. Sie drücken es auf eine Art aus, die scheint, als hät­ten sie wirk­lich eine Erschei­nung gehabt. Aber von da bis zu dem, daß die Seher zu Haupt­dar­stel­lern wer­den und pro­gram­mier­te Erschei­nun­gen orga­ni­sie­ren… Das ist die Sün­de, die eine gro­ße Gna­de beglei­ten kann.“

Awi Mel­lo kom­men­tier­te die Aus­sa­ge des Pap­stes mit den Worten:

„Kurz­um, um es mit den Wor­ten des Evan­ge­li­ums zu sagen: Wei­zen und Unkraut wach­sen gemein­sam – auch heute.

Und Fran­zis­kus ergänzte:

„Gibt es Unter­schei­dungs­kri­te­ri­en für Erschei­nun­gen? Eines ist für mich der Gehor­sam der Per­son gegen­über der Kirche.“

Die Ordens­frau­en hin­ge­gen wer­fen Erz­bi­schof Carg­nel­lo vor, sie seit über 20 Jah­ren zu behin­dern, auch durch „ver­ba­le Aggres­sio­nen und Dro­hun­gen“, etwa jene, sie könn­ten ihr Klo­ster ver­lie­ren. Die Kar­me­li­tin­nen beto­nen, daß in den frü­hen 90er Jah­ren das Erschei­nungs­phä­no­men von Sal­ta von der Orts­kir­che wohl­wol­lend gese­hen und ihr Wir­ken im Zusam­men­hang damit vom dama­li­gen Erz­bi­schof Moi­sés Julio Blan­chouds, dem Vor­gän­ger von Msgr. Carg­nel­lo, gut­ge­hei­ßen wurde. 

Im Kon­vent von San Ber­nar­do leben 18 Kar­me­li­tin­nen. Die Prio­rin und zwei Schwe­stern, die Zeu­gen angeb­li­cher Über­grif­fig­kei­ten wur­den, haben Anzei­ge gegen den Erz­bi­schof und zwei ande­re Prie­ster erstat­tet. Der Kar­mel besteht seit 1846, als die ersten Unbe­schuh­ten Kar­me­li­tin­nen aus Chi­le in die Stadt kamen. Das Klo­ster gilt jedoch als älte­ste kirch­li­che Ein­rich­tung der 1582 gegrün­de­ten Stadt. Schon vor der Stadt­grün­dung bestand an die­ser Stel­le eine Ere­mi­ta­ge mit einer Kapel­le zu Ehren des hei­li­gen Bern­hard, der dann zum Stadt­pa­tron wur­de. Neben der Ere­mi­ta­ge wur­de 1586 ein Hos­piz errich­te­te, das spä­ter von den Beth­leh­emi­ten (Ordo Fra­trum Beth­le­mita­rum) über­nom­men wur­den, die ein Klo­ster errich­te­ten, das dann von den Kar­me­li­tin­nen über­nom­men wurde.

Die Ernennung von zwei Exorzisten

Der Kon­flikt zwi­schen dem Erz­bi­schof und dem Frau­en­kon­vent dürf­te noch wei­te­re Jah­re andau­ern. Unter­des­sen ernann­te Msgr. Carg­nel­lo zwei Exor­zi­sten für sein Erz­bis­tum. Die ent­spre­chen­de Mit­tei­lung unter­zeich­ne­te der Erz­bi­schof selbst. Neben der Über­ra­schung, daß zwei Exor­zi­sten ernannt wur­den, für vie­le Diö­ze­sen kei­ne Selbst­ver­ständ­lich­keit mehr, ent­hält die Bekannt­ga­be eine wei­te­re Über­ra­schung: Einer der bei­den Exor­zi­sten, Pfar­rer Loyo­la Pin­to y de Sancri­stó­val, wur­de von den Kar­me­li­tin­nen auch ange­zeigt und muß sich mit dem Erz­bi­schof vor Gericht ver­ant­wor­ten. Pin­to y de Sancri­stó­val, Bru­der des XIV. Mar­qués de Acial­cá­zar, ist Spa­ni­er und Kir­chen­rich­ter im Erz­bis­tum Salta. 

Die erz­bi­schöf­li­che Mit­tei­lung im Wortlaut:

„Der Glau­be an Jesus wird kon­kret durch den Glau­ben, daß er durch sei­nen Tod am Kreuz und sei­ne glor­rei­che Auf­er­ste­hung Tod und Sün­de besiegt hat.

In glei­cher Wei­se ist der Teu­fel immer ent­schlos­sen, die See­len von Gott weg­zu­füh­ren, indem er sie durch Ver­su­chung zur Sün­de ver­lei­tet. Des­halb kön­nen wir behaup­ten, daß dies das schlimm­ste aller Übel ist und die Ursa­che für so vie­le ande­re. Dies wird oft als die ‚gewöhn­li­che Hand­lung des Teu­fels‘ bezeichnet.

Dar­über hin­aus kann der Teu­fel auf außer­ge­wöhn­li­che Wei­se durch die Infi­zie­rung von Orten, die Belä­sti­gung von Men­schen und die extrem­ste Form, die Beses­sen­heit, wir­ken. Sie wird als außer­ge­wöhn­lich bezeich­net, nicht nur wegen ihrer äuße­ren Erschei­nungs­for­men, son­dern auch wegen ihrer Seltenheit.

Durch den Auf­trag Chri­sti hat die Kir­che durch den Dienst des Exor­zi­sten die Macht, Dämo­nen aus einer beses­se­nen Per­son aus­zu­trei­ben, indem sie den Ritus des Exor­zis­mus voll­zieht. Für die­se Erz­diö­ze­se wur­den die Pfar­rer Loyo­la Pin­to y de Sancri­stó­val und Héc­tor Fer­nan­do Cam­pe­ro als sol­che ernannt.

Alles, was mit die­sem sehr heik­len Dienst zu tun hat, unter­liegt abso­lu­ter Geheim­hal­tung und Dis­kre­ti­on. Wir bit­ten Sie, die­sen Dienst mit dem Gebet zu begleiten.

+ Mario A. Carg­nel­lo
Erz­bi­schof von Sal­ta
Sal­ta, 2. Novem­ber 2022

Die 2001 errich­te­te Kapel­le mit der Dar­stel­lung der Vir­gen del Cer­ro aus dem Klo­ster der Unbe­schuh­ten Kar­me­li­tin­nen von Salta

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Wiki­com­mon­s/­Tri­bu­na/Im­ma­cu­la­da-Con­cep­ci­on (Screen­shots)

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