Pfarrer führt Katholiken zum Freitagsgebet in Moschee – Warum überhaupt Moscheebesuche?


Katholiken und Moslems beim Freitagsgebet in der Moschee. Pfarrer Bigumira im blauen Pullover hinter dem Imam.
Katholiken und Moslems beim Freitagsgebet in der Moschee. Pfarrer Bigumira im blauen Pullover hinter dem Imam.

(Paris) Kaum sind die Regio­nal­wah­len in Frank­reich von den Medi­en ad acta gelegt, ste­hen das Ver­hält­nis zum Islam und der inter­re­li­giö­se Dia­log wie­der im Mit­tel­punkt der Bericht­erstat­tung. Am ver­gan­ge­nen Frei­tag führ­te Abbé Emi­le Bigu­m­i­ra eine Grup­pe von 20 Katho­li­ken der Pfar­rei Saint Gil­das zum isla­mi­schen Frei­tags­ge­bet in die Moschee der tür­ki­schen Gemein­de von Auray.

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„Wir glau­ben an den­sel­ben Gott“, begrün­de­te, laut der Tages­zei­tung Le Télé­gram­me, der aus der Demo­kra­ti­schen Repu­blik Kon­go (Ex-Zai­re) stam­men­de Pfar­rer sei­ne unge­wöhn­li­che Initia­ti­ve. Die Absicht der Geste sei es gewe­sen, jeder Form von Gewalt im Namen der Reli­gi­on eine Absa­ge zu ertei­len. Die Idee sei wegen der blu­ti­gen, von Mos­lems began­ge­nen Atten­ta­ten von Paris am ver­gan­ge­nen 13. Novem­ber ent­stan­den. Die katho­li­schen Gläu­bi­gen nah­men, ange­spornt von ihrem Pfar­rer, am mos­le­mi­schen Frei­tags­ge­bet teil und lausch­ten der Pre­digt von Imam Fatik Öztürk.

Abbé Bigumira: „Wir haben nicht dieselbe Religion, aber denselben Gott“

„Der Islam ist eine Reli­gi­on des Frie­dens und der Lie­be“, habe Öztürk erklärt. „Der Koran leh­ne Kri­mi­na­li­tät und Ter­ro­ris­mus ab. Es ist unse­re Pflicht, für unse­re Kin­der die wah­ren Wer­te des Islams zu lernen.“

Im Vor­feld der Initia­ti­ve hat­te Abbé Bigu­m­i­ra erklärt: „Wir haben nicht die­sel­be Reli­gi­on, aber im Grun­de haben wir viel gemein­sam wie die Brü­der­lich­keit und die Näch­sten­lie­be. Vor allem aber glau­ben wir an den­sel­ben Gott“. Das gemein­sa­me Ziel sei es, so der Pfar­rer, am Auf­bau einer „neu­en Mensch­heit“ zu arbeiten.

Die Geste stieß nicht auf unge­teil­te Zustim­mung. Wäh­rend nie­mand die Bedeu­tung des inter­re­li­giö­sen Dia­logs in Fra­ge stell­te, wur­de erheb­li­che Kri­tik am „gemein­sa­men Gebet“ geäu­ßert und an der Fest­stel­lung, daß „wir an den­sel­ben Gott glau­ben“. Die Mos­lems ken­nen weder die zwei­te noch die drit­te Per­son Got­tes. Die Hei­li­ge Schrift und die christ­li­che Über­lie­fe­rung schlie­ßen es aus, daß jemand das ewi­ge See­len­heil erlangt, der Chri­stus oder den Hei­li­gen Geist ver­leug­net. Die Behaup­tung, Mos­lems und Chri­sten wür­den den­sel­ben Gott anbe­ten, kön­ne daher nicht zutref­fend sein.

Samir Khalil Samir: „Authentischer Dialog nur auf dem Boden der Vernunft“

Das Bei­spiel von Abbé Bigu­m­i­ra und sei­ner Pfar­rei las­sen unter Chri­sten eine Ver­wir­rung erken­nen, die dem wirk­li­chen Dia­log mit Anders­gläu­bi­gen nicht nütz­lich ist, son­dern die Gefahr eines sorg­lo­sen Syn­kre­tis­mus birgt. Ein bekann­ter Islam­ex­per­te, der ägyp­ti­sche Jesu­it Samir Kha­lil Samir, sprach in einer Rede von 2006 von der Not­wen­dig­keit, mit dem Islam nicht einen theo­lo­gisch-reli­giö­sen, son­dern einen kul­tu­rel­len Dia­log auf­zu­bau­en. Die­se For­de­rung erfolg­te unter Beru­fung auf die Regens­bur­ger Vor­le­sung von Papst Bene­dikt XVI., für den ein authen­ti­scher Dia­log mit dem Islam auf der für alle gemein­sa­men Grund­la­ge der Ver­nunft zu füh­ren sei.

2004 sag­te der dama­li­ge Kar­di­nal Joseph Ratz­in­ger zum Histo­ri­ker Erne­sto Gal­li del­la Log­gia, einem stän­di­gen Kolum­ni­sten des Cor­rie­re del­la Sera, daß „der Logos ver­mit­tel­bar ist, weil er zu unse­rer gemein­sa­men mensch­li­chen Natur gehört“. Wenn jemand einen Schatz der Wahr­heit und der Lie­be gefun­den habe, sei es eine Pflicht, ihn zu ver­mit­teln. „Die Ratio­na­li­tät ist daher Postu­lat und Zustand des Chri­sten­tums“, um uns auf fried­li­che und posi­ti­ve Wei­se mit dem Islam und den asia­ti­schen Reli­gio­nen auseinanderzusetzen.

Das Problem ist, daß Europa dem Positivismus statt der Vernunft folgt

Das Pro­blem ist, wie das Bei­spiel im fran­zö­si­schen Auray zeigt, daß das Abend­land – heu­te Westen genannt, was ein Syn­onym scheint, aber gei­stes­ge­schicht­lich, kul­tu­rell, aber auch poli­tisch nicht das­sel­be meint – vom Weg die­ser Ratio­na­li­tät abge­kom­men scheint, die zu einem authen­ti­schen Dia­log befä­hi­gen wür­de. Statt des­sen folgt Euro­pa einem posi­ti­vi­sti­schen Den­ken, das „die gro­ßen Wer­te unse­res Seins zur Sub­jek­ti­vi­tät redu­ziert“, wie Kar­di­nal Ratz­in­ger damals sagte.

„Initia­ti­ven, wie jene von Abbé Bigu­m­i­ra, so gut die Absich­ten auch sein mögen, för­dern nicht die Rück­kehr zur Ratio­na­li­tät, von der Bene­dikt XVI. in Regens­burg gespro­chen hat. Die Fra­ge, auf die wir ant­wor­ten müs­sen, ist eine ande­re: Sind wir imstan­de, einen Dia­log zu füh­ren, der eine rea­li­sti­sche Sicht der Per­son und der Men­schen­wür­de her­vor­bringt?“, so Nuo­va Bus­so­la Quo­ti­dia­na.

Inzwi­schen wur­de in Frank­reich eine Unter­schrif­ten­samm­lung gestar­tet, um Abbé Bigu­m­i­ra wegen „Häre­sie­ver­dacht“ als Pfar­rer von Auray abzuberufen.

Umstrittene Moscheebesuche der Päpste

Im Zusam­men­hang mit dem Vor­fall von Auray wird grund­sätz­lich die Fra­ge gestellt, war­um für den inter­re­li­giö­sen Dia­log Moscheen zu besu­chen sei­en oder in Moscheen gebe­tet wer­den müs­se. Den umstrit­te­nen Auf­takt mit welt­wei­tem Auf­se­hen setz­te Papst Johan­nes Paul II. erst am Beginn des drit­ten Jahr­tau­sends. Vier Mona­te vor den 9/11-Atten­ta­ten in den USA besuch­te er die Oma­ja­den­mo­schee in Damas­kus. Ein Prä­ze­denz­fall, den seit­her jeder Papst mein­te, wie­der­ho­len zu müs­sen. Johan­nes Paul II. brach 2001 das Tabu, beließ es aller­dings bei einem Moschee­be­such. Die umstrit­te­ne Fra­ge, ob der Papst dabei sogar ein Exem­plar des Korans küß­te, soll an die­ser Stel­le gar nicht the­ma­ti­siert werden.

Von Bene­dikt XVI. wird gesagt, er habe im Dezem­ber 2006 die Blaue Moschee in Istan­bul nur unter dem Ein­druck der mas­si­ven inter­na­tio­na­len Kri­tik und blu­ti­gen Aus­schrei­tun­gen wegen sei­ner Regens­bur­ger Rede besucht. Es soll­te jeden­falls bei die­sem einen Besuch bleiben.

Papst Fran­zis­kus besuch­te in sei­nem noch kur­zen Pon­ti­fi­kat hin­ge­gen bereits zwei Moscheen: im Novem­ber 2014 in Istan­bul und im Novem­ber 2015 in Ban­gui. Sind die Päp­ste Opfer pro­zeß­haf­ter Zwän­ge? Auf ihr Vor­bild kön­nen sich Kir­chen­ver­tre­ter und Gläu­bi­ge beru­fen, obwohl kein Papst bis­her Katho­li­ken zum Besuch einer Moschee auf­for­der­te. Pfar­rer Bigu­m­i­ra setz­te den­noch letzt­lich fort, was ande­re begon­nen haben und ging zwei Schrit­te wei­ter, indem er nicht ein­fach eine Moschee besuch­te, son­dern dies zum Frei­tags­ge­bet tat, und ande­re Katho­li­ken dazu einlud.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Le Tele­gram­me (Screen­shot)

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