Farben, Grautöne und wo man Tucho parken soll

Im neuen Jahr beginnt das Pontifikat von Leo XIV. wirklich


Papst Leo XIV. beim Segen Urbi et Orbi. Das Kirchenoberhaupt will Kardinal Tucho Fernández als Altlast loswerden, weiß aber noch nicht wie – heißt es in Rom.
Papst Leo XIV. beim Segen Urbi et Orbi. Das Kirchenoberhaupt will Kardinal Tucho Fernández als Altlast loswerden, weiß aber noch nicht wie – heißt es in Rom.

Von Cami­nan­te Wanderer*

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Vor eini­gen Wochen frag­ten wir uns, ob Papst Leo als ein „grau­er Mann“ bezeich­net wer­den kön­ne. Einer­seits sehen wir ein Pon­ti­fi­kat der Far­ben – und damit mei­ne ich die fort­wäh­ren­de Wie­der­her­stel­lung klei­ner Tra­di­tio­nen, die wäh­rend des Berg­o­glio-Pon­ti­fi­kats oder sogar schon davor ver­lo­ren gegan­gen waren… Wer­fen wir einen raschen und unvoll­stän­di­gen Blick darauf:

  • Leo XIV. zele­briert die Mes­se, er tut es andäch­tig, und es ist deut­lich, daß er an das glaubt, was er feiert.
  • Er fei­ert sie nicht nur, son­dern er singt sie – und zwar auf Latein.
  • Er ver­wen­det schö­ne lit­ur­gi­sche Gewän­der, weit ent­fernt von der kost­spie­li­gen berg­o­glia­ni­schen Armseligkeit.
  • Er trägt unter der Kasel die Dal­ma­tik, wie es das Ritu­al vorsieht.
  • Kreuz und histo­ri­sche Leuch­ter sind zum Con­fes­sio-Altar zurück­ge­kehrt. Vor­erst schräg auf­ge­stellt, doch ich ver­mu­te, daß sie bald wie­der die Mit­te des Altars ein­neh­men werden.
  • Die Mit­ter­nachts­mes­se wird immer­hin wie­der um 22 Uhr gefei­ert, wie in den letz­ten Jahr­zehn­ten, und nicht mehr um 19 Uhr – jener absur­den berg­o­glia­ni­schen Uhr­zeit, die der Fei­er jeden Sinn nahm.
  • Die Tra­di­ti­on der öffent­li­chen Zele­bra­ti­on der Mes­se am Weih­nachts­tag wur­de wie­der auf­ge­nom­men, nach­dem sie seit 1993 ver­schwun­den war (ob auch die Mes­se der Mor­gen­rö­te, in auro­ra, pri­vat gefei­ert wurde?).
  • Die vier dem Papst assi­stie­ren­den Dia­ko­ne sind zurückgekehrt.
  • Der Papst trägt eine Sou­ta­ne aus wür­di­gem Stoff – nicht durch­sich­tig wie bei Berg­o­glio – und mit Überärmeln.
  • Am Christ­tag trug er wie­der den Gür­tel mit dem ein­ge­stick­ten päpst­li­chen Wappen.
  • Wenn es erfor­der­lich ist, ver­wen­det er das Chor­ge­wand: Rochett, rote Mozet­ta und eine rote Sto­la mit sei­nem Wappen.
  • In die­ser Woche erschien auch erneut der Thron aus rotem Samt und ver­gol­de­tem Holz mit den päpst­li­chen Wap­pen, sowohl im Cle­men­ti­na-Saal als auch auf der Log­gia des Petersdoms.
  • Er nutzt wöchent­lich Castel Gan­dol­fo zur Erho­lung und zum Sport.
  • Er besucht die ihm zu Ehren ver­an­stal­te­ten Konzerte.
  • Zu Beginn des kom­men­den Jah­res wird er in den Apo­sto­li­schen Palast umziehen.
  • Er hat den wei­ßen Fiat 500 von Fran­zis­kus irgend­wo in einer päpst­li­chen Gara­ge abge­stellt und benutzt ein Fahr­zeug, das sei­nem Rang entspricht.
  • Ent­ge­gen den Anord­nun­gen sei­nes Vor­gän­gers ver­leiht er wie­der und groß­zü­gig den Titel „Kaplan Sei­ner Hei­lig­keit“ (Mon­si­gno­re) an Prie­ster, die er beson­ders aus­zeich­nen möchte.

Man­che wer­den törich­ter­wei­se sagen, es sei ein „Atten­tat auf den Ver­stand“, auf sol­che Ver­än­de­run­gen zu ach­ten. Ande­re wer­den behaup­ten, es hand­le sich ledig­lich um kos­me­ti­sche Ände­run­gen – und sie haben recht. Doch der Punkt ist: Tra­di­tio­nen (mit klei­nem „t“) sind immer kos­me­tisch, was aber nicht bedeu­tet, daß sie unwich­tig wären. Im Gegen­teil: Gera­de sie offen­ba­ren Wahr­hei­ten und Geheim­nis­se, so wie die Akzi­denzi­en die Sub­stanz offen­ba­ren. Nimmt man einem Ele­fan­ten vie­le sei­ner Akzi­denzi­en – Rüs­sel, Stoß­zäh­ne, Ohren –, so erkennt man ihn nicht mehr als das Dick­häu­ter­we­sen, das er ist. Es ist nicht schlimm, wenn eini­ge der oben genann­ten „ober­fläch­li­chen“ Details weg­ge­las­sen wer­den; pro­ble­ma­tisch wird es, wenn sie alle ver­schwin­den – dann beginnt die katho­li­sche Wahr­heit des römi­schen Pon­ti­fi­kats ver­dun­kelt zu werden.

Den­noch ist es wahr, daß die Wie­der­ge­win­nung die­ser schö­nen, unse­rer Kir­che eige­nen Tra­di­tio­nen bis­lang nicht von ande­ren Gesten beglei­tet wur­de, die in der kirch­li­chen Rea­li­tät ein grö­ße­res spe­zi­fi­sches Gewicht hät­ten. Hört man die Reden, Pre­dig­ten und son­sti­gen Anspra­chen des Pap­stes, meint man, Johan­nes Paul II. zuzu­hö­ren – mit all dem Guten und Vor­her­seh­ba­ren, das die­se Ähn­lich­keit mit sich bringt. Und natür­lich ist Papst Leo weit ent­fernt von den berg­o­glia­ni­schen Plattitüden.

Noch schlim­mer ist jedoch, daß gera­de bei der ent­schei­den­den Fra­ge der Bischofs­er­nen­nun­gen die Far­ben ver­schwun­den sind und man sich in den Grau­tö­nen ein­ge­rich­tet hat. Die bei­den wich­tig­sten bischöf­li­chen Ernen­nun­gen Leos XIV. (New York und West­min­ster) ver­stär­ken die­sen grau­en Ton. Eben­so dürf­te ihn die Ernen­nung des näch­sten Erz­bi­schofs von Lima ver­stär­ken, die mög­li­cher­wei­se noch vor Jah­res­en­de erfolgt, da alle drei Namen der Ter­na ähn­li­che Eigen­schaf­ten auf­wei­sen wie Msgr. Hicks und Msgr. Moth. Viel­leicht wird die­se bedau­er­li­che Ten­denz abge­schwächt, wenn – wie man in der Kurie mun­kelt – im kom­men­den Juli Kar­di­nal Pier­bat­ti­sta Piz­za­bal­la, der­zeit Latei­ni­scher Patri­arch von Jeru­sa­lem, auf den ambro­sia­ni­schen Stuhl von Mai­land beru­fen wird.

Doch was kenn­zeich­net die gewähl­ten Kan­di­da­ten? Eben dies, daß sie „graue Män­ner“ sind: Män­ner katho­li­schen Glau­bens mit Pro­fi­len der Mit­te, mehr oder weni­ger nach rechts oder links geneigt, die jedoch in kei­nem der bei­den Lager, in die Papst Fran­zis­kus die Kir­che tief gespal­ten hat, Pro­test­stür­me oder Zorn aus­lö­sen wer­den – und die zudem garan­tie­ren, kei­ne Kon­flik­te zu erzeugen.

Mei­nes Erach­tens soll­ten wir die­se vom Papst ver­folg­te Poli­tik nicht vor­schnell als nega­tiv beur­tei­len. Ich hät­te mir die Ernen­nung von Msgr. Cor­di­leo­ne für New York und von Msgr. Wil­son für West­min­ster gewünscht, doch glück­li­cher­wei­se bin ich nicht der Papst und ver­fü­ge weder über sei­ne Gesamt­per­spek­ti­ve noch über sein Wis­sen um die fra­gi­le Lage der Kir­che. Viel­leicht sind für die Zei­ten, in denen wir leben, gera­de die Grau­tö­ne geeig­net, um die Ein­heit zu bewah­ren, ohne im Glau­ben nach­zu­ge­ben – was das munus des Nach­fol­gers Petri ist. Denn wären die Far­ben deut­li­cher, etwa rot oder blau, wür­den wir unwei­ger­lich auf ein Schis­ma zusteuern.

Man­che sagen, man dür­fe kei­ne Angst vor einem Schis­ma haben; wenn die Situa­ti­on dar­auf zusteue­re, müß­te man sich eben auf die­ses Aben­teu­er ein­las­sen. Ich bin mir da nicht so sicher. Zwar sind Schis­men in den Ost­kir­chen häu­fi­ger und weni­ger trau­ma­tisch, doch in der römi­schen Kir­che mit ihrer so star­ren hier­ar­chi­schen Struk­tur und ihrem stark juri­sti­schen For­mat ist ein Schis­ma etwas sehr Ern­stes und Schmerz­haf­tes – und alles muß getan wer­den, um es zu vermeiden.

Hin­zu kommt, daß Leo XIV. eine Kir­che in kata­stro­pha­lem Zustand über­nom­men hat, die in den letz­ten zehn Jah­ren durch Will­kür und Lau­nen regiert wur­de, mit völ­lig aus­ge­blu­te­ten Län­dern wie Argen­ti­ni­en oder Spa­ni­en und mit Per­so­nen, die nur sehr schwer aus ihren Ämtern zu ent­fer­nen sind. Damit betre­ten wir das zwei­te The­ma die­ses Bei­trags, das gut durch ein kur­zes Video ein­ge­führt wer­den kann, das der­zeit in den sozia­len Netz­wer­ken kursiert:

Wir haben es bereits Anfang Dezem­ber mit einem Arti­kel von Charles Coll­ins gesagt: Das gewal­ti­ge Pro­blem Kar­di­nal Tucho Fernán­dez zu lösen, ist kei­ne leich­te Auf­ga­be. Im Vati­kan ist inzwi­schen all­ge­mein bekannt, daß der Papst ihn nicht will – und zwar nicht ein­mal ein klei­nes biß­chen. Und Tucho weiß das, wes­halb er sei­ne gesam­te „Arma­ta Bran­ca­leo­ne“ in Alarm­be­reit­schaft ver­setzt hat, um sich zu ver­tei­di­gen. Bezeich­nend ist – wie Info­va­ti­ca­na her­vor­hob –, daß nach eini­gen Arti­keln von Reli­gión Digi­tal zur Ver­tei­di­gung des Prä­fek­ten aus­ge­rech­net die­ses Por­tal, das in der spa­ni­schen digi­ta­len Öffent­lich­keit kaum gele­sen wird, die exklu­si­ve Nach­richt über den neu­en Erz­bi­schof von New York durch­sickern ließ. Wer hat ihm die­se Infor­ma­ti­on fünf Tage vor der offi­zi­el­len Bekannt­ga­be zuge­spielt? Tucho ist dar­an gewöhnt, in Natu­ra­li­en zu bezah­len – fra­gen Sie den ehe­ma­li­gen Prie­ster Ari­el Prín­ci­pi.

Mehr noch: Vor einer Woche orga­ni­sier­te der Kar­di­nal­prä­fekt zusam­men mit einer Grup­pe von Gefolgs­leu­ten einen Tag … „irgend­et­was Aka­de­mi­sches“ für his­pano­ame­ri­ka­ni­sche Ordens­stu­den­ten in Rom – und das aus­ge­rech­net in der Syn­ode­nau­la (er scheut sich nicht, die Pri­vi­le­gi­en der Pur­pur­wür­de zu nut­zen). Selbst­ver­ständ­lich war er der Haupt­red­ner, geschnie­gelt in vol­ler kar­di­na­ler Mon­tur. Wor­über sprach er? Über die selig­ste Jung­frau Maria, über ihre Grö­ße und über die Bedeu­tung ihrer Ver­eh­rung. Nur weni­ge der Anwe­sen­den sahen in der The­men­wahl nicht einen ziem­lich offen­sicht­li­chen Ver­such, sich nach Mater popu­li fide­lis bei den Trau­ri­gen und Zor­ni­gen beliebt zu machen; und noch weni­ger erkann­ten in die­sem uner­war­te­ten Tref­fen nicht den Ver­such, sei­ne Unter­stüt­zu­er­ba­sis im his­pa­ni­schen Ame­ri­ka zu erwei­tern, da er weiß, daß er nicht die Gunst des Pap­stes genießt. Sei­ne Stra­te­gie scheint dar­in zu bestehen, eine star­ke Unter­stüt­zer­grup­pe zu schaf­fen, künst­lich ver­stärkt durch ihm gewo­ge­ne Medi­en, um Leo unter Druck zu set­zen oder – im äußer­sten Fall – sich für die Stun­de des Unglücks einen halb­wegs wür­di­gen Lan­de­platz zu sichern.

In frü­he­ren Zei­ten ließ sich das Pro­blem eines unbe­que­men Kar­di­nals leicht lösen. Leo X., Namens­vet­ter des heu­ti­gen Pap­stes, ließ Kar­di­nal Petruc­ci 1517 erwür­gen, und Fran­zis­kus ver­füg­te 2014 die Abset­zung Kar­di­nal Bur­kes und ver­bann­te ihn in den Abstell­raum des Mal­te­ser­or­dens. Leo XIV. ist zu insti­tu­tio­nell für der­art dra­sti­sche Lösun­gen und weiß auch gar nicht, wo er Tucho par­ken soll­te. Das ist der Grund, wes­halb er ihn bis­lang nicht sei­nes Amtes als Prä­fekt ent­ho­ben hat. Das Merk­wür­di­ge ist, daß Alci­ro – so nann­ten ihn sei­ne Semi­na­ri­sten­ka­me­ra­den –, all dies wis­send und ohne poli­ti­schen oder emo­tio­na­len Rück­halt in der Kurie (man erin­ne­re sich, daß P. Dani­el Pel­liz­zon nach Bue­nos Aires zurück­ge­kehrt ist), wei­ter­hin unge­rührt sei­nen Posten im Palast des Hei­li­gen Offi­zi­ums beklei­det. Wäre es für ihn nicht wür­di­ger, sich in ein Ordens­haus an der berühm­ten Peri­phe­rie zurück­zu­zie­hen und wei­ter­hin Selbst­hil­fe­bü­cher zu schreiben?

Kurz­um: Papst Leo hat es nicht leicht. Er wuß­te, wor­auf er sich ein­ließ, und hat die Her­aus­for­de­rung ange­nom­men. Beten wir für ihn – und möge er im neu­en Jahr, wenn sein Pon­ti­fi­kat tat­säch­lich beginnt, vom Hei­li­gen Geist erleuch­tet und von Maria, der Jung­frau und Got­tes­mut­ter, beschützt werden.

*Cami­nan­te Wan­de­rer ist ein argen­ti­ni­scher Phi­lo­soph und Blogger.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Vati​can​.va (Screen­shot)

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