(Rom) Gibt die Spanische Bischofskonferenz den Weg vor, der nach dem Apostolischen Schreiben Amoris Laetitia bald schon für die ganze Kirche gelten könnte? Gestern fand eine Pressekonferenz von Erzbischof Carlos Osoro von Madrid, dem stellvertretenden Vorsitzenden der Spanischen Bischofskonferenz statt. Begleitet wurde er dabei vom Rektor des Priesterseminars seines Erzbistums, einem Professor der Päpstlichen Universität von Salamanca, von José Maràa Gil Tamayo, dem Generalsekretär der Bischofskonferenz und von zwei Jesuiten, denen eine wichtige Rolle zukam.
Zweideutigkeiten von „Amoris Laetitia“ bringen Erzbischof von Madrid in Verlegenheit
Man wolle die Exhortatio von Papst Franziskus „würdigen“, erklärte Erzbischof Osoro den Grund der Pressekonferenz. Bei dieser wurde jedoch deutlich, daß im Klerus wegen Amoris Laetitia beachtliche Unruhe herrscht und zahlreiche Anfragen von Priestern vorliegen, wie sie sich nun zu verhalten hätten.
Nach 55 Minuten theoretischer Darlegungen, die um die umstrittenen Aspekte von Amoris Laetitia einen Bogen machten, kam die erste Journalistenfrage und zielte sofort auf Zweideutigkeiten im päpstlichen Dokument. Was antworte man auf das „mögliche Paradox“, daß ein Priester den wiederverheirateten Geschiedenen die Kommunion gewähren könnte, ein anderer hingegen nicht.
Eine Frage, die Erzbischof Osoro und die anderen Anwesenden in sichtliche Verlegenheit brachte. Keiner wollte auf die Frage antworten, bis schließlich der Jesuit Pablo Guerrero, Pastoraltheologe an der Päpstlichen Universität Comillas, eine Antwort gab, der keiner der anderen Anwesenden widersprach, auch nicht Erzbischof Osoro.
„Das wäre, als würde die Entscheidung im Ermessen des Priesters liegen. Dem ist aber nicht so. Der Papst hat in klarer Ausübung der Synodalität und der Gemeinschaft mit dem gesamten Bischofskollegium der Kirche den Oberhirten einer jeden Diözese aufgefordert, den Priestern seiner Diözese eine Reihe genereller und gleicher Kriterien zu benennen, um Ermessensentscheidungen zu vermeiden. Kein Priester darf sich als Eigentümer des Wortes Gottes fühlen“, so Pater Guerrero.
„Neuer Stil des Lehramtes“: Nicht in „Gute“ und „Schlechte“ unterteilen
Alle Teilnehmer der Pressekonferenz betonten, daß sich die kirchliche Lehre „nicht ändert“. Papst Franziskus habe den Bischöfen jedoch „eine neue Form der Anwendung“ dieser Lehre vorgeschlagen. Das päpstliche Schreiben „empfehle“, so Pater Julio Martinez, Rektor der Päpstlichen Universität Comillas und der zweite Jesuit am Konferenztisch, die Welt nicht in „Reine und Unreine“ und nicht in „Gute und Schlechte“ zu unterteilen.
„Die volle Anerkennung des Lehramtes stehe nicht im Widerspruch zu einer innerkirchlichen Diskussion. Wir stehen vor einem neuen Stil des Lehramtes. Es geht dabei um das harmonische Miteinander zwischen Heil und Moral, um nicht in einen religiösen Rigorismus zu verfallen.“
Damit scheint die Spanische Bischofskonferenz die Aufweichung der Unauflöslichkeit der Ehe anzuerkennen. Denn durch die genannten „allgemeinen und gleichen Kriterien“, die den Priestern als Handlungsanleitung gegeben werden sollen, wird implizit anerkannt, daß es Situationen gibt, in denen die unauflösliche Ehe doch auflösbar sei. Gleichzeitig versucht die Bischofskonferenz anarchischen Verhältnissen vorzubeugen, daß durch Amoris Laetitia jeder Priester nach eigenem Ermessen entscheiden könnte. Die Bischofskonferenz dürfte die Frage nach den „generellen und gleichen Kriterien“ für den Klerus an sich ziehen.
„Taktische Finesse“ des Papstes?
Im Vorfeld der Veröffentlichung des nachsynodalen Schreibens war, je nach Position, die Sorge oder die Hoffnung gehegt worden, Papst Franziskus könnte eine generelle Regel erlassen, mit der er die wiederverheirateten Geschiedenen zur Kommunion zuläßt, damit Scheidung und Zweitehe anerkennt und die Unauflöslichkeit der sakramentalen Ehe aufhebt. Damit hätte er sich in den Augen der Verteidiger des Ehesakraments der Häresie schuldig gemacht. Er tat nichts dergleichen und doch alles. Die „taktische Finesse“ (Secretum meum mihi), wie inzwischen von Befürwortern und Kritikern betont wird, liege gerade im Verzicht auf eine generelle Regel. Damit habe Franziskus zwar keine neue Regel eingeführt, mehr noch aber die bisherige überlieferte Regel nicht mehr bestätigt. Er erweist sich damit als „Türöffner“, ohne dafür belangt werden zu können.
In „Ausübung der Synodalität“, wie der Jesuit Guerrero bei der Pressekonferenz in Madrid erklärte, legte Franziskus durch die Einberufung der Bischofssynoden über Ehe und Familie das Eisen ins Feuer. Mit Amoris Laetitia schob er das nun heiße Eisen den Bischöfen zu, was konkret, seit deren Einführung durch das Zweite Vatikanische Konzil, die Bischofskonferenzen meint. Durch die in die Kirche, in die Gläubigen und in den Klerus hineingetragene Unruhe, sind die Bischöfe gezwungen, jene generelle Regel zu erlassen, auf die der Papst verzichtet hat.
Frage auf 130 Bischofskonferenzen und 3.000 Diözesen abgewälzt
Papst Franziskus hat die Tür so aufgestoßen, daß jede Bischofskonferenz und jeder Diözesanbischof Kriterien erlassen kann, wiederverheiratete Geschiedene zur Kommunion zuzulassen. Die überlieferte Lehre müßte nun von jeder Bischofskonferenz und jedem Diözesanbischof einzeln bekräftigt werden. Die Wahrscheinlichkeit, daß sich auch nur eine Bischofskonferenz oder ein Bischof findet, der die Unauflöslichkeit der sakramentalen Ehe aufweicht, ist anhand von weltweit rund 130 Bischofskonferenzen und Bischofssynoden sowie fast 3.000 Diözesen ziemlich wahrscheinlich. In jedem Fall wird aus einer einheitlichen für die gesamte Weltkirche geltenden Frage eine hundertfache Frage gemacht.
Die Spanische Bischofskonferenz spürt den tatsächlichen oder auch nur gefühlten Druck der Gläubigen und Priester. Die Unsicherheiten durch Amoris Laetitia waren bei der Pressekonferenz in Madrid greifbar. Weder wurde konsequent bekräftigt, daß die Unauflöslichkeit der Ehe auch tatsächlich Unauflöslichkeit meint, noch wurde bekräftigt, daß sich folgerichtig daraus ein kategorisches Nein zur Zulassung öffentlicher Ehebrecher zu den Sakramenten ergibt, wie es die Kirche immer gelehrt hat.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Religion Confidencial (Screenshot)
Es sollte nunmehr ein klares, unzweideutiges Wort von Herrn Kardinal Müller geben.
Kardinal Müller wird sich hüten, päpstlicher als der Papst sein zu wollen, wenn er nicht auf einsamen Posten stehen, bzw. seinen Posten ganz verlieren will. Die Wuerfel sind gefallen. – Die Chance eines oeffentlichen Affronts wurde spätestens auf der (Schein-)Synode vertan, wie bereits ein Mitkommentator etwas weiter vorne ganz richtig feststellte.
Les jeux sont faites – rien ne va plus!
Endlich, es scheint so als haben alle Bischofskonferenzen nur darauf gewartet jetzt Allen ihren eigenen Glaubensabfall, mit dem Segen von Rom, zu praesentieren.
Rom ist mit dem 2.Vatikanum vom Glauben abgefallen, mit kurzen Unterbrechungen ist der Schritt von Nostra Aetate zu dem letzten Schreckensdokument nur konsequent.
Grauenhaft.
Werte Damen und Herren!
Bischof Voderholzer von Regensburg hat im Januar 2016 die Anforderungen an das Amt des Bischofs, wohl stellvertretend für viele Kollegen im Bischofsamt reflekiert und eine bemerkenswerte Episode aus dem Vorfeld des Dogmas von der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel 1950 erzählt. Beides sollte jede/r in aller Ruhe für sich in Beziehung zur gegenwärtigen Situation der Kirche bringen und „sine ira et studio“ bedenken. Er schreibt:
„Wohl aber hat das Konzil erstmals in der Geschichte der Lehrverkündigung eine sehr differenzierte Theologie des Bischofsamtes vorgelegt als die Fülle des apostolischen Dienstamtes mit der Aufgabe, erster Beter, erster Lehrer und erster Verkünder des Glaubens zu sein. Man lese nur Lumen gentium 24 bis 27. Mir selber zittern die Knie, in welch hohem Maße das Konzil das Lehramt der Bischöfe gestärkt hat und was dem Bischof an Verantwortung aufgeladen ist. Der Bischof verspricht bei der Weihe, das ihm anvertraute Gut des Glaubens zu schützen. Er steht mit seiner Existenz dafür ein. Wo und vor wem muss ein Theologe oder eine Theologin aufgestellte Hypothesen verantworten?
Die Theologie hat ihre Aufgabe in der Reflexion des Glaubens auf der Basis des vom Lehramt vorgelegten Glaubensgehaltes. Ein Musterbeispiel für die Zurückhaltung eines Theologen in Bezug auf seine Aufgabe ist der Lehrer von Joseph Ratzinger Prof. Gottlieb Söhngen. Er gehörte zu den deutschen Universitätstheologen, die im Vorfeld der Dogmatisierung der Leiblichen Aufnahme Marias in den Himmel 1948/49 in Gutachten die Nichtdefinierbarkeit aufgrund eines nicht hinreichenden Traditionsbefundes erklärten. Söhngen gehörte damit zur überwiegenden Mehrheit der deutschen Universitätstheologen. Ein besonders scharfer Gegner war Prof. Berthold Altaner. Aber auch Bernhard Poschmann hat ein ganz kritisches Gutachten vorgelegt. Von Söhngen wird erzählt, das man ihn, als man sich zur vorlesungsfreien Zeit nach dem Sommersemester 1950 verabschiedete, gefragt hat, was er denn mache, wenn der Papst in der Zwischenzeit das neue Dogma verkündet. Söhngen muss gesagt haben: Dann werde ich mich daran erinnern, dass die Weisheit der Kirche und ihr Glauben größer ist als die Weisheit eines kleinen Professors und ich werde mich selbstverständlich beugen und das neue Dogma anerkennen.
So ist es dann ja auch in der Tat gekommen. Am 1. November, an Allerheiligen 1950, hat der Papst – zum ersten und bisher letzten Mal übrigens – feierlich einen Glaubensinhalt zum verbindlichen Dogma erklärt“.
Die eben veröffentlichte „Exhortatio“ ist kein Dogma und stellt nach AL3 nicht einmal ein inhaltlich verbindliches lehramtliches Schreiben dar. Die „Ermahnung“ gilt den Weltbischöfen, die erstmalig in dieser konkreten Weise in ihrem bischöflichen Lehramt in die Pflicht genommen werden. Dazu empfehle ich allen Zweifelnden, sich mit dem dialogisch angelegten Offenbarungsverständnis des hl. Bonaventura zu beschäftigen, wie es in der entsprechenden Konstitution des II. Vatikanums unter maßgeblicher Mitwirkung von Prof. Dr. Joseph Ratzinger dargelegt worden ist.
Fortsetzung I
Man sollte bei der „dienstlichen Beurteilung“ von Papst Franziskus keine voreiligen Schlüsse ziehen, sondern bedenken, wofür sich der argentinische Jesuitenkardinal Jorge Bergoglio seit 2005, nachdem seine erste Kandidatur gescheitert war, vor allem aber seit 2009 zu interessieren hatte: für Papst Benedikt XVI. als Theologen! Denn seit 2005 wusste er, wem er eventuell einmal nachfolgen würde.
Daher sollte man die Entscheidung Kardinal Bergoglios für den Papstnamen Franziskus als vorweggenommenen Hinweis auf sein Programm sehen.
Papst Benedikt XVI. hatte erstmalig 2009 die von ihm 1955 an der Ludwig-Maximilians-Universität München eingereichte, aber seinerzeit zunächst abgelehnte Habilitationsschrift in ihrer ursprünglichen Fassung unter dem Titel „Das Offenbarungsverständnis und die Geschichtstheologie Bonaventuras“ veröffentlicht – was für die nachkonziliare Kirche nicht ohne Folgen bleiben konnte, denn mit dieser Analyse hatte Joseph Ratzinger eine neue Sicht auf den kirchlichen Offenbarungsbegriff angestoßen.
Denn der hl. Bonaventura, der bedeutendste Franziskanertheologe des Mittelalters, versteht nach Joseph Ratzinger Offenbarung als Akion, zu der immer auch ein Subjekt gehört, dem offenbart wird. Bonaventuras Auffassung von Heilsgeschichte ist demnach nicht die eines festen Bestandes vorhandener Lehren, aus denen im Laufe der Dogmenentwicklung im Sinne von Syllogismen Neues abgeleitet wird, sondern die einer fortdauernden Heilsgeschichte, bei der die Kirche die Stelle des Subjektes einnimmt, dem offenbart wird. So trete bei den Aposteln zum geschichtlichen Ereignis (apparitio), die Erleuchtung (inspiratio) und zum Lesen und Verstehen der Schrift trete ein inneres Offenbarwerden (revelatio), damit Offenbarung geschieht. Nach Joseph Ratzinger geht Offenbarung ihren materialen Niederschlägen – etwa der Heiligen Schrift – stets voraus und übersteigt sie. Sein Kernsatz lautete: Schrift und Überlieferung sind nicht Quellen der Offenbarung, sondern lediglich Medien ihrer Übermittlung!
Rudolf Voderholzer brachte die Bedeutung von Ratzingers Analysen zum Offenbarungsbegriff für die kirchliche Lehrautorität wie folgt zum Ausdruck:
„Mit dem Aufweis des konstitutiven Verknüpftseins von Offenbarung und Kirche, die Größen „Tradition“, „kirchliches Lehramt“, „Regula fidei“ umfassend, gelingt Joseph Ratzinger letztlich eine Begründung der kirchlichen Lehrautorität im christlichen Ursprungsgeschehen, die wesentlich tiefer greift, als eine bloß theologisch-positivistisch behauptete, von außen autoritativ an die Schrift herangetragene Bedeutung. Es ist paradox, dass eine Studie mit einem solchen die kirchliche Lehrautorität im Offenbarungsgeschehen selbst gründenden Ergebnis offenkundig in Sorge um den rechten Glauben beinahe verhindert worden wäre“.
Spätestens seit 2009, mit der erstmaligen Veröffentlichung aller drei Teile zum Offenbarungsverständnis und der Geschichtstheologie Bonaventuras durften die Modernisten und Relativisten in der DBK und im Jesuitenorden aufhorchen, denn wenn man das Heilsgeschehen und damit die göttliche Offenbarung als etwas Dynamisches unter Einbeziehung des Subjekts Kirche begriff, öffneten sich für sie als Interessierte Türspalten zu allerlei Kirchenreformen, wobei man sogar auf das Verständnis von Papst Benedikt hoffen konnte.
Man spekuliert wohl nicht zu viel, wenn man die im Jahr 2010 eilends in Angriff genommenen Fuldaer Dialogbeschlüsse in diesen Zusammenhang stellt. Das Unverständnis Papst Benedikts XVI. zeichnete sich aber sofort ab, als er im Zeitzusammenhang an Bord der „Città di Fiumincino“ auf dem Weg nach Edinburgh auf die Frage, ob die Kirche nicht dringend zusehen müsse, wie sie wieder anziehender gemacht werden könne mit „Nein“ beantwortete und sagte: „Wer fragt, wie die Kirche attraktiver gemacht werden kann, hat den Weg verloren und sich schon mit der Frage verirrt…Die Kirche verkauft nichts, am wenigsten sich selbst. Ihr ist eine Nachricht anvertraut, die sie unverkürzt weitergeben muss“.
Damit war klar, dass die Dinge, die Lehmann, Zollitsch, Kiechle und Co. mit Mut angehen wollten, im Rahmen des Pontifikats von Benedikt XVI. nicht zu verwirklichen waren. Man brauchte als dessen Nachfolger einen Papst, der bereit war, über das von Joseph Ratzinger herausgearbeitete dialogische Offenbarungsverständnis des Heiligen Bonaventura Kirchenreformen durchzusetzen.
Schluss
Joseph Ratzinger ging bei der Untersuchung des enormen Umfangs an Schriften Bonaventuras von einem Vorverständnis von Offenbarung aus, das Bonaventura gerecht werden sollte. Er sah in ihm den „Zeuge einer katholischen Theologie, die sich ihres evangelischen Erbes noch nachdrücklicher bewusst war, als so manche spätere Theologien, die mehr gegenreformatorisch als katholisch zu sein scheinen“
Es zeigte sich, dass es bei Bonaventura keinen Begriff gibt, der dem modernen Verständnis des Begriffs „Offenbarung“ entspricht. Ratzinger stellte fest: Die direkte Übersetzung von „Offenbarung“ – „revelatio“ – stellt bei Bonaventura nur einen Teilaspekt dessen dar, was als sein Verständnis von Offenbarung verstanden werden konnte, neben anderen Teilaspekten, etwa „manifestatio“, „doctrina“ oder „fides“. Das bedeutete, dass bei Bonaventura Offenbarung nie etwas objektiv gegebenes, zur Verfügung stehendes ist. Diese Sichtweise war etwa mit dem „sola scriptura“ Martin Luthers unvereinbar.
Als Konzilstheologe brachte Joseph Ratzinger die Ergebnisse seiner Analysen zu Bonaventuras Offenbarungsbegriffs insofern ein, als er unmittelbar vor Konzilsbeginn vor den deutschsprachigen Bischöfen einen Vortrag über Offenbarung hielt, bei dem er das aus der Konzilsvorbereitung vorgelegte Schema „De fontibus revelationis“ („Über die Quellen der Offenbarung“) als schon in der Überschrift verfehlt kritisierte. Wie gesagt: Seine zentrale Erkenntnis lautete: Schrift und Überlieferung sind nicht Quellen der Offenbarung, sondern lediglich Medien ihrer Übermittlung. Kardinal Joseph Frings griff die Gedanken seines Mitarbeiters Joseph Ratzinger im Plenum auf, das vorbereitete Schema „De fontibus revelationis“ wurde verworfen.
Die Konstitution über die Göttliche Offenbarung des II. Vatikanischen Konzils Dei Verbum erkennt daher in der Heiligen Schrift das „Wort Gottes in menschlicher Sprache“, das in der Jesuspredigt wurzelt, von den apostolischen Zeugen überliefert und in all ihren Teilen und Quellen von menschlichen Autoren verschriftet worden ist.
Damit wurde zwei bisherigen Ansichten widersprochen: einerseits der Heiligen Schrift als gänzlich verbalinspirierter Offenbarung Gottes und anderseits einer sog. Heiligen Schrift als später, nicht inspirierter Sammlung von mündlichen Überlieferungen, unbekannter hellenistischer Gemeindetheologen.
Auf der Bischofsdoppelsynode zu Ehe und Familie 2014/ 2015 in Rom, dem Auftakt zur allgemeinen Kirchenreformagenda, standen sich allerdings immer noch die Vertreter von zwei Positionen im offenen Konflikt gegenüber: jene Synodale, personalisiert durch die Kardinäle Müller, Burke, Napier und Sarah die mit vielen anderen im Einklang mit der Lehre der Kirche am Zeugnis der apostolischen Zeugen als dem Wort Gottes in menschlicher Sprache gemäß Dei Verbum festgehielten und jenen, die entsprechend den Ergebnissen der protestantischen Leben-Jesu-Forschung in der neutestamentlichen Überlieferung nur reines, nichtapostolisches Menschenwort erkennen konnten, personalisiert durch den Spätdatierer Kardinal Kasper, dessen Position allerdings noch im Jahr 2015 argumentativ zugunsten der apostolischen Frühdatierung erschüttert werden konnte, nachdem sich er und sein Anhang schon im Vorfeld der Synode 2014 mit theologischen Ableitungen zu befremdlichen Aussagen haben hinreißen lassen, die frühzeitig zeigten, dass es den ortskirchlichen und kurialen Progressivisten nicht an Winkelzügen mangeln würde, um Papst Franziskus zu einer allgemeinen, lehramtlich abgesicherten Lockerung der bisherigen Ehelehre zu bewegen: Wiederverheiratete Geschiedene sollten zu den hl. Sakramenten zugelassen und gleichgeschlechtliche Partnerschaften rechtlich in die Kirche integriert werden.
Doch der Verlauf der Synoden führte zu tiefen Verwerfungen in der katholischen Kirche und ließ in den Abstimmungen trotz „Nachhilfen“ nicht erkennen, dass auch nach dem dialogischen Offenbarungsverständnis Bonaventuras, das die Übereinstimmung des Gottesvolkes im Sensus Fidei mit dem Lehramt der Kirche voraussetzt, Schrift und Überlieferung zur überkommenen Ehelehre nicht nur Medien ihrer Übermittlung, sondern tatsächlich Quellen der Offenbarung sein müssen. Dieser Erkenntnis beugte sich Papst Franziskus mit der Exhortatio „Amoris Laetitia“: von der rechtlichen Integration gleichgeschlechtlicher Partnerschaften ist keine Rede mehr und Einzelfallentscheidungen in Sachen Wiederverheirateter Geschiedene delegierte er unter Maßgabe göttlicher Barmherzigkeit an das jeweilige Lehramt des einzelnen Bischofs.
@ Sophus
Vielen Dank für die hervorragende Analyse. Genauso ist es. Ich hörte selbst, dass sich Leute plötzlich auf Ratzingers Habilitation und den angeblichen Offenbarungsbegriff von Bonaventura beriefen, die aus der extrem rahnerisch-subjekttheoretischen Ecke kamen. „Meine Offenbarung mache ich mir selbst“, um es kurz und prägnant auf den Punkt zu bringen.
Fassen wir doch Ratzingers Werdegang zusammen:
1. Seine Habilitation galt 1955 als nicht rechtgläubig und zurecht.
2. Er schrieb sie um und aufgrund dieser wenig orthodoxen Ansichten wurde er sehr jung Konzilsperitus und Professor. Dies bedeutet die „richtigen“ Leute haben ihn erkannt und gefördert.
3. Aufgrund dieser wenig orthodoxen Ansichten wurde er Bischof, Kardinal von Johannes Paul II entdeckt und
4. Präfekt der Glaubenskongregation
5. Papst, der zurücktrat, um für Bergoglio Platz zu schaffen.
Jemand schrieb hier oft und auf traditionalistischen Pius-Foren kann man es nachlesen: „Ratzinger war schon immer ein Modernist und er ist es geblieben.“
Ich würde hier differenzieren und der Wahrheitsgehalt dieser Aussage hängt davon ab, wie weit oder eng man den Begriff „Modernist“ fasst.
Sicherlich sind seine vor-Glaubenskongregation-Werke manchmal von einer zweifelhaften Orthodoxie, die natürlich keine richtige Orthodoxie ist.
Dazu war er zu sehr an der „Moderne“ und der deutschen Hochschullandschaft, der „Forschung“ und „Was-die-Kollegen-sagen“ ausgerichtet.
Sie, Sophus, sagen es sehr durch die Blume, aber Sie sagen es, dass Ratzinger in dem breiten Strom der nachkonziliaren Zersetzung mitgeschwommen ist und dazu selbst beigetragen hat. Dies stimmt, der Papst Franziskus ist nicht vom Himmel gefallen und seine Amoris laetitia auch nicht. Es wurde langfristig vorbereitet, auch von Ratzinger. Zuerst Deus caritas est, danach Caritas in veritate und jetzt Amoris laetitia. Durch Johannes Pauls II Redemptor hominis, Dives in misericordia.
Und ich meine nicht den orthodoxen Teil dieser Enzykliken, sondern den anderen. Denn schon damals mußten sie uns erläutert und von speziell begnadeten Papst-Interpretatoren interpretiert werden, was wohl bei den vorkonziliaren Enzyklika, die für sich selbst sprachen, nicht der Fall war.
Zu Deus caritas est haben wir etwas geschrieben: https://traditionundglauben.wordpress.com/2016/02/12/bichofsperlen-bischof-jaschke-naturlich-gibt-es-homosexuelle-unter-priestern/ Starke Behauptung, aber haltbar.
Die Zersetzung und Unterspülung der Lehre wurde lange vor Amoris laetitia vorbereitet, wie bei diesem armen gekochten Frosch, den alle jetzt ins Gedächtnis rufen. Es fing wahrscheinlich mit Pacem in terris an oder noch früher.
Es scheint, dass es keine Alternative zum Thomismus gibt, denn bei allem anderen kommen Häresien heraus. Na gut, beim strikt thomistischen Gnadenstreit auch oder es ging in diese Richtung Pelagianismus versus Calvinismus, wie man einander beschimpfte, aber die Mehrheit der Häresien ist doch antithomistisch.
Auf Kuba sagt man: „Sozialismus oder der Tod“, wir sagen „Thomismus oder Häresie“.
@ Tradition und Glauben
Wenn Sie zu mir ernsthaft sagen, „Sie, Sophus, sagen es sehr durch die Blume, aber Sie sagen es, dass Ratzinger in dem breiten Strom der nachkonziliaren Zersetzung mitgeschwommen ist und dazu selbst beigetragen hat“ muss ich Ihnen leider rundherum widersprechen. Sie missverstehen mich gründlich, wenn Sie aus meinen drei Texten das herauslesen, was Sie behaupten. Nach Lektüre meines Schlusstextes vom 17.4.2016 AT 18,18 werden Sie die Unhaltbarkeit Ihrer Aussagen erkennen. Ich habe auf mögliche kirchengeschichtliche Zusammenhänge hingewiesen und sie aus meiner historischen Perspektive „unverblümt“ kommentiert. Auch Ihren weiteren, sehr abwertenden Einlassungen, vor allem zum akademischen und kurialen Werdegang von Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI., kann ich kein Verständnis entgegenbringen. Joseph Ratzingers erging es mit seiner vorkonziliare Bonaventura-Analyse in München ebenso, wie Klaus Berger 10 Jahre später mit seiner zurückgewiesenen Doktorarbeit, in der er Jesu Judentum besonders hervorgehoben hatte – heute eine Selbstverständlichkeit! Und bedenken Sie, dass Thomas von Aquin nach einem mystischen Erlebnis seine theologischen Studien schlagartig aufgegeben hat, ohne sich gegenüber seinen Mitbrüdern zu äußern, bevor Sie neben seinen Schriften nichts als Häresien wahrnehmen: Thomismus oder Häresie? Auch in der Theologie sollte man Engführungen vermeiden!
@ Sophus
Nach dem dritten Teil, weiß ich, was Sie meinen. Sie haben so viele Fluchtwege eingeschlagen und soviel Interpretationsspielraum gelassen, dass Sie wahrscheinlich bei der Kirche fest angestellt sind, wahrscheinlich im akademischen Bereich. Denn dort scheut man das klare Wort, jetzt mehr denn je, und jahrzehntelange Gewohnheit macht sich bemerkbar.
Dies ist nicht abwertend gemeint. Ein wenig Bewunderung meinerseits für die Verschleiehurungstechnik der Rahnerismen schwingt da bei schon mit.
Aber Fortschritt und Zeitgemäßheit ist kein theologisches Kriterium. Dieses ist die Treue dem Erlöser gegenüber, den seine Kirche, der er die Wahrheit anvertraute, sehr viel gekostet hat. Und deswegen ist es belanglos, dass etwas 10 Jahre später en vogue ist. Das alles hören wir seit dem Vaticanum II und jetzt haben wir Amoris Laetitia. Reiner Relativismus.
Ich möchte hier nicht alle lehramtlichen Aussagen zum Evolution des Dogmas, welches ja verworfen wird, zitieren. Man kann in die Tiefe gehen, indem man immer mehr versteht, aber nicht in die Breite sozusagen, indem man sich vom Sinn immer mehr entfernt.
Und jetzt lesen wir beim Papst Franziskus die Häresie, dass die christliche Ehe ein hohes Ideal ist, welches sich, so kard. Schönborn, graduell verwirklicht. Eine Schande.
Dazu Paul VI., Erklärung der Glaubenskongregation aus dem Jahre 1973, Denzinger-Hünermann 4540
„Der Sinn der dogmatischen Formeln selbst aber bleibt in der Kirche immer wahr und in sich stimmig, auch wenn er mehr erhellt und vollständiger erkannt wird.
Die Christgläubigen müssen sich also von der Meinung abwenden, nach der erstens die dogmatischen Formeln (oder bestimmte Arten von ihnen) die Wahrheit nicht in bestimmter Weise bezeichnen könnten, sondern nur ihre veränderlichen Annäherungen, die sie gewissermaßen deromierten bzw. veränderten, und zweitens ebendiese Formeln die Wahrheit, die stets durch die obengenannten Annäherungen zu suchen sei, nur in unbestimmter Weise zum Ausdruck brächten. Wer eine solche Meinung gutheißt, entgeht nicht einem dogmatischen Relativismus und verfälscht den Begriff der Unfehlbarkeit der Kirche, der sich darua bezieht, dass die Wahrheit in bestimmter Weise zu lehren und festzuhalten ist …“.
Sehr geehrter @ Tradition und Glauben,
ich würde die Fragestellungen zur Offenbarung, wie sie der junge Ratzinger in seiner Habilitationsschrift behandelte, nicht so einfach wegwischen wollen. In der Tat ist Offenbarung ein theologischer Begriff, der der näheren Bestimmung bedarf. Dass das Wort Gottes immer ein gehörtes Wort ist, also das Hören wesentlicher Bestandteil der Offenbarung ist, hat Ratzinger zu Recht stark betont. Ich kann auch an keiner Stelle in Ratzingers theologischen Schriften erkennen, dass er einer willkürlichen = interessengeleiteten Aneignung des göttlichen Wortes je das Wort geredet hätte. Im Gegenteil, Ratzinger hat immer darauf bestanden, dass Glaube eben nicht das Selbstgemachte ist, sondern das Empfangene. Wo aber Offenbarung ohne diejenigen gedacht wird, denen sie als Empfangende zugedacht ist, wird sie zu einem blinden Akt (Mt 11,15 Wer Ohren hat, der höre!). Wahrheit ist also kein monolitischer Block, der als solcher erkannt wird, sondern Wahrheit kann sich nur in der Zeit ausfalten. Damit ist nicht gesagt, dass Wahrheit nicht überzeitlich ist, im Gegenteil, ihre Überzeitlichkeit wird dem Menschen erst deutlich, indem er sie als Gnazes in der Zeit erfasst. Menschliches Leben und damit Erkennen ist an keinem Punkt, es sei denn durch den Tod, abgeschlossen. Es ist uns also immer möglich, vertiefte Einsichten zu gewinnen. Wovon also theologische – nicht philosophische – Erkenntnis abhängt, ist nicht das blinde Repetieren von Lehrsätzen, sondern von ihrer geistigen Durchdringung, die sich immer in der Zeit vollzieht. Insofern sehe ich an dem, was der junge Ratzinger zu Bonaventuras Offenbarungsverständnis geschrieben hat, nichts „modernistisches“, zumal solche Klischees im theologischen Ringen um das richtige Verständnis im(!) Glauben wenig taugen.
Natürlich liegt in jedem Versuch der geistigen Aneignung immer auch ein Risiko, weil sich ja Verstehen nicht automatisch herstellt, sondern eben ein Akt ist, dem auch das Missverstehen inhärent ist. Problematisch wird es dann, wenn die Intention nicht im Verstehen-wollen liegt, sondern in der Verfügbarmachung unter den eigenen Willen. Dann verkehrt sich die Richtung der geistigen Aneignung hin zur Verschlossenheit, die das eigene Selbst verabsolutiert und an die Stelle Gottes das Ich setzt. Offenbarung ist also immer ein Geschehen, das sich sowohl im Gestern als auch im Heute verwirklicht, denn dem Menschen ist es das Offenbar-werden des göttlichen Wortes, das das richtige Hören voraussetzt. Wo die Selbstsucht zur Taubheit im Glauben führt, offenbart sich nichts, außer das Selbst in seiner Verfangenheit in eingebildeter Macht. Wäre es so, dass der Mensch frei darüber verfügen könnte, was am göttlichen Wort bindend ist und was nicht, dann gäbe es nichts, was offenbart worden wäre.
Was mich an Papst Franziskus wirklich extrem stört, sind seine merkwürdigen, nur skurril zu nennenden „Pressekonferenzen“ in luftiger Höhe, die dann von den Medien zu lehramtlichen Akten erhoben werden. Journalisten sind wirklich keine Adressaten für eine tiefere theologische Reflexion über so schwierige Themen, wie sie sich mit dem Sakramentenempfang verbinden.
Werter @ Tradition und Glauben
Es freut mich für Sie, dass Sie Ihr vereinnahmendes, vorschnelles Lob für meine historische Analyse zurücknehmen, flugs meine drei Texte ab- und neu bewerten und Ihren interessensgeleiteten Ansichten anpassen konnten. Was Sie dabei gesagt oder gemeint haben, sei für mich vorerst dahingestellt, denn dazu müssten Sie sich zuerst mit dem Kommentar des hochverehrten @ Suarez argumentativ auseinandersetzen, der vorweggenommen hat, was ich zu sagen gehabt, aber so nicht gekonnt hätte. Damit lasse ich es bewenden, muss aber bemerken, dass alles, was Sie über meine Person usw. gemutmaßt haben, gänzlich falsch ist und damit wiederum Ihrer Relativierung harrt.
Papst Benedikt XVI. hat einmal zu jenen, die glauben, im Besitz der Wahrheit zu sein, gesagt: „Wir haben nicht die Wahrheit, aber die Wahrheit hat uns“!
Dabei hat er sich wohl auf Jesu Wort im Johannesevangelium bezogen und an jene gerichtet, die Jesu Verheißung an die Apostel über das Weiterwirken des Heiligen Geistes in der Kirche ignorieren: „Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber nicht könnt ihr es tragen jetzt; wenn aber kommt jener, der Geist der Wahrheit, wird er führen euch in die ganze Wahrheit; denn nicht wird er reden aus sich selbst, sondern was er hören wird, wird er reden, und das Kommende wird er verkündigen euch“ (Joh 16,12.13, Münchner Neues Testament).