(Vatikan) Das „Friedensgebet“ für den Nahen Osten, zu dem Papst Franziskus Israels Staatspräsidenten Simon Peres und den Palästinenserpräsidenten Abu Mazen in den Vatikan einlud, sorgt weiterhin für Irritationen. Papst Franziskus beharrte auch in seinem jüngsten Interview für La Vanguardia darauf, daß es sich nicht um eine politische Vermittlungsinitiative, sondern um eine religiöse Initiative handelte, die ihm „spontan“ während seines Besuchs im Heiligen Land gekommen sei.
Das „Friedensgebet“ mit Rabbi und Imam in den Vatikanischen Gärten hat eine Reihe von Fragen aufgeworfen, die trotz zahlreicher Stellungnahmen, päpstlicher Interviews und Medienberichten einer Antwort harren. Selbst Presseartikel in katholischen Medien und aus der Feder von Katholiken, haben teils die Verwirrung noch erhöht, anstatt Klarheit zu schaffen. Grund dafür ist, daß kirchentreue Katholiken, die das beste wollen, in diesem Pontifikat immer wieder hilflos herumstochern, weil sie päpstliche Initiativen verteidigen, obwohl sie selbst über die päpstlichen Intentionen ziemlich im Dunkeln tappen und der Papst und das zuständige Presseamt des Heiligen Stuhls keinen Wert darauf zu legen scheinen, Unklarkeiten zu bereinigen. Es scheint, als wolle man manche Aspekte absichtlich im Unklaren lassen. Das schafft einerseits Interpretationsspielraum für jene, die einen solchen nützen wollen, aber zumindest ebensoviel Unklarheit bei jenen, die sich vom katholischen Kirchenoberhaupt eine klare Führungsrolle erwarten. Ein „einfacher, aber denkender Katholik“ von 30 Jahren, faßte seine Fragen zum „Friedensgebet“ zusammen, das er als „religiöse Geste mit politischer Zielsetzung“ bezeichnet. Hier seine Fragen:
Fragen zum abrahamitischen „Friedensgebet“ von Papst Franziskus
1.) Die Geste von Papst Franziskus reihe sich in eine lange „Tradition“ ein, die von vielen „Päpsten der Neuzeit“, von Alexander VI., Pius IX., Benedikt XV., Pius XII. bis zu den Päpsten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vertreten wurde, die jeweils öffentliche Initiativen setzen, um bewaffnete Konflikte zu verhindern und den Frieden zu bewahren. Wann hat aber irgendeiner dieser Päpste Staatsoberhäupter eingeladen und das Mittel des gemeinsamen Gebets eingesetzt, das sich an drei unterschiedliche Götter richtete?
2.) „Normalisten“ weisen den Vorwurf zurück, daß hinter der Gebetsinitiative in den Vatikanischen Gärten der „Geist von Assisi“ und des ökumenischen Dialogs stehe, weil es sich in diesem Fall um eine „politische“ und daher nicht im eigentlichen Sinn religiöse Initiative gehandelt habe. Papst Franziskus betont jedoch konsequent das Gegenteil. Zudem war das Gebet das Hauptinstrument dieses Treffens gegenüber der Weltöffentlichkeit. Das Gebet aber sollte Zeugnis geben für den Glauben an den einen, wahren Gott. Vor der Weltöffentlichkeit wurde jedoch „Zeugnis“ für drei verschiedene Götter abgelegt, den des Christentums, den des Judentums und den des Islams, und damit der Eindruck bestärkt, alle „Götter“ und daher alle Religionen seien gleich. Absurde, rein rhetorisch gemeinte Anfrage: Sollte morgen tatsächlich im Nahen Osten der Frieden erreicht werden, welchem Gott müßte dann dafür gedankt werden? Dem Dreifaltigen Gott, Allah oder Jahwe? Die Frage ist absurd, weil Jesus Christus gesagt hat: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“. Seine gemeinsame Anrufung gemeinsam mit anderen Göttern scheint diesem Anspruch Christi wenig angemessen und folgerichtig, weshalb es ziemlich seltsam wäre, wenn Er ausgerechnet ein solch polyphones, allerdings kakophon-verwirrtes Gebet erhören würde, denn das wäre, als hätte Er gesagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, ich bin der einzige wahre Gott, aber auch wenn ihr mich zusammen mit falschen Götzen anbeten solltet, werde ich euer Gebet erhören, weil ich ja nicht kleinkariert sein will, sondern weltoffen und mich bei solchen Formalismen aufhalten will.“ Doch aus der Heiligen Schrift wissen wir, daß Gott das genaue Gegenteil verlangt, wie der Tanz um das Goldene Kalb zeigt. Darum meine Frage: Hat das Erste Gebot Gültigkeit oder nicht? Ist es absolut gültig oder erlaubt es Ausnahmen, wenn es um politische Fragen geht oder der Frieden zwischen den Völkern auf dem Spiel steht?
3.) Wahrscheinlich ist es die religiöse Geste mit politischer Zielsetzung, die mir aufstößt. So edel und wichtig das politische Anliegen sein mag, steht die Frage im Raum, warum das religiöse Mittel par excellence, das Gebet, dafür auf so schlechte Weise eingesetzt wird? Warum auf so „schlechte“ Weise? Kann es einem gleichgültig sein, wenn der Stellvertreter Christi auf Erden dazu auffordert, daß „jeder zu seinem Gott“ beten soll? Wieviel Christen sind heute noch überzeugt von der Heilsnotwendigkeit der Katholischen Kirche? Verstärkt eine solche Geste, zumal durch den Papst, und damit auf höchster Ebene, nicht die ohnehin bereits verbreitete Verwirrung unter den Katholiken und damit den vorrangig ihm anvertrauten Schafen? Der Verwirrung in der Lehre folgt auf den Fuß die Verwirrung in der Moral: Wieviele sind heute überzeugt, leben zu können wie es ihnen gefällt, denn Religion ist gleich Religion, sie sind alle gleichwertig, wenn man sie überhaupt braucht? Wurde in den Vatikanischen Gärten und päpstlicher Regie nicht der Glauben verwässert? Wurde am 8. Juni im Vatikan und durch den Papst nicht (ein weiteres Mal) Christus König entthront? Welches politisches Ziel und mag es noch so hochstehend sein, kann Vorrang vor dem höchsten Gut des Seelenheils haben?
4.) Darum stellt sich vertiefend die Frage nach der Gültigkeit des Ersten Gebotes. Will man uns wirklich gegen die gesamte Überlieferung der Kirche glauben machen, daß die Nicht-Christen wirksame Gebete zu Gott erheben? Daß europäische Christen [hier ist nicht die Rede von den Christen in der arabisch-islamischen Welt] die Heilige Dreifaltigkeit anrufen können, indem sie Allah sagen? Welchen Sinn haben dann das Taufsakrament und der Evangelisierungsauftrag an die Christen? Welchen Sinn hat dann letztlich auch der Tod Unseres Herrn am Kreuz, wenn auch die Moslems ein „authentisches, wahres Gebet“ zu Gott erheben können, wie im Zusammenhang mit dem „Friedensgebet“ in katholischen Medien behauptet wurde?
5.) Zur Rechtfertigung der historisch beispiellosen Gebetsinitiative wurde unter Verweis auf das Christentum als „Religion der Liebe“ mehr oder weniger nahegelegt, daß Christen sich die Gebete der Nicht-Christen zu eigen machen können. Dabei wurden synkretistische Gefahren einfach ausgeblendet. Die Antwort eines Katholiken, der katholisch bleiben will, kann nur lauten: Nein, non possumus. Wenn wir nicht unter geschönten Vorzeichen dem religiösen Relativismus huldigen wollen, haben wir ein klares Nein zu sagen. Damit drängt sich eine verstörende Frage auf, verstörend, weil sie an die höchste Kirchenleitung gerichtet werden muß: Stellt sich niemand mehr die Frage nach der Identität Gottes? Gott ist die einzige, ewige, unveränderliche Größe, doch scheint Er von uns behandelt zu werden, wie eine beliebig modellierbare Knetmasse. Wenn ich zu Allah bete, dann bete ich nicht zum lebendigen und wahren Gott, sondern zu einem Götzen. Eine Sache ist das friedliche Zusammenleben der Gläubigen verschiedener Religionen, eine ganz andere Sache aber ist die Gleichsetzung aller Religionen. Ist es möglich, daß man solche elementaren Dinge kirchlichen Hierarchen und der kulturellen katholischen Elite in Erinnerung rufen muß, zu der auch die katholischen Journalisten und Publizisten gehören? Daß das Treffen im Vatikan am Pfingstsonntag stattfand und die Berichterstattung und Rechtfertigungen damit in die Pfingstoktav bis zum Dreifaltigkeitssonntag fielen, hat nichts „Prophetisches“, sondern etwas Groteskes an sich. Damit bleibt abschließend nur noch die Frage: Warum wurde die Gebetsinitiative des Papstes in den Vatikanischen Gärten durchgeführt? Weil man im Vatikan sich bewußt war, daß ein gemeinsames Gebet in der Kirche undenkbar ist? Warum dann aber unter freiem Himmel? Oder wurde es in den Garten verlegt, weil man Juden und Moslems keine christlichen Symbole zumuten wollte? Ich schicke voraus, daß mich weder die eine noch die andere Variante erbaut, weil ihr die ungeklärte, irritierende Tatsache des Synkretismus-Verdachts anhaftet.
6.) So bleibt abschließend nur mehr die bedrückendste aller Fragen: Was bezweckte Papst Franziskus mit dieser „abrahamitischen“ Allianz, die ihn dem Verdacht des Synkretismus und der Schaffung einer Welteinheitsreligion aussetzt? Warum beließ er es nicht bei einer politischen Vermittlungsinitiative, wie es seine Vorgänger taten, zumal das Ziel ja vordergründig politischer Natur ist, wie der Papst selbst betonte?
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Riscossa Christiana