Corona-Politik auf dem Prüfstand – am Beispiel Bayerns

Bei Intensivbetten gibt es keinen Notstand – Bischöfe sollen sich Weihnachten nicht nehmen lassen


Der aktuelle Corona-Istzustand in Bayern.
Der aktuelle Corona-Istzustand in Bayern.

(Mün­chen) Da Bay­ern unter sei­nem Mini­ster­prä­si­den­ten Mar­kus Söder eine Vor­rei­ter­rol­le bei der Coro­na-Ein­däm­mung ein­nimmt und sich wegen stei­gen­der „Fall­zah­len“ die Stim­men mit Blick auf Weih­nach­ten bis zur Hyste­rie stei­gern, was wie­der­um mit hoher Wahr­schein­lich­keit Aus­wir­kun­gen auf das Ver­hal­ten der Bischö­fe haben könn­te, und das Weih­nachts­fest auf dem Spiel steht, ver­öf­fent­li­chen wir einen kur­zen, ech­ten Fak­ten­check. „Fak­ten­checker“, die in Wirk­lich­keit häu­fig besol­de­te Pro­pa­gan­di­sten in ledig­lich umbe­nann­ten PR-Abtei­lun­gen im Dienst finanz­in­ten­si­ver Unter­neh­men und Pri­vat­stif­tun­gen sind, haben die­sen Begriff lei­der weit­ge­hend unbrauch­bar gemacht.

Zahlen zur Wirklichkeit in Bayern

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Von Hubert Hofer*

Die Zah­len lie­gen auf dem Tisch. Vie­le davon sind der All­ge­mein­heit zugäng­lich. Eini­ge feh­len aller­dings. Die feh­len­de Trans­pa­renz macht skep­tisch, was nie­mand ver­wun­dern soll­te. An die­ser Stel­le soll nur ein ein­zel­ner Aspekt her­aus­ge­grif­fen wer­den, der natür­lich nicht das Gesamt­sze­na­rio abdecken kann, aber aus­sa­ge­kräf­tig ist. Skep­tisch macht die erstaun­lich selek­ti­ve Ver­mitt­lung wich­ti­ger Fak­ten an die Bür­ger durch die Lan­des­re­gie­rung und die füh­ren­den Medien.

Im DIVI-Inten­siv­re­gi­ster fin­den sich aller­dings die wich­tig­sten Zah­len, näm­lich die der Intensivpatienten/​Intensivbetten. Die mei­nes Erach­tens zweit­wich­tig­sten Zah­len, die der Hospitalisierten/​Normalbetten, wer­den lei­der nicht mehr ver­öf­fent­licht. War­um weni­ger Aus­kunft statt mehr?

Das DIVI-Inten­siv­re­gi­ster wird von der Deut­schen Inter­dis­zi­pli­nä­ren Ver­ei­ni­gung für Inten­siv- und Not­fall­me­di­zin (DIVI) e. V. auf der eige­nen Inter­net­sei­te Inten​siv​re​gi​ster​.de zugäng­lich gemacht. Das Inten­siv­re­gi­ster wird in Zusam­men­ar­beit mit dem Robert-Koch-Insti­tut betrie­ben. Zur DIVI lesen wird auf deren Internetseite:

„Die 1977 gegrün­de­te Deut­sche Inter­dis­zi­pli­nä­re Ver­ei­ni­gung für Inten­siv- und Not­fall­me­di­zin (DIVI) ist ein welt­weit ein­zig­ar­ti­ger Zusam­men­schluss von mehr als 3.500 per­sön­li­chen Mit­glie­dern und 19 Fach­ge­sell­schaf­ten aus Anäs­the­sio­lo­gie, Chir­ur­gie, Inne­rer Medi­zin, Kin­der- und Jugend­me­di­zin sowie Neu­ro­lo­gie und Neurochirurgie.“

Zum Robert-Koch-Insti­tut heißt es dort:

„Das Robert Koch-Insti­tut (RKI) ist ein Bun­des­in­sti­tut im Geschäfts­be­reich des Bun­des­mi­ni­ste­ri­ums für Gesund­heit und die zen­tra­le Ein­rich­tung der Bun­des­re­gie­rung auf dem Gebiet der Krank­heits­über­wa­chung und ‑prä­ven­ti­on. Die Kern­auf­ga­ben des RKI sind die Erken­nung, Ver­hü­tung und Bekämp­fung von Krank­hei­ten, ins­be­son­de­re der Infek­ti­ons­krank­hei­ten. Somit nimmt das RKI in der Coro­na-Pan­de­mie eine zen­tra­le Rol­le ein.“

In der Rubrik „Län­der­ta­bel­le“ fin­den sich die tages­ak­tu­el­len bun­des­wei­ten Anga­ben sowie jene aller Länder.

Bay­ern hat­te mit Stand Juni 2020 13.123.566 Ein­woh­ner. Auf die­se Grö­ßen­ord­nung bezie­hen sich alle wei­te­ren Zahlen.

Laut DIVI-Inten­siv­re­gi­ster befin­den sich in Bay­ern (Stand: 15.12.2020, 8:19 Uhr, die aktu­el­len Zah­len kön­nen daher von den hier genann­ten abwei­chen) 796 Per­so­nen mit Covid-19 in inten­si­ver Behand­lung, da schwer betrof­fen. Das sind 0,006 Pro­zent der Bevöl­ke­rung. 465 die­ser Pati­en­ten wer­den inva­siv beatmet, weil sie schwe­re Atem­wegs­be­schwer­den haben. Das ent­spricht 0,0035 Pro­zent der Bevölkerung.

Bay­ern mel­det aktu­ell 3.412 betreib­ba­re Inten­siv­bet­ten. Davon sind 2.946 Bet­ten belegt. Freie Inten­siv­bet­ten gibt es der­zeit 466. Das heißt: 86,3 Pro­zent der Inten­siv­bet­ten sind aktu­ell belegt. 13,7 Pro­zent sind frei. Anders aufgelistet:

  • 86,3 Pro­zent der Inten­siv­bet­ten sind belegt.
  • 23,3 Pro­zent der Inten­siv­bet­ten sind mit Pati­en­ten mit Covid-19 belegt.
  • 63,0 Pro­zent der Inten­siv­bet­ten sind mit Pati­en­ten ohne Covid-19 belegt.
  • 13,7 Pro­zent der Inten­siv­bet­ten sind frei.

Daß 23 Pro­zent der Inten­siv­bet­ten mit Pati­en­ten belegt sind, die Coro­na-posi­tiv gete­stet wur­den, wird nor­ma­ler­wei­se über die Medi­en nicht kom­mu­ni­ziert. War­um nicht? Sug­ge­riert wird viel­mehr, daß Covid-19 eine per­ma­nen­te Über­la­stung der Kran­ken­haus­ka­pa­zi­tä­ten bedeu­te. Mit den „nur mehr“ 13,7 Pro­zent frei­en Inten­siv­bet­ten wird die­se dro­hen­de Über­la­stung „bestä­tigt“.

Tat­säch­lich weist das DIVI-Inten­siv­re­gi­ster aber aus, daß Bay­ern wie alle Bun­des­län­der über eine Not­fall­re­ser­ve an zusätz­li­chen Inten­siv­bet­ten ver­fügt. Aus­ge­wie­sen wer­den dar­in zusätz­li­che 1.234 Inten­siv­bet­ten. Auch die­se Zahl wird in einer offen­bar auf Dra­ma­ti­sie­rung und Pani­k­er­zeu­gung ori­en­tier­ten Bericht­erstat­tung sel­ten kommuniziert.

Sehen wir uns die Zah­len unter Ein­rech­nung aller Inten­siv­bet­ten noch ein­mal an. In Bay­ern gibt es dem­nach 4.646 betreib­ba­re Intensivbetten:

  • 63,4 Pro­zent der Inten­siv­bet­ten sind belegt.
  • 17,1 Pro­zent der Inten­siv­bet­ten sind mit Pati­en­ten mit Covid-19 belegt.
  • 46,3 Pro­zent der Inten­siv­bet­ten sind mit Pati­en­ten ohne Covid-19 belegt.
  • 36,6 Pro­zent der Inten­siv­bet­ten sind frei.

Das Bild zeigt sich nun weit weni­ger dra­ma­tisch. Das DIVI-Inten­siv­re­gi­ster lie­fert aber noch wei­te­re Anga­ben von Inter­es­se. Vor­aus­ge­schickt muß wer­den, daß das DIVI-Inten­siv­re­gi­ster erst seit dem 4. August die Not­fall­re­ser­ve erfaßt. Ein Ver­gleich zum ersten Lock­down im Früh­jahr ist daher nicht mög­lich. Kurio­ser­wei­se fand mit Herbst­be­ginn, der auch dem Beginn der Grip­pe­sai­son ent­spricht, nicht eine Auf­stockung der Bet­ten wegen eines abseh­bar höhe­ren sai­so­na­len Bedarfs, son­dern ein Abbau statt. Der Höchst­stand im Erfas­sungs­zeit­raum wur­de am 25. August 2020 erreicht. Er soll als Refe­renz­punkt gel­ten. Am 25. August, mit­ten im Som­mer, als das Coro­na­vi­rus schwä­chel­te, lag die Gesamt­ka­pa­zi­tät bei 6.424 Inten­siv­bet­ten. Aktu­ell liegt sie bei 4.646 Bet­ten. Inmit­ten der viel­be­schwo­re­nen Coro­na-Kri­se wur­de die Zahl der wich­tig­sten medi­zi­ni­schen Res­sour­ce für die Behand­lung von gefähr­de­ten Betrof­fe­nen um 1.778 Bet­ten redu­ziert. Das ist ein Abbau um mas­si­ve 27,7 Prozent.

Sehen wir uns noch ein­mal die Zah­len unter Ein­rech­nung aller Inten­siv­bet­ten an, auch jener, die noch am 25. August bereit­stan­den. In Bay­ern gibt es dem­nach Kapa­zi­tä­ten für 6.424 betreib­ba­re Intensivbetten:

  • 45,9 Pro­zent der Inten­siv­bet­ten sind belegt.
  • 12,3 Pro­zent der Inten­siv­bet­ten sind mit Pati­en­ten mit Covid-19 belegt.
  • 33,6 Pro­zent der Inten­siv­bet­ten sind mit Pati­en­ten ohne Covid-19 belegt.
  • 54,1 Pro­zent der Inten­siv­bet­ten sind frei.
Die Not­fall-Inten­siv­bet­ten wur­den ab 4. August erfaßt. Deut­lich erkenn­bar der Bet­ten­ab­bau im Herbst. Er fand in allen Bun­des­län­dern statt, auch aus dem benach­bar­ten Öster­reich wird er berichtet.

Aus die­sem Über­blick erge­ben sich meh­re­re Fra­gen: Wie real ist das behaup­te­te Über­la­stung­sze­na­rio, wenn nicht ein­mal die Hälf­te der poten­ti­el­len Gesamt­bet­ten­ka­pa­zi­tät belegt ist? War­um erfolg­te inmit­ten einer amt­lich aus­ge­ru­fe­nen Gesund­heits­kri­se, die auch von der­baye­ri­schen Lan­des­re­gie­rung behaup­tet wird, ein mas­si­ver Abbau von Inten­siv­bet­ten? Darf sich die zustän­di­ge Regie­rung ange­sichts sol­cher Vor­gän­ge wun­dern, wenn der Ein­druck ent­steht, der Bet­ten­ab­bau könn­te absicht­lich erfolgt sein, um ein grö­ße­res Kri­sen­ze­na­rio behaup­ten zu kön­nen? Haben wir es über­haupt mit einer Pan­de­mie zu tun, wenn die­se eine Inten­siv­bet­ten­be­le­gung von 12,3 Pro­zent zur Fol­ge hat? Und eine tat­säch­li­che Gefähr­dung von 0,006 Pro­zent der Bevölkerung?

Die Poli­tik legt in der von ihr aus­ge­ru­fe­nen Coro­na-Kri­se ihre Kar­ten offen­bar nicht ehr­lich auf den Tisch, auch die baye­ri­sche Lan­des­re­gie­rung nicht. Es wird mit den Zah­len jon­gliert. War­um? War­um die feh­len­de Trans­pa­renz? War­um die Ein­sei­tig­keit, die jede ande­re Mei­nung denun­ziert, neu­er­dings sogar kri­mi­na­li­siert? War­um die Ten­denz zum Impfzwang?

Noch ein­mal: Die ein­zig rele­van­te Zahl der Coro­na-Kri­se ist die der Inten­siv­pa­ti­en­ten, und die beträgt am Höhe­punkt die­ser soge­nann­ten „zwei­ten Wel­le“ 0,006 Pro­zent der Bevöl­ke­rung. 99,994 Pro­zent der Bevöl­ke­rung sind nicht akut bedroht. Nach zehn Pan­de­mie-Mona­ten steht das fest. Die aller­mei­sten die­ser 99,99 Pro­zent sind auch ganz ohne Imp­fung nicht bedroht, eini­ge mit leich­ten, weni­ge mit stär­ke­ren Sym­pto­men, die sich nicht von denen eines grip­pa­len Infekts unter­schei­den. In der Tat gehen in jedem Win­ter etwa ein Drit­tel der Grip­pe­fäl­le auf Coro­na­vi­ren zurück. Auch dies­be­züg­lich also „nichts Neu­es unter der Sonne“.

In Bay­ern sind 2019 durch­schnitt­lich täg­lich 368 Men­schen ver­stor­ben. Das ent­spricht jeden Tag fast 0,003 Pro­zent der Gesamt­be­völ­ke­rung oder der Hälf­te der aktu­el­len Covid-19-Intensivfälle.

Um einen wirk­li­chen Ver­gleich zie­hen zu kön­nen, müß­ten die Zah­len der Grip­pe­pa­ti­en­ten der Vor­jah­re bekannt sein. Wie vie­le Grip­pe­pa­ti­en­ten muß­ten in den ver­gan­ge­nen Jah­ren am Höhe­punkt der Grip­pe­wel­le in Inten­siv­sta­tio­nen behan­delt wer­den? Da die Grip­pe seit dem Auf­tre­ten von SARS-CoV‑2 ver­schwun­den scheint, steht der begrün­de­te Ver­dacht im Raum, daß Coro­na-Fäl­le in Wirk­lich­keit Grip­pe-Fäl­le sind, jeden­falls als sol­che erfaßt wer­den und mit die­sen zu ver­glei­chen wären: Grip­pe-Fäl­le mit gehäuf­ter aty­pi­scher Lun­gen­ent­zün­dung als Symptom. 

Kann die baye­ri­sche Lan­des­re­gie­rung ihre Coro­na-Poli­tik wirk­lich recht­fer­ti­gen mit einer Inten­siv-Fall­zahl von 0,006 Pro­zent? Oder hat sich die Poli­tik selbst in eine Sack­gas­se manö­vriert, aus der sie nicht mehr herauskommt?

Wäre es nicht an der Zeit, die Coro­na-Poli­tik Bay­erns (aber nicht nur) auf den Prüf­stand zu stel­len? Auf der Grund­la­ge wel­cher Fak­ten, die wann von wem vor­ge­bracht wur­den, hat die Regie­rung wann, wel­che Ent­schei­dun­gen getrof­fen? Was von die­sen Ent­schei­dun­gen hält zehn Mona­te spä­ter einer kri­ti­schen Über­prü­fung stand?

Die Bischö­fe soll­ten sich nicht auf das dün­ne Eis bege­ben, auf das Bun­des­re­gie­rung und Lan­des­re­gie­rung das Land geführt haben. Sie soll­ten sich bedin­gungs­los auf die Sei­te der Gläu­bi­gen stel­len, nicht auf die der poli­ti­schen Macht. Die Regie­rung mag zusper­ren, aber die Kir­che soll­te auf­sper­ren. Wir haben noch bei kei­ner Grip­pe­wel­le, und sei sie noch so inten­siv gewe­sen, zugesperrt.

*Arzt in Ruhe, tra­di­ti­ons­ver­bun­de­ner Katholik

Bild: DIVI-Inten­siv­re­gi­ster (Screen­shots)

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