(Rom) Der von Benedikt XVI. selbstgewählte und von Papst Franziskus akzeptierte Status eines „emeritierten Papstes“ ist in „doppeltes Freundfeuer“ geraten, so der Vatikanist Sandro Magister. Benedikt XVI. wählte bei seinem unerwarteten Amtsverzicht einen bisher in der Kirchengeschichte nie dagewesenen Weg, den Kritiker als „unhaltbare und zweifelhafte Halbherzigkeit“ bezeichnen. Er verzichtete auf das Petrusamt, für das er auf Lebenszeit erwählt worden war, behielt aber Kleidung, Namen und Anrede bei. Eine Vorgangsweise, die gerade unter jenen Personen, die ihm besonders nahestehen, zunehmend auf Kritik stößt. Nach Kardinal Walter Brandmüller bezeichnete nun auch Kurienbischof Giuseppe Sciacca, der Sekretär der Apostolischen Signatur und langjähriger persönlicher Freund Benedikts XVI., die Figur eines „emeritierten Papstes“ als in jeder Hinsicht „unhaltbar“.
Es gab in der zweitausendjährigen Kirchengeschichte mehrere Päpste die zurückgetreten sind. Nur einer, Coelestin V. (1294), tat es vor Benedikt XVI. freiwillig. Keiner der zurückgetretenen Päpste behielt jedoch in irgendeiner Form den Status eines Papstes bei. In der Regel wurden sie wieder Kardinäle, wie zum Zeitpunkt vor ihrer Wahl, oder wurden, falls sie diesen Rang zuvor noch nicht hatten, zu Kardinälen ernannt. Sie wurden nach ihrem Tod auch nicht als Päpste begraben, sondern als Kardinäle.
Dem deutschen Papst weniger freundlich gesinnte Kirchenvertreter applaudierten 2013 lautstark dem Amtsverzicht. In Rom waren aber schon damals Stimmen zu hören, die hinter vorgehaltener Hand lästerten, daß Benedikt XVI. zwar nicht mehr Papst sein, aber als Papst begraben werden wolle .
Gänsweins „Fabulieren“ über „zwei Päpste“ ließ Diskussion mit neuer Wucht aufbrechen
Die Frage loderte unter der Asche weiter. Als am 20. Mai Benedikts langjähriger Sekretär, Kurienerzbischof Georg Gänswein, in einer Rede an der Gregoriana von einem „erweiterten Papsttum“ mit „zwei Päpsten“ sprach, einem „amtierenden und einem kontemplativen“ Papst, brach die Diskussion über den Status von Benedikt XVI. mit neuer Wucht auf.
Von einem „Fabulieren“ sprachen Kritiker, die als Benedikt-Freunde bekannt sind, und meinten damit die Gänswein-Aussagen. Man versuche eine „unangenehme“ und „ungewohnte“ Situation eines ehemaligen Papstes irgendwie „schönzureden“. Gänswein habe sich dabei vergaloppiert. Die neue Diskussion offenbart, wie sehr die Wunde des Amtsverzichts von Benedikt XVI. auch nach dreieinhalb Jahre noch immer schmerzt. Vor allem aber werden die Vorbehalte gegen den Status eines „emeritierten Papstes“ immer deutlicher formuliert.
Den ersten Schritt setzte der Kirchenhistoriker Kardinal Walter Brandmüller, ein ausgewiesener Freund und enger Weggefährte Benedikts XVI., den dieser in den Kardinalsrang erhoben hatte (siehe dazu Kardinal Brandmüller: Figur eines „emeritierten“ Papstes birgt „große Gefahren“ für Einheit der Kirche).
Nun folgte ein anderen Vertrauter des deutschen Papstes, der italienische Kurienbischof und anerkannte Kirchenrechtler Giuseppe Sciacca. Der Jurist Sciacca ist seit 16. Juli Sekretär der Apostolischen Signatur, und damit deren stellvertretender Leiter. Er ist zudem Consultor der Glaubenskongregation.
Amtsverzicht: „Schwindende Kräfte“ oder „nichts Persönliches“?
Am 8. September wird Peter Seewalds Gesprächsbuch mit Benedikt XVI. in den Buchhandel kommen. Ab heute ist die monumentale Biographie von Elio Guerriero über den deutschen Papst erhältlich (siehe „Diener Gottes und der Menschheit“ – die neue Biographie über Benedikt XVI.). Das darin abgedruckte Interview, das La Repubblica und der Osservatore Romano vor wenigen Tagen bereits im Vorabdruck veröffentlichten, konzentriert sich weitgehend auf den Amtsverzicht. Benedikt XVI. wird Raum gegeben, noch einmal seinen Schritt zu erklären.
Erneut nannte dieser ausschließlich das Schwinden seiner Kräfte als einzigen Grund. Damit widersprach er seinem Nachfolger Franziskus, der in einem am 3. Juli von der argentinischen Tageszeitung La Nacion veröffentlichten Interview betont hatte: „Sein Rücktritt hatte mit nichts Persönlichem zu tun. Es war eine Regierungshandlung, seine letzte Regierungshandlung“ (siehe Spektatuläres Interview von Papst Franziskus: War Benedikt XVI. „das Problem“ der Kirche?).
Beide Päpste, so Magister, sind sich aber darin einig, die in der Kirchengeschichte beispiellose neue Figur eines „emeritierten Papstes“ einführen zu wollen, für die es „weder historisch noch theologisch noch juristisch“ Vorbilder gibt.
„Emeritierter Papst“ eine „Kontinuität des Petrusamtes ohne Unterbrechung“?
Im Vorwort für Guerrieros Benedikt-Biographie schreibt Papst Franziskus:
„Für die Kirche ist die Präsenz eines emeritierten Papstes neben dem amtierenden eine Neuheit. […] Sie bringt auf besonders evidente Weise die Kontinuität des Petrusamts zum Ausdruck, ohne Unterbrechung, wie die Glieder derselben Kette die durch die Liebe zusammengeschweißt sind.“
Wie bereits erwähnt, ging Kurienerzbischof Gänswein noch viel weiter im „Fabulieren“ einer Kirche mit „zwei Päpsten“. „Man weiß aber nicht, bis zu welchem Punkt Ratzinger die öffentlich vertretenen, gewagten Thesen seines Sekretärs teilt“, so Magister. „Immer deutlicher wird hingegen, daß einige der kompetentesten und bedeutendsten Persönlichkeiten aus dem Kreis jener, die dem ehemaligen Papst am nächsten stehen, diese Thesen strikt ablehnen.“
Kardinal Brandmüller sprach sich im Juli „mit harten Worten“ nicht nur gegen die Figur eines „emeritierten Papstes“ aus, sondern auch gegen die seit 2013 offiziell in der Kirche behauptete These, daß der Rücktritt Benedikts eine „große“ und „positive“ Bedeutung habe. Brandmüllers Position hat weltweit in der der katholischen Kirche zahlreiche Anhänger, von denen der Rücktritt im Zusammenhang mit der darauf folgenden Wahl von Papst Franziskus als „Katastrophe“ gesehen wird.
„Es kann weder ein gemeinsames noch ein geteiltes Papsttum geben“
Nun meldete sich in einem Interview mit dem Hofavatikanisten Andrea Tornielli auch Kurienbischof Giuseppe Sciacca zu Wort. Der renommierte Kirchenrechtler zerlegte regelrecht, in dem am 25. August von Vatican Insider veröffentlichten Gespräch, die Figur eines „emeritierten Papstes“ und erbrachte den Nachweis, daß der Status eines „papa emeritus“ für einen Papst, der abgedankt hat, „sowohl juristisch als auch theologisch unhaltbar“ ist. Schiacca wörtlich: „Es kann weder ein gemeinsames noch ein geteiltes Papsttum geben“. Die Figur eines „emertierten Papstes“ seine eine Abirrung.

Schiacca und Joseph Ratzinger sind seit vielen Jahren persönlich befreundet. Eine freundschaftliche Beziehung, die auch nach der Abdankung aufrecht blieb. Das gemeinsame Kirchenverständnis drängte nun Sciacca die von Gänswein vertretene These zu zerpflücken, Benedikt XVI. habe nur auf einen Teil seines Papsttums verzichtet, nämlich den „aktiven“ Teil, während der weiterhin den „passiven“, „kontemplativen“ Teil des Papsttums ausübe. Es gebe nur einen Papst, so Sciacca, weshalb auch sonst niemand außer dem rechtmäßig gewählten Papst, die Betonung liege auf niemand, irgendeinen Anteil am Papsttum habe. Es gebe nur ein Entweder-Oder, das habe Benedikt XVI. auch gewußt, als er seinen Schritt setzte. Auch die von anderer Seite vorgeschlagene Alternative, statt von einem „emeritierten Papst“ von einem „emeritierten Bischof von Rom“ zu sprechen, wird von Sciacca verworfen. Eine solche Formulierung wäre „ebenso problematisch“. Das liege am Begriff „emeritiert“, das in der einen wie in der anderen Version den Eindruck eines „duplizierten Amtes“ vermittle.
Weder Kardinal Brandmüller noch Kurienbischof Sciacca gehen so weit, über die „halbherzige“ Entscheidung zu spekulieren, warum Benedikt auf so ungewöhnlich eigentümliche Weise – doch und doch nicht – auf das Petrusamt verzichtete.
Der Jurist Sciacca „läßt jedenfalls vom ‚emeritierten Papst‘ nichts übrig“, so Magister. Auch Sciaccas Kritik beschränkt sich, wie zuvor schon jene von Kardinal Brandmüller, nicht auf die Figur eines „emeritierten Papstes“. Auch Sciacca äußert Bedenken zum Amtsverzicht selbst. Es hoffe nicht, daß Amtsverzichte von Päpsten „zur Gewohnheit“ werden. Wenn es schon eine solche Situation gebe, würde er die Formulierung „gewesener Papst“ bevorzugen oder noch besser, die Wiedereingliederung des zurückgetretenen Papstes in das Kardinalskollegium.
„Es wird interessant sein, in den künftigen mündlichen und schriftlichen Wortmeldungen des ehemaligen Papstes Ratzinger nach Indizien zu suchen, wie er diese doppelte Freundfeuer beurteilt, das gegen ihn von den unverdächtigen Sciacca und Brandmüller abgefeuert wurde“, so Magister.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Settimo Cielo
Papst Benedikt XVI. wird zum gegenwärtigen Zeitpunkt allein wissen, was es mit seinem Rücktritt auf sich hat.
War es eine Falle, in welche die „St.Gallen- Gruppe“ voll hineingetappt ist? Ist Papst Franziskus bewußt oder nicht bewußt lediglich so etwas wie ein Bauernopfer und resultiert daher Benedikts Solidarität mit ihm?
Vielleicht werden solche oder ähnliche (möglicherweise spekulative wie berechtigte) Fragen nie bantwortet, aber daß irgend etwas Mysteriöses am Rücktritt Benedikts und an der Wahl von Franziskus ist, das wird man wohl sagen können.
Papst Franziskus macht nicht den Eindruck, als sähe er sich als Bauernopfer? Er wirkt munter und keinesfalls opfervoll.
Über die Hintergründe des Rücktritts werden wir im Unklaren gelassen.
Zermürbend.Habe nochmals und nochmals,das Geschehen um Petrus und die Jesusworte zum Petrus,gelesen.Petrus erkannte Jesus als Gottes Sohn und Jesus sagte…Benedikt ist Petrusnachfolger,so,wie er ist und war.Und Mensch kann es nicht ändern.Franziskus erkennt den Gottessohn nicht.…
Auch mich irritiert die Wirklichkeit eines „papa emeritus“. Aber rRtzinger/Benedikt ist zu überlegt, gewissenhaft, bedacht und intelligent, um nicht zu wissen, was er tut und folglich verursacht. Es gibt emeritierte Bischöfe, sie haben keine Regierungsgewalt mehr, aber können weiterhin Sakramente spenden im Auftrag des regierenden Bischofs. Hier sehe ich keine Parallele zum Papstamt. Das Papstamt ist nicht mit sakramentalen Vollmachten ausgestattet; da ist nichts zu delegieren. Dachte Benedikt vllt an den Zustand des in Deutschland emeritierten Professors? Dieser hat keine Pflichten mehr, aber er kann seine Rechte bewahren und umsetzen, ein juristisches Ereignis folglich. Die Emeritierung in Deutschland bedeutet: Verzicht auf die „Anstellung“ auf Lebenszeit, d.h. Verzicht auf Alltagspflichten, die das Amt mit sich bringt, Verzicht auf Stimmrecht in etablierten Versammlungen. All dies unter Beibehaltung des Rechtes auf öffentliche Äußerungen und Lehrveranstaltungen. Sollte dies ein Vorbild für Benedikt sein, dann würde das bedeuten: Ich verzichte auf meine Pflichten, aber ggbf nicht auf meine Recht, zu lehren wann und wie es mir beliebt. In diese Richtung gibt es Andeutungen von Benedikt: seine öffentlichen Äußerungen, sein Interview-Buch uvm … eine andere Variante wäre: er sieht das Papsttum ähnlich wie die Messe: zwei Riten ein und derselben; zwei Weisen des einen Papstamtes: das ordentliche, also in der Person des Regierenden; das außerordentliche in der Person des Komtemplativen … es ist und bleibt rätselhaft
Ich gebe Ihnen gerne recht geehrte Marienzweig: Papst Franziskus macht oft einen gesunden, vitalen Eindruck, aber längst nicht immer.
Papst Franziskus zeigt m.Er. oft eine ungekünstelte Herzlichkeit gegenüber Menschen- mit Einschränkungen, jedoch befinden sich da noch ganz andere im Hintergrund: kühle, eiskalte, herzlose Rechner, Wölfe (wie Papst Benedikt sie nannte), die die Kirche bewußt berechnend in den Abgrund führen wollen.
So schätze ich Papst Franziskus nicht ein, trotz seiner Irrtümer. Und Papst Benedikt unternimmt wohl manches, damit sein Nachfolger irgendwie doch noch Kurs hält.
Die Papstwahl 2013 hätte womöglich auch einen Wolf, einen herzkühlen Apparatschik, an die Spitze bringen können.
Ich meine, man sollte für Papst Franziskus immer beten und alles in Gottes Hände legen.