(Rom) Papst Franziskus nahm bereits mehrfach zur Globalisierung Stellung. Die Theorien, die er dabei vertritt, sind von „zweifelhafter Herkunft und fraglicher Stichhaltigkeit“, so der Vatikanist Sandro Magister. Der Papst habe gewisse Theorien irgendwann aufgenommen und verinnerlicht „wie unerschütterliche, und alles erklärende Gewißheiten“. Einer Überprüfung würden sie allerdings nicht standhalten, so der Vatikanist. Die Kritik lautet: zu undifferenziert, falsch.
Im jüngst veröffentlichen Papst-Interview mit der flämischen, katholischen Wochenzeitung Tertio sagte Franziskus:
„Es gibt eine Wirtschaftstheorie, die ich nicht zu verifizieren versucht habe, die ich aber in verschiedenen Büchern gelesen habe: Sie besagt, daß in der Menschheitsgeschichte, wenn ein Staat sah, daß seine Bilanzen nicht paßten, er einen Krieg führte und die eigenen Bilanzen wieder ins Gleichgewicht brachte. Das bedeutet: Das ist eine der einfachsten Art und Weisen, Reichtum zu produzieren.“
Mehrfach erwähnte Franziskus eine andere Theorie, die seiner Meinung nach erklärt, daß Armut und Ungleichheit im Gleichschritt mit dem Fortschritt wachsen. Zuletzt vertrat er diese Ansicht am 13. November in seiner Predigt zum „Jubiläum für die von der Gesellschaft Ausgestoßenen“ im Petersdom.
„So entsteht der tragische Widerspruch unserer Zeit: Je mehr der Fortschritt und die Chancen wachsen, was an sich etwas Gutes ist, um so mehr Menschen gibt es, die dazu keinen Zugang haben.“
Die Kritik des Papstes bezieht sich auf das, was in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Dritte Welt genannt wurde. Unterschwellig besagt sie: Die Globalisierung werde vom Westen vorangetrieben, um den Rest der Welt auszubeuten.
Am 8. Dezember, dem Hochfest der Unbefleckten Empfängnis, wurde in einer neuen Sendung des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders RAI2 „dieses Mantra von Papst Franziskus höflich, aber unerbittlich demontiert“, so Magister.
In Night Tabloid, einer Sendung des späteren Abendprogramms, zeigte Annalisa Bruchi die Fähigkeit, „auch komplizierte Wirtschaftsfragen einfach, aber präzise zu erklären“. In dieser ersten Sendung nahm Bruchi die oben zitierte These von Papst Franziskus unter die Lupe.
Franziskus, der im O‑Ton eingespielt wurde, erhielt für seine Aussage die Benotung „Pinocchio andante“, was in der Sendung soviel bedeutet wie: eine Behauptung ist falsch, gelogen. Das Video der Sendung (ab Minute 42′50″).
Die Ausgangsfrage lautete: „Hat diese Globalisierung uns verarmt oder bereichert, und wen?
Die Antwort: Ja, das stimme zum Teil. Es gilt für die entwickelten Staaten, nicht aber für die Entwicklungsländer. Das genaue Gegenteil dessen, was der Papst sagte, sei daher wahr.
Die Antwort im Detail:
„Es ist eine Frage, auf die schwierig zu antworten ist. Wir können es aber versuchen. Sicher ist, daß wir einen Teil der Bevölkerung der entwickelten Staaten als Globalisierungsverlierer bezeichnen können. Zum Beispiel in Europa sind 9,5 Prozent der Bevölkerung armutsgefährdet, obwohl sie eine Arbeit haben. Und diese Gruppe wird größer. Man bedenke, daß es 2006 8,1 Prozent waren. Und in Italien ist die Situation noch schlechter, weil 11,5 Prozent der Bevölkerung armutsgefährdet sind, obwohl sie Arbeit haben, während es 2006 neun Prozent waren.
Laut einigen ist das Problem gerade die Globalisierung. Die Globalisierung hat uns einer verstärkten Konkurrenz der Entwicklungsländer ausgesetzt. Wer eine niedrig qualifizierte Arbeit hat, kann Konkurrenz aus den Entwicklungsländern bekommen.
Sogar Papst Franziskus hat zu diesem Thema Stellung genommen und gesagt, daß es nicht nur ein Problem für uns ist, sondern ein weltweites Problem: Der Fortschritt, die Globalisierung sind ein Problem für alle. Er sagte wörtlich: ‚Je mehr der Fortschritt und die Chancen wachsen, was an sich etwas Gutes ist, um so mehr Menschen gibt es, die dazu keinen Zugang haben‘.
Der Papst machte sich damit eine Gleichung zu eigen. Er sagt: je mehr Fortschritt, desto mehr Menschen sind davon ausgeschlossen.
Wie wir vorhin gesehen haben, stimmt das zumindest teilweise für unsere Länder. Wenn wir den Blick auf den Rest der Welt erweitern und schauen, was insgesamt auf dem Planeten geschehen ist, dann erscheint dieser Satz nicht mehr so richtig.
Nehmen wir zum Beispiel die Zahl der unterernährten Menschen, also jene, die nicht genug haben, um ihren Hunger zu stillen. Wir sehen, daß das 1990–1992 18,6 Prozent der Weltbevölkerung waren. 2014–2016, also 25 Jahre später, ist ihre Zahl auf 10,9 Prozent zurückgegangen.
Schauen wir uns auch die extreme Armut an, also jene, die mit weniger als zwei Dollar am Tag auskommen müssen. 1990 waren das 35 Prozent der Weltbevölkerung. Jeder Dritte. 25 Jahre später, 2013, waren es nur mehr 10,7 Prozent, also einer von zehn. Weil alle gestorben sind? Nein. In diesem Zeitraum hat die Weltbevölkerung sogar um 1,9 Milliarden Menschen zugenommen. Jetzt sind wir mehr als sieben Milliarden Menschen, aber insgesamt dennoch aller weniger arm und weniger hungrig.
Wenn wir also diese Globalisierungskritik, wie es der Papst tut, in eine absolute Kritik verwandeln und sagen, daß alle oder fast alle Nachteile haben, dann sind wir gezwungen, dem Papst einen ‚Pinocchio andante‘ zu verleihen.“
Text: Andreas Becker
Bild: MiL
Der Papst als versuchter Wirtschaftsexperte. Das war wohl nichts.
Kapitalismuskritik auf dem Niveau der linken Spontis, auf dem Niveau von Claudia Roth. Eine „Wir-Haben-Uns-Alle-So-Lieb-Theologie“. Ich stehe fassungslos vor den Entwicklungen in der Kirche. Was geht im Kopf dieses Papstes vor, was in dem Kopf derer, die ihn gewählt haben? – Wie schuldig wird sich Papst Benedikt angesichts des Niedergangs der Katholischen Kirche fühlen?
Die Kritik der Linken an technischem Fortschritt ist so einfältig, dass wir uns fragen müssen, wie erwachsene Menschen sie überhaupt vertreten können. Hätte es keinen Fortschritt gegeben, säßen wir noch alle in Höhlen und müssten Elche jagen. Vielleicht wären wir dann alle „gleicher“, aber mit Sicherheit wären wir alle ärmer. Wirtschaft ist kein Nullsummenspiel, Fortschritt schafft Werte – aber das scheinen die Linken nie zu begreifen. Sie verstehen es nicht, dass aller Reichtum der Natur durch Arbeit abgerungen werden muss und dass Reichtum eben nicht automatisch und in erster Linie Diebstahl ist.
Für mich ist es unverständlich, dass die Kritik an seinen Äußerungen den jetzigen Papst so völlig unberührt zu lassen scheint. Ist er so selbstgewiss? Oder ist er einfach nur zu feige, sich der Auseinandersetzung zu stellen.