Papst Franziskus über Zwei-Päpste-Theorie „beunruhigt“ und „besorgt“?


(Rom) Die argen­ti­ni­sche Tages­zei­tung Clarà­n befaß­te sich in ihrer Sonn­tags­aus­ga­be in einem aus­führ­li­chen Arti­kel mit der von Kuri­en­erz­bi­schof Georg Gäns­wein am 20. Mai an der Päpst­li­chen Uni­ver­si­tät Gre­go­ria­na vor­ge­brach­ten The­se von einem „erwei­ter­ten“ Papst­amt. „Die ‚Theo­rie der zwei Päp­ste‘ löst Debat­te aus und besorgt Berg­o­glio“, lau­tet der Titel des Clarà­n‑Artikels aus der Feder von Julio Algañaraz. 

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Bemer­kens­wert ist vor allem der Titel, bes­ser gesagt, sind die Titel der Online- und Druck­aus­ga­be, die sich unter­schei­den. Die Ver­öf­fent­li­chung im Inter­net erfolg­te bereits am Vor­abend, genau drei Mona­te nach der Gäns­wein-Rede, mit dem  Titel: „Die Theo­rie ‚der zwei Päp­ste‘ beun­ru­higt Bergoglio“.

Leichte Abschwächung von „beunruhigt“ auf „besorgt“

Die Wort­wahl wur­de für die gedruck­te Zei­tungs­aus­ga­be etwas abge­schwächt von „beun­ru­higt“ auf „besorgt“. Bei­den Ver­sio­nen gemein­sam ist, daß sie von einer „Unru­he“ und „Sor­ge“ von Papst Fran­zis­kus im Zusam­men­hang mit der Gäns­wein-The­se spre­chen. In die­ser Ein­schät­zung liegt das Neue des Clarà­n-Arti­kels, wäh­rend die aus­ge­brei­te­ten Fak­ten bereits bekannt waren.

Die Spreng­kraft wird im Unter­ti­tel wie­der­ge­ge­ben, der in bei­den Aus­ga­ben iden­tisch ist: „Der Gene­ral­se­kre­tär von Bene­dikt XVI. lan­cier­te eine Idee. Ratz­in­ger, sag­te er, hat den Petrus­dienst ‚kei­nes­wegs‘ aufgegeben.“

Die Gäns­wein-Rede ver­schaff­te, mög­li­cher­wei­se ganz unbe­ab­sich­tigt, jenen Krei­sen neue Nah­rung, die eine Opti­on „Rück­kehr“ von Bene­dikt XVI. auf den Stuhl Petri bis heu­te nicht ganz aus­schlie­ßen wol­len. Wäh­rend der Vati­kan offi­zi­ell zu den Gäns­wein-Wor­ten schwieg, bemüh­ten sich die vati­ka­ni­schen Medi­en klar­zu­stel­len, daß es nur einen Papst gebe, und das sei Franziskus.

„Der Papst bin ich“

Papst Fran­zis­kus selbst reagier­te seit dem 20. Mai nur ein­mal öffent­lich auf die Gäns­wein-Theo­rie. Das war auf dem Rück­flug aus Arme­ni­en. Die ent­spre­chen­de Fra­ge stell­te sei­ne argen­ti­ni­sche Ver­trau­te und Bio­gra­phin Eli­sa­bet­ta Piqué. Ihr Buch „Fran­cis­co: vida y revo­lu­ción“ (Papst Fran­zis­kus: Leben und Revo­lu­ti­on) bil­de­te die Grund­la­ge zum Film „Fran­cis­co ‑El pad­re Jorge“.
Sie frag­te den Papst bei der flie­gen­den Pres­se­kon­fe­renz: „Wir wis­sen, daß Sie der Papst sind, aber es gibt auch Papst Bene­dikt, den eme­ri­tier­ten Papst. Kürz­lich hat es Stim­men gege­ben, eine Erklä­rung des Prä­fek­ten des Päpst­li­chen Hau­ses, Mon­si­gno­re Georg Gäns­wein, der gesagt haben soll, es gebe ein geteil­tes Petrus­amt – wenn ich nicht irre – mit einem akti­ven und einem kon­tem­pla­ti­ven Papst. Gibt es zwei Päpste?“

Die Ant­wort von Papst Fran­zis­kus lie­ße sich in der knap­pen Ver­si­on „Der Papst bin ich“ zusam­men­fas­sen mit dem Zusatz, „und Bene­dikt ist mir gegen­über loyal“.

Wört­lich sag­te Franziskus:

„Es hat eine Zeit in der Kir­che gege­ben, da gab es drei! (er wie­der­holt auf Ita­lie­nisch) Zu einer gewis­sen Zeit gab es in der Kir­che drei! Ich habe die­se Erklä­rung nicht gele­sen, denn ich hat­te kei­ne Zeit. Bene­dikt ist eme­ri­tier­ter Papst. Er hat an jenem 11. Febru­ar, an dem er sei­nen Rück­tritt für den 28. Febru­ar ver­kün­de­te, klar gesagt, er wer­de sich zurück­zie­hen, um der Kir­che mit dem Gebet zu hel­fen. Und Bene­dikt ist im Klo­ster und betet. Ich habe ihn vie­le Male besucht oder mit ihm tele­fo­niert… Vor ein paar Tagen hat er mir einen klei­nen Brief geschrie­ben – er unter­zeich­net noch mit sei­ner Unter­schrift – und hat mir sei­ne Glück­wün­sche für die­se Rei­se über­mit­telt. Und ein­mal – nicht ein­mal, son­dern vie­le Male – habe ich gesagt, dass es eine Gna­de ist, den wei­sen ‚Groß­va­ter‘ im Hau­se zu haben. Auch ihm selbst gegen­über habe ich das gesagt, und er hat gelacht. Aber für mich ist er der eme­ri­tier­te Papst, der wei­se ‚Groß­va­ter‘, der Mann, der mir die Schul­tern frei­hält und den Rücken deckt mit sei­nem Gebet. Nie wer­de ich jene Anspra­che ver­ges­sen, die er uns Kar­di­nä­len am 28. Febru­ar gehal­ten hat: ‚Einer von euch wird mit Sicher­heit mein Nach­fol­ger sein. Ich ver­spre­che ihm Gehor­sam.‘ Und er hat es getan. Spä­ter habe ich gehört – aber ich weiß nicht, ob es wahr ist; ich unter­strei­che: ich habe gehört, viel­leicht sind es Gerüch­te, aber sie stim­men mit sei­nem Cha­rak­ter über­ein – dass eini­ge dort­hin gegan­gen sind, um sich zu bekla­gen, denn ‚die­ser neue Papst…‘, und er hat sie fort­ge­jagt! Im besten baye­ri­schen Stil: wohl­erzo­gen, aber er hat sie fort­ge­jagt. Und wenn es nicht wahr ist, dann ist es gut erfun­den, denn die­ser Mann ist so: Er ist ein Mann, der Wort hält; ein ganz, ganz gerad­li­ni­ger Mann! Der eme­ri­tier­te Papst. Außer­dem – ich weiß nicht, ob Sie sich dar­an erin­nern – habe ich Bene­dikt öffent­lich gedankt – ich weiß nicht, wann, aber ich glau­be, es war auf einem Flug – dass er die Tür geöff­net hat für eme­ri­tier­te Päp­ste. Vor sieb­zig Jah­ren gab es noch kei­ne eme­ri­tier­ten Bischö­fe, heu­te gibt es sie. Aber mit die­ser Ver­län­ge­rung des Lebens, kann man da in einem gewis­sen Alter mit all sei­nen Gebre­chen die Kir­che regie­ren oder nicht? Und er hat mit Mut – mit Mut! – und mit Gebet und auch mit Wis­sen, mit Theo­lo­gie ent­schie­den, die­se Türe zu öff­nen. Und ich glau­be, dass das gut ist für die Kir­che. Aber es gibt nur einen Papst. Der ande­re… oder viel­leicht – wie für die eme­ri­tier­ten Bischö­fe – wird es ein­mal, ich sage nicht vie­le, aber zwei oder drei geben kön­nen; sie wer­den Eme­ri­tier­te sein. Sie sind [Papst] gewe­sen, [nun] sind sie Eme­ri­tier­te. Über­mor­gen wird der 65. Jah­res­tag sei­ner Prie­ster­wei­he gefei­ert. Sein Bru­der Georg wird zuge­gen sein [sein Kom­men wur­de im Nach­hin­ein nicht bestä­tigt], denn bei­de sind zusam­men geweiht wor­den. Und es wird eine klei­ne Fei­er geben, mit den Ober­sten der Dik­aste­ri­en und weni­gen Leu­ten, weil er das vor­zieht… Er hat zuge­sagt, aber sehr beschei­den; und auch ich wer­de dort sein. Und ich wer­de etwas sagen zu die­sem gro­ßen Mann des Gebe­tes und des Mutes, der die­ser eme­ri­tier­te Papst – nicht der zwei­te Papst – ist, der sei­nem Wort treu ist, ein Mann Got­tes. Er ist sehr intel­li­gent, und für mich ist er der wei­se Groß­va­ter im Hause.“

Brandmüllers vernichtende Kritik am Konstrukt „papa emeritus“

Papst Fran­zis­kus sprach Bene­dikt XVI. als „eme­ri­tier­ten Papst“ an. Alga­ña­raz spricht gera­de in die­sem Zusam­men­hang von „Ver­wir­rung“ und räum­te gegen die The­se eines eme­ri­tier­ten Pap­stes, der „her­aus­ra­gen­den Ant­wort“ von Kar­di­nal Wal­ter Brand­mül­ler brei­ten Raum ein.

Der deut­schen Kar­di­nal und Kir­chen­hi­sto­ri­ker schrieb im Juli in einem Auf­satz der rechts­wis­sen­schaft­li­chen Fach­zeit­schrift Sta­to e Chie­sa (Staat und Kir­che), daß ein Amts­ver­zicht eines Pap­stes durch­aus mög­lich sei, daß er aber auch defi­ni­tiv sei. Wer vom Papst­amt zurück­tritt, habe kei­nen Anteil mehr dar­an. Die Figur eines „eme­ri­tier­ten Pap­stes“ gebe es nicht. Brand­mül­ler kri­ti­sier­te damit das Ver­hal­ten Bene­dikts XVI.erstaunlich  scharf, durch Klei­dung und Namen sich wei­ter­hin irgend­wie als Papst zu geben, denn genau das sei er eben nicht. Es gebe nur einen Papst. Brand­mül­ler sieht im Ver­such, eine neue Figur eines „eme­ri­tier­ten Pap­stes“ zu schaf­fen, „gro­ße Gefah­ren“ für die Ein­heit der Kirche.

Gänsweins Absichten

Julio Alga­ña­raz begrün­det im Arti­kel nicht näher, war­um Papst Fran­zis­kus „beun­ru­higt“ oder „besorgt“ sei. Unklar­heit herrscht auch über die Absich­ten von Kuri­en­erz­bi­schof Gäns­wein mit sei­ner Gre­go­ria­na-Rede. Woll­te Gäns­wein mit einem freund­li­chen Lächeln auf den Lip­pen dem Papst die Rute ins Fen­ster stel­len und ihm signa­li­sie­ren, daß es – solan­ge Bene­dikt lebt – noch eine Opti­on gibt?

Folgt man sei­nen eige­nen direk­ten und indi­rek­ten Anga­ben, so woll­te er anläß­lich der Buch­vor­stel­lung über das Pon­ti­fi­kat Bene­dikts XVI.  und mit Blick auf den bereits nahen­den 65. Jah­res­tag der Prie­ster­wei­he Joseph Ratz­in­gers, sei­nen Vor­ge­setz­ten ein­fach nur mit Nach­druck ehren. Dabei scheint er sich in der Wort­wahl etwas ver­ga­lop­piert zu haben, indem er dem in der selbst­ge­wähl­ten Zurück­ge­zo­gen­heit leben­den Bene­dikt eine aktu­el­le und fort­dau­ern­de Bedeu­tung zuschrei­ben wollte.

Sei­ne Über­trei­bung fand des­halb so gro­ße Auf­merk­sam­keit, weil die Wun­de, die Bene­dikt mit sei­nem Rück­tritt der Kir­che geschla­gen hat, noch immer nicht ver­heilt scheint. Vie­le Gläu­bi­ge welt­weit rät­seln nach wie vor über den anschei­nend grund­lo­sen Rück­tritt und sehen dar­in eine Art von Bruch eines sakra­len Bun­des. Die­ser Makel wäre mög­li­cher­wei­se schon ver­blaßt, wenn die Wahl von Papst Fran­zis­kus nicht eine noch grö­ße­re Unru­he in die Kir­che getra­gen hät­te, und die­se lau­fend neu nährt.

Gäns­wein zeig­te sich – jeden­falls in der Öffent­lich­keit – von den Sor­gen der einen wie der ande­ren über sei­ne Rede ganz unbe­schwert. Er beeil­te sich, zu beteu­ern, daß der Papst natür­lich Fran­zis­kus sei. In einem Inter­view mit dem deut­schen Jour­na­li­sten Paul Bad­de mein­te er, die Auf­re­gung um sei­ne Wor­te nicht ver­ste­hen zu kön­nen. Er habe auch „kein Pro­blem“ damit, daß es mor­gen zeit­gleich viel­leicht sogar drei oder vier „eme­ri­tier­te Päp­ste“ geben könn­te. Ein büro­kra­tisch anmu­ten­der Zugang, der selbst unter Gäns­wein-Freun­den erheb­li­ches Kopf­schüt­teln auslöste.

Spannungen

Tat­sa­che ist, daß Gäns­wein Span­nun­gen inner­halb der Kir­che sicht­bar wer­den ließ, die durch den Rück­tritt von Bene­dikt XVI. ent­stan­den sind und durch die Wahl von Fran­zis­kus ver­stärkt wur­den. Der Clarà­n-Arti­kel bestä­tigt, daß dem Vati­kan nicht ent­gan­gen ist, daß ein nicht uner­heb­li­cher Teil der Kir­che, vom gläu­bi­gen Volk bis zu den Hier­ar­chen, unter dem argen­ti­ni­schen Pon­ti­fi­kat lei­det. Ob Papst Fran­zis­kus dar­über „beun­ru­higt“ oder „besorgt“ ist, bleibt indes Spe­ku­la­ti­on. Sei­ne Ant­wort auf dem Rück­flug von Arme­ni­en deu­tet es zumin­dest an, beson­ders der Umstand, daß der amtie­ren­de Papst es für not­wen­dig erach­te­te, den Jour­na­li­sten eine angeb­li­che Epi­so­de zu erzäh­len, Bene­dikt XVI. habe Katho­li­ken, die ihn auf­such­ten und gebe­ten hät­ten, sich wie­der an die Spit­ze der Kir­che zu stel­len, die Tür gewie­sen. Auch Fran­zis­kus‘ insi­sten­te Beteue­rung von Bene­dikts „Gehor­sam“ und „Treue“ gegen­über sei­nem Nach­fol­ger hat­te etwas Beschwö­ren­des an sich.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Claràn

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2 Kommentare

  1. Was immer Herr Erz­bi­schof Gäns­wein sagen woll­te: er gibt die zuneh­men­den Sor­gen über ein Pon­ti­fi­kat wider, das dabei ist, die Kir­che an den Islam und ande­re für ein paar Sil­ber­stücke zu ver­kau­fen. Ein Papst em. Bene­dikt XVI. aber zeigt durch sein schie­res Dasein, daß die wah­re Kir­che noch lebt. Das gibt Mut und Zuver­sicht in die­sen schwe­ren Zeiten.

  2. Es wäre inter­es­sant zu wis­sen, ob Papst Bene­dikt auch zurück­ge­tre­ten wäre, hät­te er gewusst, wer sein Nach­fol­ger wird und wie er tickt. Da die Grup­pe St. Gal­len und Co​.KG es angeb­lich schon bei der Wahl 2005 nicht schaff­te, ihren Wunsch­kan­di­da­ten Berg­o­glio durch­zu­drücken, rech­ne­te ein Bene­dikt höchst­wahr­schein­lich bei der Wahl 2013 auch nicht mit einem sol­chen Wahl­aus­gang, son­dern ver­trau­te als treu­er Sohn der Kir­che, voll und ganz auf den Hl. Geist, der ja bekannt­lich nie irrt. Was uns der lie­be GOTT am 11.02.13 mit dem Blitz­ein­schlag in die Kup­pel des Peters­do­mes sagen woll­te, bleibt nach wie vor ein Rätsel!!?

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