Fünf Jahre nach dem Hitlerkrieg heroisierte ein ehemaliger SS-Führer und SPIEGEL-Autor den SS-Hauptsturmführer Arthur Nebe, der die technische Organisation der NS-Massenmorde an kranken und behinderten Menschen leitete.
Gastbeitrag von Hubert Hecker.
Die nationalsozialistischen Gasmorde an Kranken und Behinderten wurden nach kirchlichen Protesten eingestellt
Ab dem 13. Januar 1941 wurden in den Räumen der ehemaligen Heilanstalt Hadamar mehr als 10.000 kranke und behinderte Menschen in einer Gaskammer mit Kohlenmonoxyd ermordet. Die Täter waren nationalsozialistische Krankenschwestern, Pfleger und Ärzte, viele davon Mitglieder der SS.
Sieben Monate später, am 13. August 1941, protestierte der damalige Bischof von Limburg, Dr. Antonius Hilfrich (+1947), in einem Brief an Justizminister Franz Gürtner (+1941) gegen den Massenmord an Kranken und Behinderten in der Vernichtungsanstalt Hadamar.
Schon im Juli 1941 hatten die deutschen Bischöfe in einer Denkschrift sowie mit einem gemeinsamen Hirtenbrief die Nazi-Morde an „unnützen Essern“ – so der verächtliche NS-Jargon – verurteilt.
Die drei bekannten Protest-Predigten des Münsteraner Bischofs Clemens August Graf von Galen (+1946) wurden im Bistum Limburg tausendfach kopiert und von Jugendlichen heimlich verteilt.
Nach den Protesten der Kirche wurde die sogenannte „Euthansie“-Aktion am 24. August 1941 vorläufig eingestellt. Insgesamt hatten die Nazis in sechs reichsdeutschen Anstalten mehr als 70.000 Kranke und behinderte Deutsche ermordet.
Der SPIEGEL stellte publizistische ‚Persilscheine’ für schlimmste NS-Verbrecher aus
Keine fünf Jahre nach dem Untergang des Nazi-Regimes begann ‚Der SPIEGEL’, die SS-Verantwortlichen für die Organisation der Massenmorde an Kranken reinzuwaschen.
Der Gründer des Hamburger Nachrichtenmagazins, Rudolf Augstein, hatte in den Gründerjahren der Wochenschrift ein halbes Dutzend hochrangige SS-Führer in die Redaktion hineingezogen. Weitere SS-Mitglieder dienten Augstein als Informanten und Artikelschreiber.
Den ehemaligen SS-Hauptsturmführer Bernhard Wehner ließ Augstein ab Herbst 1949 eine dreißigteilige SPIEGEL-Serie schreiben, in der dieser seinen früheren Chef, den Gasmordspezialisten Arthur Nebe, als ehrenvollen Kriminalisten hochjubelte.
Der SS-Gruppenführer Nebe war in Wirklichkeit einer der schlimmsten Kriegsverbrecher. Als Leiter der SS-Einsatzgruppe B war er im Sommer 1941 verantwortlich für die Ermordung von mehr als 45.000 Zivilisten in Russland.
Zwei Jahre vorher fungierte er im Reichssicherheitshauptamt, der Terrorzentrale der SS, als Verantwortlicher für die Tötungstechnik und Logistik der NS-Krankenmorde.
Beide Verbrechenskomplexe, in die Arthur Nebe verstrickt war, wurden vom SS-SPIEGEL-Autor Wehner vertuscht, beschönigt oder einfach verbrecherische Aktionen unterschlagen, um seinen früheren SS-Chef zu reinzuwaschen. Die Serie „Das Spiel ist aus“ wurde anonym publiziert – somit zeichneten Augstein und die SPIEGEL-Redaktion verantwortlich für die breit angelegte Serie zur Verharmlosung, Relativierung und Leugnung von Nazi-Verbrechen.
Technische Perfektion bei der Durchführung der NS-Krankenmorde
Nachdem im Herbst 1939 in der ‚Kanzlei des Führers’ die Entscheidung zu den Krankenmorden gefallen war, beauftragte sie den Reichskriminaldirektor im Reichssicherheitshauptamt, Arthur Nebe, damals SS-Hauptsturmführer, mit der Auswahl und Erprobung geeigneter Tötungsverfahren. Nebe und seine technischen Berater entschieden sich dafür, die „Tiere in Menschengestalt“ – so die zynische Bemerkung der SS-Führers – mit Kohlenmonoxyd zu vergiften.
Ab Mitte Oktober 1939 führte das ‚Kriminaltechnische Institut’, eine Unterabteilung in Nebes Referat, erste Probevergasung in einem Bunker von Fort VII nahe Posen durch. Bis Mitte 1940 wurden in dieser Gaskammer etwa 400 polnische Kranke durch Einleitung von Kohlenmonoxyd aus Gasflaschen umgebracht.
Zur gleichen Zeit „säuberte“ das SS-Sonderkommando Herbert Lange (+1945) die pommerschen, ostpreußischen und polnischen Heilanstalten von Kranken mittels einer ‚mobilen’ Gastechnik: Aus Gasflaschen von einem Anhängerwagen leitete man Kohlenmonoxyd in einen abgedichteten Lastwagenaufbau ein. Mit dieser Methode ließ SS-Hauptsturmführer Lange, ebenfalls ein Mitarbeiter Nebes, mehr als 6000 polnische und deutsche Patienten ermorden.
Probevergasungen an Zuchthäuslern
Eine weitere Probevergasung unter Nebes Regie an 20 geisteskranken Zuchthäuslern in der Landesanstalt Brandenburg Mitte Januar 1940 sollte das Muster für alle weiteren Krankentötungen darstellen:
Kranke werden unter dem Vorwand des Duschens nackt in einen gekachelten Raum geführt, der mit einer schweren eisernen Luftschutztür hermetisch abgeschlossen wird.
Ein Arzt überwacht durch ein kleines Sichtfenster vom angrenzenden Gasflaschenstand aus die Tötungsaktion und dosiert über einen Hebel-Mechanismus Kohlenoxyd in den getarnten Duschraum.
Das tödliche Gas verbreitet sich über ein von unten durchlöchertes Rohr in dem Tötungsraum, so dass die eingeschlossenen Menschen nach einiger Zeit ersticken.
So wie die ‚Kanzlei des Führers’ verwischt auch der SPIEGEL die Verantwortlichkeiten am zehntausendfachen Krankenmord
Verantwortlich für die ungesetzliche Krankenmordaktion war die Kanzlei des Führers. Damit aber Führer und NS-Partei möglichst wenig bei der Mordaktion in Erscheinung treten sollten, wurden verschiedene Tarnorganisationen gegründet – die berüchtigten „T4“-Stellen. Bei diesem Tarnungs- und Vertuschungssystem bezüglich der Verantwortlichkeiten für die so genannte „Euthanasie“-Aktion – eine weitere Vertuschung sprachlicher Art – übernahm das kriminaltechnische Institut von SS-Führer Nebe die Bestellung und Weiterleitung der Kohlenoxyd-Gasflaschen von der Badischen Anilin- und Soda-Fabrik in Ludwigshafen – damals IG Farbenindustrie – an die sechs reichsdeutschen Krankenmordanstalten. Auch beim Zahngold, das den Krankenleichen vor der Einäscherung ausgebrochen wurde, besorgten Nebes Leute die Verbringung zur Frankfurter Firma Degussa. Der Gegenwert wurde der Krankenmordorganisation „T4“ gutgeschrieben.
SS-Hauptsturmführer und Reichskriminaldirektor Arthur Nebe war somit verantwortlich für die technische und logistische Durchführung der NS-Ermordung an 70.000 kranken Menschen aus deutschen Heilanstalten. Von dieser Verantwortung Nebes und seinen verbrecherischen Aktivitäten in diesem Komplex erfährt man in der dreißigteiligen (!) SPIEGEL-Serie kein einziges Wort.
Vertuschen und Verschweigen der verbrecherischen Ideologie und Taten
Auch über Nebes Anweisungen für die kriminaltechnischen Abteilungen wie Erprobung von Tötungstechniken, Probevergasungen an „minderwertigen Existenzen“, Organisierung der tödlichen Gasflaschen etc. schweigt Wehner, um seinen SS-Freund zu entlasten. Über Nebes erbbiologischer NS-Ideologie bei der kriminalistischen Verfolgung von „Asozialen, Trinkern und Kleinkriminellen“ klärt die Magazin-Serie nicht auf. Zu Nebes verächtlichen Äußerungen zu Kranken und Behinderten – verräterisches Schweigen. Dafür bringt der SPIEGEL-Autor selbst viel Verständnis auf für die ideologische Rechtfertigung der „Tötung Lebensunfähiger“, wie sie in dem nationalsozialistischen „Euthanasie“-Rechtfertigungsfilm „Ich klage an“ von 1942 verbreitet wurde.
Eine SPIEGEL-Enthüllungsstory auf Kosten der Wahrheit, aber auflagesteigernd
Eine Analyse von Form und Inhalt, Zeitkontext und Ideologie der Artikelserie des Hamburger Magazins führt zu den nachstehenden Thesen, die in den folgenden Beiträgen weiter erhärtet werden:
„¢ Die SPIEGEL-Serie mit dem dreiteiligen Titel: „Das Spiel ist aus – Arthur Nebe. Glanz und Elend der deutschen Kriminalpolizei“ ist als Enthüllungs- und Aufklärungsgeschichte aufgemacht, bei der dem Leser über einen „personalisierten Approach“ – so der heutige SPIEGEL-Jargon – eine Hintergrunderzählung mit Tricks und Tratsch, Kompetenz und Korruption aufgetischt wird.
„¢ Den lesehungrigen Menschen der Nachkriegszeit wird von einem Insider Einblick in verschiedene kriminelle Milieus über die Schultern der Kripo gewährt, eine spannende und scheinbar unpolitische Fortsetzungsgeschichte mit gewissermaßen 30 abgeschlossenen historischen Krimis.
„¢ Das Stück wird als tragische Heldenerzählung aufgeführt, bei der Kriminal-Regierungsdirektor Arthur Nebe den Glanz der deutschen Kripo ohne jegliches Elend repräsentiert, aber der Held tragischerweise kurz vor Kriegsende „unschuldig“ hingerichtet wird.
„¢ Nach den Hunger- und Trümmerjahren der Nachkriegszeit und mit Aufbau-Beginn des neuen Weststaates konnte von einer interpretierend-entlastenden Darstellung der deutschen Gesellschaftsgeschichte in der NS-Zeit von 1933 bis 45 ein Sprung in der Auflagensteigerung erwartet werden.
„¢ Die große Erzählung von der deutschen Kriminalpolizei als absolut rechtschaffene und „saubere“ Institution, die nichts mit den Verbrechen von SS, SD und Gestapo zu tun gehabt hätte, ließ sich problemlos auf andere Institutionen wie Wehrmacht, Wirtschaft, Universitäten oder auch Großgruppen wie Ingeneure, Mediziner, etc. übertragen und bildete so ein gesellschaftsweites Interpretationsmuster zur Entlastung der jeweils eigenen Beteiligungsgruppe in der NS-Zeit.
„¢ Für die totale Verdrehung der historischen Wahrheit in ihr Gegenteil brauchte der SPIEGEL einen tüchtigen Geschichtenerzähler und ein unverfängliches Sujet: Mit dem Spezialisten für die deutsche Kripo-Geschichte, Kriminalrat Dr. Bernhard Wehner, SA- und NSDAP-Mitglied seit 1931 sowie SS-Führer und Mitarbeiter des Chefs des Reichskriminalpolizeiamtes Arthur Nebe, hatte Augstein den idealen Stückeschreiber angeheuert.
„¢ Neben der vollständigen Rehabilitierung und Entlastung der deutschen Kriminalpolizei unter Ausblendung ihrer Verstrickung in NS-Ideologie und ‑Verbrechen erlaubte die Darstellung der unverfänglichen kriminalistischen Aktivitäten gelegentlich doch ein verständnisvolles Einflechten von nationalsozialistischer Politik, wie die folgenden Beispiele zeigen:
Verständnis des SPIEGEL-Autors für Hitlers inszenierten Propaganda-Überfall
Dass die Rechtfertigung des SS-Führers Nebe durch den ehemaligen SS-Mann und spätere SPIEGEL-Autor nicht auf einen „persönlichen Freundschaftsdienst“ zu reduzieren ist, zeigt sich daran, dass der offensichtlich immer noch tiefbraun gefärbte Serienautor Wehner weitere nationalsozialistische Verbrechen verharmlost. So bringt der SPIEGEL-Schreiber noch vier Jahre nach Kriegsende viel Verständnis auf für Hitlers durchsichtigen Vorwand zum Krieg gegen Polen. Wehner verharmlost das von SS-Leuten inszenierte Propaganda-Täuschungsmanöver „polnischer Überfall auf den Sender Gleiwitz“ als einen Kinderstreich, den „größten Bubenstreich gegen die moderne Menschheit“.
Der SPIEGEL lanciert eine weitere Dolchstoßlegende
Zu dem Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 ließ Augstein den ehemaligen SS-Mann Wehner schreiben: „Der einzige Revolutionär unter den Putschisten, der Graf Stauffenberg, war bei allen menschlichen und geistigen Qualitäten ein politischer Wirrkopf. Wäre dieser eindrucksvolle Organisator zum Zuge gekommen, ständen die Russen heute (1950) nicht an der Elbe, sondern mindestens am Rhein.“ Hintergrund dieser Behauptung ist die Nazi-Propaganda in den späteren Kriegsjahren, dass Hitlers Truppen die westliche Zivilisation gegen die vordrängende sowjetisch-asiatische Barbarei verteidigen würden. Unter diesem ideologischen Aspekt sollte das Stauffenberg-Attentat als Dolchstoß-Aktion eingeordnet werden.
Der Autor war 13 Jahre lang pädagogischer Mitarbeiter in der Gedenkstätte Hadama
Text: Hubert Hecker
Bild: Una Fides
Der Spiegel hat sich schon immer durch Verleumdungen und Kirchenfeind hervor getan. Des-
halb muss man sich nicht wundern, wenn der Spiegel die Hitler-Tyrannei und was damit zusam-
men hängt, verharmlost und unkritisch beschreibt. Dagegen werden die Bekenntnisse und der
Widerstand durch die Kirche, wie Bischof Graf von Galen, unterbewertet und klein geredet. Dem
Spiegel geht es nur um Auflagen und Publick und koste es auch die Wahrheit.
Wenn es nur beim Kleinreden bliebe. Leider werden die katholische Kirche, katholische Organisationen, katholischer Klerus und Laien, deren Gegenerschaft zum Nationalsozialismus durch historische Untersuchungen glasklar erwiesen ist und der Erlebnisgeneration sonnenklar war, von solchen linken Revolverblättern und ihren Lohnschreibern aufgrund nichtigster Anlässe oder bewusst verzerrender Interpretationen perverser Weise in die Nähe des Nationalsozialismus gerückt. Den naiven Nachgeborenen, die in antiautoritären Verhältnissen aufgewachsen sind und vom Leben und den Zuständen in einer totalitären Diktatur wie dem Nationalsozialismus keinen blassen Schimmer haben, kann man natürlich im Nachhinein das Blaue vom Himmel erzählen. Da reicht ein bloßes „Heil Hitler“ unter einem offiziellen Schreiben an eine NS-Organisation und schon wird der dem SPIEGEL (als auch dem tonangebenden Linkskatholizismus) politisch unliebsame, weil konservative Oberhirte als Nazi verunglimpft. Bestes Beispiel hierfür – neben Kardinal Bertram – ist in jüngster Zeit der Regensburger Bischof Rudolf Graber, ein untadeliger Mann und ausgesprochener Gegener des NS-Staates, der, von 33 bis 45 unter Polizeibeobachtung stehend, sogar hier, auf diesen angeblich katholischen Seiten von SPIEGELgläubigen Zuschreibern ungehindert als „gigantischer Hitlerbejubler“ und „extremer Antisemit“ auf die ehrabschneidenste Weise verleumdet werden kann. Dies ist umso empörender, als die wahren Nazis, gewendete SS- und NSDAP-Mitglieder und noch weit schlimmere NS-Täter(so wie oben aufgeführt) ausgerechnet in den Redaktionsstuben dieses Blattes ihren Unterschlupf und ihr erkleckliches Auskommen fanden und unter Brandt zum bundesdeutschen links-liberalen Establishment gehörten, wo sie sich, mit der Attitüde des unbestechlichen Aufklärers, zum moralischen Gewissen der Nation aufwarfen und andere heuchlerisch mit Dreck bewarfen, während sie ihre eigene Nazi-Verstrickung unter den Teppich kehrten. Ekelhaft!
Der Spiegel und die Wahrheit. Was hat das Eine mit dem Anderen zu tun ?