„Barmherzigkeit ist weder blinde Toleranz noch Rechtfertigung der Sünde noch ein Recht“ – Kardinal Piacenza zum „Jahr der Barmherzigkeit“


Kardinal Mauro Piacenza, Großpönitentiar
Kar­di­nal Mau­ro Pia­cen­za, Großpönitentiar

(Rom) „Barm­her­zig­keit ist weder blin­de Tole­ranz noch Recht­fer­ti­gung der Sün­de“, eine sol­che Fest­stel­lung des Kar­di­nal­groß­pö­ni­ten­ti­ars der katho­li­schen Kir­che klingt zumin­dest unge­wöhn­lich in einer Zeit, in der mehr von einer „Kir­che der Zärt­lich­keit“ die Rede ist. Kar­di­nal Mau­ro Pia­cen­za war unter Papst Bene­dikt XVI. Prä­fekt der Kle­rus­kon­gre­ga­ti­on gewe­sen und hat­te des­sen Ver­such, den hei­li­gen Pfar­rer von Ars, Johan­nes Vian­ney, zum Modell für die Prie­ster des neu­en Jahr­tau­sends zu machen, unter­stützt. Ein Ver­such, der an den hef­ti­gen inner­kirch­li­chen Wider­stän­den schei­ter­te. 2013 bestä­tig­te Papst Fran­zis­kus den Kar­di­nal nicht in sei­nem Amt, son­dern ernann­te ihn zum Groß­pö­ni­ten­ti­ar. Der Nach­rich­ten­dienst Zenit führ­te ein Gespräch mit Kar­di­nal Pia­cen­za zum Hei­li­gen Jahr der Barm­her­zig­keit, des­sen erster Teil heu­te ver­öf­fent­licht wur­de. Das Gespräch führ­te Anto­nio Gas­pa­ri. Die Über­set­zung folgt nicht jener der deut­schen Aus­ga­be von Zenit, son­dern wur­de eigen­stän­dig angefertigt.

Anzei­ge

Wor­um han­delt es sich bei dem Jubel­jahr? Wie unter­schei­det es sich von jenem, das von den jüdi­schen Gemein­schaf­ten in alten Zei­ten gefei­ert wur­de? Aus wel­chem Grund hat Papst Fran­zis­kus das außer­or­dent­li­che hei­li­ge Jahr aus­ge­ru­fen? Wor­in besteht die Barm­her­zig­keit? Um eine Ant­wort auf die­se und ande­re Fra­gen zu erhal­ten, führ­te ZENIT ein Inter­view mit Kar­di­nal Mau­ro Pia­cen­za, dem Groß­pö­ni­ten­ti­ar beim Gna­den­ge­richts­hof, der Apo­sto­li­schen Pönitentiarie.

Das von Papst Fran­zis­kus aus­ge­ru­fe­ne gro­ße außer­or­dent­li­che Jubi­lä­um steht nun­mehr unmit­tel­bar bevor. Erklä­ren Sie uns bit­te, wor­in das Jubel­jahr besteht.

Kar­di­nal Pia­cen­za: Es han­delt sich um eine „apo­ka­lyp­ti­sche“ Zeit im ety­mo­lo­gi­schen Sin­ne des Begrif­fes, und zwar um eine Zeit der „Offen­ba­rung“ der wah­ren Wirk­lich­keit, der neu­en Bedeu­tung und des neu­en Werts, die das Chri­sten­tum dem mensch­li­chen Leben in der „gegen­wär­ti­gen Zeit“ gibt.
In der jüdi­schen Anti­ke bestand das Jubi­lä­um in einem alle 50 Jah­re began­ge­nen Jahr, das vom Klang eines Wid­der­horns – auf hebrä­isch yobel – eröff­net wur­de. Wäh­rend die­ses Jah­res erwar­te­te man die­se „Neu­heit“ des Lebens mit sym­bo­li­schen und kon­kre­ten Gesten wie dem Ruhen der Erde, der Rück­ga­be der beschlag­nahm­ten Grund­stücke und der Befrei­ung der Skla­ven. Erst im Chri­sten­tum aber fin­den die­se Ruhe, die­se Ver­söh­nung und die­se Befrei­ung ihre vol­le und end­gül­ti­ge Ver­wirk­li­chung! Das Chri­sten­tum, d.h. der Ein­tritt Chri­sti in die Welt und die Geschich­te, die Annah­me unse­res armen Mensch­seins durch den Sohn Got­tes, ver­leiht der Zeit einen neu­en Wert, einen unend­li­chen Wert! Jeder Augen­blick, seit­dem Gott Mensch gewor­den, gestor­ben und auf­er­stan­den ist, ist eine „Gele­gen­heit“ zur Bezie­hung mit Ihm gewor­den, zur leben­di­gen und bele­ben­den Begeg­nung mit Ihm, und zur Hin­ga­be des eige­nen Lebens an Ihn. Das Jubel­jahr ist daher ein Jahr, in dem unse­re Zeit, im chro­no­lo­gi­schen Sinn ver­stan­den, gleich­sam von einer ande­ren Maß­ein­heit „absor­biert“ wird, jener der Gna­de. Im Jubel­jahr bemüht sich die Kir­che, als lie­ben­de Mut­ter, die „Gele­gen­hei­ten der Gna­de“ zu ver­viel­fa­chen, vor allem was die Ver­ge­bung der Sün­den durch das Beicht­sa­kra­ment betrifft! Um die­sen Ein­tritt in eine Zeit der beson­de­ren Gna­de zu ver­sinn­bild­li­chen, wird der Ritus zum Beginn des Jubi­lä­ums voll­zo­gen: die Öff­nung der Hei­li­gen Pforte.

Das Jubel­jahr wird am kom­men­den 8. Dezem­ber, dem Hoch­fest der Unbe­fleck­ten Emp­fäng­nis begin­nen. War­um wur­de die­ses Datum gewählt?

Kar­di­nal Pia­cen­za: Der Papst woll­te die­ses Datum, um einen für die jüng­ste Kir­chen­ge­schich­te beson­ders bedeut­sa­men Jah­res­tag zu bege­hen: den Abschluß des Zwei­ten Öku­me­ni­schen Vati­ka­ni­schen Kon­zils. Zahl­reich sind die Früch­te der Gna­de, die der Herr durch die jüng­ste Kon­zils­ver­samm­lung geschenkt hat – man den­ke nur bei­spiels­wei­se an den macht­vol­len Ruf zur Hei­lig­keit für alle Getauf­ten und die gro­ße Blü­te der kirch­li­chen Bewe­gun­gen –, doch vie­le Schät­ze sind noch in den Tex­ten ver­bor­gen und war­ten dar­auf, ange­mes­sen stu­diert, ver­stan­den und umge­setzt zu wer­den im Leben der Kir­che. Im Grun­de sind vor allem die Pon­ti­fi­ka­te des hei­li­gen Johan­nes Paul II., des eme­ri­tier­ten Hei­li­gen Vaters Bene­dikt XVI. und von Papst Fran­zis­kus von die­ser För­de­rung der kor­rek­ten Auf­nah­me der Kon­zils­tex­te durch­zo­gen. Zudem ruft die­ses „maria­ni­sche“ Datum des Jubi­lä­ums­be­ginns uns alle, die Augen und das Herz auf die Unbe­fleck­te, Mut­ter und Vor­bild der Kir­che und Vor­er­lö­ste, das heißt, erlöst im Blick auf die künf­ti­gen Ver­dien­ste Chri­sti seit ihrer Emp­fäng­nis, zu rich­ten. Wir wis­sen, daß die gesam­te Kir­che und in ihr unser eige­nes Leben, in ihren Hän­den sind, unter ihrem Schutz und von ihrer „bit­ten­den All­macht“ erwar­ten wir alle heu­te am nötig­sten Gna­den­ga­ben, um Chri­stus, dem ein­zi­gen, wah­ren Herrn des Kos­mos und der Geschich­te, zu dienen.

Papst Fran­zis­kus wid­me­te die­ses Jubel­jahr dem The­ma der Barm­her­zig­keit. Was hat man sich unter die­sem Begriff vor­zu­stel­len und wor­um han­delt es sich hin­ge­gen nicht?

Kar­di­nal Pia­cen­za: Begin­nen wir wie der hl. Tho­mas, indem wir sagen, was die Barm­her­zig­keit „nicht ist“. Barm­her­zig­keit ist weder blin­de Tole­ranz noch Recht­fer­ti­gung der Sün­de und schon gar nicht ein Recht.
Die Barm­her­zig­keit ist nicht „Tole­ranz“, weil sie sich nicht dar­auf beschränkt, den Sün­der zu „ertra­gen“ und ihn wei­ter sün­di­gen zu las­sen, son­dern die Sün­de offen ver­ur­teilt und genau auf die­se Wei­se den Sün­der liebt: Sie erkennt, daß er nicht aus sei­ner Sün­de besteht, son­dern mehr ist; sie bringt sei­ne Hand­lun­gen an das Licht der Wahr­heit, der gan­zen Wahr­heit, und bie­tet ihm, auf die­se Wei­se, das Heil an.
Die Barm­her­zig­keit recht­fer­tigt zudem nicht die Sün­de unter Ver­weis auf wel­che sozio­kul­tu­rel­len, wirt­schafts­po­li­ti­schen oder per­sön­li­chen Umstän­den auch immer. Sie schätzt den Men­schen viel­mehr so sehr, daß sie von ihm Rechen­schaft für jede sei­ner Hand­lun­gen ver­langt und ihn so als „ver­ant­wort­lich“ vor Gott anerkennt.
Und schließ­lich ist die Barm­her­zig­keit kein Recht, es gibt kei­nen Anspruch dar­auf, nur weil man exi­stiert. Anders ist es bei Rech­ten: sie ste­hen dem Men­schen zu, allein schon weil er exi­stiert. Die Barm­her­zig­keit hin­ge­gen kann nicht ein­ge­for­dert wer­den, weder gegen­über Gott noch gegen­über der Kir­che, der Die­ne­rin der gött­li­chen Barmherzigkeit.
Kom­men wir nun zu dem, was die Barm­her­zig­keit wirk­lich ist. Die Barm­her­zig­keit ist vor allem eine leben­di­ge und wirk­li­che, unver­än­der­li­che und immer­wäh­ren­de Rea­li­tät, die dem mensch­li­chen Elend ent­ge­gen­kommt auf­grund eines Geheim­nis­ses abso­lu­ter gött­li­cher Frei­heit und die­ses mensch­li­che Elend „ret­tet“, nicht indem sie es aus­löscht oder igno­riert und auch nicht indem sie es ver­gißt, son­dern sie sich sei­ner „per­sön­lich“ annimmt. Wenn der Leich­nam Chri­sti bei den wun­der­ba­ren Fei­er­lich­kei­ten der Kar­wo­che, die im Süden Spa­ni­ens und an vie­len ande­ren Orten statt­fin­den, wo die Volks­fröm­mig­keit leben­dig ist, in Pro­zes­si­on aus der Kir­che getra­gen wird, erhebt sich aus dem im Gebet ver­ein­ten Volk oft eine beweg­te und von tief­stem Mit­leid erfüll­te Stim­me, die ruft: „Die Barm­her­zig­keit!“ Genau so ist es, die Barm­her­zig­keit ist eine Per­son, sie ist Chri­stus! Der fleisch­ge­wor­de­ne, gestor­be­ne und auf­er­stan­de­ne Chri­stus. Er will mit jedem Men­schen eine per­sön­li­che Bezie­hung der Wahr­heit und der Lie­be auf­bau­en. Und das alles nennt sich aus unse­rer Per­spek­ti­ve der armen, erstaun­ten und ver­wun­der­ten Sün­der: „Barm­her­zig­keit“.

Wo kön­nen die Men­schen heu­te die Barm­her­zig­keit fin­den? Gibt es eine Gren­ze für die gött­li­che Barm­her­zig­keit? Gibt es so schwe­re Sün­den, daß sie nicht ver­ge­ben wer­den können?

Kar­di­nal Pia­cen­za: Die­se Barm­her­zig­keit fin­det sich mit Gewiß­heit dort, wo Chri­stus selbst dem Men­schen begeg­nen woll­te: im eige­nen Fleisch! Die­ses Fleisch Chri­sti, auf­er­stan­den und leben­dig, ist auf geheim­nis­vol­le Wei­se ver­län­gert, durch die Kraft des Hei­li­gen Gei­stes, in der Kir­che, die Sein mysti­scher Leib ist. In der Kir­che erwar­tet die Barm­her­zig­keit die Sün­der durch jene von Chri­stus selbst aus­er­wähl­ten, geru­fe­nen und zu Amts­trä­gern gemach­ten Män­ner und geht ihnen per­sön­lich in den Sakra­men­ten ent­ge­gen, beson­ders in denen der Ver­söh­nung und der Eucha­ri­stie. Alle Sakra­men­te – und die Kir­che selbst – sind das Werk der Barm­her­zig­keit Chri­sti, da Er durch sie nicht nur die Sün­de „besei­tigt“, son­dern die Sün­der in eine unver­dien­te und undenk­ba­re Lebens­fül­le zieht, sodaß sie zusam­men mit Ihm und „in“ Ihm, Kin­der Got­tes wer­den. Das geschieht vor allem durch die Tau­fe. Die ortho­do­xen Brü­der wür­den sagen, daß der Mensch von Chri­stus „ver­gött­licht“ wird. Das Sakra­ment der Ver­söh­nung erneu­ert dann die Gabe unse­rer Tau­fe, indem sie besei­tigt, was dem wider­spricht oder das sich wider­setzt: die Sün­de. Die­se gött­li­che Barm­her­zig­keit, die Chri­stus ist, ist gren­zen­los wie Sei­ne Lie­be, die die­sel­be Lie­be des Vaters ist. Und den­noch kennt sie eine Gren­ze, eine ein­zi­ge, die jener Gren­ze ent­spricht, die Gott selbst Sei­ner All­macht gesetzt hat: die Frei­heit des Men­schen. Wenn der Mensch die Barm­her­zig­keit, die Gott ihm anbie­tet, annimmt und sich ihr nicht öff­net, son­dern sie mit sei­nen Ent­schei­dun­gen und sei­nen kon­kre­ten Hand­lun­gen zurück­weist, zwingt sie ihm Gott nicht auf. Mit gött­li­cher, uner­müd­li­cher Geduld – wie­der­holt uns Papst Fran­zis­kus – war­tet Er, daß der Mensch sich auf sei­nem Weg der irdi­schen Wan­der­schaft bekehrt, und bie­tet alle not­wen­di­gen Gna­den, damit dies geschieht.

Und wenn die­se irdi­sche Wan­der­schaft endet, was geschieht dann?

Kar­di­nal Pia­cen­za: Wenn der fun­da­men­ta­le und hei­li­ge – heu­te oft ver­ges­se­ne – Moment des „Über­gangs“ kommt, öff­net sich für den Men­schen das soge­nann­te beson­de­re Gericht: Die See­le vor­läu­fig ihres Kör­pers ent­blößt, fin­det sich vor dem Ange­sicht Chri­sti, dem gerech­ten Rich­ter und Erlö­ser, der sie nicht auf­grund ihrer sub­jek­ti­ven Über­zeu­gun­gen und auch nicht auf­grund der Umstän­de, unter denen sie gelebt hat, bewer­tet, son­dern gemäß ihren Wer­ken, gemäß der letzt­li­chen Absicht, die das Herz den Wer­ken zuge­spro­chen hat. Der Über­gang ist letzt­lich nichts ande­res – und so auch das ewi­ge Schick­sal – als eine plötz­li­che „Aus­wei­tung“, wir könn­ten sagen, eine „Ver­ewi­gung“ unse­res letz­ten „gegen­wär­ti­gen Augen­blicks“, der, vom Ablauf der Zeit ent­blößt, sich vor dem Licht und der Wahr­heit Chri­sti befin­det, in jener „inne­ren Hal­tung“, die in uns auf Erden gereift ist. Inte­gra­ler Bestand­teil der von Chri­stus gerich­te­ten Wer­ke ist es natür­lich, um Barm­her­zig­keit für die eige­nen Sün­den gebe­ten und sie erhal­ten zu haben, daß wir selbst gegen­über unse­rem Näch­sten barm­her­zig waren und dies im Gebet bewahrt zu haben.
Das beson­de­re Gericht, dem am Ende der Zei­ten das Welt­ge­richt und die Auf­er­ste­hung des Flei­sches fol­gen wird, über­führt sofort – könn­ten wir sagen – die See­le in sei­ne Letzt­be­stim­mung: einer­seits haben wir ent­we­der das ewi­ge Heil, das uns sofort zusam­men mit allen Hei­li­gen in der selig­ma­chen­den Schau­ung Got­tes im Him­mel sieht, oder wir müs­sen durch das rei­ni­gen­de Feu­er des Fege­feu­ers, oder ande­rer­seits – Gott möge es ver­hin­dern! – die ewi­ge Ver­damm­nis, die wir Höl­le nennen.

Die Rea­li­tät des Fege­feu­ers scheint heu­te in vie­len Tei­len der Ver­kün­di­gung beson­ders ver­ges­sen zu sein. Hal­ten Sie es noch für aktu­ell, dar­über zu spre­chen? Was kann es dem Men­schen von heu­te sagen?

Kar­di­nal Pia­cen­za: Daß nichts, was unse­re Per­son betrifft, in den Augen Got­tes ohne Bedeu­tung ist. Die immer aktu­el­le, weil immer wah­re Rea­li­tät des Fege­feu­ers bekräf­tigt, daß Gott eine so unend­li­che „Wert­schät­zung“ für die mensch­li­che Krea­tur hat und unse­re geschaf­fe­ne Frei­heit so „schreck­lich“ ernst nimmt, daß Er ihr – wie wir sagen könn­ten – „gehorcht“. Er will, lesen wir im Buch Eze­chi­el, nicht den Tod des Sün­ders, son­dern daß er sich bekehrt und lebt (vgl. Ez 33,11). Doch, obwohl Gott dem Men­schen nur das Leben schen­ken will, hat Er beschlos­sen des­sen Frei­heit in sol­chem Maß zu respek­tie­ren, daß Er ihm erlaubt, sich auch dafür zu ent­schei­den, Sei­ne Lie­be defi­ni­tiv „zurück­zu­wei­sen“ oder Ihn in dem Maß dem er zustimmt, anzu­neh­men, immer in sei­ner Frei­heit, das sich in den Wer­ken zeigt. Wenn die­se „letz­te Öff­nung“ des Her­zens noch nicht voll­stän­dig sein soll­te, aber ein­deu­tig auf die Wahr­heit Got­tes aus­ge­rich­tet, dann bräuch­te die See­le eine letz­te „Umwand­lung“, eine Vor­be­rei­tung auf die Schau­ung Got­tes durch die leben­di­ge Flam­me Sei­ner Lie­be, wie die Abhand­lung der gro­ßen Hei­li­gen und Theo­lo­gin des Fege­feu­ers, Katha­ri­na von Genua erklärt, und wie der eme­ri­tier­te Hei­li­ge Vater in sei­ner zwei­ten Enzy­kli­ka Spe Sal­vi gelehrt hat (vgl. Spe Sal­vi, 48). Für jene, die im Pur­ga­to­ri­um sind, gibt es, da die Zeit der Frei­heit abge­lau­fen ist, kei­ne Mög­lich­keit mehr, zu „ver­die­nen“, das heißt aus frei­en Stücken mit der Gna­de Chri­sti zusam­men­zu­wir­ken. Die­se Brü­der kön­nen die­se Gna­de nur „emp­fan­gen“, die durch das Gebet der Kir­che, durch das soge­nann­te „Für­bitt­ge­bet“ erhal­ten wird, das vor allem in der Dar­brin­gung des eucha­ri­sti­schen Opfers besteht, in den Wer­ken der Barm­her­zig­keit und den Almo­sen. Die Han­deln­den in die­sem Gebet sind vor allem die Aller­se­lig­ste Got­tes­mut­ter Maria, das per­fek­te Abbild der Kir­che und Aus­spen­de­rin aller Gna­den, und dann wir, die wir durch die Tau­fe in Gemein­schaft mit den Gläu­bi­gen aller Zei­ten leben.

Also ist auch die Für­bit­te eine Form von Barm­her­zig­keit? Wer kann dar­aus Nut­zen ziehen?

Gewiß ist die Für­bit­te ein uner­setz­li­ches Werk der Barm­her­zig­keit! Es ist vor allem und immer in der Barm­her­zig­keit Chri­sti ver­wur­zelt, der allein das Herz des Men­schen ret­ten und rei­ni­gen kann, der aber in Sei­ner Güte, uns an Sei­nem Heils­werk teil­ha­ben läßt, indem er uns so zu „Mit­wir­ken­den“ wer­den läßt. Gera­de in die­ser Mit­ar­beit, in die­sem Teil­ha­ben am Werk Chri­sti ist der erste her­aus­ra­gen­de Gewinn: Wir wer­den dem Herrn gleich­ge­stal­tet, erhal­ten mehr Anteil an Sei­nem Den­ken und Sei­nen Gefüh­len. Dann zieht unser Glau­ben Nut­zen dar­aus, weil er sich ver­mehrt auf die unsicht­ba­re Wirk­lich­keit aus­wei­tet und sich dadurch festigt. Und schließ­lich zie­hen die See­len im Fege­feu­er siche­ren Nut­zen dar­aus, die „Erleich­te­rung“ aus unse­rer Für­bit­te erlan­gen, bis zu ihrer end­gül­ti­gen Befrei­ung. Die­ses Werk ist so groß und so uner­läß­lich, daß die Kir­che es in com­me­mo­ra­tio­ne omni­um fide­li­um defunc­torum, zu Aller­see­len am kom­men­den 2. Novem­ber, mit der Gabe eines voll­kom­me­nen Ablas­ses berei­chert, dem Nach­laß also aller zeit­li­chen Stra­fen, die sich aus der Sün­de erge­ben, und die die See­le im Fege­feu­er „fest­hal­ten“. Es wird zu die­sem Anlaß mög­lich sein, unter den übli­chen Bedin­gun­gen den Ablaß für die armen See­len im Fege­feu­er zu gewin­nen: sakra­men­ta­le Beich­te in den acht Tagen vor­her oder nach­her, der Emp­fang der hei­li­gen Kom­mu­ni­on, das Gebet in der Mei­nung des Pap­stes, die Abkehr von jeder Sün­de, auch der läß­li­chen Sün­den, und der Besuch des Fried­hofs vom 1.–8. Novem­ber oder einer Pfarr­kir­che von 12 Uhr des 1. Novem­ber bis zum Abend des 2. Novem­ber. Das ist letzt­lich genau die Barm­her­zig­keit Chri­sti: durch Him­mel und Erde sam­melt er alles in Ein­heit, eilt den Men­schen in der Zeit zu Hil­fe und berei­tet sie für den Him­mel vor, ohne aber die Frei­heit zu ersticken, son­dern sie zu einer zuvor undenk­ba­ren Höhe zu füh­ren indem er sie ruft, sich lie­ben zu las­sen, in Ihm und mit Ihm zu lie­ben, und so an Sei­nem eige­nen Heils­werk mit­zu­wir­ken. Möge uns die Aller­se­lig­ste Jung­frau Maria, die Mut­ter der Barm­her­zig­keit leh­ren, die Barm­her­zig­keit zu suchen, die Barm­her­zig­keit zu lie­ben und so wirk­lich die Barm­her­zig­keit zu leben!

Text: Zenit​.org (Ita­lie­ni­sche Ausgabe)
Über­set­zung: Giu­sep­pe Nardi
Bild: MiL

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6 Kommentare

  1. End­lich wie­der ein kla­res Wort zur rech­ten Zeit, was die Barm­her­zig­keit und das Hl.Jahr der Barm-
    her­zig­keit betrifft. Barm­her­zig­keit kommt von Gott und muss so wei­ter gege­ben wer­den. Barmher-
    zig­keit ist kei­ne Will­kür und muss erbit­tet und erbe­ten wer­den. Nicht alles was Kar­di­nal Piacenca
    sagt, kann man anneh­men, so kommt er in Bezug auf das II.Vatikanum ins Schwär­men. Zahlreich
    sagt er, sei­en die Früch­te der Gna­de, die Gott nach dem Kon­zil geschenkt hat. Und wei­ter sagt er,
    und mann muss inne­hal­ten, “ die gro­ße Blü­te kirch­li­cher Bewe­gun­gen „. Wel­che Bewe­gung meint
    meint der Kar­di­nal ? Der Aus­zug des Kir­chen­vol­kes aus der Kir­che ? Meint er mit Früch­te der Gna-
    de den gei­sti­gen Nie­der­gang, die Glau­bens­lo­sig­keit oder die Irr­leh­ren ? Es ist ein Phä­no­men, mit
    wel­cher Auf­fas­sung und immer wie­der hoch­lobend von dem Kon­zil gespro­chen wird. Mann könnte
    mei­nen, der eine und der ande­re lebt auf dem Mond.

    • @ fre­di­us
      Mit dem Aus­druck “gro­ße Blü­te kirch­li­cher Bewe­gun­gen “ meint Kar­di­nal Pia­cen­za sicher die nach dem Kon­zil auf­ge­blüh­ten cha­ris­ma­ti­schen Bewe­gun­gen, die zu Beginn der 70er Jah­re von Rom kirch­lich aner­kannt wor­den sind. Wäh­rend die sog. „Volks­chri­sten“ in den Gemein­den abneh­men, haben die­se Bewe­gun­gen welt­weit Zulauf. Sie cha­rak­te­ri­siert ein inten­si­ves, auf Begeg­nun­gen mit Jesus Chri­stus bezo­ge­nes Gemein­schafts­le­ben inner­halb oder auch neben der Kir­chen­ge­mein­de, z.T. nach dem Haus­kir­chen­prin­zip unter Ein­be­zie­hung des Privatlebens.

  2. Er meint logi­scher­wei­se die soge­nann­ten Neu­en Geist­li­chen Bewe­gun­gen. Wo es wirk­lich viel Gutes gibt, aber auch vie­le Über­spannt­hei­ten. Vor allem aber zei­gen sie, dass Vat II auf der nor­ma­len Ebe­ne, bei nor­ma­len Leu­ten, in der Durch­schnitts­pfar­rei, kei­ne Früch­te gebracht hat, jeden­falls kei­ne guten.

  3. Es liest so so, daß zwi­schen der wah­ren Barm­her­zig­keit, die Kar­di­nal Pia­cen­za ver­kün­digt und der­je­ni­gen von „Papst“ Berg­o­glio Wel­ten liegen.
    „Papst“ Berg­o­glio hat bis­lang aus der Barm­her­zig­keit Got­tes eine Ideo­lo­gie gemacht. D.h.: die Barm­her­zig­keit Got­tes erhält man ohne Umkehr und Buße. „Wer bin ich, daß ich urtei­le!“, hat jeden­falls mit Barm­her­zig­keit nichts zu tun.
    Wenn es nach Kar­di­nal Pia­cen­za gin­ge, müß­ten die Prie­ster und Bischö­fe in Deutsch­land Über­stun­den ein­le­gen. Sie müß­ten den Men­schen zunächst mal die Gebo­te und Sün­den sagen und sie dann auf­for­dern, sel­bi­ge zu beich­ten. Nein, das wird kaum pas­sie­ren zumal die Beich­te weit­ge­hend abge­schafft wor­den ist.
    Im „Jahr der Barm­her­zig­keit“ kann jeder wei­ter­hin sün­di­gen und dazu die hl. Kom­mu­ni­on- auch äußer­lich unwür­dig- emp­fan­gen wie bis­her auch schon.

  4. „…doch vie­le Schät­ze sind noch in den Tex­ten ver­bor­gen und war­ten dar­auf, ange­mes­sen stu­diert, ver­stan­den und umge­setzt zu wer­den im Leben der Kirche.“

    Es kann schon stim­men, was Pia­cen­za damit sagt, denn wer kennt schon die gesam­ten Tex­te des 2. Vati­ka­ni­schen Kon­zils so genau? Bestimm­te Ände­run­gen wur­den wohl umge­setzt wie z.Bsp. die Neue Mes­se, aber viel­leicht gibt es auch Text­stel­len die als Ände­run­gen beab­sich­tigt waren, aber nicht umge­setzt wur­den. So stel­le ich es mir zumin­dest vor, was er damit meinte.

  5. @dhmg
    Sie schreiben:
    „Bestimm­te Ände­run­gen wur­den wohl umge­setzt wie z.Bsp. die Neue Mes­se, aber viel­leicht gibt es auch Text­stel­len die als Ände­run­gen beab­sich­tigt waren, aber nicht umge­setzt wur­den. So stel­le ich es mir zumin­dest vor, was er damit mein­te“.-> Genau die Ände­run­gen der „Neu­en Mes­se“ wur­den nie im Kon­zil beschlos­sen. Die Ände­run­gen des Novus Ordo basie­ren nicht auf einem Auf­trag des Kon­zils. son­dern sind gegen die Kon­zils­be­schlüs­se durch­ge­führt wor­den. Die Zustim­mung des Pap­stes Paul VI, des Epis­co­pa­tes und des Kle­rus zu die­sen Ver­än­de­run­gen des Novus Ordo sind mir voll­kom­men uner­klär­lich. Hei­li­ger wur­de die Kir­che durch die­se Ver­än­de­rung nicht und die Gläu­bi­gen sind ihr zeit­gleich mit der „Reform“ weggelaufen.

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