(Paris) Sie war von Geburt an taub. Am vergangenen 11. Mai kurz vor 20.30 Uhr nahm sie die Prothesen ab und sagte zur Mutter: „Die brauche ich nicht mehr. Ich höre jetzt.“ Die Rede ist von einem kleinen Mädchen, das sich mit ihrer Mutter, der Großmutter und ihrem Bruder auf Wallfahrt in Lourdes aufhielt.
Ihre Geschichte erzählte Giuseppe Secondi, der Unitalsi-Leiter von Mailand Südwest, der die Wallfahrt mit dem Mädchen leitete. Unitalsi ist ein kirchlicher Dienst, der Krankentransporte nach Lourdes und zu anderen internationalen, aber auch italienischen Wallfahrtsorten durchführt.
„Das Mädchen wurde am 25. Dezember 2009 vorzeitig geboren. Um sie zu retten, verabreichten ihr die Ärzte Medikamente, die ihre Hörorgane schädigten. Im Gaslini-Krankenhaus von Genua wurden ihr eigene Prothesen eingesetzt, da Gehörapparate bei ihr keine Wirkung hatten. Mit Hilfe der Logopädie lernte sie im Laufe der Zeit, die Lippen zu lesen und mit Schwierigkeiten zu sprechen.
Um für ihre Familie zu danken, entschloß sich die Mutter mit den Kindern an einer Dankwallfahrt zur Gottesmutter nach Lourdes teilzunehmen, zu der sie auch ihre Mutter begleitete.
Die Wallfahrt fand in der gewohnten Weise statt. Gebet, Heilige Messe, Eintauchen in die Wannen. Am Abend des 11. Mai „waren wir nach Abschluß der Eucharistischen Prozession ins Hotel zurückgekehrt“, erzählte die Mutter. „Ich spielte noch ein bißchen mit den Kindern, dann wollte ich zum Treffen der Pilger gehen, die das erste Mal an einer Wallfahrt nach Lourdes teilnehmen. Als ich meiner Tochter sagte, daß ich weggehen, aber nicht lange ausbleiben würde, sagte sie plötzlich mit klarer Stimme, wie sie noch nie gesprochen hatte, daß ich bleiben solle.“
Während des Pilgertreffens wurde Wallfahrtsleiter Secondi gerufen. Ihm wurde mitgeteilt, daß sich das Mädchen die Hörprothesen abgenommen und zur Mutter gesagt hatte, daß sie diese nicht mehr brauche, weil sie nun hören könne.
„Wir standen ungläubig vor ihr. Von einem Nebenraum aus riefen wir sie mehrmals mit leiser Stimme und konnten feststellen, daß sie uns wirklich hörte Vor allem aber sprach sie nun ganz deutlich, ganz anders als zuvor.“
„Ich danke Dir, liebste Mutter, für das, was Du mir getan hast“
Am nächsten Morgen wollte Secondi mit ihr das Bureau des Constatations Medicales aufsuchen, um den Fall zu melden. Zuvor begleitete er das Mädchen zur Erscheinungsgrotte. Als sie dort waren sagte das Kind: „Gehen wir zu meiner Madonna, meine hat eine Krone auf dem Kopf“. So sind wir zur großen gekrönten Statue Unserer Lieben Frau von Lourdes gegangen. Als wir vor ihr standen, sagte das Mädchen zu meinem Erstaunen: „Ich danke Dir, liebste Mutter, für das, was Du mir getan hast.“
Anschließend sind wir ins Bureau des Constatations Medicales. Im Warteraum befand sich eine stilisierte Mariendarstellung. Das Mädchen sagte: „Ist die häßlich.“ Als wir ins Arztzimmer kamen, hing dort ein Bild der gekrönten Gottesmutter: „Das ist die Madonna“, sagte sie zufrieden.
Die Ärzte befragten sie ausführlich, dann auch die Mutter. Sie führten Hörtests durch. Die Untersuchungen werden seither in Italien fortgesetzt und sind noch im Gange. Die Ärzte in Genua stellten zu ihrem Erstaunen eine Heilung der Hörorgane fest. Auch charakterlich fand eine Veränderung statt. Das bisher sehr verschlossene, in sich gekehrte Mädchen ist nun eine ganze andere geworden.
In Lourdes geht man mit Vorsicht und genauen Untersuchungen vor, ehe ein Wunder anerkannt wird. Die Erhebungen werden daher noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Das Mädchen und die Familie sind jedenfalls glücklich und dankbar.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons