von Stephanus Flavius
Vor einiger Zeit wurden die Leser dieser Seite in dem Beitrag: „Zuviel negative Nachrichten? – Ehrliche Chronisten eines schwierigen Momentes der Kirche“ aufgefordert, der Redaktion Berichte und Beiträge zukommen zu lassen – und zwar vor allem dann, wenn es sich um positive Ereignisse handelt. Dieser Aufforderung möchte ich gerne nachkommen.
Obwohl der Verfassungsgerichtshof den zweiten Wahlgang der österreichischen Bundespräsidentenwahl aufgehoben hat, und obwohl die Wiederholung dieses Wahlganges, kaum anberaumt, schon wieder verschoben werden mußte, ist das österreichische Volk durchaus demokratiefähig. Das beweist ein anderer Urnengang, wenn er auch nur von regionaler Bedeutung war. Es wird den geneigten Leser freuen, zu hören, daß es die katholische Kirche, namentlich die seit 21 Jahren von Christoph Kardinal Schönborn regierte Erzdiözese Wien war, die dem österreichischen Stimmvolk das demokratische Selbstvertrauen zurückgegeben hat.
Der Masterplan
Um sich den Herausforderungen in Kirche und Gesellschaft zu stellen, hat Kardinal Schönborn einen Entwicklungsprozeß angestoßen, Apostelgeschichte 2010 genannt, der schon im Jahr 2011 in einen Masterplan umgesetzt werden konnte. Damals wurden kritische Stimmen laut, und die Rede von einem Mickey-Mouse-Plan machte die Runde. Es ginge nur darum, die Öffentlichkeit davon abzulenken, daß aus Mangel an Priestern, Geld und – nicht zuletzt – an Gläubigen drei von vier Pfarren geschlossen werden müßten.
Dieses Urteil scheint ebenso hart wie verfehlt, sind doch Entscheidungsprozesse in der Erzdiözese Wien generell sehr transparent: „Für den diözesanen Entwicklungsprozess hat der Wiener Erzbischof eine ‚Steuerungsgruppe‘ eingerichtet, die aus den Mitgliedern des Bischofsrates und dem Team der Stabsstelle ‚Apostelgeschichte 2010‘ besteht. Diese ‚Steuerungsgruppe‘ strukturiert, koordiniert und begleitet den ganzen Prozess. Die konkrete Planung und Gestaltung obliegt einer Arbeitsgruppe, die von Generalvikar Nikolaus Krasa geleitet wird. Dieser Arbeitsgruppe gehören außerdem Weihbischof Stephan Turnovszky, Bischofsvikar Prälat Matthias Roch, Pastoralamtsleiterin Veronika Prüller-Jagenteufel, Michael Scharf, Andrea Geiger, Otto Neubauer und Otmar Spanner an. Entscheidungen für die Erzdiözese fallen durch die jeweils im Kirchenrecht vorgesehenen Organe“ (Aussendung des Erzbistums Wien).
Als Papst Franziskus in einer berühmt gewordenen Weihnachtsansprache vor „zu viel Planung“ warnte, hatte er wohl nur die Römische Kurie im Blick.
Die „Pfarre Neu“
Konkret bedeutet das für die Bewohner des 4. und für einen Teil der Bewohner des 5. Wiener Gemeindebezirkes, daß die Pfarren St. Karl, Paulaner, St. Elisabeth, St. Thekla und St. Florian ab 1. Jänner 2017 eine gemeinsame Pfarre bilden. Die Gläubigen wurden Mitte Juni 2016 aufgefordert, über den Namen der neuen Pfarre abzustimmen. Die Pfarrgemeinderäte der betroffenen Pfarren hatten schon in geheimer Klausur fünf Vorschläge erarbeitet:
- Pfarre zur frohen Botschaft
- Pfarre zur göttlichen Liebe
- Pfarre zum Hl. Geist
- Pfarre zur Sel. Sr. Restituta
- Pfarre zum Wasser des Lebens
Nachdem die frommen Besucher der Sonntagsmesse in einer der genannten Pfarren über die Vorschläge informiert wurden, entspann sich vor der Kirche eine lebhafte Diskussion:
Ein promovierter Politologe meinte, mit dem Vorschlag „Pfarre zum Höchsten Wesen“, Kard. Schönborn eine besondere Freude zu machen. Der Sprecher wurde umgehend scharf ermahnt: Wenn es in der Familie Schönborn auch eine gewisse freimaurerische Tradition gäbe, ließe das keine Schlüsse auf einzelne Familienmitglieder zu. Ein junger Student der technischen Wissenschaften fand Gefallen an der Idee, Pfarren nach biblischen Motiven zu benennen. Sein kämpferischer Vorschlag: „Pfarre zur Schleuder Davids“ wurde mit Blick auf den Nahostkonflikt verworfen. Da die Kirchensteuereinnahmen zusehends schwinden, versuchen viele Pfarren, die Kirche als Konzertsaal zu nutzen. Daher der Vorschlag eines Architekten: „Pfarre zu den Posaunen von Jericho“. Er hatte damit – wohl unbewußt – eine Schattenseite des Masterplanes von Kard. Schönborn angesprochen: daß viele Kirchen und Kapellen anderweitig genutzt, oder sogar abgerissen werden. Ein anwesender Theologe warnte daher vor solch destruktiver Rede. Eine „Pfarre zu den Gurken und Melonen Ägypten“ brächte da die rechte Motivation. Ein Augenblick peinlichen Schweigens nötigte ihn zu einer Erklärung: Im Buch Numeri, im 11. Kapitel, Vers 4, murrten die Israeliten wegen einer Lebensmittelknappheit gegen den Herrn, der sie aus Ägypten geführt hatte: „Wir denken an die Fische, die wir in Ägypten umsonst zu essen bekamen, an die Gurken und Melonen, an den Lauch, an die Zwiebeln und an den Knoblauch.“ Schließlich hätte Papst Franziskus wiederholt vor Selbstgenügsamkeit und mangelnder Offenheit für das Wirken des Hl. Geistes gewarnt.
Nachdem sich die Gemeinde als nicht ausreichend bibelfest erwiesen hat, kamen eher theologische Gemeinplätze zur Sprache: „Pfarre zu den Zeichen der Zeit“ wurde verworfen, weil nicht sicher scheint, daß auch zukünftige Zeiten, vorrangig das Erkennen der Zeichen der Zeit erfordern werden.
Weiter gefaßt, aber zu akademisch klingt: „Pfarre zu pastoralen Futurologie“ Der Vorschlag „Pfarre zur Lebenswendepastoral“ wurde in Anbetracht des pfarrlichen Alltags in „Pfarre zur Begräbnispastoral“ umgearbeitet – um dann doch verworfen zu werden. Der letzte Vorschlag brachte wieder ein Biblisches Motiv ins Spiel: „Pfarre zu den apokalyptischen Reitern“.
Funktionsfähige Demokratie
Vor einigen Tagen habe ich dann an einer der betroffenen Kirchen einen Anschlag gelesen: „Pfarre zur frohen Botschaft“ hat mit 31,06% oder beeindruckenden 259 Stimmen eine relative Mehrheit gefunden. (Allein der 4. Wiener Gemeindebezirk „Wieden“ zählte zu Beginn des Jahres 2015 31.597 Einwohner, von denen 48,1% katholisch waren. Stimmberechtigt waren überdies noch die Einwohner der Pfarre St. Florian im 5. Wiener Gemeindebezirk.) Allerdings – so entnehme ich demselben Aushang – ist dieses Ergebnis nur „ein Votum an unseren Bischof“, denn: „die Letztentscheidung für die Namensgebung liegt beim Bischof“.
Und damit kehre ich zum Beginn meiner Überlegungen zurück: Die Republik Österreich könnte sich die kostspielige und zudem noch peinliche Wiederholung des zweiten Wahlganges der Bundespräsidentenwahl sparen, hätte man nur bei Zeiten Maß an den Demokratievorstellungen der Erzdiözese Wien genommen:
- Die Kandidatenliste wird von verschiedenen Gremien in geheimer Klausur erstellt.
- Die Abstimmung findet zur Urlaubszeit statt.
- Das Ergebnis ist nicht bindend.
In seiner berühmten Weihnachtsansprache vor der Römischen Kurie warnte Papst Franziskus davor, „spirituell und geistig abzustumpfen“, zudem auch noch davor, „sich unsterblich immun und unersetzbar zu fühlen“. Aber dergleichen gibt es ja zum Glück nur an der Römischen Kurie.
P.S. Es gäbe da noch einen Vorschlag. Nach 21 Jahren an der Spitze der Erzdiözese Wien könnte sich Kardinal Schönborn einen neuen Wahlspruch zulegen: „Der Letzte macht das Licht aus“.
Text: Stephanus Flavius
Bild: erdiözese-wien.at (Screenshots)
Die erste „Pfarre neu“ besteht ja bereits im 10. Wr. Bezirk. Sie heißt „zum Göttlichen Wort“ und wurde dazu passend statt mit einer hl. Messe von sr. Em. mit einem Wortgottesdienst errichtet. Dort geht in Wien die Reise hin: Wortgottesdienstleiter(innen) statt Priestern und die „Versammlung um das Wort Gottes“ wenn für die Gläubigen keine hl. Messe erreichbar ist.
Hl. P. Klemens Maria Hofbauer, bitte für uns!
Und hierr sind die Punkte, die in der Erzdiözese Wien als Kriterien für die Pfarre Neu festgeschrieben wurden (Quelle: https://www.erzdioezese-wien.at/dl/sOopJKJllkMOJqx4KJK/Leitlinien_strukturentwicklung_2012.pdf):
- Mehrere Priester (sinnvollerweise mindestens drei bis fünf) sind
aktiv eingesetzt. Einer davon ist als Pfarrer dem Erzbischof
letztverantwortlich.
– Die Leitung der Pfarre wird prinzipiell gemeinschaftlich
wahrgenommen und zwar von Priestern und Laien. Es gilt
partizipative Führung mit klarer Aufgabenzuteilung.
– Die Filialgemeinden werden in Gemeinschaft von Getauften und
Gefirmten ehrenamtlich geleitet.
– Im Mittelpunkt steht die gegenseitige Ermutigung zur Jüngerschaft,
d.h. zum Leben in der Nachfolge Christi.
– Die Pfarre wird so groß sein, dass der Einsatz von Priestern wie
Laien charismenorientiert erfolgen und die gesamte Pastoral
stärker missionarisch ausgerichtet werden kann.
– Die Menschen im direkten Dienst der Seelsorge werden von
Verwaltungsaufgaben entlastet.
– Möglichst viele Menschen sollen am Sonntag den Pfarrgottesdienst
besuchen, es wird aber auch so sein, dass sich in Filialgemeinden
Gebetsgemeinschaften um das Wort Gottes versammeln.
Vielen Dank für die sehr amüsant zu lesende Sartire. So kann man selbst über Düsteres lautstark lachen!
„Pfarre zu den Gurken und Melonen Ägyptens“ finde ich sehr gut. Das würde auf multikulturell begeisterte Vegetarier (und sogar Veganer) sehr einladend wirken und wäre somit ein klares Signal dafür, dass die Kirche das heutige Lebensgefühl in sich aufgenommen hat.