Der Zweite Klemensbrief – Ein Mahnschreiben an die Synode


Papst Klemens I. (88-97/101)
Apo­sto­li­scher Vater, Papst Kle­mens I. (88–97)

Von Amand Timmermans

Anzei­ge

Auf der jet­zi­gen Syn­ode für die Fami­lie wird sehr viel debattiert.
Gera­de in den hie­si­gen Tagen plä­dier­ten meh­re­re Bischö­fe für eine Ver­än­de­rung der kirch­li­chen Leh­re betref­fend die Homo­se­xua­li­tät und Schei­dung mit Wie­der­ver­hei­ra­tung und/​oder neu­ar­ti­gen Ver­bin­dun­gen; so sei es gestat­tet, hier auf eini­ge wich­ti­ge Aus­sa­gen der alt­christ­li­chen Lite­ra­tur zu die­sen The­men hinzuweisen.

Der Zwei­te Kle­mens­brief gehört zu den sehr frü­hen Schrif­ten des Urchri­sten­tum: der gro­ße Neu­te­sta­ment­ler Klaus Ber­ger datiert ihn in sei­nem Stan­dard­werk „Das Neue Testa­ment und Früh­christ­li­che Schrif­ten“ (Insel Ver­lag, 2001) auf ca. 75 nach Chri­stus (S. 724–737)
Die­ses Werk wird im Fol­gen­den aus­führ­lich zitiert.

Die schrift­li­chen Evan­ge­li­en und die Pau­lus­brie­fe wer­den im 2. Kle­mens­brief nicht zitiert; statt­des­sen zitiert der Ver­fas­ser aus­führ­lich aus der Hl. Schrift und gibt auch Jesus­wor­te wie­der, die nicht in den Evan­ge­li­en ste­hen. Klaus Ber­ger stellt eine Ver­wandt­schaft zum 5. Kapi­tel des Ephe­ser­briefs und zu den früh­christ­li­chen Autoren mit dem „Fleisch des Mes­si­as“ her (Cor­pus Iohan­ne­um, Igna­ti­us von Antio­chi­en, Der Hirt des Hermas).
Nach Klaus Ber­ger ist der Autor unbe­kannt, mit Sicher­heit sei er nicht Kle­mens von Rom, der Ver­fas­ser des Ersten Kle­mens­brie­fes. Es gäbe auch kei­ne gei­sti­ge Ver­bin­dung zwi­schen bei­den Briefen.

Klaus Ber­ger gab schon 1999 an, daß der wich­tig­ste Abschnitt das Kapi­tel 14 sei:

(Urtext): „…Wenn wir aber den Wil­len des Herrn nicht tun, dann gehö­ren wir zu denen, die gemeint sind, wenn es in dem Schrift­wort heißt (Jer 7,11): ‚Mein Haus ist eine Räu­ber­höh­le geworden‘ …
… Ihr wißt sicher, daß die leben­di­ge (himm­li­sche) Kir­che der Leib Chri­sti ist.
Denn die Schrift sagt (Gen 1,26): ‚Gott hat den (einen anfäng­li­chen himm­li­schen) Men­schen männ­lich und weib­lich erschaffen‘ …
… Dadurch wur­de deut­lich, daß jemand, der die Kir­che auf Erden, die­sen Tem­pel des Hei­li­gen Gei­stes, also sei­nen mensch­li­chen Leib, gut hütet, wie ein Hei­lig­tum bewahrt und nicht schän­det, sie dann im Him­mel als neu­en Leib, der ganz vom Hei­li­gen Geist ist, erhal­ten wird.
Denn der Bereich der mensch­li­chen Leib­lich­keit ist Abbild des Bereichs des Hei­li­gen Gei­stes. Kei­ner, der das Abbild schän­det, wird das Urbild emp­fan­gen können.
Das bedeu­tet, Brü­der und Schwe­stern: Bewahrt den Leib hei­lig, damit ihr den hei­li­gen Geist im Him­mel emp­fan­gen könnt.
Wenn wir sagen: ‚Der Leib ist die Kir­che, der Hei­li­ge Geist ist der Chri­stus‘, dann hat der, der gegen den Leib fre­velt, auch gegen die Kir­che gefrevelt.
Wer das tut, der wird den Hei­li­gen Geist, das heißt Chri­stus, nicht emp­fan­gen…“ [Her­vor­he­bung durch den Autor].

2.

Beson­ders wich­tig für die Syn­oden­vä­ter und die Hir­ten wer­den dann im Anschluß im 15. Kapi­tel eini­ge sehr tref­fen­de und sprach­lich knackig fri­sche Rat­schlä­ge gegeben:

„… Mit dem, was ich eben gesagt habe, woll­te ich euch vor allem zur Selbst­be­herr­schung auf­for­dern.
Wer mei­nen Rat befolgt, wird es nicht bereu­en, son­dern sich nicht nur selbst ret­ten, son­dern auch mich, den Rat­ge­ber (vgl. 1. Brief an Timo­theus 4,16).
Denn wenn man einen Men­schen, der auf Abwe­gen ver­lo­ren­zu­ge­hen droht, von sei­nem Vor­ha­ben abbrin­gen kann, dann ist das sehr ver­dienst­voll (vgl. Jako­bus­brief 5,20) …“

Und im Kapi­tel 16 heißt es:

„…denn Gott hat uns gerufen…
Denn wenn wir unse­re üppi­ge Lebens­wei­se auf­ge­ben und uns selbst besie­gen, indem wir den zwei­fel­haf­ten Gelü­sten eine Absa­ge ertei­len, dann wird sich Jesus unser erbarmen.
Bedenkt: Der Tag des Gerichts kommt wie ein bren­nen­der Schmelz­ofen auf uns zu. …
Selig, wer sich an die­se Din­ge hält.“

In die­sem uralten Text ist alles Wesent­li­che gesagt.

Beson­ders inter­es­sant übri­gens für uns dann Kapi­tel 5,2–4:

„…Denn der Herr hat gesagt: ‚Ihr wer­det wie Scha­fe mit­ten unter Wöl­fen sein‘ (Mt 7,21).
Dar­auf hat Petrus ihn gefragt: ‚Und wenn nun die Wöl­fe die Scha­fe zerreißen?‘.
Und Jesus hat ihm geantwortet:
Tote Scha­fe haben von den Wöl­fen nichts zu fürchten.
Des­halb sollt ihr euch nicht vor denen fürch­ten, die euch nur töten, aber euch sonst nichts wei­ter tun können.
Habt viel­mehr Angst vor Gott, der nach eurem Tod euch mit Leib und Leben in die Feu­er­höl­le wer­fen kann‘.“

Text: Amand Timmermans
Bild: Wikicommons

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3 Kommentare

  1. Die Kir­che hat die­sen Brief aber nicht in den NT-Kanon auf­ge­nom­men. Inso­fern ist er zwar inter­es­sant, aber nicht verbindlich.
    Es sind eini­ge Stel­len in den Zita­ten, die merk­wür­dig scheinen:

    Vor allem stol­per­te ich über die Stel­le, in der Eben­bild­lich­keit zu Gott sei­en Mann und Frau v.a. Abbild des hl. Geistes.
    Das ist nun nicht Leh­re der Kir­che und sehr gefährlich .
    Über die Leib­lich­keit als Abbild des Gei­stes haben die Kir­chen­vä­ter teil­wei­se mit gutem Grund erbit­tert gestritten.

    Man kann zwar sehr ent­fernt in der Kom­ple­men­ta­ri­tät und Frucht­bar­keit der Geschlech­ter das Abbild des drei­fal­ti­gen Got­tes struk­tu­rell wie­der­erken­nen, aber man kann nicht die­se direk­te Iden­ti­fi­ka­ti­on der leib­li­chen Erschei­nung mit dem Geist vornehmen.

    Tho­mas v. A. sagt dazu in der Sum­ma, Gott sei aus­schließ­lich Geist – daher bil­det das Mann- und Frau­sein nicht als je geson­der­te „Gei­stig­keit“ Gott ab, son­dern nur als die eine mensch­li­che Geistigkeit.
    Er belegt das damt, dass uns der hl. Pau­lus auf­for­de­re, den „neu­en Men­schen“ anzu­zie­hen, wobei hier zwi­schen Mann und Frau kei­ner­lei Unter­schied gemacht wird, denn bei­de sol­len den­sel­ben neu­en Men­schen, der rei­ner Geist ist, anzie­hen. Die­ses neue Gewand erst stellt die „imago“-Würde des Men­schen wie­der her.

    Aus dem genann­ten Grund ist auch die „Theo­lo­gie des Lei­bes“ kri­tisch zu sehen.

    Der hl. Pau­lus sagt viel­mehr, der Leib sei der „Tem­pel“ des hl. Gei­stes, aber nicht des­sen Abbild, zumal der Mensch Gott ins­ge­samt abbil­det und nicht nur eine der drei Personen.

    Inso­fern fin­de ich die­sen Brief nicht sehr hilf­reich – er reißt neue Irrun­gen auf. Auch wenn er die aktu­el­le römi­sche Irrung ver­ur­teilt. Es wird sei­nen tie­fen Grund haben, dass die Kir­che ihn nicht auf­nahm in den Kanon!

  2. Geehr­te @ Zeitschnur,

    DEr sog. Zwei­te Brief von Cle­mens ist kein Brief, son­dern viel­mehr eine Homi­lie, wahr­schein­lich in Korinth ent­stan­den und in im jüdi­schem Gedan­ken­con­text des 1. Jahr­hun­derts nach Chri­stus zu lesen.
    Nach dem Zitat aus Gen 1,26 geht der Text bei K. Ber­ger fort mit:
    „Das Männ­li­che ist Chri­stus, das Weib­li­che der Kirche“;
    als Zusatz­kom­men­tar schreibt K. Ber­ger noch dazu: „der Mensch“ ist hier nicht ein Men­schen­paar, son­dern der himm­li­sche Urmensch (Nr. 30).
    Im Kom­men­tar 31: „Zum Ver­ständ­nis ent­schei­dend ist die Rol­le des Hei­li­gen Gei­stes: einer­seits ist der Him­mel sein Bereich- alles, was im Him­mel ist, kann nur „pneu­ma­tisch“ sein. Ander­seits ist der Hl. Geist durch Chri­stus in die Welt gekom­men, wird also männ­lich gedacht. Er wohnt in der Kir­che, die­se ist sein Leib.
    Der Leib des Chri­stus, also des Hl. Gei­stes (männ­lich), ist daher die Kir­che (weiblich).So ist es bei jedem, der Jesus Chri­stus nachfolgt.
    Er hofft dar­auf, im Him­mel dann einen ganz und gar vom Hei­li­gen Geist bestimm­ten Leib zu erhalten“.
    Es geht hier nicht um irdi­sche Frau­en und Män­ner und ihre Verbindung.

    Theo­lo­gisch ist der 2 Clem schwie­rig-wobei man nicht ver­ges­sen darf, daß er sehr früh geschrie­ben wur­de und die Theo­lo­gie des Hl. Gei­stes und der Tri­ni­tät erst 2 Jahr­hun­der­ten spä­ter kom­plett for­mu­liert waren.
    Und daß er im ori­en­ta­li­schen Gedan­ken­con­text ent­stan­den ist und in jener Welt sehr früh und nach­hal­tig rezi­piert wur­de (sehr frü­he syri­sche Übersetzung).
    Mit west­lich-phi­lo­so­phi­scher Logik kann man dies nicht ganz erfassen.

    Ich per­sön­lich fin­de den Titel von Kap.13 in der Über­set­zung der Biblio­thek der Kir­chen­vä­ter (BKV) beson­ders knackig:
    Kap.13: Damit man den Hei­den kein Ärger­nis gebe durch Taten zu tun, die gegen die Leh­re von Chri­sti sind.
    Hier wird sehr früh schon fest­ge­stellt daß es anstän­di­ge Hei­den gibt, die abge­sto­ßen wer­den von „christ­li­chen“ Per­so­nen, deren Hand­lun­gen und Wor­ten kom­plett gegen die Wor­te und die Taten Unse­res Herrn Jesu Chri­sti eingehen.
    Das ist aktu­el­ler denn je.

    • Die­se Deu­tung Ber­gers (Ich habe sei­ne Über­set­zung des NT und der früh­christ­li­chen Schrif­ten eben­falls hier ste­hen) über­zeugt mich aber nicht, weil sie mir in den nun mal gesetz­ten Wor­ten nicht ent­hal­ten scheint.

      Das mag an mir lie­gen, aber ich bin kein Freund von Deu­tun­gen, die zu weit über den Wort­laut eines Tex­tes hin­aus­ge­hen oder gar nahe­zu das Gegen­teil besa­gen. Ber­ger tut das aber m.E sehr oft, weil er einer ganz bestimm­ten „Über­set­zungs­theo­rie“ anhängt, die mir nicht rich­tig erscheint bzw. die ich sogar ableh­ne, eben weil sie mir zu tief über den offen­kun­di­gen Sinn der Wor­te ver­fü­gen will, indem sie ihn sehr weit vom Wort­laut entfernt.

      Mei­ne Kri­tik hal­te ich daher aufrecht.

      Zustim­men will ich Ihnen aber in jeder Hin­sicht, was Ihren letz­ten Hin­weis auf die wohl von Anfang an typi­sche, christ­li­che „Dop­pel­mo­ral“ betrifft.
      Ich weiß nicht, ob wir das Pro­blem heu­te mehr denn je haben.
      Man ist ja geneigt, die Ver­gan­gen­heit eher zu ver­klä­ren und die Gegen­wart eher zu bekla­gen (eine psy­cho­lo­gi­sche Konstante).
      Aber fest steht: Wir haben das Pro­blem und nicht nur dies: Wir haben sogar den offe­nen Wider­spruch zur Lehre.
      Und das, lie­ber @ Adri­en Antoine, ist kei­ne „Dop­pel­mo­ral“ mehr, son­dern ein voll­stän­di­ger, regel­rech­ter Glau­bens- und damit auch Moralverlust.
      Es ist noch dra­ma­ti­scher als in die­ser Homilie!

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