War das Zweite Vatikanisches Konzil das Pearl Harbor der katholischen Kirche?
Chris Jackson gab auf seinem Blog BigModernism – Hiraeth In Exile) kürzlich die baldige Veröffentlichung seines mit Spannung erwarteten Buches „Vatican II. The Anatomy of a Revolution“ („Vatikanum II. Anatomie einer Revolution“) bekannt. Er versucht, das Konzil auf den Prüfstand zu stellen, also jenen Schritt zu setzen, der längst überfällig ist, dem sich aber die Kirchenverantwortlichen bisher mit Nachdruck verweigern. Jackson veröffentlichte nun einen Artikel, in dem er über die bevorstehende Buchveröffentlichung berichtet sowie den Prolog und die Einleitung zu seinem Buch publizierte. Wir dokumentieren diese in deutscher Übersetzung:
Vatikanum II: Die Anatomie einer Revolution
Anzeige
Von Chris Jackson*
Ich schreibe diesen Artikel, während in vielen Teilen der Welt noch der 8. Dezember ist, unter dem Mantel der Unbefleckten Empfängnis der Jungfrau Maria und im langen Schatten eines anderen Ereignisses, das ihren Festtag beansprucht. An diesem Tag, im Jahr 1965, vvor genau sechzig Jahren, verließen die Väter des Zweiten Vatikanischen Konzils den Petersdom und erklärten ihr Werk für beendet. Die Kirche schloß offiziell ein Treffen, das sich geweigert hatte, der Jungfrau Maria ein eigenes Dokument zu widmen und sie stattdessen, wie ein Anhängsel, ans Ende einer Konstitution über die Kirche zu setzen. In den darauffolgenden Jahrzehnten wurde diese Weigerung zu offenem Unbehagen. Heute hören wir von Leo, daß es „unangemessen“ sei, Maria mit den Titeln zu bezeichnen, die Generationen von Katholiken liebten: Miterlöserin und Mittlerin aller Gnaden. All dies an einem Fest, das gerade dazu dient, die einzigartigen Privilegien der Frau zu ehren, die der Schlange den Kopf zertrat.
In den Vereinigten Staaten fügt sich dem Kalender noch eine weitere Schicht Ironie hinzu. Der Tag vor der Unbefleckten Empfängnis ist der 7. Dezember, der Pearl Harbor Day, an dem das Kaiserreich Japan einen Überraschungsangriff startete, der tausenden amerikanischen Soldaten den Tod brachte. Jedes Jahr zeigen die Nachrichten körnige, verwackelte Bilder des Hafens, der Explosionen und der brennenden Schiffe im Wasser. So verstehen wir, zumindest in diesem Kontext, was es bedeutet, wenn ein Feind heimlich plant, plötzlich zuschlägt und eine Flotte lahmlegt, die sich für unantastbar hielt.
Das Zweite Vatikanische Konzil war das Pearl Harbor der Kirche.
Die Modernisten hatten ihre Pläne im Voraus geschmiedet. Sie studierten die Strömungen, zählten die Bischöfe und bereiteten ihre Manöver vor. Viele Konzilsväter kamen nach Rom und vertrauten auf die Maschinerie der Tradition. Sie dachten, die vorbereitenden Entwürfe würden erfolgreich sein und die theologischen Festungen, die von den vorherigen Päpsten errichtet worden waren, würden standhalten. Stattdessen wurden sie von prozeduralen Spielen überrumpelt, von Kommissionen übergangen und von einer neuen, barmherzig und modern klingenden Sprache zermürbt, die die Bindungen lockerte, die Dogma, Liturgie und Disziplin verbanden. Die Bombardierungen wurden auf Latein und Italienisch durchgeführt, mit Lächeln und Fußnoten. Erst später erkannten die meisten Katholiken, was alles unter der Wasserlinie zerstört worden war.
Das Buch „Vatikanum II. Die Anatomie einer Revolution“ wird mein Versuch sein, zu jenem Moment zurückzukehren und den Angriff im Detail nachzuvollziehen. Es ist keine fromme Kaffeetisch-Zelebrierung des „Konzils“. Es ist eine Untersuchung der Texte und der Ideen, die die Männer motivierten, die sie schrieben und umschrieben. Ich möchte zeigen, wie ein Konzil, das sich selbst als „pastoral“ bezeichnete, dieses Etikett als Deckmantel für eine stille, aber sehr konkrete doktrinäre Veränderung benutzte, wie gewisse Ausdrücke und „kleine“ Änderungen im Sprachgebrauch die Tür zum Chaos öffneten, das wir heute als normales Gemeindeleben in den Pfarreien erleben.
Ich arbeite noch am vollständigen Manuskript, wollte aber nicht länger warten, um die Einleitung mit Ihnen zu teilen. Was folgt, ist der Entwurf des Prologs und der Einleitung. Sie geben den Ton für das gesamte Werk an. Der Prolog skizziert den Kontrast zwischen der Festung Kirche, die noch in den frühen 1960er Jahren existierte, und der desorientierten Institution, die wenige Jahre später entstand. Die Einleitung erläutert die Methode und Struktur des Buches und begründet, warum ich das Zweite Vatikanische Konzil als eine Revolution betrachte, die in der Sprache der Barmherzigkeit und des Dialogs vollzogen wurde.
An heutigen Fest der Unbefleckten Empfängnis, und zum sechzigsten Jahrestag des Konzils, das versuchte, die Jungfrau Maria in den Hintergrund zu stellen, möchte ich dieses Datum auf eine kleine Weise zurückerobern. Nachdem die Modernisten der Kirche einen Überraschungsangriff versetzten, ist das Mindeste, was wir tun können, ihren Schlachtplan zu studieren. Erst dann können wir beginnen, das zu rekonstruieren, was in Trümmern liegt.
Hier also eine Vorschau auf „Vatican II. The Anatomy of a Revolution“.
Keiner der anwesenden Konzilsväter hat je eine solche Kirchenversammlung erlebt. Das beeindruckte und begünstigte eine eigene Dynamik, die manche zu steuern wußten
„Wenn die Trompete unklare Töne hervorbringt, wer wird sich dann zur Schlacht rüsten?“ 1 Korinther 14,8
Prolog
Als das Zweite Vatikanische Konzil an einem Herbstmorgen im Jahr 1962 eröffnet wurde, glich die Kirche noch eine Festung, die von der Zeit vergessen worden war. Seit über tausend Jahren erhob sich das Latein von den Altären, begleitet vom Weihrauch. Der gleiche Katechismus, der die Bauern in Polen unterwies, bildete in Rom die Seminaristen aus. Die Priester sprachen mit dem Selbstbewußtsein von Männern, die überzeugt waren, daß der Himmel in den Glaubenswahrheiten jedes ihrer Worte stütze. Die päpstliche Tiara glänzte noch unter der Kuppel von St. Peter, und die Katholiken betrachteten sie nach wie vor als eine Krone, nicht als ein Schmuckstück oder bloße Kopfbedeckung.
Wenige Jahre später schien die gleiche Kirche vor einem verzerrten Spiegel zu erwachen. Die Tiara verschwand in einer Vitrine im Museum; die Sprache des Opfers wich einer Sprache der Gemeinschaft; die Priester wandten sich dem Volk zu und entdeckten, zu spät, dass das Volk ihnen den Rücken gekehrt hatte. Die Eiche war nicht gefallen, aber der Stamm war gespalten, und durch die Öffnung wehte der Luftzug einer neuen Religion, die behauptet, die alte zu sein.
Das Konzil nannte sich „pastoral“. Es versprach zu „aktualisieren“, ohne sich zu verändern, sich zu reformieren, ohne sich zu widersetzen. Doch ein Konzil, das sich selbst als „pastoral“ bezeichnet und die Doktrin unangetastet läßt, wirft eine Frage auf, die sich nicht mehr verscheuchen läßt: Wenn sich nichts geändert hat, warum hat sich dann alles verändert? Die Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils haben keine Häresie erfunden; sie haben etwas Subtileres getan. Sie lockerten die Definitionen, so daß fast alles darin Platz finden konnte. Was Dogma war, wurde zu Dialog; was Erlösung war, wurde zu Begleitung. Die Kirche begann, sich der Welt zu erklären und vergaß dabei, der Welt ihre Notwendigkeit der Bekehrung zu erläutern.
Dieses Buch führt das Skalpell in den Patienten ein. Es untersucht die Konzilstexte wie ein Chirurg das Gewebe einer misslungenen Transplantation, indem er sondiert, wo das Transplantat angewachsen ist, wo der Körper es abgestoßen hat und wo sich eine Infektion entwickelt hat. Es verliert keine Zeit mit sentimentalen Fragen darüber, ob das Konzil letztlich „gute Absichten“ hatte. Revolutionen haben immer „gute Absichten“, zumindest für die, die sie anführen. Ich frage mich jedoch, ob der Glaube, der von den Aposteln überliefert wurde, eine Umschreibung gemäß der Grammatik des modernen Menschen überleben kann, durchgeführt von Männern, die diese Grammatik zunehmend der Sprache der Tradition vorziehen.
Die folgenden Seiten sind keine Elegie, sondern eine Autopsie. Sie sind für jene geschrieben, die immer noch glauben, daß der Leichnam es wer ist, untersucht zu werden, um zu verstehen, wie er gestorben ist, und auch für diejenigen, die vermuten, daß irgendwo unter den Trümmern das Herz der wahren Kirche noch schlägt, in Erwartung der Auferstehung.
Einleitung
Das Zweite Vatikanische Konzil kündigte sich als Akt der Barmherzigkeit an. Es würde nicht verurteilen, sondern einladen; es würde nicht definieren, sondern in Dialog treten. Seine Väter betraten den Petersdom unter Fahnen, die eine Erneuerung ohne Brüche versprachen: die Kirche, die endlich mit der modernen Welt in einer Sprache zu sprechen begann, die diese verstehen konnte. Sechzig Jahre später räumen selbst viele ihrer Verteidiger zu, dass das Ergebnis verwirrend war. Man hatte uns einen neuen Frühling versprochen; erhalten haben wir einen langen Winter, in dem die alten Formen auf dem Papier verblieben, während die Substanz dahinwand. Die Trompete ertönte, doch der Klang war unsicher, und die Armee zerstreute sich, anstatt zu marschieren.
Dieses Buch beginnt mit einer einfachen These: Jede katholische Generation erhält ein Vermächtnis, keinen Entwurf. Die Lehre wächst, wie ein lebendes Wesen wächst, aus derselben Wurzel und innerhalb derselben Art. Sie mag sich verzweigen, blühen und Frucht bringen, aber sie verwandelt sich nicht in eine andere Pflanze. Doch das Zweite Vatikanische Konzil markierte einen Moment, in dem die Kirche begann, sich selbst in Kategorien zu beschreiben, die aus dem modernen Denken stammten, anstatt aus Offenbarung und Metaphysik. Die Dokumente des Konzils ersetzten die vertikale Grammatik von Gnade und Sünde durch eine horizontale Grammatik von Erfahrung und Dialog. Die übernatürliche Ordnung wurde nicht kategorisch abgelehnt. Sie wurde in die Sprache der Psychologie, der Geschichte und der Soziologie aufgenommen, wo sie nach Belieben umgedeutet werden konnte. Der Glaube trug immer noch die alten Gewänder, aber er sprach einen neuen Dialekt, einen, der Gehorsam wie ein Gespräch und Heil wie eine persönliche Verwirklichung erscheinen ließ.
Diese Transformation fand nicht durch ein einziges Dekret oder in einem einzigen Jahr statt. Sie entfaltete sich in einer Reihe von Texten, die harmlos wirkten, wenn man sie schnell las, aber gefährlich, wenn man sie aufmerksam betrachtete. Der unscheinbare Ausdruck „subsistit in“, eingeführt in Lumen gentium, schien eine unbedeutende Nuance zu sein. In der Praxis schuf er jedoch eine neue Ekklesiologie, in der die Kirche Christi in der katholischen Kirche „subsistiert“, sich jedoch irgendwie auch über ihre sichtbaren Grenzen hinaus erstreckt. Die Erklärung über die Religionsfreiheit, Dignitatis humanae, entlehnte das Vokabular dem Naturrecht, um eine alte Wahrheit über das Gewissen zu bekräftigen, doch sie löste sie heimlich vom alten Gebot, den wahren, einzigen Glauben zu suchen, zu umarmen und zu bewahren. Die pastorale Konstitution Gaudium et spes behandelte die moderne Welt nicht als ein Babylon, das es zu bekehren galt, sondern als einen Gesprächspartner, den man nach seinen eigenen Bedingungen bejahen und verstehen sollte. Jeder Text schien lediglich ein Scharnier zu regulieren. Zusammen jedoch drehten sie das ganze Tor.
Die folgenden Kapitel des Buches werden diese Scharniere eines nach dem anderen untersuchen. Sie werden dies nicht tun, indem sie Anekdoten erzählen oder Slogans wiederholen, sondern indem sie die Konzilstexte mit dem Lehramt vergleichen, das ihnen vorausging. Die Methode ist fast schon peinlich einfach. Man vergleicht die Worte des Konzils mit denen der Päpste und Konzilien, die ihnen vorausgingen, und fragt sich, ob sie miteinander vereinbar sind, ohne der Vernunft oder dem Glauben Gewalt anzutun. Als Leo XIII. schrieb, daß die Kirche „eins ist in der Lehre, der Regierung und der Gemeinschaft“, sprach er die Sprache der Identität. Als die Konstitution Lumen gentium begann, die Kirche stattdessen in Begriffen von „Graden der Gemeinschaft“ darzustellen, wählte sie die Sprache der Abstufungen. Der Abstand zwischen diesen beiden Idiomen ist nicht nur eine Frage des Stils. Es ist der Abstand zwischen einer Theologie, die in klaren Grenzen denkt, und einer anderen, die in Schattierungen denkt.
An dieser Stelle taucht die übliche Verteidigung auf. Uns wird gesagt, daß das Konzil „iim Einklang mit der Tradition“ zu verstehen sei. Dieser Anspruch wird hier mit dem größtmöglichen Wohlwollen geprüft, das die Fakten zulassen. Kontinuität kann nicht bedeuten, daß sowohl eine Sache als auch ihr Gegenteil wahr sind. Entweder drückte das Konzil denselben Glauben in einer neuen Form aus, oder es hat einen neuen Glauben in die alten Worte eingeführt. Um zu entscheiden, was der Fall ist, muß man die Dokumente im wörtlichen Sinn lesen, nicht in den tröstenden Paraphrasen, die die nachfolgenden Generationen bereitstellten, als der Schaden bereits sichtbar war.
Es gibt eine weitere fromme Erzählung, die abgelegt werden muß. Es ist in Mode gekommen, zu sagen, daß die Konzilsväter persönlich integer waren und sich lediglich darauf beschränkten, mehrdeutige Texte zu verfassen, die dann von skrupellosen Interpreten mißbraucht wurden. Zweifellos gab es viele Bischöfe, die aus Verwirrung, Angst, Gewohnheit oder blindem Vertrauen unterschrieben. Doch es gab auch Männer, die bewußt einen Bruch mit der Lehre und der Disziplin der Vergangenheit wollten und die pastorale Sprache als Brecheisen benutzten, um die Tür zu Veränderungen aufzustoßen. Die Geschichte, die wir hier hören, ist nicht die einer edlen Absicht, die tragisch mißverstanden wurde. Es handelt sich um eine Mischung aus Naivität und Kalkül, von echtem, aber fehlgeleitetem Optimismus und vorsätzlicher Subversion. Die Krise ist daher nicht nur metaphysisch oder semantisch. Sie war auch moralisch.
Das Zweite Vatikanische Konzil muß nicht als eine zufällige Abfolge mißlungener Interpretationen betrachtet werden, sondern als eine beabsichtigte Neuorientierung von Sprache und Akzentsetzung, deren konkrete Folgen vielen der führenden Akteure bewußt waren. Für manche war diese Neuorientierung sogar der eigentliche Zweck. Die verlangten Freiheit dort, wo die Kirche einst von Pflicht sprach, Dialog dort, wo sie von Bekehrung sprach, und „Offenheit“ dort, wo sie einst den Schutz der Herde betonte. Wenn ewige Dinge in moderne Idiome übersetzt werden, bleiben sie im Übersetzungsprozeß nicht unberührt. Ein Geheimnis, das „relevant“ gemacht wird, hört auf, geheimnisvoll zu sein. Eine Kirche, die verstanden werden möchte, beginnt wie ein Körper zu klingen, der die Welt um Erlaubnis bittet, existieren zu dürfen.
Der Aufbau des Buches folgt der Logik der Revolution, die es beschreibt. Der erste Teil rekonstruiert den historischen Kontext des Konzils: die Dämmerung von Pius XII., die Wahl von Johannes XXIII., die theologischen Strömungen vor dem Konzil, die Funktionsweise der Vorbereitungskommissionen und die politischen Manöver, die deren Arbeit scheitern ließen. Der zweite Teil analysiert die vier Konstitutionen, die tragenden Balken der neuen Konstruktion: die dogmatische Konstitution über die Kirche, die Konstitution über die Liturgie, die Konstitution über die Offenbarung und die pastorale Konstitution über die Kirche in der modernen Welt. Der dritte Teil folgt den Dekreten, in denen die Theorie beginnt, das Leben von Priestern, Ordensleuten, Missionaren und Laien zu regeln. Der vierte Teil untersucht die Erklärungen, aus denen die Revolution am offensten in der Sprache von Religionsfreiheit, des Ökumenismus und der nichtchristlichen Religionen spricht. Der fünfte Teil folgt den Konsequenzen von Paul VI. bis zum heutigen Pontifikat und fragt, wie sich das Vokabular des Konzils in der Theologie und der pastoralen Praxis unserer Zeit entwickelt hat.
Die Beweise werden hauptsächlich aus öffentlichen Texten stammen: den Dokumenten des Konzils, den Enzykliken und Ansprachen, die sie begleiteten, sowie den Katechismen und Kodizes, die versucht haben, ihre Sprache zu zähmen. Tagebücher, Memoiren und private Briefe treten nur dann hinzu, wenn sie notwendiges Licht auf die versteckte Absicht hinter einer Formulierung oder die Manöver hinter einer prozeduralen Überraschung werfen. Das Ziel ist nicht, ein psychologisches Porträt des „Konzilsgeistes“ zu zeichnen, sondern aufzuzeigen, Zeile für Zeile, wie bestimmte Phrasen und sprachliche Entscheidungen den gegenwärtigen Zusammenbruch möglich – und in vielen Fällen nahezu unvermeidlich – machten.
Die Perspektive ist die der desorientierten Gläubigen. Leere Seminare, geschlossene Pfarrgemeinden, entweihte Liturgien und Katechismen, die nicht mehr katechisieren, sind keine abstrakten Daten. Sie sind das erlebte Ergebnis von Entscheidungen, die im Konzilsraum getroffen und mit Tinte ratifiziert wurden. In der Theologie sind Worte Fakten. Ein Adjektiv kann das Gewicht eines Satzes verschieben. Ein Adverb kann ein Gebot entleeren. Eine Fußnote kann einen dogmatischen Satz sabotieren. Die Katholiken, die in halb leeren Kirchen knien oder Zuflucht in Randkapellen und improvisierten Altären suchen, leben im Echo dieser Entscheidungen.
Nichts davon verlangt von uns, anzunehmen, die wahre Kirche sei vergangen oder Christus habe seine Verheißungen verlassen habe. Es verpflichtet uns vielmehr, uns der Möglichkeit zu stellen, daß das, was als die offizielle Fortsetzung dieser Kirche präsentiert wird, in wichtigen Aspekten zu einem Gegenzeugnis ihrer eigenen Vergangenheit geworden ist – eine Gegenkirche, die im parasitären Überleben die Sprache und Strukturen fortführt, die sie geerbt hat. Ob man zu dem Schluß gelangt, die jüngsten Päpste hätten keine Autorität, oder daß sie diese bis zur moralischen Unbrauchbarkeit mißbraucht hätten, wird von dieser Untersuchung abhängen. Wir müssen ehrlich betrachten, was sie aus diesem Konzil gemacht haben, das sie alle als ihre Charta feiern.
Um die Revolution zu verstehen, muß man dort beginnen, wo sie ihren Anfang nahm: mit der Entscheidung, ein Konzil einzuberufen in einem Zeitalter, das weder an Konzile noch an die Wahrheit glaubte. Das nächste Kapitel wendet sich daher dem Vorspiel zu: den letzten Jahren von Pius XII., der Wahl von Johannes XXIII. und dem eigentümlichen Vertrauen, mit dem die Kirche ihre Fenster einem Sturm öffnete, den sie nicht zu beherrschen vermochte. Nur wenn wir zu diesem Moment zurückkehren, vermögen wir das Ausmaß dessen zu erkennen, was folgen sollte.
Der Vorhang hebt sich nun über die letzten Jahre einer Welt, die noch glaubte, die Kirche könne sich nicht ändern, weil Gott sich nicht ändere. Pius XII. herrschte über eine Hierarchie, die unerschütterlich schien; doch unter der Oberfläche begann sich der Boden bereits zu lockern. Theologen, die einst ihre Theorien nur in Seminaren flüsterten, begannen, sie laut auszusprechen. Bischöfe, die geschworen hatten, die Tradition zu verteidigen, lernten, von Anpassung zu sprechen. Als Johannes XXIII. seine Absicht bekannt gab, ein Konzil einzuberufen, begrüßte die Mehrzahl der Welt dies als Kuriosum, nicht als Revolution. Die Geschichte kündigt ihre Wendepunkte nur selten mit Trompetenfanfaren an. Sie beginnt leise, in Büros und Fluren, mit Männern, die glauben, lediglich die Möbel des Glaubens zurechtzurücken.
Das ist der Blick, den dieses Buch zu vermitteln sucht. Und so beginne ich mit der Untersuchung der sogenannten „Revolution des Konzils“.
Übersetzung: Giuseppe Nardi Bild: Hiraeth In Exile/Wikicommons
Helfen Sie mit! Sichern Sie die Existenz einer unabhängigen, kritischen katholischen Stimme, der keine Gelder aus den Töpfen der Kirchensteuer-Milliarden, irgendwelcher Organisationen, Stiftungen oder von Milliardären zufließen. Die einzige Unterstützung ist Ihre Spende. Deshalb ist diese Stimme wirklich unabhängig.
Katholisches war die erste katholische Publikation, die das Pontifikat von Papst Franziskus kritisch beleuchtete, als andere noch mit Schönreden die Quadratur des Kreises versuchten.
Diese Position haben wir uns weder ausgesucht noch sie gewollt, sondern im Dienst der Kirche und des Glaubens als notwendig und folgerichtig erkannt. Damit haben wir die Berichterstattung verändert.
Das ist mühsam, es verlangt einiges ab, aber es ist mit Ihrer Hilfe möglich.
Unterstützen Sie uns bitte. Helfen Sie uns bitte.
5. Juni 2025Kommentare deaktiviert für Erstes eucharistisches Wunder Indiens anerkannt
Am 31. Mai wurde das eucharistische Wunder von Vilakkannur in Indien von der Kirche offiziell anerkannt. Da es nur wenige anerkannte Wunder dieser Art gibt, verdient das Ereignis deutlich mehr internationale Aufmerksamkeit, als ihm bisher geschenkt wird. Anzeige
23. August 2021Kommentare deaktiviert für Tradition und Papstamt zwischen Engführung und Überdehnung
Von Clemens Victor Oldendorf. Anzeige Im Motu proprio Traditionis Custodes (TC) wird vom Axiom Lex supplicandi statuat legem credendi ein fragwürdiger Gebrauch gemacht. In dieser ursprünglichen Formulierung bei Prosper Tiro von Aquitanien (* um 390 vermutlich in Limoges, + 455 in Rom) bestimmt die lex supplicandi einseitig die lex credendi und stellt sie auf. Nicht …
von Wolfram Schrems* Vielleicht bedeutet es wiederum, Eulen nach Athen zu tragen, wenn auf dieser Seite ein Buch über das Zweite Vaticanum vorgestellt wird. Man kann davon ausgehen, daß eine einschlägig versierte Leserschaft das Buch bereits kennt. Aber nachdem es mir wichtig erscheint, sei es hier ausführlich gewürdigt. Typische Umstände unserer Zeit Symptomatisch für unsere …
Katholisches – Unabhängiges Magazin für Kirche und Kultur
Nur mit Ihrer Hilfe
Katholischen Journalismus gibt es nur mit Ihrer Hilfe
Katholisches.info nimmt weder Geld vom Staat noch von der Kirche und auch nicht von Spendern, die Einfluß ausüben wollen. Katholisches.info ist völlig unabhängig, weil Sie uns unterstützen. Eine wirklich freie katholische Stimme ist eine "Investition" für die Zukunft, denn derzeit sieht es so aus, daß es im Medienbereich immer enger wird.
Wir sagen Danke im Namen der Pressefreiheit und des katholischen Auftrags, dem wir verpflichtet sind.
Hinterlasse jetzt einen Kommentar