Die Synodalität – eine Kirchenidee ohne Kompaß

Der Stillstand des „synodalen Prozesses“ und das Schweigen über die rätselhafte „Kirchenversammlung 2028“


Bergoglianischer Stuhlkreis: Wird er beendet oder fortgesetzt?
Bergoglianischer Stuhlkreis: Wird er beendet oder fortgesetzt?

Anmer­kun­gen von Giu­sep­pe Nardi

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Von außen betrach­tet scheint es, als befin­de sich die Kir­che in einem unauf­hör­li­chen „Pro­zeß“, ange­sto­ßen von Fran­zis­kus, dem im ver­gan­ge­nen April ver­stor­be­nen Papst: Syn­ode über Syn­ode, Gre­mi­en über Gre­mi­en, Kom­mis­sio­nen, Arbeits­grup­pen, „Syn­od­al­teams“ und neu­er­dings gar „Orga­ne der Par­ti­zi­pa­ti­on“. Alles klingt nach Bewe­gung – tat­säch­lich aber herrscht Still­stand, denn lee­rer Akti­vis­mus ver­mag kei­nen Glau­ben zu „erzeu­gen“.

Der jüng­ste „Jubi­lä­ums­pil­ger­weg“ die­ser Syn­od­al­teams (24.–26. Okto­ber) ende­te, ohne daß jemand genau zu sagen wüß­te, wofür oder wohin da über­haupt gepil­gert wur­de. In der offi­zi­el­len Mit­tei­lung zum Abschluß hieß es, man wol­le „den Fokus auf die Syn­oda­li­tät und die Zie­le des Weges zur Kir­chen­ver­samm­lung 2028“ legen. Doch gera­de die­se omi­nö­se „Kir­chen­ver­samm­lung 2028“ ist das gro­ße Tabu­the­ma des berg­o­glia­ni­schen Epi­logs, der auf der Kir­che lastet. Kein Wort von Papst Leo XIV. Kein Hin­weis in den Reden. Kei­ne Erklä­rung, wozu sie die­nen oder was sie beschlie­ßen soll. Das Pro­jekt, im März 2025 unter Papst Fran­zis­kus noch schnell auf dem Kran­ken­bett ange­kün­digt, scheint unter sei­nem Nach­fol­ger Leo XIV. in der Schwe­be zu hän­gen. Oder wur­de es vom neu­en Kir­chen­ober­haupt bereits beerdigt?

Eine „Kirchenversammlung“ ohne Auftrag

Zur Erin­ne­rung: Die geplan­te „Kir­chen­ver­samm­lung“ soll angeb­lich den „drit­ten Schritt“ im glo­ba­len Syn­oden­pro­zeß bil­den. Nach dem Syn­oda­len Weg (2021–2025) will man bis 2028 „die Früch­te der Umset­zung“ ein­sam­meln – so zumin­dest die Theo­rie. Von „Früch­ten“ ist indes weit und breit nichts zu sehen. Die ein­zi­ge erkenn­ba­re Frucht ist die berg­o­glia­ni­sche Abriß­bir­ne, die – trotz der ohne­hin schon ange­rich­te­ten Schä­den – von sei­nen Adep­ten noch immer geschwun­gen wird.

Die Pra­xis zeigt: In den Diö­ze­sen – außer­halb des deut­schen Sprach­raums und der deut­schen Kir­chen­funk­tio­närs­bla­se – ist von dem gan­zen Vor­ha­ben kaum etwas zu spü­ren. Kaum ein Bischof spricht über das Pro­jekt, kaum eine Pfar­rei ver­steht, was das über­haupt sein soll. Der Appa­rat des vati­ka­ni­schen Syn­oden­se­kre­ta­ri­ats arbei­tet zwar eif­rig an „Traccia“-Papieren und „Pha­sen­mo­del­len“, die Leit­li­ni­en sein sol­len, aber im rea­len kirch­li­chen Leben kommt davon nichts an. Und das ist auch bes­ser so. Wenn der berg­o­glia­ni­sche Syn­oda­li­täts­traum etwas bewirkt, dann nur, daß dadurch das ech­te kirch­li­che Leben behin­dert und eine ech­te Erneue­rung ver­hin­dert wird.

Kar­di­nal Mario Grech, der Gene­ral­se­kre­tär der Bischofs­syn­ode – die von Fran­zis­kus klamm­heim­lich in eine all­ge­mei­ne, kir­chen­recht­lich aber unde­fi­nier­te „Syn­ode“ umge­wan­delt wur­de – erklärt uner­müd­lich, es hand­le sich „nicht um eine neue Syn­ode“, son­dern um eine „Kir­chen­ver­samm­lung“, die das gan­ze Volk Got­tes ein­schlie­ßen sol­le. Im Klar­text möch­te man ein Drit­tes Vati­ka­ni­sches Kon­zil ein­be­ru­fen, ohne es aber so zu nen­nen. Was das alles kon­kret bedeu­tet, bleibt unklar. Zwi­schen „syn­odal“ und „ekkle­si­al“ wird eine neue Wort­akro­ba­tik betrie­ben, deren ein­zi­ger Zweck zu sein scheint, Struk­tu­ren zu schaf­fen, die von nie­man­dem gewählt, aber von allen zu akzep­tie­ren sind. Das erin­nert an die Träu­me vom Über­staat, den glo­ba­li­sti­sche Krei­se zu träu­men schei­nen – einen dem Namen nach super­de­mo­kra­ti­schen Supra­staat, der in Wirk­lich­keit die Demo­kra­tie über­win­det und zu einem vom Volk los­ge­lö­sten Macht­in­stru­ment weni­ger wird.

Neue Wörter, alte Strategien

Beson­ders auf­fäl­lig ist seit Fran­zis­kus die Infla­ti­on unkla­rer Begrif­fe: „Syn­od­al­teams“, „Par­ti­zi­pa­ti­ons­or­ga­ne“, „Begleit­struk­tu­ren“. Kei­ne die­ser Kate­go­rien fin­det sich im Kir­chen­recht, geschwei­ge denn in der kirch­li­chen Tra­di­ti­on. Wer gehört dazu? Wer benennt sie? Wem sind sie ver­ant­wort­lich? Die offi­zi­el­le Kom­mu­ni­ka­ti­on schweigt.

Kri­ti­ker spre­chen von einer kirch­li­chen Par­al­lel­bü­ro­kra­tie, die hier errich­tet wer­de – fern jeder theo­lo­gi­schen Sub­stanz, aber umso geschick­ter in der Ver­wal­tung des eige­nen Bedeu­tungs­raums. Das Schlag­wort „Par­ti­zi­pa­ti­on“ dient dabei als Tür­öff­ner für jede Form insti­tu­tio­nel­ler Selbst­recht­fer­ti­gung. Statt geist­li­cher Erneue­rung ent­steht eine neue Schicht kirch­li­cher Funk­tio­nä­re, die vor allem in Papie­ren, Pro­zes­sen und „Seme­stern“ den­ken. Auch dazu gibt es aus­rei­chend Par­al­le­len in den Appa­rat­schiks inter­na­tio­na­ler Gre­mi­en, geprägt von Kof­fer­trä­gern und Tagungstourismus.

Das Schweigen des Papstes

Noch schwe­rer – even­tu­ell inter­es­san­ter – wiegt aller­dings das Schwei­gen des Pap­stes. Weder wäh­rend der Hei­lig-Jahr-Fei­ern der Syn­od­al­teams im Okto­ber noch in den vor­aus­ge­gan­ge­nen Mona­ten fiel von ihm ein ein­zi­ges Wort zur „Kir­chen­ver­samm­lung 2028“. Leo XIV., der den syn­oda­len Gedan­ken und Appa­rat von sei­nem Vor­gän­ger geerbt hat, scheint sich nicht recht dazu beken­nen zu wol­len. Es ist, als zöge­re er, eine Maschi­ne wei­ter­lau­fen zu las­sen, deren Zweck selbst ihm unver­ständ­lich zu sein scheint.

Daß das Pro­jekt über­haupt wäh­rend der letz­ten Krank­heits­wo­chen von Papst Fran­zis­kus – des­sen unmit­tel­bar bevor­ste­hen­der Tod spä­te­stens ab der Ein­lie­fe­rung in die Gemel­li-Kli­nik nicht mehr nur für den eng­sten Mit­ar­bei­ter­stab offen­sicht­lich war – ver­kün­det wur­de, läßt den Ver­dacht auf­kom­men, man habe hier in größ­ter Eile noch ein ideo­lo­gi­sches Erbe sichern wol­len – eine Art „syn­oda­les Ver­mächt­nis“, das den Nach­fol­ger bin­den soll­te. Nun aber ist der Plan in der Schwe­be, und mit ihm die gan­ze Idee einer Syn­oda­li­tät, die inzwi­schen wie eine end­lo­se Selbst­be­spie­ge­lung wirkt.

Die „Kirche des Dialogs“ – ohne Dialog

Iro­ni­scher­wei­se prä­sen­tiert sich die Syn­oda­li­tät als Pro­jekt des Hörens, des Dia­logs und der Gemein­schaft. In Wahr­heit aber wirkt sie – und das von Anfang an – wie ein Mono­log pro­gres­si­ver Zir­kel. Die Gläu­bi­gen vor Ort, die angeb­lich „Prot­ago­ni­sten des Pro­zes­ses“ sein sol­len, erle­ben davon wenig. Was als Betei­li­gung ver­kauft wird, ist oft nichts ande­res als die Zustim­mung zu vor­ge­fer­tig­ten Kon­zep­ten. Wie es im Herbst 2013 mit der Vor­ar­beit zur ersten Fami­li­en­syn­ode begon­nen hat­te, setz­te es sich fort. Die Gläu­bi­gen wur­den – qua­si basis­de­mo­kra­tisch – ein­ge­la­den, ihre Gedan­ken zu Ehe und Fami­lie mit­zu­tei­len. Wer dies jedoch tat, erhielt nicht ein­mal eine Ein­gangs­be­stä­ti­gung. Auch das kennt man aus dem Polit­be­trieb. Die Rich­tung ist schon klar fixiert, bevor der Öffent­lich­keit über­haupt eine erste Mit­tei­lung der neu­en Initia­ti­ve gemacht wird. Der Rest sind schö­ne Bemän­te­lun­gen und die Sicht ver­stel­len­de Weihrauchschwaden.

Wer Kri­tik äußert, wird schnell als „unsyn­odal“ abge­stem­pelt. Dabei zeigt sich genau hier das Pro­blem: Die berg­o­glia­ni­sche Syn­oda­li­tät ist zu einem System gewor­den, das sich selbst immu­ni­siert – eine Struk­tur, die jede Fra­ge als Bedro­hung und jede Tra­di­ti­on als Hin­der­nis empfindet.

Zwischen Ideologie und Müdigkeit

Nach vier Jah­ren der Syn­oden­pro­zes­se – in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land, der Syn­oden­werk­statt, sind es noch mehr –, end­lo­sen Kon­sul­ta­tio­nen und Doku­men­ten ist die Ermü­dung greif­bar. Der „Weg“, „Pro­zeß“, wie immer man es nen­nen will, scheint sich unge­wollt selbst zu ver­zeh­ren. Er pro­du­ziert Papie­re, aber kei­ne Ori­en­tie­rung; Sit­zun­gen, aber kei­ne Bekeh­rung. Das Voka­bu­lar ist erschöpft, die Begei­ste­rung ver­siegt. Das gan­ze Unter­fan­gen war von Anfang frucht­los: das per­ma­nen­te Auf­bäu­men der 68er und ihrer Nach­züg­ler, die sich die Zer­trüm­me­rung zum Ziel gesetzt haben. Was sie als Schü­ler in puber­tie­ren­der Infan­ti­li­tät an die Schul­mau­ern schmier­ten – „Mach kaputt, was dich kaputt macht“ –, wur­de zum ver­in­ner­lich­ten Lebens­prin­zip, dem sie nicht zu ent­flie­hen ver­mö­gen – und auch gar nicht wollen.

Und so steht die Kir­che im Herbst 2025 an einem Punkt, an dem die „Kir­chen­ver­samm­lung 2028“ – jene ver­schlei­er­te Kon­zils­idee, die pro­gres­si­ve Augen fun­keln läßt wegen der selbst­ge­strick­ten Illu­si­on vom angeb­lich unver­wirk­lich­ten Zwei­ten Vati­ka­num – eher wie ein Sym­bol ihrer eige­nen Rat­lo­sig­keit wirkt: ein lee­rer Ter­min im Kalen­der, den nie­mand erwar­tet und den viel­leicht nie­mand mehr aus­fül­len kann. Der Berg­o­glia­nis­mus ohne Berg­o­glio scheint nicht so rund zu lau­fen, wie es sich man­che Papst­wäh­ler vor­ge­stellt hatten.

Fazit: Synodalität als Symptom

Syn­oda­li­tät soll­te ursprüng­lich das Mit­ein­an­der der Kir­che stär­ken. Doch was sich dar­aus ent­wickelt hat, ist weni­ger ein geist­li­cher Auf­bruch als ein insti­tu­tio­nel­les Expe­ri­ment ohne kla­re Theo­lo­gie. Man redet vom „Hören auf den Geist“, meint aber mehr die Anpas­sung an den Zeitgeist.

Der syn­oda­le Pro­zeß hat sich bis­her nicht als Instru­ment des behaup­te­ten Zwecks erwie­sen – der Erneue­rung des Glau­bens aus Chri­stus her­aus. Viel­mehr ist er selbst zum Inhalt gewor­den: eine Form ohne Inhalt, ein Weg ohne Ziel.

Solan­ge die Kir­che ihre Iden­ti­tät in Pro­zes­sen sucht, statt in der Wahr­heit, die sie tra­gen soll, wird sie in die­sen end­lo­sen Zir­keln wei­ter­wan­dern – erschöpft, wort­reich und zuneh­mend ohne Rich­tung. Sie wird nach dem Modell des bun­des­deut­schen ZdK regel­recht zettdekaisiert.

Bild: Vati­can­News (Screen­shot)

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