Papst Franziskus wird 2017 weder Brasilien noch Kolumbien besuchen: „Voraussetzungen nicht gegeben“


Präsidium der Brasilianischen Bischofskonferenz von Papst Franziskus empfangen
Präsidium der Brasilianischen Bischofskonferenz von Papst Franziskus empfangen

(Rom) Für 2017 waren zwei Rei­sen des Pap­stes in Aus­sicht gestellt wor­den, die mit dem Geden­ken an zwei Mari­en­er­schei­nun­gen zusam­men­hän­gen: 100 Jah­re Fati­ma und 300 Jah­re Apa­re­ci­da. Fati­ma bleibt im Pro­gramm, doch die ange­kün­dig­ten Papst­be­su­che in Bra­si­li­en und Kolum­bi­en gel­ten als abge­sagt – aus poli­ti­schen Gründen. 

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Die Zusa­ge, anläß­lich des 100. Jah­res­ta­ges der Mari­en­er­schei­nun­gen von 1917, Fati­ma zu besu­chen, gilt nach wie vor. Der Besuch im bekann­te­sten süd­ame­ri­ka­ni­schen Mari­en­wall­fahrts­ort Apa­re­ci­da wur­de hin­ge­gen abgesagt.

Papst Fran­zis­kus selbst hat­te bei sei­ner ersten Aus­lands­rei­se im Juli 2013 einen Besuch des bra­si­lia­ni­schen Mari­en­wall­fahrts­or­tes für 2017 ange­kün­digt. Als Fran­zis­kus am Welt­ju­gend­tag in Rio de Janei­ro teil­nahm, stat­te­te er am 24. Juli auch der Basi­li­ka Unse­rer Lie­ben Frau von Apa­re­ci­da einen Besuch ab. 2017 jährt sich zum 300. Mal die Mari­en­er­schei­nung an dem bekann­ten Ort im Bun­des­staat Sao Paulo.

2013 been­de­te Fran­zis­kus sei­ne impro­vi­sier­te Anspra­che in der Basi­li­ka mit den Wor­ten: „Und auf Wie­der­se­hen 2017, wenn ich wiederkomme …“.

Segnung in Vatikanischen Gärten mit politischer Note

Am ver­gan­ge­nen 3. Sep­tem­ber seg­ne­te Papst Fran­zis­kus in den Vati­ka­ni­schen Gär­ten eine Dar­stel­lung Nos­sa Senho­ra Apa­re­ci­da. Bereits damals kamen Gerüch­te auf, daß Fran­zis­kus 2017 nicht nach Bra­si­li­en rei­sen wer­de und die Seg­nung ein „Ersatz“ dafür sei.

Die Seg­nung wur­de zu einer unge­wöhn­li­chen Ver­men­gung reli­giö­ser und poli­ti­scher Ele­men­te. Andert­halb Tage zuvor war Bra­si­li­ens lin­ke Staats­prä­si­den­tin Dil­ma Rouss­eff ihres Amtes ent­ho­ben wor­den. Rouss­eff selbst sprach von einem „Putsch“.

Marienwallfahrtsort Aparecida
Mari­en­wall­fahrts­ort Aparecida

Am Tag vor der Seg­nung in den Vati­ka­ni­schen Gär­ten waren Brie­fe an den Papst bekannt gewor­den. Rouss­eff-Vor­gän­ger und Par­tei-Kol­le­ge Luiz Iná­cio Lula da Sil­va, Bra­si­li­ens Staats­prä­si­dent von 2003–2011, und Vene­zue­las „boli­va­ri­scher“ Staats­prä­si­dent Nico­las Madu­ro hat­ten Papst Fran­zis­kus über den Ver­such „kon­ser­va­ti­ver Kräf­te“ unter­rich­tet, die „am Ran­de der Lega­li­tät“ den „Fort­schritt“ in Bra­si­li­en „ver­hin­dern“ woll­ten, und den Papst um Inter­ven­ti­on gebeten.

Papst Fran­zis­kus ergriff im bra­si­lia­ni­schen Ver­fas­sungs­streit tat­säch­lich Par­tei und gab zu ver­ste­hen, daß die Abset­zung von Dil­ma Rouss­eff für ihn ein „trau­ri­ger Moment“ sei, und bat die Got­tes­mut­ter von Apa­re­ci­da, das „bra­si­lia­ni­sche Volk“ zu beschüt­zen und „ihrem Volk die sozia­le Gerech­tig­keit (…) zu retten“.

Papst Fran­zis­kus sprach sich damit für eine bestimm­te poli­ti­sche Opti­on aus, wie die Papst-Ver­trau­te Eli­sa­bet­ta Piqué in der argen­ti­ni­schen Tages­zei­tung La Naci­on offen zu ver­ste­hen gab. „Die Got­tes­mut­ter möge die Links­re­gie­rung an der Macht erhal­ten und die ‚kon­ser­va­ti­ven‘ Kräf­te davon fern­hal­ten“, über­setz­te Fran­cis­co Fer­nan­dez de la Cigo­ña die päpst­li­che Botschaft.

Papst reist 2017 nach Argentinien, Chile, Uruguay, aber nicht nach Brasilien und Kolumbien

Nun wur­de die Absa­ge des Apa­re­ci­da-Besu­ches offi­zi­ell bestä­tigt. Das Prä­si­di­um der Bra­si­lia­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz gab Ende ver­gan­ge­ner Woche bekannt, am 20. Okto­ber von Papst Fran­zis­kus emp­fan­gen wor­den zu sein. Das Prä­si­di­um besteht aus dem Vor­sit­zen­den Erz­bi­schof Ser­gio La Rocha von Bra­si­lia, dem Vize-Vor­sit­zen­den Erz­bi­schof Muri­lo Krie­ger von San Sal­va­dor de Bahia (Pri­mas von Bra­si­li­en) und Gene­ral­se­kre­tär Leo­nar­do Ulrich Stei­ner, Weih­bi­schof von Bra­si­lia. La Rocha wird am 19. Novem­ber von Papst Fran­zis­kus zum Kar­di­nal erhoben.

In der Pres­se­ver­öf­fent­li­chung der Bischofs­kon­fe­renz heißt es:

„Er [Fran­zis­kus] sag­te, daß er im kom­men­den Jahr nicht nach Apa­re­ci­da kom­men kann, weil er auch nach Argen­ti­ni­en, Chi­le und Uru­gu­ay rei­sen wird, und die Vor­aus­set­zun­gen nicht gege­ben sind, für die­ses Jahr die Besu­che der Bischö­fe zu unter­bre­chen und im kom­men­den Jahr ist mit den Besu­chen jenes Jah­res und des fol­gen­den fortzusetzen.“

Damit wur­de ein Papst-Besuch in sei­ner Hei­mat Argen­ti­ni­en bestätigt.

Indi­rekt gaben Bra­si­li­ens Bischö­fe zudem bekannt, daß Papst Fran­zis­kus, ent­ge­gen anders­lau­ten­den Ankün­di­gun­gen, 2017 nicht nach Kolum­bi­en rei­sen dürf­te. Kolum­bi­en wur­de von Fran­zis­kus gegen­über den bra­si­lia­ni­schen Bischö­fen nicht als Rei­se­ziel genannt.  Rund um die kolum­bia­ni­sche Volks­ab­stim­mung über das Frie­dens­ab­kom­men der Regie­rung mit der kom­mu­ni­sti­schen Gue­ril­la­be­we­gung FARC war ein Papst­be­such ange­kün­digt wor­den. Fran­zis­kus selbst erklär­te aller­dings am 2. Okto­ber, daß sein Besuch vom Aus­gang der Volks­ab­stim­mung abhän­ge. Der Papst hat­te sich für das Abkom­men, die Bischö­fe Kolum­bi­ens dage­gen ausgesprochen.

Das Volk lehn­te das Frie­dens­ab­kom­men mit knap­per Mehr­heit ab. Damit sind die „Vor­aus­set­zun­gen“, die Fran­zis­kus genannt hat­te, nicht gege­ben. Die feh­len­den „Vor­aus­set­zun­gen“ für einen Besuch in Bra­si­li­en wer­den von Beob­ach­tern damit in Ver­bin­dung gebracht, daß sich Papst Fran­zis­kus gegen die Abset­zung von Dil­ma Rouss­eff weit aus dem Fen­ster gelehnt und in inner­b­ra­si­lia­ni­sche Ange­le­gen­hei­ten ein­ge­mischt hatte.

In bei­den Fäl­len, in Kolum­bi­en wie in Bra­si­li­en, steht die Absa­ge des Papst­be­su­ches in direk­tem Zusam­men­hang mit poli­ti­schen und nicht mit reli­giö­sen Fragen.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: CNBB/​Wikicommons/​MiL

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4 Kommentare

  1. War­um die Vor­aus­set­zun­gen für einen Pasto­ral­be­such in Bra­si­li­en und Kolum­bi­en nicht gege­ben sind und von der poli­ti­schen Wet­ter­la­ge abhän­gig sind,kann sich den Gläu­bi­gen nicht erschlie­ßen. Das Ergeb­nis der Abstim­mung über den Frie­dens­ver­trag muss aus der Situa­ti­on im Lan­de ver­stan­den werden:
    1. Es gibt drei unter­schied­li­che ter­ro­ri­sti­sche Grup­pie­run­gen, aber nur mit einer wird Frie­den geschlos­sen. Der Kampf geht also weiter.
    2. Die Dro­gen­pro­duk­ti­on und der – Han­del wer­den von den Rebel­len kon­trol­liert und man lebt gut davon. Wer glaubt, dass die­se Pfrün­de im Sin­ne des Gut­men­schen­tums jetzt aus­ge­trock­net wer­den? Es gibt kein Anhalt und kei­ne Hoff­nung, dass die Kri­mi­na­li­tät mit dem Frie­dens­ver­trag been­det ist.
    3. Die Rebel­len bekom­men für den „Aus­stieg“ Geld und wer­den ali­men­tiert, aber die Wit­wen und Halb­wai­sen der Ermor­de­ten erhal­ten kei­ne Unter­stüt­zung. Die Fra­ge nach der Gerech­tig­keit bleibt unge­löst. In die­ser Gemenge­la­ge kommt die absa­ge von Franziskus.

  2. Man ver­steht es, wenn man sieht, dass Papst Fran­zis­kus immer mehr die Rol­le eines glo­ba­len poli­ti­schen Füh­rers ein­nimmt, ein unge­wohn­ter Gedan­ke. Ein Freund, ein klei­ner Katho­lik ohne Ein­fluss in der Kir­che (und mit ganz ande­ren Ansich­ten als ich), aber berufs­be­dingt mit vie­len Bekannt­schaf­ten und Ver­bin­dun­gen im Kle­rus, sag­te mir kürz­lich, ein Bekann­ter im Vati­kan habe ihm anver­traut, der Vati­kan habe sich (sinn­ge­mäß) in eine welt­wei­te diplo­ma­ti­sche Dreh­schei­be und poli­ti­sche Zen­tra­le gewan­delt. Neu ist das m.M. nicht, wenn man auf die Kir­chen­ge­schich­te blickt, aber unter Papst Fran­zis­kus erfährt das poli­ti­sche Moment des Papst­tums, des Vati­kans und der gan­zen römi­schen Kir­che enor­men Auftrieb.

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