
(Eriwan) Der Krieg im Südkaukasus zwischen dem islamischen Aserbaidschan und dem christlichen Armenien wurde nach 22 Jahren Waffenruhe wiederaufgenommen. In der Nacht auf den 2. April begann eine aserbaidschanische Offensive gegen die armenische Republik Bergkarabach.
Bergkarabach ist ein Gebiet von der Größe Oberösterreichs, etwas kleiner als Schleswig-Holstein. Das Hochgebirgsland wird von knapp 150.000 Menschen bewohnt, die zu 99 Prozent Armenier sind. Völkerrechtlich gehört Bergkarabach zu Aserbaidschan. Während der Sowjetzeit bildete die armenische Enklave ein Autonomes Gebiet.
Ende der 1980er Jahre kam es zu Unruhen unter den Armeniern, die sich von den Aserbaidschaner diskriminiert fühlten. Durch den Zusammenbruch der Sowjetunion brach ein bewaffneter Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan aus, da beide Staaten Anspruch auf das Gebiet erheben.
Ungelöster Konflikt
1991 erklärte sich Bergkarabach für unabhängig und rief eine eigene armenische Republik aus. Der blutige und grausame Krieg von 1992–1994 wurde von Armenien gewonnen. Truppen aus Armenien und Bergkarabach kontrollierten am Ende des Konfliktes fast das gesamte von Armeniern bewohnte Gebiet Aserbaidschans einschließlich einer Pufferzone zu Armenien, da die Territorien von Armenien und Bergkarabach nicht direkt miteinander zusammenhängen.
Seither herrscht ein Waffenstillstand, und es wird versucht, eine dauerhafte politische Lösung zu finden. Eine Staatengruppe, die sogenannte Minsker Gruppe, sollte im Rahmen der OSZE auf eine diplomatische Lösung drängen. Jedesmal, wenn eine Lösung spruchreif war, kam jedoch im letzten Augenblick etwas dazwischen, das alles scheitern ließ. Der Grund dafür sei in Ankara zu suchen, sagen Beobachter. Es gebe geopolitische Interessen, eine Lösung zu verhindern.
Die inzwischen 25 Jahre alte Republik Bergkarabach ist daher bis heute von der internationalen Staatengemeinschaft nicht anerkannt. Daß die Bevölkerung fast ausschließlich aus Armeniern besteht, die ethnisch, sprachlich, kulturell und religiös mit den Armeniern der Republik Armenien identisch sind und sich in einer Volksabstimmung für die Unabhängigkeit von Aserbaidschan ausgesprochen haben, beeindruckt auf internationaler Ebene wenig.
Nun erfolgte der aserbaidschanische Angriff. Die Bergkarabach-Armenier hielten stand.
Die Kämpfer des „Kalifen“
Da völkerrechtlich keine Klärung vorliegt, ist die Frage offen. Warum es jetzt zum aserbaidschanischen Angriff gekommen ist, stellen Beobachter in einen Zusammenhang mit der Rückkehr aserbaidschanischer Dschihadisten aus Syrien und dem Irak. Die Kämpfer des „Kalifen“ gelten als harter Kern des aserbaidschanischen Angriffs. Es sind Photos in Umlauf, die Bergkarabach-Armenier mit abgeschnittenen Ohren und lachende Dschihadisten, die triumphierend den abgetrennten Kopf eines „Ungläubigen“ zeigen.
Der Bergkarabachkonflikt droht eine neue Dimension zu bekommen. Handelte es sich Anfang der 90er Jahre um einen klassischen ethnischen Territorialkrieg zweier Völker und Staaten, machen ihn die Dschihadisten zu einem Religionskrieg. Die Brutalität dieser Dimension wurde Anfang April deutlich. Der aserbaidschanische Angriff forderte innerhalb weniger Stunden mehrere Dutzend Menschenleben.
Jungtürkischer Völkermord an den Armeniern
Armenien ist der älteste christliche Staat der Welt. Ein Armenier ist Christ. Die Volkszugehörigkeit fällt mit der Religionszugehörigkeit zusammen. Fast 1.200 Jahre waren sie der islamischen Herrschaft unterworfen, abwechselnd ausgeübt durch die Türken oder die Perser. Die Jungtürken versuchten die Armenier vor hundert Jahren in einem blutigen Völkermord auszulöschen. Das ist ihnen nicht gelungen. Den Großteil des armenischen Siedlungsgebietes haben sie ihnen jedoch genommen. Übriggeblieben ist nur der armenische Siedlungsraum, der zum Zeitpunkt des Völkermordes unter russischer Kontrolle stand, eben die heutige Republik Armenien und die Republik Bergkarabach. Der Völkermord und die Vertreibung sind der Grund, weshalb heute mehr Armenier in der Diaspora als in den armenischen Staaten leben. Allein in der Bundesrepublik Deutschland leben 55.000 Armenier, in der Schweiz etwa 4.000 und in Österreich etwa 7.000, das unter den Habsburgern ein kulturelles Diaspora-Zentrum des damals noch zur Gänze islamisch beherrschten Armeniens war.
Aserbaidschan ist viermal so groß wie Armenien und hat dreimal soviel Einwohner. Nun hat es zudem einen gefährlichen Verbündeten gefunden. Die sunnitische Minderheit des Landes erlebte in jüngster Zeit eine gewisse Radikalisierung. Etliche junge Männer sind in den Irak und nach Syrien gegangen und haben sich dem Islamischen Staat (IS) angeschlossen. Ihre Rückkehr und die Offensive von Anfang April zeigen, wie schnell sich für die Dschihadisten eine neue Front auftun kann. Risikofrei ist diese Partnerschaft auf für Aserbaidschan nicht, dessen Bevölkerung mehrheitlich schiitisch ist, die Regierung aber sehr säkularisiert.
Erdogan: „Werden Aserbaidschan bis zum Schluß unterstützen“
Wladimir Putin, als Nachfolger der russischen Zaren und der sowjetischen KPdSU-Sekretäre, zu deren Einflußbereich der Südkaukasus seit bald 200 Jahren gerechnet wird, ließ zwischen den beiden Konfliktparteien den derzeitigen Waffenstillstand aushandeln. Wie lange er halten wird, weiß derzeit niemand.
Im Westen wird wenig über den Konflikt berichtet und wenn, mit einem erstaunlich freundlichen Unterton für Aserbaidschan. Vergißt der Westen ein weiteres Mal, daß die Armenier Christen sind, sogar das älteste christliche Land der Geschichte?
Der türkische Staatspräsident Erdogan hat keine Gedächtnislücken. 100 Jahre nach dem jungtürkischen Völkermord an den Christen des Osmanischen Reiches erklärte er:
„Wir stehen an der Seite unserer aserbaidschanischen Brüder. Wir beten dafür, daß sie in den Kämpfen mit so wenig Toten als möglich obsiegen. Wir werden Aserbaidschan bis zum Schluß unterstützen.“
In den Worten Erdogans findet sich kein Aufruf zum Frieden.
Die Erklärung des türkischen Staatsoberhaupts macht die Sorgen der Armenier verständlich und erklärt auch Hinweise, daß die türkischen Grauen Wölfe die aserbaidschanische Seite unterstützen.
Text: Andreas Becker
Bild: Wikicommons
Dazu fallen mir sofort unsere vertrottelten Politker ein, die die Türkei in der EU haben wollen.
Diese Politiker sind ganz und gar nicht vertrottelt – im Gegenteil – sie wissen ganz genau was sie tun: Plan B (ilderb.….) muss durchgezogen werden – koste es was es wolle!
Big Brother will es so!