
(London) Heute mittag, 12 Uhr, wird Richter Anthony Hayden darüber entscheiden, ob morgen die Sauerstoffzufuhr für den kleinen Alfie Evans abgestellt wird und er den Erstickungstod sterben muß.
Gestern beschuldigte sein Vater, Thomas Evans, das Alder Hey Kinderkrankenhaus, in dem sich sein Sohn befindet, der mangelnder Fürsorge bei der Behandlung einer Harnwegs-Infektion. Der Punkt ist deshalb von Bedeutung, weil sich der zuständige Richter im Verfahren bisher allein auf das Urteil dieses Krankenhauses stützte. Das Krankenhaus hat noch immer einen erstaunlich guten Ruf, der jedoch durch jüngere und jüngste Enthüllungen erschüttert ist. Es habe Dutzende Todesfälle wegen unzureichender Behandlung und Behandlungsfehlern gegeben. Teilweise führten sie zu Ermittlungen durch die Justiz und Abmahnungen durch die vorgesetzte Gesundheitsbehörde. 2001 war bekannt geworden, daß im Krankenhaus Hunderten von Kindern, ohne Wissen und Zustimmung der Eltern Organe entnommen worden waren. Einige Familien erzwangen Graböffnungen.
Der Skandal flog zufällig im Zuge anderer Ermittlungen gegen den Arzt Robert Anderson auf. Dieser enthüllte, daß das Alder Hey Hospital ein „Geschäft“ für Kinderherzen sei. Das Krankenhaus mußte im Zuge weiterer Enthüllungen und Ermittlungen zugeben, an lebenden Kindern Körperteile entnommen und an einen Pharmakonzern verkauft zu haben, der Hauptsponsor der Herzabteilung des Krankenhauses war.
Eine Reihe von Todesfällen sorgten zudem für Schlagzeilen. Jeweils mußte das Krankenhaus, wenn auch verklausuliert, schuldhaftes Verhalten und Fehlbehandlung eingestehen: bei Joshua Molyneux, Jake McGeough, Madison Perry, Robyn Louise Ellson, Caitlyn Parry und weiteren Kindern. Es ist verständlich, daß die Eltern von Alfie Evans wenig Vertrauen in das Krankenhaus haben, dessen Diagnose für ihren Sohn tödlich sein wird, sollte der Richter ihr weiterhin folgen.
Anhand von Videoaufnahme will Thomas Evans heute nachweisen, daß sein Sohn selbständig atmet, allerdings immer wieder der Sauerstoffzufuhr bedarf. Die Eltern sind auf das Höchste angespannt. Sie wissen, daß von der heutigen Entscheidung des Richters, das Leben ihres Sohnes abhängt. Es geht um Leben oder Tod.
„Die Sauerstoffzufuhr ist keine medizinische Behandlung, sondern eine elementare Grundversorgung“, so der Vater. „Unser Sohn sollte sich längst in Italien befinden.“ Das päpstliche Kinderkrankenhaus Gesu Bambino in Rom ist bereit, die Behandlung von Alfie Evans zu übernehmen. Doch in Großbritannien verlangt man alleine Entscheidungsbefugnis durch den Staat über das Wohlergehen seiner kleinsten Bürger. Was das bedeutet, mußte im vergangenen Jahr der kleine Charlie Gard erleben. Dessen Eltern wollten ihn auch zur Behandlung ins Ausland bringen, was jedoch richterlich untersagt wurde. Das aber bedeutete sein Todesurteil, da dieselben Richter die Einstellung der Versorgung anordneten.
Die Eltern von klein Alfie befürchten, daß ihrem Sohn das gleiche Schicksal droht. Papst Franziskus intervenierte zugunsten des kleinen Jungen. Das hatte er auch im Vorjahr getan, ohne gehört zu werden. Dabei widerlegte Alfie bereits mehrfach die Sterbeprognosen der Ärzte.
Das Christian Legal Centre will heute an der Seite von Alfies Eltern vor allem damit argumentieren, daß sich der Gesundheitszustand des Kindes seit der richterlichen Entscheidung vom Februar verbessert hat und das Gericht einen unabhängigen Neurologen mit einem Gutachten beauftragen und sich nicht allein auf die Diagnose des Krankenhauses stützen soll.
Das Kind sei transportfähig, um in Krankenhäuser nach Rom, Mailand oder München gebracht zu werden, die sich bereit erklärten, Alfie zu behandeln.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: NBQ