Vatileaks 2: Neue Raben und alte Strategien – Wenn Tornielli Magister vergißt


Rabe gegen Taube auf dem Petersplatz
Rabe gegen Tau­be auf dem Petersplatz

(Rom) Der Schrift­lei­ter der katho­li­schen Inter­net­zei­tung Nuo­va Bus­so­la Quo­ti­dia­na, Ric­car­do Cascio­li, ana­ly­siert den neu­en Vati­leaks-Skan­dal, der zu zwei Ver­haf­tun­gen führ­te. Er berich­tet, was Katho​li​sches​.info berich­te­te, aber ande­re Vati­ka­ni­sten nicht berich­ten, und er zeigt die Gedächt­nis­lücken eini­ger Kol­le­gen auf, vor allem auch die Dam­na­tio, die gegen San­dro Magi­ster aus­ge­spro­chen wur­de, den ersten, der klar­sich­tig und mutig gewarnt hat­te. Doch Magi­ster ist wegen sei­ner unbe­stech­li­chen Kri­tik, auch an Papst Fran­zis­kus, in Ungna­de gefal­len und wird seit­her von den Höf­lin­gen unter den Vati­ka­ni­sten als Aus­sät­zi­ger behan­delt. Die Stra­fe, Magi­ster wur­de die Akkre­di­tie­rung des Hei­li­gen Stuhls ent­zo­gen, ist nur die eine Sei­te. Sie hat eine Rei­he von Fol­ge­stra­fen nach sich gezo­gen. Dazu gehört auch die sozia­le Äch­tung. Magi­ster hat­te den Papst gewarnt. Ver­geb­lich. Gedankt wur­de es ihm nicht. Auch jetzt nicht. Die Höf­lin­ge haben sei­ne War­nung ein­fach vergessen.

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Neue Raben, alte Strategien

von Ric­car­do Cascioli

Die Ver­haf­tung von Msgr. Lucio Angel Val­le­jo Bal­da und von Fran­ce­s­ca Chau­o­qui, die beschul­digt wer­den, Jour­na­li­sten ver­trau­li­che Doku­men­te über die Vati­kan­finan­zen wei­ter­ge­ge­ben zu haben, stellt eine neue unan­ge­neh­me Fol­ge in der Staf­fel der „Raben“ dar. Wahr­schein­lich ist es eine Epi­so­de, die nicht mit dem ersten Vati­leaks in Ver­bin­dung steht, außer was die Moda­li­tä­ten des Gesche­hens betrifft und wegen der Tat­sa­che, daß erneut Per­so­nen, die beru­fen wur­den, dem Papst zu die­nen, des­sen Ver­trau­en miß­braucht haben. Tat­sa­che ist, daß am Don­ners­tag, den 5. Novem­ber zwei Bücher mit dem ent­wen­de­ten Mate­ri­al und aus­ge­plau­der­ten Ver­trau­lich­kei­ten auf den Markt kommen.

Um es klar und deut­lich zu sagen: Es gibt nichts, was ein sol­ches Ver­hal­ten recht­fer­ti­gen könn­te, auch nicht, falls jemand den­ken soll­te, auf die­se Wei­se dem Papst oder der Kir­che Gutes zu tun.

Informelle Ernennungswege und ihre Gefahren

Dazu gibt es eini­ge Aspek­te, die es ver­die­nen, erwähnt zu wer­den. Der erste Aspekt betrifft die Moda­li­tät, die infor­mel­len Kanä­le, die in die­sem Pon­ti­fi­kat häu­fig für Ernen­nun­gen genützt wer­den, sogar bei Bischofs­er­nen­nun­gen. Es stimmt, daß – ange­sichts der Arbeits­wei­se der vati­ka­ni­schen Maschi­ne­rie – der ordent­li­che Ernen­nungs­weg schlep­pend erschei­nen und zum Gefan­ge­nen der Büro­kra­tie und ver­schie­de­ner Seil­schaf­ten machen mag. Es ist aber auch wahr, daß Ent­schei­dun­gen allein auf­grund von Intui­tio­nen oder von Hin­wei­sen von Freun­den von Freun­den außer­halb eines seriö­sen Aus­wahl­ver­fah­rens eben­sol­che Gefah­ren ber­gen, wenn nicht noch schlimmere.

Das ist zwei­fel­los bei Chaou­qui der Fall, die über­ra­schend in die neu­errich­te­te Kom­mis­si­on beru­fen wur­de, die damit beauf­tragt war, eine Reform von Ver­wal­tung und Finan­zen des Hei­li­gen Stuhls aus­zu­ar­bei­ten. Sie war – laut ihren eige­nen Anga­ben – von Msgr. Val­le­jo Bal­da für die­se Auf­ga­be emp­foh­len wor­den, der übri­gens als Sekre­tär der Prä­fek­tur für die wirt­schaft­li­chen Ange­le­gen­hei­ten des Hei­li­gen Stuhls aus­ge­zeich­ne­te Arbeit gelei­stet hat­te. Daß es sich um eine umstrit­te­ne Ernen­nung han­del­te, war ein­deu­tig für jeden, der die­ses Sub­jekt kann­te. Der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster hat­te sofort die Grün­de für die Nicht­eig­nung genannt und an das Gift erin­nert, das sie wäh­rend des vor­he­ri­gen Pon­ti­fi­kats ver­spritzt hat­te, und an ihre Inter­es­sens­kon­flik­te: Chaou­qui arbei­te­te für Ernst&Young, ein Bera­tungs­un­ter­neh­men, das inter­es­san­ter­wei­se kurz dar­auf vom Hei­li­gen Stuhl enga­giert wur­de. Magi­sters War­nung blieb aber weit­ge­hend iso­liert, vor allem, weil der Groß­teil der Vati­ka­ni­sten es vor­zog, viel­leicht mit Blick auf künf­ti­ge Ernen­nun­gen, rund um Papst Fran­zis­kus eine Aura der Unfehl­bar­keit zu kon­stru­ie­ren, selbst zu Ange­le­gen­hei­ten, in denen es nicht um das Lehr­amt geht. Was in die­sen Tagen geschieht, zeigt jedoch, daß man auf die­se Wei­se dem Papst scha­det, den man vor­gibt zu verteidigen.

Im übri­gen ist der Fall Chaou­qui nicht der ein­zi­ge: Wie­der­um Magi­ster war es, der umge­hend den Fall von Msgr. Bati­sta Ric­ca auf­warf, der von Papst Fran­zis­kus im Juni 2013, kaum einen Monat vor der Ernen­nung von Chaou­qui, zum per­sön­li­chen Dele­ga­ten des Pap­stes und Haus­prä­la­ten der Vatik­an­bank IOR ernannt wur­de, trotz einer häß­li­chen Geschich­te eines öffent­li­chen Skan­dals im Zusam­men­hang mit Homo­se­xua­li­tät wäh­rend sei­ner Dienst­zeit an der Apo­sto­li­schen Nun­tia­tur in Uru­gu­ay. Und es gibt noch ande­re Per­so­nen, die in die­sen Jah­ren schnell Kar­rie­re mach­ten, die Gefahr lau­fen, in Zukunft Pro­ble­me zu provozieren.

Der Refrain von der „Alten Garde“ gegen die Reformen des Papstes

Ein zwei­ter Aspekt betrifft die Reak­tio­nen der Medi­en. Auch wenn es nicht an jenen fehlt, die den Refrain von der „Alten Gar­de“ aus der Mot­ten­ki­ste hoh­len, die sich den Refor­men von Papst Fran­zis­kus wider­setzt, erstaunt die­ses Mal die extre­me Zurück­hal­tung jener, die noch bis vor weni­gen Tagen bei jeder Gele­gen­heit laut­stark vom Kom­plott tön­ten, sogar im Zusam­men­hang mit einem unter­zeich­ne­ten Schrei­ben, das dem Papst per­sön­lich über­reicht wur­de. Zwei­fels­oh­ne funk­tio­niert die­ses Mal das Sche­ma von der „Alten Gar­de“ nicht so recht, da Chaou­quis Ernen­nung ganz Berg­o­glia­nisch ist und selbst Val­le­jo Bal­da von Papst Fran­zis­kus beför­dert wurde.

Und das ist auch der Ein­druck, daß da noch etwas ist. Es ist so, als wür­de man das Erschei­nen der Bücher abwar­ten, um zu ver­ste­hen, auf wen man sich stür­zen soll und mit wel­chen Argu­men­ten. Im übri­gen, da das The­ma die Vati­kan­finan­zen sind, ist dar­an zu erin­nern, daß an der Spit­ze des neu­en Wirt­schafts­dik­aste­ri­ums jener Kar­di­nal Geor­ge Pell steht, der seit Mona­ten im Visier der Pro­gres­si­sten und der Regi­me­me­di­en ist. Sie ver­such­ten ihn bereits – ver­geb­lich –mit einem Pädo­phi­lie-Fall in Austra­li­en in Ver­bin­dung zu brin­gen, wo man ihn beschul­dig­te, zu spät gegen einen Prie­ster ein­ge­schrit­ten zu sein. Dann wur­de auf ihn geschos­sen wegen des Beschwer­de­schrei­bens der drei­zehn Kar­di­nä­le wäh­rend der Fami­li­en­syn­ode. Und nun könn­te man ihn mit Vati­leaks 2 in Ver­le­gen­heit brin­gen wol­len. Der Grund für eine sol­che Ver­bis­sen­heit ist, daß Pell im C9-Kar­di­nals­rat, der beru­fen wur­de, um Papst Fran­zis­kus bei der Kuri­en­re­form zu unter­stüt­zen, die ein­zi­ge Stim­me dar­stellt, die sich ein­deu­tig bestimm­ten pro­gres­si­sti­schen For­de­run­gen wider­setzt. Und ange­sichts des eisi­gen Win­des, der der­zeit weht, darf man sich über nichts wundern.

Torniellis Gedächtnislücken

Andrea Tor­ni­el­li, der Vati­ka­nist des Pap­stes, rekon­stru­ier­te auf Vati­can Insi­der Vati­leaks 2, ver­gaß jedoch zur Gän­ze einen Umstand, der nicht ver­ges­sen wer­den soll­te: daß San­dro Magi­ster alles genau vor­her­ge­sagt hat­te, weil alle Ver­dachts­mo­men­te gegen die soge­nann­ten Raben bereits vor­han­den waren, zumin­dest was Fran­ce­s­ca Chaou­qui betraf.

Im Som­mer 2013 schrieb Magi­ster: „Mehr als in Kala­bri­en [ihrer Hei­mat] wird Fran­ce­s­ca Chaou­qui im Vati­kan Kopf­zer­bre­chen berei­ten ange­sichts der Indis­kre­tio­nen, die dank ihr auf der Sei­te Dagos­pia erschei­nen, deren eif­rig­ste Infor­man­tin sie in Sachen Klatsch und Gift im Vatikan.“

Doch der unbe­stech­li­che Magi­ster ist in Ungna­de gefal­len und gilt als nicht mehr zitier­bar, weder im Cor­rie­re del­la Sera noch bei Vati­can Insi­der (Mar­co Tosat­ti aus­ge­nom­men). Er hat­te als erster gespro­chen und mit gutem Grund. Doch sei­ne kri­ti­schen Anmer­kun­gen sind weder erwünscht noch wohl­ge­lit­ten, weder zur Syn­ode noch zu ande­ren Hand­lun­gen des Pap­stes. Es ist der Vati­kan, der ihn zum „Unbe­rühr­ba­ren“ erklär­te, zum Aussätzigen.

Das ist sehr bedau­er­lich, denn der Jour­na­lis­mus lei­det darunter.

Soweit, was Tor­ni­el­li nicht erwähnt. Inter­es­sant ist aber auch eine Sache, die er erwähnt: „Die PR[-Dame, also Chao­qui] und ihr Talent­scout mit der Sou­ta­ne fühl­ten sich ab jenem Moment ‚im Krieg‘ und mach­ten in Pell ihren gro­ßen Feind aus.“

Daß Kar­di­nal Pell der „gro­ße Feind“ vie­ler ist, ein­schließ­lich Tor­ni­el­li, ist erfreu­lich: Er muß wirk­lich der Gen­tle­man sein, der er scheint. Und für den ihn sowohl Bene­dikt XVI. als auch Fran­zis­kus (der ihn zum Prä­fekt des Wirt­schafts­se­kre­ta­ri­ats ernann­te) gehal­ten haben.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: MiL

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4 Kommentare

  1. Es ist nur ein Neben­aspekt, aber mir fällt auf, dass der immer wie­der als unbarm­her­zi­ger „Inqui­si­tor“ dif­fa­mier­te Bene­dikt XVI. (oder, nicht ein­mal unwit­zig, von der kom­mu­ni­sti­schen Zei­tung „il mani­festo“ als „il pasto­re tedes­co“, was einer­seits natür­lich „der deut­sche Hir­te“ heißt, aber in einer Neben­be­deu­tung „Deut­scher Schä­fer­hund“, also ein bis­si­ges, gefähr­li­ches Tier), die­ser Papst Bene­dikt also, sei­nem Kam­mer­die­ner, der ihn beklaut hat­te, sofort ver­ge­ben hat, wäh­rend der aller­or­ten für sei­ne Mensch­lich­keit gelob­te Papst Berg­o­glio knall­hart wie ein ech­ter Sohn des rau­en Kon­ti­nents das kri­mi­nel­le Pär­chen ver­haf­ten ließ, sodaß wir jetzt end­lich wie­der mal nach lan­ger, lan­ger Zeit Insas­sen in den „Ver­lie­sen des Vati­kan“ (And­re Gide) haben…

  2. Das passt alles zusam­men. Einer der aus­zog um auf­zu­räu­men, muss fest­stel­len, dass man nie-
    madem trau­en kann. Die­se Leu­te von Fran­zis­kus sel­ber bestellt, zei­gen dass der Eigen­nutz stär-
    ker ist als Treue und Ver­trau­en. Hier sieht man die unglück­li­che Hand des Pap­stes und sei­ne Re-
    akti­on, die zur schnel­len Ver­haf­tung führte.

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