Amoris Laetitia: Papst Franziskus hat „neue Form der Anwendung“ der kirchliche Lehre vorgeschlagen


Pressekonferenz der Spanischen Bischofskonferenz zu "Amoris Laetitia": José Luis Segovia (Theologieprofessor, Päpstliche Universität Salamanca), Julio Martà­nez SJ (Rektor, Päpstliche Universität Comillas), Gil Tamayo (Generalsekretär der Bischofskonferenz), Erzbischof Carlos Osoro (Madrid), Javier Prades (Regens des Priesterseminars San Dámaso, Madrid), Pablo Guerrero SJ (Pastoraltheologe, Päpstliche Universität Comillas)

(Rom) Gibt die Spa­ni­sche Bischofs­kon­fe­renz den Weg vor, der nach dem Apo­sto­li­schen Schrei­ben Amo­ris Lae­ti­tia bald schon für die gan­ze Kir­che gel­ten könn­te? Gestern fand eine Pres­se­kon­fe­renz von Erz­bi­schof Car­los Osoro von Madrid, dem stell­ver­tre­ten­den Vor­sit­zen­den der Spa­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz statt. Beglei­tet wur­de er dabei vom Rek­tor des Prie­ster­se­mi­nars sei­nes Erz­bis­tums, einem Pro­fes­sor der Päpst­li­chen Uni­ver­si­tät von Sala­man­ca, von José Marà­a Gil Tama­yo, dem Gene­ral­se­kre­tär der Bischofs­kon­fe­renz und von zwei Jesui­ten, denen eine wich­ti­ge Rol­le zukam.

Zweideutigkeiten von „Amoris Laetitia“ bringen Erzbischof von Madrid in Verlegenheit

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Man wol­le die Exhorta­tio von Papst Fran­zis­kus „wür­di­gen“, erklär­te Erz­bi­schof Osoro den Grund der Pres­se­kon­fe­renz. Bei die­ser wur­de jedoch deut­lich, daß im Kle­rus wegen Amo­ris Lae­ti­tia beacht­li­che Unru­he herrscht und zahl­rei­che Anfra­gen von Prie­stern vor­lie­gen, wie sie sich nun zu ver­hal­ten hätten.

Nach 55 Minu­ten theo­re­ti­scher Dar­le­gun­gen, die um die umstrit­te­nen Aspek­te von Amo­ris Lae­ti­tia einen Bogen mach­ten, kam die erste Jour­na­li­sten­fra­ge und ziel­te sofort auf Zwei­deu­tig­kei­ten im päpst­li­chen Doku­ment. Was ant­wor­te man auf das „mög­li­che Para­dox“, daß ein Prie­ster den wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen die Kom­mu­ni­on gewäh­ren könn­te, ein ande­rer hin­ge­gen nicht.

Eine Fra­ge, die Erz­bi­schof Osoro und die ande­ren Anwe­sen­den in sicht­li­che Ver­le­gen­heit brach­te. Kei­ner woll­te auf die Fra­ge ant­wor­ten, bis schließ­lich der Jesu­it Pablo Guer­re­ro, Pasto­ral­theo­lo­ge an der Päpst­li­chen Uni­ver­si­tät Comil­las, eine Ant­wort gab, der kei­ner der ande­ren Anwe­sen­den wider­sprach, auch nicht Erz­bi­schof Osoro.

„Das wäre, als wür­de die Ent­schei­dung im Ermes­sen des Prie­sters lie­gen. Dem ist aber nicht so. Der Papst hat in kla­rer Aus­übung der Syn­oda­li­tät und der Gemein­schaft mit dem gesam­ten Bischofs­kol­le­gi­um der Kir­che den Ober­hir­ten einer jeden Diö­ze­se auf­ge­for­dert, den Prie­stern sei­ner Diö­ze­se eine Rei­he gene­rel­ler und glei­cher Kri­te­ri­en zu benen­nen, um Ermes­sens­ent­schei­dun­gen zu ver­mei­den. Kein Prie­ster darf sich als Eigen­tü­mer des Wor­tes Got­tes füh­len“, so Pater Guerrero.

„Neuer Stil des Lehramtes“: Nicht in „Gute“ und „Schlechte“ unterteilen

Alle Teil­neh­mer der Pres­se­kon­fe­renz beton­ten, daß sich die kirch­li­che Leh­re „nicht ändert“. Papst Fran­zis­kus habe den Bischö­fen jedoch „eine neue Form der Anwen­dung“ die­ser Leh­re vor­ge­schla­gen. Das päpst­li­che Schrei­ben „emp­feh­le“, so Pater Julio Mar­ti­nez, Rek­tor der Päpst­li­chen Uni­ver­si­tät Comil­las und der zwei­te Jesu­it am Kon­fe­renz­tisch, die Welt nicht in „Rei­ne und Unrei­ne“ und nicht in „Gute und Schlech­te“ zu unterteilen.

„Die vol­le Aner­ken­nung des Lehr­am­tes ste­he nicht im Wider­spruch zu einer inner­kirch­li­chen Dis­kus­si­on. Wir ste­hen vor einem neu­en Stil des Lehr­am­tes. Es geht dabei um das har­mo­ni­sche Mit­ein­an­der zwi­schen Heil und Moral, um nicht in einen reli­giö­sen Rigo­ris­mus zu verfallen.“

Damit scheint die Spa­ni­sche Bischofs­kon­fe­renz die Auf­wei­chung der Unauf­lös­lich­keit der Ehe anzu­er­ken­nen. Denn durch die genann­ten „all­ge­mei­nen und glei­chen Kri­te­ri­en“, die den Prie­stern als Hand­lungs­an­lei­tung gege­ben wer­den sol­len, wird impli­zit aner­kannt, daß es Situa­tio­nen gibt, in denen die unauf­lös­li­che Ehe doch auf­lös­bar sei. Gleich­zei­tig ver­sucht die Bischofs­kon­fe­renz anar­chi­schen Ver­hält­nis­sen vor­zu­beu­gen, daß durch Amo­ris Lae­ti­tia jeder Prie­ster nach eige­nem Ermes­sen ent­schei­den könn­te. Die Bischofs­kon­fe­renz dürf­te die Fra­ge nach den „gene­rel­len und glei­chen Kri­te­ri­en“ für den Kle­rus an sich ziehen.

„Taktische Finesse“ des Papstes?

Im Vor­feld der Ver­öf­fent­li­chung des nach­syn­oda­len Schrei­bens war, je nach Posi­ti­on, die Sor­ge oder die Hoff­nung gehegt wor­den, Papst Fran­zis­kus könn­te eine gene­rel­le Regel erlas­sen, mit der er die wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen zur Kom­mu­ni­on zuläßt, damit Schei­dung und Zweit­ehe aner­kennt und die Unauf­lös­lich­keit der sakra­men­ta­len Ehe auf­hebt. Damit hät­te er sich in den Augen der Ver­tei­di­ger des Ehe­sa­kra­ments der Häre­sie schul­dig gemacht. Er tat nichts der­glei­chen und doch alles. Die „tak­ti­sche Fines­se“ (Secre­tum meum mihi), wie inzwi­schen von Befür­wor­tern und Kri­ti­kern betont wird, lie­ge gera­de im Ver­zicht auf eine gene­rel­le Regel. Damit habe Fran­zis­kus zwar kei­ne neue Regel ein­ge­führt, mehr noch aber die bis­he­ri­ge über­lie­fer­te Regel nicht mehr bestä­tigt. Er erweist sich damit als „Tür­öff­ner“, ohne dafür belangt wer­den zu können.

In „Aus­übung der Syn­oda­li­tät“, wie der Jesu­it Guer­re­ro bei der Pres­se­kon­fe­renz in Madrid erklär­te, leg­te Fran­zis­kus durch die Ein­be­ru­fung der Bischofs­syn­oden über Ehe und Fami­lie das Eisen ins Feu­er. Mit Amo­ris Lae­ti­tia schob er das nun hei­ße Eisen den Bischö­fen zu, was kon­kret, seit deren Ein­füh­rung durch das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil, die Bischofs­kon­fe­ren­zen meint. Durch die in die Kir­che, in die Gläu­bi­gen und in den Kle­rus hin­ein­ge­tra­ge­ne Unru­he, sind die Bischö­fe gezwun­gen, jene gene­rel­le Regel zu erlas­sen, auf die der Papst ver­zich­tet hat.

Frage auf 130 Bischofskonferenzen und 3.000 Diözesen abgewälzt

Papst Fran­zis­kus hat die Tür so auf­ge­sto­ßen, daß jede Bischofs­kon­fe­renz und jeder Diö­ze­san­bi­schof Kri­te­ri­en erlas­sen kann, wie­der­ver­hei­ra­te­te Geschie­de­ne zur Kom­mu­ni­on zuzu­las­sen. Die über­lie­fer­te Leh­re müß­te nun von jeder Bischofs­kon­fe­renz und jedem Diö­ze­san­bi­schof ein­zeln bekräf­tigt wer­den. Die Wahr­schein­lich­keit, daß sich auch nur eine Bischofs­kon­fe­renz oder ein Bischof fin­det, der die Unauf­lös­lich­keit der sakra­men­ta­len Ehe auf­weicht, ist anhand von welt­weit rund 130 Bischofs­kon­fe­ren­zen und Bischofs­syn­oden sowie fast 3.000 Diö­ze­sen ziem­lich wahr­schein­lich. In jedem Fall wird aus einer ein­heit­li­chen für die gesam­te Welt­kir­che gel­ten­den Fra­ge eine hun­dert­fa­che Fra­ge gemacht.

Die Spa­ni­sche Bischofs­kon­fe­renz spürt den tat­säch­li­chen oder auch nur gefühl­ten Druck der Gläu­bi­gen und Prie­ster. Die Unsi­cher­hei­ten durch Amo­ris Lae­ti­tia waren bei der Pres­se­kon­fe­renz in Madrid greif­bar. Weder wur­de kon­se­quent bekräf­tigt, daß die Unauf­lös­lich­keit der Ehe auch tat­säch­lich Unauf­lös­lich­keit meint, noch wur­de bekräf­tigt, daß sich fol­ge­rich­tig dar­aus ein kate­go­ri­sches Nein zur Zulas­sung öffent­li­cher Ehe­bre­cher zu den Sakra­men­ten ergibt, wie es die Kir­che immer gelehrt hat.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Reli­gi­on Con­fi­den­cial (Screen­shot)

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