
(Rom) „Auch Bergoglio hat seine nicht verhandelbaren Grundsätze“, so der Vatikanist Sandro Magister. Mit jenen, die sein Vorgänger Benedikt XVI. formulierte, haben sie allerdings nichts zu tun. Zu diesen ging der ehemalige Erzbischof von Buenos Aires schnell auf Distanz und meinte im September 2013, man solle nicht „immer“ davon reden. Papst Franziskus habe ganz andere Grundsätze: „Das sind die vier Postulate“, die Franziskus in seiner Regierung der Kirche leiten. Der erste Grundsatz, von dem er spricht, lautet: „Die Zeit ist wichtiger als der Raum“. Das Problem, so Magister, sei nur, daß diese Grundsätze „einer Überprüfung nicht standhalten. Ein gebildeter Benediktiner erklärt warum.“
Daß das nachsynodale Schreiben Amoris laetitia nicht „alle doktrinellen, moralischen und pastoralen Diskussionen“ über die Frage der Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zur Kommunion geklärt hat, „liegt offen vor aller Augen“, das Schreiben hat sie vielmehr „mehr denn je entfacht“.
Das aber, so Magister, sei genau das, was Franziskus wollte, wie er selbst am Beginn des Apostolischen Schreibens sagt:
„Indem ich daran erinnere, dass die Zeit mehr wert ist als der Raum, möchte ich erneut darauf hinweisen, dass nicht alle doktrinellen, moralischen oder pastoralen Diskussionen durch ein lehramtliches Eingreifen entschieden werden müssen.“
Die vier Postulate im Denken von Papst Franziskus
Damit, so der Vatikanist, verwies er einmal mehr auf einen Eckstein seines Denkens: „Das erste der vier Postulate, die ihm als Kompaß dienen, und die er im programmatischen Dokument seines Pontifikats, dem Apostolischen Schreiben Evangelii gaudium auflistete“.
Dazu gehöre das genannte Postulat, das die Zeit über den Raum stellt. Die anderen drei sind: die Einheit ist stärker als der Konflikt, die Wirklichkeit ist wichtiger als die Idee und das Ganze ist wichtiger als das Teil.
„Es ist schon ein Leben lang, daß sich Jorge Mario Bergoglio an diese vier Leitgedanken klammert, besonders den ersten“, so Magister.
Daran habe die Papstwahl nichts geändert und gelte auch für sein päpstliches Lehramt, „ohne sich je die Mühe zu machen, ihre Vernünftigkeit zu begründen, die einem fachkundigen Auge sofort sehr tönern erscheinen“. Der Papst beharre vielmehr „auf ihrem praktischen Zweck, der grundsätzlich darin besteht ‚Prozesse auszulösen‘“, so Magister.
Es könne daher nicht erstaunen, daß diese vier Postulate, auf die ein Papst sein Pontifikat gründet, kritisch unter die Lupe genommen werden. Schließlich lassen sie sich weder von einer göttlichen Offenbarung noch aus der Heiligen Schrift herleiten, sondern sind „das einfache Produkt eines menschlichen Gehirns“, die Papst Franziskus, „aber gewagt zu treibenden Prinzipien im Leben der Kirche erhebt“.
„Prozesse auslösen“
Eine erste vertiefte kritische Analyse philosophischer Art formulierte im vergangenen Frühjahr der Barnabitenpater Giovanni Scalese, der seit 2014 Leiter der Mission sui generis in Afghanistan ist, wo er den einzigen Vorposten der katholischen Kirche in diesem unwirtlichen Land am Hindukusch bildet. Zuvor war er Rektor des renommierten Collegio alla Querca von Florenz.
Nun liegt eine weitere Analyse vor. Sie stammt aus der Feder des Benediktinerpaters Giulio Meiattini, Mönch der Abtei Madonna della Scala von Noci in Apulien und Dozent an der Theologischen Fakultät von Apulien und an der Benediktinerhochschule Sant’Anselmo in Rom.
Die Analyse „Die Zeit ist mehr wert als der Raum? Über eine These von Papst Bergoglio“ von Pater Meiattini wurde von Sandro Magister veröffentlicht. Der Benediktiner „legt darin die Haltlosigkeit dieses Postulats nicht nur aus philosophischer, sondern auch aus sprachlicher Sicht offen, da Raum von Bergoglio systematisch als ‚Macht-Raum‘ verstanden wird.“
Der Mönch nimmt sich zudem die unmittelbare Anwendung durch den Papst zur Brust, die, „Prozesse auszulösen“, und zeigt die Widersprüche dieser Annahme auf, einschließlich jener, die sich daraus im nachsynodalen Schreiben Amoris laetitia ergeben. „Prozesse“ habe Amoris laetitia mit Sicherheit ausgelöst: „Debatten, Kontroversen, diametral entgegengesetzte Interpretationen, Polarisierung, Ratlosigkeit der Gläubigen und der Priester, Unsicherheit in den Bischofskonferenzen“, so Pater Meiattini.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL
Die vier Postulate von Bergoglio kann man viel einfacher zusammenfassen unter dem Begriff des zum Dogma erhobenen Relativismus.
Diese Postulate sind klar gnostisch. Papst Franziskus hat das offenbar von Teilhard genommen.
Die Mentalität des „Prozesse auslösen“ ist in der Kirche als Manipulationstechnik demzufolge schon einige Jahrzehnte alt. Man erlebt das im Kirchenapparat und in kirchlichen Ausbildungsstätten immer wieder.
„Prozesse auslösen“ ist dabei Selbstzweck (nämlich als Beschäftigung für kirchliche Angestellte, etwa in der Erwachsenenbildung) und gleichzeitig Instrument für die Gleichschaltung gläubiger Katholiken.
Denn niemals zählen beim „Prozesse auslösen“ doktrinäre Inhalte, also der Inhalt des Offenbarungsgutes. Es geht immer darum, daß man etwas erst „finden“ müsse, vorzugsweise „neue Wege“ und einen „Konsens“. Das Vorhandene, Glaube, Sakramente, Moral der Kirche, wird dabei immer ausdrücklich oder einschlußweise abgewertet.
Häufig wird die Verheißung eines zukünftigen Konsenses erzeugt. Dieser ist aber unter diesen Umständen nur dann zu erreichen, wenn der Stolperstein des Glaubens, also die Wahrheit, beseitigt wird. Darum ist die „Zukunft“ bzw. die „Zeit“ so wichtig. Sie ist die falsche Verheißung aller Gnostiker, Evolutionisten und Totalitaristen in der Politik. Sie widerspricht dem Aufruf des hl. Ignatius, sehr wohl „Räume zu besetzen“, nämlich Länder und Kontinente hier und jetzt für Christus zu gewinnen und zu halten!
Ich habe Evangelii gaudium, wo diese vier Postulate näher ausgeführt sind, auch gelesen. Es gruselt einen, wenn man dieses Zeug liest. Von Gaudium keine Spur. Von Evangelium auch nicht.
Ein Gnostiker auf dem Papstthron, eine Art Hegelianer und Teilhardist? Sieht so aus.