Die spanische Tageszeitung ABC veröffentlichte am Samstag eine Kolumne des bekannten spanischen Schriftstellers und Literaturkritikers Juan Manuel de Prada zum Apostolischen Schreiben Laudate Deum von Papst Franziskus, die es verdient, auch im deutschen Sprachraum bekanntgemacht zu werden,
Der Klimapapst
Von Juan Manuel de Prada*
Ein apostolisches Schreiben, in dem Papst Franziskus seinen Hut in die Debatte um den Klimawandel wirft, hat weltweit großen Beifall ausgelöst, da er sich als frommer Verfechter der System-Hypothesen positioniert, die den menschengemachten Ursprung des Klimawandels untermauern. Aber daß ein Papst über Klimatologie schreibt, ist so wertvoll wie ein Essay des Penicillin-Entdeckers Alexander Fleming über die schwer zu enträtselnde Metaphorik in der Lyrik von Luis de Góngora. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, daß ich Fleming für einen der verdienstvollsten Männer der Menschheitsgeschichte halte.
Ich würde mir wünschen, daß der Papst eine Vorliebe für den Priester de Góngora hat und sich bei der Entschlüsselung von dessen Hermetik ins Zeug legt; aber, bei Gott, er hat eine größere Vorliebe für die Messung des Kohlendioxidgehalts in der Atmosphäre. Nun ist es aber so, daß die Mission des Papstes nicht darin besteht, uns mit diesen Messungen zu verblüffen, sondern darin, das Glaubens- und Sittengut zu bewahren, das heute so angeknackst ist. Selbst wenn sich die kühne Hypothese des Papstes über den Klimawandel eines Tages als wahr erweisen sollte, wäre diese Ermahnung immer noch nicht mit dieser Mission vereinbar. Und sollte sie sich in der Zukunft als falsch erweisen, würde Franziskus‘ Kühnheit dazu dienen, die Kirche zu verunglimpfen, so wie es jetzt der Fall ist, weil einer seiner Amtsvorgänger im Streit um Galileo Galilei unter den Astronomen vermittelt hat, die in ihrer „überwältigenden Mehrheit“ dem Geozentrismus anhingen, so wie es jetzt von jenen behauptet wird, die dem angeblich menschengemachten Klimawandel anhängen. In dieser wahrscheinlichen Zukunft werden dann die Leser dieser Ermahnung erstaunt darüber sein, daß ein Papst in einer Zeit, in der tausend Feuer in der Kirche brennen, sich den Mantel des Klimawandels umhängt.
Der argentinische Schriftsteller Leonardo Castellani (ein Autor, den Franziskus meines Wissens gelesen hat) pflegte zu sagen, daß das Universum „ein dramatisches Gedicht ist, in dem Gott sich den Anfang, die Mitte und das Ende vorbehalten hat, die theologisch Schöpfung, Erlösung und Parusie genannt werden“. Die Figuren dieses dramatischen Gedichts sind das menschliche Handeln, das durch die Sünde das Ende der Welt herbeiführt. Der Autor aber ist Gott, der das Gedicht nicht mit CO2-Messungen beenden wird, sondern wenn der Berg unserer nicht bereuten Sünden zum Himmel schreit. Gott will viel mehr als unser Festhalten an wissenschaftlichen Hypothesen, daß wir uns inmitten der weit verbreiteten Trübsal und des Glaubensabfalls für seine Sache einsetzen, auch wenn die Welt uns dafür lächerlich macht und stigmatisiert, weil wir ihre falschen Dogmen nicht übernehmen und die abartigen anthropologischen Experimente anprangern, die sie zu naturalisieren versucht, um Körper und Seelen zu töten. Und Gott will, daß der Papst der erste in diesem Einsatz ist, indem er den ihm anvertrauten Menschen vermittelt, daß sein Reich niemals enden wird, egal, was der Mensch auch versucht, und daß seine Belohnung alle Schmeicheleien dieser Welt übertrifft und alles, was das Auge je gesehen, das Ohr je gehört und der menschliche Verstand je sich Schönes und Herrliches erträumt hat.
Das sollten die Päpste anmahnen und die Hypothesen über den Klimawandel und die Rätsel de Góngoras den Gesprächen mit Freunden nach dem Essen bei einem Glas Carajillo überlassen.
*Juan Manuel de Prada, Jg. 1970, spanischer Jurist, Schriftsteller und Literaturkritiker. Für seinen auch ins Deutsche übersetzten Roman „La Tempestad“ („Trügerisches Licht der Nacht“) erhielt er 1997 den Premio Planeta, den höchstdotierten Literaturpreis Spaniens. Sein Roman „Las máscaras del héroe“ („Die Masken des Helden“) gilt als einer der hundert bedeutendsten spanischsprachigen Romane des 20. Jahrhunderts. 2021 veröffentlichte er „Una biblioteca en el oasis“ („Eine Bibliothek in der Oase“) über christliche Literatur von Autoren wie G. K. Chesterton, Hilaire Belloc, Georges Bernanos, Graham Green, Leonardo Castellani, John Henry Newman, Robert Hugh Benson u. a. m.
Bild: Youtube/Comunità di Sant’Egidio (Screenshot)