Oktober, der Monat der Engel

Der freie Wille und die Engellehre


Engel

Von Rober­to de Mattei*

Anzei­ge

Der Monat Okto­ber ist neben dem Rosen­kranz auch den Engeln gewid­met. Es gibt Engel und Dämo­nen, die auch Engel sind, aber rebel­lisch und gefal­len. Sie sind rei­ne Gei­ster, ech­te und eigen­stän­di­ge Per­so­nen, Geschöp­fe, die mit einer See­le, aber nicht mit einem Kör­per aus­ge­stat­tet sind. Die Kir­che hat dies von Anfang an mit dem Nicä­no-Kon­stan­ti­no­po­li­ta­ni­schen Glau­bens­be­kennt­nis bekräf­tigt und auf dem Vier­ten Late­r­an­kon­zil (1215) bestä­tigt, des­sen For­mu­lie­rung vom Ersten Vati­ka­ni­schen Kon­zil auf­ge­grif­fen wur­de, wenn es sagt: Gott hat „aus dem Nichts das eine und das ande­re Geschöpf geschaf­fen, das gei­sti­ge und das kör­per­li­che, das heißt das engel­haf­te und das irdi­sche, und dann die mensch­li­che Natur geschaf­fen, die bei­den gemein­sam ist und aus Geist und Kör­per besteht“. Das heißt, Gott hat von Anfang an bei­de Wirk­lich­kei­ten geschaf­fen: die gei­sti­ge und die leib­li­che, die irdi­sche und die engelhafte.

Der Schau­platz der Schöp­fung der Engel war der Him­mel, wo sie beim ersten Öff­nen ihres Bewußt­seins dazu beru­fen wur­den, Gott, sei­ne Plä­ne und sei­nen Wil­len anzu­be­ten. Die Engel waren die ersten ver­nunft­be­gab­ten und frei­en Geschöp­fe des Uni­ver­sums. Als ver­nunft­be­gab­te Wesen hat­ten sie die Mög­lich­keit einer unmit­tel­ba­ren und intui­ti­ven Erkennt­nis der Wahr­heit Got­tes, ihres Grun­des und höch­sten Gutes. Als freie Wesen hat­ten sie die Mög­lich­keit, den Wil­len Got­tes, sei­nen Plan für das Uni­ver­sum, abzu­leh­nen. Luzi­fer, der erste der Engel, bewun­der­te sei­ne eige­ne Schön­heit, behaup­te­te, Gott gleich zu sein, und wei­ger­te sich, Ihm zu die­nen. Ein Drit­tel der Engel folg­te ihm (Offb 12,14), aber alle ande­ren Engel, ange­führt vom hei­li­gen Micha­el, erho­ben sich mit dem Ruf Quis ut Deus? Wer ist wie Gott?

Gut und Böse tra­ten in die Geschich­te des Uni­ver­sums ein. Im Him­mel fand ein Kampf statt (Offb 12,7–9): Micha­el und die guten Engel stürz­ten Satan und die rebel­li­schen Engel in die Höl­le. Es war jedoch kein Kampf zwi­schen dem Guten und dem Bösen, son­dern zwi­schen den Guten und den Bösen: Denn das Böse ist kei­ne Sub­stanz, wie der hei­li­ge Augu­sti­nus sagt, denn wenn es eine Sub­stanz wäre, wäre es gut (Bekennt­nis­se, III, 7, Nr. 12). Wäre Satan das Böse, gäbe es einen onto­lo­gi­schen Dua­lis­mus im Uni­ver­sum, wie die Katha­rer glaub­ten, die den Gott des Bösen des Alten Testa­ments dem guten Gott des Neu­en Testa­ments gegen­über­stell­ten. Die Engel hin­ge­gen, so lehrt die Kir­che im IV. Late­r­an­kon­zil (1215) gegen die Katha­rer, „wur­den von Gott gut geschaf­fen, wur­den aber durch ihren eige­nen Wil­len böse“.

Die Unter­tei­lung der Welt der rei­nen Gei­ster in gut und böse war also weder eine onto­lo­gi­sche noch eine von Gott fest­ge­leg­te Tren­nung, son­dern eine mora­li­sche Ent­schei­dung, die das Ergeb­nis der Frei­heit war, die der gei­sti­gen Natur der Engel eigen ist. Die Guten wähl­ten Gott als das höch­ste und letz­te Gut und wand­ten sich Ihm mit der gan­zen inne­ren Kraft ihrer Frei­heit zu. Die Bösen hin­ge­gen haben Ihn abge­lehnt und gehaßt und sind in ihrer Ableh­nung unum­kehr­bar verwurzelt.

An der Wur­zel der Sün­de Luzi­fers, wie aller Sün­den, steht ein tie­fer Stolz. An den Wur­zeln der Treue des hei­li­gen Micha­el, sei­nes Wider­sa­chers, liegt eine noch tie­fe­re Demut. Stolz und Demut sind die bei­den Ach­sen der Geschich­te der geschaf­fe­nen Welt. Um die­se bei­den Gei­stes­hal­tun­gen her­um haben sich zwei Städ­te gebil­det, die Stadt Got­tes und die Stadt des Satans, von denen der hei­li­ge Augu­sti­nus spricht, die dazu bestimmt sind, in der Geschich­te bis zum Ende der Zeit gegen­ein­an­der zu kämp­fen. Die Ent­schei­dung der Engel wie­der­holt sich auf der Erde jeden Augen­blick für die Men­schen, bis zum Augen­blick des Todes.

Die Offen­ba­rung beschreibt den letz­ten Akt die­ses Kamp­fes, der am Ende der Zeit enden wird, wenn der Herr sei­ne Engel aus­sen­den wird, um alle Gerech­ten aus den vier Him­mels­rich­tun­gen zu sam­meln. Die Engel wer­den den Aus­er­wähl­ten das Sie­gel des leben­di­gen Got­tes auf­drücken und sie sicher in die Schlacht füh­ren (Offb 7,2). Beim Schall der Posau­nen wer­den sie die Stra­fen Got­tes auf der Erde voll­strecken und den Sieg Chri­sti ankün­di­gen (Offb 8,2). Am Ende der Welt, „wenn der Men­schen­sohn in Herr­lich­keit mit allen Engeln kom­men wird, dann wird er sich auf den Thron der Herr­lich­keit set­zen, und alle Völ­ker wer­den vor ihm ver­sam­melt wer­den, und er wird eines vom ande­ren schei­den“ (Mt 25,31–32).

Der Kampf der Engel, der bei der Erschaf­fung des Uni­ver­sums durch Gott statt­fand, ist kei­ne mythi­sche Dar­stel­lung, son­dern ein histo­ri­sches Ereig­nis, denn er fand in der Zeit statt, einen Augen­blick nach der Erschaf­fung der Zeit selbst: Es ist ein Ereig­nis, das sozu­sa­gen die Zeit eröff­net und daher einen para­dig­ma­ti­schen Wert hat, als Modell für alles, was von da an im Ver­lauf der Geschich­te gesche­hen würde.

Die Geschich­te, von ihrem Anfang bis zu ihrem Ende, ist die unun­ter­bro­che­ne Wie­der­ho­lung die­ses Ereig­nis­ses: die radi­ka­le Ent­schei­dung für oder gegen Gott und sei­nen Vor­se­hungs­plan für das Uni­ver­sum. Die Prot­ago­ni­sten sind jedoch nicht mehr nur Engel und Dämo­nen, son­dern vor allem die Men­schen, die in der Geschich­te leben, arbei­ten und sterben.

Ihre Ent­schei­dung ist nicht von kur­zer Dau­er wie die der Engel, son­dern dau­ert ein gan­zes Leben lang und endet im Augen­blick des Todes, der die Stun­de der letz­ten und end­gül­ti­gen Ent­schei­dung ist, von der es kein Zurück mehr gibt. In der Radi­ka­li­tät und Uni­ver­sa­li­tät die­ser Ent­schei­dung drückt sich die Frei­heit der gei­sti­gen Geschöp­fe, sei­en es Engel oder Men­schen, in ihrer höch­sten Form aus.

*Rober­to de Mat­tei, Histo­ri­ker, Vater von fünf Kin­dern, Pro­fes­sor für Neue­re Geschich­te und Geschich­te des Chri­sten­tums an der Euro­päi­schen Uni­ver­si­tät Rom, Vor­sit­zen­der der Stif­tung Lepan­to, Autor zahl­rei­cher Bücher, zuletzt in deut­scher Über­set­zung: Ver­tei­di­gung der Tra­di­ti­on: Die unüber­wind­ba­re Wahr­heit Chri­sti, mit einem Vor­wort von Mar­tin Mose­bach, Alt­öt­ting 2017, und Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil. Eine bis­lang unge­schrie­be­ne Geschich­te, 2. erw. Aus­ga­be, Bobin­gen 2011.

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Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana

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