(Paris) New Liturgical Movement und Paix Liturgique führten ein Interview mit Henri Adam de Villiers, dem Leiter der Choralschola Saint Cécile. Die Schola besteht an der Pfarrei Sainte Eugà¨ne in Paris, deren Pfarrleben seit 1985 birituell stattfindet. Neben der ordentlichen Form wird gleichberechtigt auch die außerordentliche Form des Römischen Ritus gepflegt. Die Choralschola Saint Cécile wird bei der IV. Internationalen Wallfahrt der Tradition Populus Summorum Pontificum zum Grab des Apostelfürsten Petrus bei den Meßfeiern singen. Dies gilt vor allem für den Höhepunkt der Wallfahrt, dem Pontifikalamt im überlieferten Ritus im Petersdom am 24. Oktober. Die Wallfahrt findet vom 22.–25. Oktober in Rom statt. Paix Liturgique veröffentlichte das Interview in seinem 61. Brief in deutscher Sprache.
Guten Tag, Henri! Zum zweiten Mal seit 2013 kommt die „Schola Sainte Cécile“ zur Wallfahrt Summorum Pontificum nach Rom. Erklären Sie bitte diese Verbundenheit!
Henri Adam de Villiers: Es ist gleichzeitig eine Ehre und eine große Freude für uns, nach Rom zu kommen, um an der Wallfahrt Summorum Pontificum teilzunehmen. Es ist eine Ehre, denn zur internationalen Pilgerfahrt versammeln sich Gläubige aus allen vier Himmelsrichtungen, die zusammenkommen, um Gott am Stuhl des heiligen Petrus zu danken. Mit der Teilnahme an dieser Pilgerfahrt kommen die Gläubigen, um zu zeigen, wie die traditionelle Liturgie Teil ihrer Bekehrung und ihres täglichen christlichen Lebens ist. Das bedeutet, dass wir unser Bestes geben werden, um die Offizien und die Messe noch schöner und herrlicher und „außerordentlicher“ zu machen, als den Rest unseres alltäglichen Lebens!
Es ist auch eine große Freude und zugegeben sehr bewegend, ganz nahe an den wichtigsten Plätzen unseres katholischen Glaubens zu singen. Letztes Mal, vor zwei Jahren, war ich im Petersdom den Tränen nahe: so stark hat mich das Geschehen mitgenommen, in einer heiligen Messe über dem Petrusgrab zu singen.
Würden Sie uns das Programm verraten, das Sie für die Wallfahrt geplant haben?
Henri Adam de Villiers: Gregorianischer Choral wird den ersten Platz innehaben, dann werden wir auch jede einzelne Messe mitsingen, wie es gewöhnlich der Fall ist.
Die Polyphonie dieses Jahr ist ein wenig außergewöhnlich. Wir wollen die Balkone in verschiedenen römischen Kirchen nutzen, um mehrchörige Stücke zu singen (wie wir es vor zwei Jahren getan haben), mit einer Technik, die „cori spezzati“ heißt, also: „verteilter Chor“, wobei die Choristen ihre Plätze auf verschiedenen Balkonen oder Tribünen einnehmen und sich gegenseitig antworten, auf ziemlich dynamische Weise. So wird ein Rundumklang erzeugt. „Cori spezzati“ kamen in Rom von der Renaissance bis zum Ende des 18. Jahrhunderts zum Einsatz.
So werden wir am 22. Oktober die Vesper und den Segen in der Kirche Santissima Trinità dei Pellegrini mit drei Chören singen.
Aber besonders während des Pontifikalamtes am Freitag, dem 23. Oktober werden wir diese Mehrchörigkeit zum Einsatz bringen, und die außergewöhnliche Akustik der Tribünen in der Kirche Santa Maria in Campitelli ausnutzen. Dort werden wir Antoine Charpentier’s Messe für vier Chöre singen (H.4), eines seiner Meisterwerke. Es wird selten aufgeführt, da es sehr schwierig ist: 16 stimmig mit instrumentaler Begleitung! Es gibt einige Hinweise darauf, dass Charpentier die Messe komponiert hat, während er in Rom war. Ohne Frage hat er die Mehrchörigkeit in der ewigen Stadt entdeckt: seine Handschriften beinhalten eine Kopie einer Messe für vier Chöre von einem römischen Komponisten, Francesco Beretta, der Kantor des Vatikans war und den Charpentier während seines Aufenthaltes getroffen hatte.
Zusätzlich zur vier-chörigen Messe von Charpentier werden wir drei zwei-chörige Motetten singen:
„Beati estis“, mit dem Text der achten Seligpreisung von Peter Philips, einem englischen Priester, der im 17. Jahrhundert nach Rom ins Exil geschickt wurde, weil er dem katholischen Glauben treu war (er war der Kantor des Englischen Kollegs in Rom);
„Vox Domini“ von Eustache du Caurroy, Chormeister des französischen Königs Heinrich IV. (1589–1610) und leidenschaftlicher Förderer der mehrchörigen Polyphonie in Frankreich;
„Omnes gentes plaudite manibus“ von Guillaume Bouygnac. Dies wird wohl das erste Mal seit dem 17. Jahrhunderts sein, daß dieses Stück für acht Stimmen aufgeführt werden wird.
Die Akustik im Petersdom, wo wir die Freude haben werden, am 24. Oktober die Messe des hl. Raphael zu singen, wird sicherlich eine Herausforderung. Trotzdem werden wir „Angeli, Archangeli“ (Engel, Erzengel) singen, eine großartige zweichörige Motette von Jean Veillot, Kantor von Ludwig XIV., und das reizende „Pange Lingua“ von Michel-Richard de Lalande, einem anderen königlichen Kantor von Ludwig XIV. Dieses Jahr werden wir von zwei Barockposaunen begleitet, einem Vorgänger der Posaune.
Ihr Chor besteht aus Laien, der aber mit professionellen Chören mithalten kann. Was ist das Geheimnis Ihrer Harmonie?
Henri Adam de Villiers: Nun, da gibt es eigentlich kein Geheimnis. Wir singen von Gott allein und für Gott allein in der traditionellen Liturgie. Die Liturgie ist eine Herausforderung. Man kann nicht einfach irgend etwas tun, und das persönliche Empfinden muß zurückstehen, denn man muß vor allem der jahrhundertealten Tradition der Sakralmusik folgen. Die traditionelle Liturgie hat ihre eigenen Ansprüche, das bedeutet auch, daß es eine wirkliche Schule und einen Maßstab gibt, der uns hochzieht und der uns dazu bringt, das Beste zu geben. Darum hat die Liturgie in ihrer Geschichte so viele künstlerische Wunder hervorgebracht, nicht nur musikalisch, sondern auch in den anderen Künsten, vor allem der Architektur. Rom ist natürlich besonders durch diese Wunder geprägt. Ich glaube, daß unsere Choristen – die alle einfache Pfarrmitglieder sind – in diesem Aspekt sehr sensibel sind: Ihr großzügiges persönliches Engagement ist eine enthusiastische Antwort auf unser Ziel, die natürliche Schönheit der traditionellen Liturgie erstrahlen zu lassen. Gott ist das höchste Gut, und die höchste Schönheit – die Liturgie ist ein Vorgeschmack Seiner Herrlichkeit, eine Epiphanie, Himmel auf Erden. Mittelmäßigkeit kann hier nicht erlaubt sein!
Meine Arbeit als Kantor der Schola Saint Cécile bedeutet vor allem, selber zu lernen, woraus die traditionelle Sakralmusik des Westens besteht, die selber nur durch ein gutes Wissen der liturgischen und musikalischen Tradition des christlichen Ostens verstanden werden kann. Wir haben die Freude, Arbeiten aus dem breiten Repertoire der westlichen Sakralmusik aufzuführen an genau dem Ort, für den sie bestimmt war, wobei sie normalerweise nur in Konzerten gewürdigt wird. Wenn sie aber ihrem eigentlichen Sinn dienen, Gott zu verherrlichen, dann nehmen sie vollkommene Gestalt an, anstelle einer tragischen Amputation, wie im Falle ihrer Aufführung außerhalb der Liturgie. Wir bringen wieder hervorragende vergessene Stücke zum Vorschein, die normalerweise in den großen Regalen von Bibliotheken verstauben und wir führen regelmäßig originelle liturgische Projekte auf, wie den mozarabischen Ritus von Toledo, oder den ambrosianischen Ritus von Mailand. Das kann unsere Choristen nur motivieren!
Nicht zuletzt glaube ich, daß zusammen Musizieren auch zusammen Wachsen bedeutet. Für den Herrn zu singen gibt dem Ganzen eine besondere Dimension, eine Dimension der geistlichen Einheit: wir teilen viel mehr miteinander als nur Musiknoten.
Text: Paix Liturgique
Bild: Paix Liturgique