Kommentar von Giuseppe Nardi
(Rom) Trotz der beeindruckenden zwei Millionen Katholiken und Menschen guten Willens, die sich in Rom zum Family Day versammelten, hat in Santa Marta kein Umdenken stattgefunden. Bischof Galantino, der „Mann des Papstes“ in der Italienischen Bischofskonferenz torpedierte die Kundgebung und versucht auch jetzt deren politische Wirksamkeit zu minimieren.
Auch der päpstliche Hausvatikanist Andrea Tornielli versucht, zusammen mit anderen Kollegen derselben Richtung, die Bedeutung der mächtigen Kundgebung herunterzuspielen. Von beiden darf angenommen werden, daß sie mit Rücksprache in Santa Marta handeln.
Franziskus mag weder Family Day noch Manif pour tous
Beide schrecken nicht davor zurück, sich über Katholiken lustig zu machen, die auf die Straße gehen. Torniellis Mittel sind Verzerrung und Banalisierung. Dabei spottet er sogar über die Internet-Zeitung Nuova Bussola Quotidiana, deren Chefredakteur er selbst einmal war – allerdings noch zu Zeiten Benedikts XVI.
Damals war Tornielli auch noch ein eiserner Ratzingerianer, wenn auch mit unterentwickeltem Draht zu dessen liturgischem Gespür für die überlieferte Form des Römischen Ritus. Doch Benedikt XVI. ist Vergangenheit. Heute ist Franziskus, und der sieht manches anders.
Vor allem mag Franziskus nicht solche Kundgebungen wie den Family Day oder Manif pour tous mit denen für genuin katholische Anliegen eingetreten wird. Um genau zu sein, sind sie ihm sogar ziemlich zuwider. Das ist wie mit jenen Katholiken, die an der katholische Tradition und dem überlieferten Ritus festhalten, die er schon mehrfach als „Pelagianer“ herabsetzte.
Franziskus mag die roten Schafe der „Volksbewegungen“
Papst Franziskus liegen die „schwarzen“ Schafe näher, die sich bei näherem Hinsehen als rote Schafe entpuppen. Massenansammlungen der „Volksbewegungen“, ein vom Papst selbst geprägter Begriff für Bewegungen, die mit linker Diktion für sozialpolitische Forderungen kämpfen, sind ihm wesentlich sympathischer. Allianzen mit marxistischen Linksbewegungen stören ihn nicht. Auch nicht, daß sein Vertrauensmann in Sachen Annäherung der Kirche an die UNO-Weltpolitik, Kurienbischof Marcelo Sanchez Sorondo, dem Vorschlag von linksradikaler Seite applaudierte, Franziskus zum Anführer einer neuen „Papistischen Internationale“ zu machen, die an die Stelle der alten „Kommunistischen Internationale“ treten solle.
Für die „Volksbewegungen“ organisierte Papst Franziskus bereits zwei internationale Treffen. Das erste 2014 in Rom, das zweite 2015 in Bolivien.
Für die Lebensrechtsbewegungen organisierte Papst Franziskus … bisher noch gar nichts. Wenn inzwischen Zehntausende beim Marsch für das Leben in Rom auf den Petersplatz ziehen und am Angelus teilnahmen, müssen sie froh sein, wenn sie der Papst grüßt.
Kein Kratzen an der linken Doktrin der „Unkultur des Todes“
Lebensrechts- und Familienbewegungen wie Manif pour tous, Family Day, Marsch für das Leben müssen sich mit päpstlichen Pflichtübungen begnügen. Kein Signal besonderen Wohlwollens, keine Geste der Wertschätzung, kein über das Pflichtprogramm hinausgehendes Lächeln. Vor allem gibt es keinen Papst-Vertrauten, den Franziskus damit beauftragt hat, mit diesen Bewegungen ständigen Kontakt zu halten, wie es Bischof Sanchez Sorondo auf offizieller und informeller Ebene bei den „Volksbewegungen“, der radikalen Linken und der UNO tut.
Bei Franziskus gibt es nicht einmal ein Kratzen an der linken Doktrin der „Unkultur des Todes“. Das politische Denken und Handeln des Papstes setzt der angestrebten linksliberalen Welt, am besten repräsentiert durch die der Demokratischen Partei nahestehenden US-Eliten, jedenfalls nichts entgegen.
Kardinal Martinis Erbe
Nur, in einer solchen Welt gibt es keinen Platz mehr für die Katholische Kirche, bestenfalls noch als handzahm verlängerter religiöser Arm des Staates, wie ihn sich schon manch aufgeklärter Herrscher im späten 18. Jahrhundert vorgestellt hatte.
Dann hätte Kardinal Carlo Maria Martini (+ 2012), Jesuit wie Franziskus, Recht gehabt, als er der Kirche vorwarf, 200 Jahre der Entwicklung hinterherzuhinken. Dann hätte sich die Kirche 1780 dem Josephinismus und 1790 der Constitution civile beugen und den Kampf um ihre Unabhängigkeit und Lebendigkeit aufgeben sollen.
Die Kirche ist aber keine Figur auf dem Schachbrett der gerade Mächtigen und ihrer Politik, sondern der mystische Leib Christi. Wohin also will Franziskus die Kirche führen?
Cure Patres Cardinales Franciscum Summo Pontifici fecerunt?
Bild: MiL